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von Wu-ming Yi
Am 23. Juli 2001 schreibt Michael Braun in die tageszeitung zu den Riots in Genua
"Gewollte Gewalt.
Zwei Tage lang war die Polizei unfähig, die Autonomen zu stoppen. Dies war ihre Taktik." Die Polizei
als Ihr freundlicher Riothelfer? Erste Reaktion war selbstverständlich der unvermeidliche "taz lügt!"-Reflex.
Doch am selben Tag erreicht uns ein Erlebnisbericht von Wu-ming Yi, Mitglied des Autoren- und
AktivistenInnenkollektivs Wu-ming und
bekennender Träger weißer Overalls.
Dieser Bericht bestätigt in gewisser
Weise den taz-Artikel und ermöglicht es gleichzeitig, dessen Informationen gegen ihre tradierte ideologische
Trennung von gewalt- und nicht-gewaltförmigen Protest zu lesen. Und nicht zuletzt macht er auf die
Dringlichkeit aufmerksam, ebenso auf der anderen Seite der Barrikaden liebgewonnene Traditionen aus
den 80er Jahren zu überdenken. Grund genug für die farce, den Text in einer eigenen Übersetzung zu
bringen.Die Red.
Ich war in Genua, und als ich zurückkam war ich total fertig, wütend, enttäuscht und fiebrig, weil ich
Bänderrisse in den Knien hatte, und völlig heiser. Und ich sage: Geht nicht Anarchisten jagen, kriminalisiert
nicht den Schwarzen Block. Es ist unsere Pflicht eine Linie zu ziehen zwischen dem Schwarzen Block und dem,
was in Genua passierte. Es ist unsere Pflicht, nicht jeden, der direkte Aktionen in Genua machte, als
verkleideten Carabiniere zu bezeichnen. Pogrome und paranoide Konspirationstheorien gehören nicht zu
unserer (politischen) Kultur.
Letzten Freitag waren in Genua ein paar deutsche Anarchisten aus dem Schwarzen Block. Sie trafen so präzise
Ziele wie Banken und große Firmenbüros. Sie hatten keinesfalls vor, andere Demonstranten anzugreifen.
Am Samstag traf sich ein holländischer Journalist des Vrij Neederland Zeitung mit ihnen als sie dabei
waren zu packen und wohl nach Deutschland zurückzukehren. Sie erzählten ihm, sie seien total sauer darauf,
was andere "Men in Black" angerichtet hätten. Was tatsächlich am Samstag abging, hatte nur sehr wenig mit
dem Modus Operandi des Schwarzen Blocks zu tun: Der Schwarze Block hat eine Methode. Man kann mit ihnen
uneins sein, aber dennoch, sie gehen methodisch vor und ziehen ihr eigenes Ding durch, ohne in andere
Aktionsformen einzugreifen. Im Gegensatz dazu haben in Genua die Carabinieri die Schlägertypen den ganzen
Tag eskortiert und immer in Ruhe gelassen, nicht weil sie dafür zu schnell und zu unorganisiert waren,
wie irgend jemand kommentierte. Nein, sie hatten alle Zeit der Welt um in Banken zu gehen, diese ganz
akkurat zusammenzuschlagen und anzuzünden, eine Operation, die länger dauert als nur eine Viertelstunde.
Währenddessen hingen die Carabinieri auf der Straße rum und warteten auf sie.
Als die Schlägertypen herauskamen, ging die Magical Mistery Tour weiter. Die Carabinieri begleiteten
die Schläger ganz ruhig - grade so als würden sie ihre Hunde ausführen - hin zu Plätzen, an denen viele
andere Leute (von der GSF) auf andere Weise demonstrierten. Dafür gibt es Hunderte von Zeugen. Den
ganzen Weg entlang griffen die "Men in Black" kleine Läden an, zündeten Autos an, die bestimmt nicht
Millionären gehörten, zerstörten sehr kleine Tankstellen und so weiter. Dann wurden sie auf dem Platz
von der Kette gelassen, auf dem Hunderte von Mitgliedern des Lilliput Netzwerks ein Sit-In veranstalteten.
Die Carabinieri folgten ihnen und schlugen Frauen und Kinder, Pfadfinder, friedliche Demonstranten
zusammen. Dann gingen Carabinieri und Schläger weiter zum Sammlungspunkt in der Piazza Kennedy. Die
Carabinieri stürmten den Platz, dann nahm das muntere Treiben Kurs auf den Brignole Bahnhof und
lief schnurstracks mitten in die Demonstration des Blocks des zivilen Ungehorsams, die immer
noch weit von der Roten Zone entfernt war. Die Carabinieri nahmen die Demonstranten fest. In der
Zwischenzeit brachen einigen der gefaketen Schwarzblöckler in die Reihen der Weißen Overalls an
und verletzten einige Genossen. Ein großer und kräftiger Genosse vom venezianischen besetzten
Haus "Rivolta" wurde von einem Typ niedergeschlagen, der sicher ein sehr gut trainierter
Kampfsportler war. Danach griffen die Carabinieri die Demo noch sieben Stunden lang an, während
die Leute versuchten, zurück zum Carlini Stadion zu kommen. Der letzte Angriff fand weniger als
500 Meter vom Campingplatz entfernt statt. Die Men in Black waren mittlerweile allesamt verschwunden.
Das hat nichts zu tun mit der Praxis des Schwarzen Blocks. Tatsächlich sahen viele Leute diese gefaketen
Schwarzblöckler, wie sie aus den Transportern der Carabinieri kamen, die Hasskappe überzogen und damit
anfingen, die Hölle zu entfachen, sie sahen Schläger, wie sie mit Polizisten ihre Pläne diskutieren,
Carabinieri, die gefaketen Schwarzblöcklern Brecheisen gaben etc. Die Presse berichtet über diese
Geschichten, und das nationale Fernsehen zeigt schockierendes Filmmaterial.
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