Short Cuts
Eine Nachforschung
Vorwort
Strategie: entfernte Bekannte
Moral und Funktion
Revolutionäre Politik in der bürgerlichen Gesellschaft
Die Flucht in den Minimalismus - eine Erfolgsgeschichte
Praktische Grenze der Politik: Gesellschaftstheorie
Das Subjekt ist ein Wort
Sinn und sinnvoll
Die Irrationalität vernünftiger Analysen
Konfrontation ohne Sieg
Kurzes, allzu politisches Nachwort
Die Flucht in den Minimalismus - eine Erfolgsgeschichte
"Ist nicht die Gefahr bereits greifbar, daß ohne eine im
gesellschaftlichen Prozeß erkennbar wirkende Linke selbst die bürgerlich-demokratische Verfassung des
Landes und erst recht eine emanzipatorisch orientierte Gestaltungsfähigkeit auf allen Ebenen, auch
hier in Frankfurt, auf der Strecke bleibt?" Was hier Heiner Halberstadt, das "Urgestein der
Frankfurter Linken" vorsichtig als rhetorische Frage formuliert - man
fragt ja heute, ob da nicht vielleicht jemand im Bürgertum bereit ist, der
Linken eine Aufgabe zu zubilligen - das ist der zeitgemäße
Programmentwurf.
Wer wollte leugnen, dass Verfassung und Rechtsstaat vom
Marktliberalismus und der dessen Folgen regelnden Innere Sicherheits-Doktrin Stück um Stück demontiert
werden, dass Verfassungspfeiler wie die Unverletztlichkeit der Wohnung, die
Gewaltenteilung oder die föderative Struktur der BRD Spielball parteipolitischer Händel
sind?
Und sucht nicht die Linke nach einer Aufgabe, einem einigenden Ziel,
darbt sie nicht, ob ihrer Zersplitterung? All die defensiven Mühen, die hart erarbeiteten
Aufklärungspartikel - fügen sie sich nicht unter diesem Blick trefflich zusammen? Die Linke kämpft um den
bürgerlichen Rechtsstaat, wenn die Dynamik der kapitalistischen
Wirtschaftsform ihn hinweg zu fegen droht. Die Linke: der wahre
Verfassungsschutz.
Immerhin, mag man einwenden und die Polemik billig nennen, immerhin
gilt es zu verhindern, dass es, nachdem es schlimmer kam, noch schlimmer
kommt. Denn der Unterschied ist nur denen egal, die den eigenen Arsch im
Trocknen haben und die denen, die ihn dort nicht haben mit dem Zynismus
der Abstraktion kommen können.
Die Frage, was die radikale Linke mit der Verfassung zu schaffen hat,
wenn demokratisch gewählte PolitkerInnen sie abschaffen, stellte sich das
letzte Mal, als eine große Koalition GG Art. 16 "Politisch Verfolgte
genießen Asyl" zu Tode reformierte. Gegen die Argumente der
BürgerrechtlerInnen wurde damals die Verteidigung materieller
Möglichkeiten, die ein ausgehöhltes aber noch vorhandenes Grundrecht
gewährt, ins Zentrum der Kritik gerückt. Die Lücken für den "Missbrauch
der Asylgesetze" und nicht die Verfassung, galt es zu bewahren; der
Bundestag sollte blockiert, nicht beschützt werden.
Es ist der Unterschied ums Ganze, ob die Rücknahme bürgerlicher
Errungenschaften wegen der unmittelbaren Folgen bekämpft wird oder wegen
der historischen Rückschrittlichkeit, die doch nur dem gewahr sein kann,
der die Katastrophe des bürgerlichen Fortschritts nie kennenlernte. Was in
der großzügigen Zusammenschau der prekär werdenden Existenz der Verfassung
und einer irgendwie "erkennbar wirkenden Linken" als zu vernachlässigendes
Detail verschwindet, ist die Tatsache, dass die Linke in der bürgerlichen
Gesellschaft manchmal eine regulative Funktion hat, oft eine
Modernisierungsfunktion, mitunter auch eine integrierende, gewiss aber
keine konstituierende.
Die Linke, die sich um die Rolle des Bewahrerin der Demokratie (alte
Fassung) drängelt, bewahrt nicht den schlechten Status Quo vor Ärgerem,
sondern sich selbst vor dem drohenden Überflüssigwerden im politischen
Geschäft. Sie bleibt im Rahmen - nämlich am linken Rand - und hält da ein
klein bisschen Hof. Diese Linke wird sich nicht - natürlich nicht - durch
ihre angezeigte Wirkung auszeichnen, sondern durch die Raffinesse ihrer
Existenzsicherung im Kreis der Vernünftigen.
Wieso das hier so breit abgefeiert wird? Es ist dieses Annehmen des
allgemeinsten Maß', dieses "irgendwie dem Rechtsstaat zum einstweiligen
Behaupten vor dem absolut schauderhaften verhelfen wollen" die gefühlsmäßige Ebene, auf der man/frau linksaußen
das sinnhafte Auskommen sucht. Als letzter Halt vor dem Nichts, der Sinnlosigkeit,
dem Zynismus. Da es ja echte liberale, betroffene, erboste BürgerInnen gibt, nimmt man/frau
die Erfahrung als Beweis daß es einen historischen Kampf an dieser Nahtstelle gibt. Nicht einfach
Kämpfe bei dieser Kommunalbehörde, gegen jene Schweinerei, sondern den letzten Kampf
dieser Zeit, dem man/frau nun trotz aller Widersprüche dienen will.
Praktische Grenze der Politik: Gesellschaftstheorie