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Ohne Papiere in Europa
Illegalisierung der Migration – Selbstorganisation und Unterstützungsprojekte in Westeuropa


Im folgenden veröffentlichen wir in noch nicht endgültiger Fassung die Einleitung und zwei Textauszüge des Buches Ohne Papiere in Europa, das voraussichtlich noch im Dezember diesen Jahres bei einem Zusammenschluss der Verlage Schwarze Risse, VLA und Rote Straße erscheinen wird. Die von verschiedenen AktivistInnen der Kampagne kein mensch ist illegal zusammengestellte Textsammlung erscheint in gemeinsamer HerausgeberInnenschaft mit den beteiligten AutorInnen und Gruppen.

In dem Buch wird die Situation von illegalisierten MigrantInnen in elf verschiedenen europäischen Ländern beschrieben und Projekte von Unterstützungsgruppen und der Selbstorganisierung von Illegalisierten vorgestellt. Vier Hauptartikel beschäftigen sich mit Frankreich, England, der BRD und den Niederlanden, weitere Texte beziehen sich auf Polen, Italien, Spanien, auf die Schweiz, auf Österreich, Belgien und Portugal. Außer diesen Länderberichten erscheint ein Text zur Hausarbeit von Frauen in der EU und ein Nachwort zu den neueren Entwicklungen in der EU.

Ohne Papiere in Europa wird etwa einen Umfang von 180 Seiten haben und ca. 18 DM kosten. Im März 2000 wird eine englische Fassung des Buches erscheinen.

"Illegalisierung der Migration" beschreibt keinen klar definierten Zustand sondern einen verschiebbaren, staatlich konstruierten Prozeß. EU–weit leben mittlerweile schätzungsweise 3 - 4,5 Millionen Menschen ohne Aufenthaltsstatus, weitreichende Rechtlosigkeit prägt die Lebenssituation einer wachsenden Zahl von MigrantInnen. Illegalisierung bezeichnet auch in Westeuropa einen zunehmend zentralen Aspekt im gesamten Spektrum der Migration. In einigen Staaten, insbesondere in der BRD, ist eine drastische Steigerung feststellbar. In anderen Ländern liegt die Bedeutung eher in der Verschärfung der bestehenden Situation für die Betroffenen. Denn Passlosigkeit spielte bis vor wenigen Jahren, besonders in Großbritannien, eine eher untergeordnete Rolle. Auch in den Niederlanden, in Frankreich oder in Südeuropa waren Registrierungssysteme nicht derart durchgesetzt, dass Papierlose quasi automatisch in die Rechtlosigkeit gedrängt wurden. Zugang zum (legalen!) Arbeits- und Wohnungsmarkt, zu staatlicher Gesundheits- oder gar Sozialversorgung war nicht oder nur teilweise an einen Aufenthaltsstatus gebunden. Doch in erster Linie über das Schengener (Zusatz-)Abkommen und unter dem schönfärberischen Deckmantel sogenannter EU-Harmonisierungen vorangetrieben wurden zunehmend die aus der BRD oktroyierten Kontrollmechanismen eingeführt. Gezielte Razzien gegen "Illegale" gehören heute zur Realität fast aller europäischen Metropolen, der "gemeinsamen Bekämpfung der illegalen Migration" sind regelmäßige internationale Konferenzen gewidmet. EU-weit verschärfte Visa-Bestimmungen, eingeschränkte Möglichkeiten der Familienzusammenführung bis hin zur Konstruktion sogenannter sicherer Drittstaaten läßt dem Gros der MigrantInnen keine andere Wahl als "illegal einzureisen". Die Landung auf einem Flughafen oder der Schritt über eine Grenze verwandelt Flüchtlinge in "Illegale". Ein Teil davon legalisiert sich zumindest vorübergehend im Asylverfahren. Doch die Anerkennungsquoten sind europaweit gering und wer dann nicht "freiwillig" geht oder abgeschoben wird, muss untertauchen. Insgesamt haben sich die Möglichkeiten, langfristig einen regulären Aufenthaltsstatus zu erhalten, in allen europäischen Ländern drastisch verringert. Vor diesem Hintergrund entscheiden sich mehr und mehr MigrantInnen, solange wie möglich unregistriert zu bleiben. Sie leben mit falschen oder geliehenen Papieren. Sich in diesem rechtlosen Zustand zu behaupten fällt schwer, insbesondere Frauen und Familien sind dazu dauerhaft kaum in der Lage. Doch für viele stellt die Illegalität die einzige Alternative zur Ausweisung oder Abschiebung dar. Sie organisieren ihr (Über-) Leben in Familienbeziehungen bzw. in Community-Strukturen. Entgegen der oft verbreiteten Medienbilder der "kriminellen, illegalen Ausländer" zwingt Illegalisierung eher zur "Rechtstreue". Denn jeder kleinste Gesetzesverstoß, sei es nur Schwarzfahren oder Kaufhausdiebstahl, kann Entdeckung und Abschiebung zur Folge haben. Illegalisierte haben vor allem eines gemeinsam: sie haben keine Papiere und entsprechend kaum oder keine Rechte. Darüber hinaus zeichnet Illegalisierung ein vielfältiges, komplexes Bild. In diesem spiegeln und fokussieren sich zentrale gesamtgesellschaftliche Widersprüche und Auseinandersetzungen.

Im März 1996 besetzen 300 afrikanische EinwandererInnen eine Kirche in Paris. "Papiere für alle" lautet ihre zentrale Forderung, die Bewegung der sans papiers nimmt ihren Anfang und entwickelt in den folgenden Monaten eine für europäische Verhältnisse einzigartige Dynamik. Wenn heute Kirchen in Belgien, in den Niederlanden oder in Deutschland besetzt sind, wenn der Prozeß der Selbstorganisierung von illegalisierten MigrantInnen in den letzten Jahren in vielen europäischen Ländern einen Aufschwung erlebt hat, dann liegt ein wesentlicher Impuls ganz sicher im mutigen und ausdauernden Kampf der sans papiers. Die multinational zusammengesetzten Kollektive der sans papiers halten wir für den am meisten entwickelten Gegenpol zum zunehmend durch Schengen strukturierten Europa. Ihr Kampf um "Papiere für alle", der Widerstand der Illegalisierten insgesamt hat in unseren Augen eine grundlegende und exemplarische Bedeutung. Denn - erstens – fungieren Illegalisierung und Entrechtung von MigrantInnen in mehrfacher Weise als Speerspitze des Umbruchs in den Metropolen. In der Ausbeutungshierarchie stehen Illegalisierte auf der untersten Stufe. Billigstlöhne ohne Sozialleistungen bringen nicht nur Extraprofite sondern dienen gleichzeitig der Drohung und Disziplinierung aller ArbeiterInnen. Bedingungen und Entwicklungen sind in den verschiedenen europäischen Ländern sehr unterschiedlich ausgeprägt, doch die Anforderungen der Arbeitsmärkte bilden überall einen gewichtigen Aspekt der staatlichen Regulierungsversuche, gerade auch gegenüber der illegalen Migration. Parallel dazu werden die Garantien auf ein offizielles Existenzminimum abgeschafft. An bestimmten, noch legalen (!) Flüchtlingsgruppen wird zum Beispiel in der BRD der teilweise oder gänzliche Ausschluß von Sozialleistungen vorexerziert. In diesem Angriff steckt die Drohung der Ausweitung auf andere soziale Gruppen. Doch theoretisch naheliegende Solidaritäten entstehen nur in seltenen Fällen, im Gegenteil: Denn mit und an der Ausgrenzung und Entrechtung bestimmter Gruppen schaffen sich neue, aggressive Identitäten. Ob regional, national oder europäisch ausgeprägt, insbesondere das verbreitete Feindbild der "illegalen, kriminellen Ausländer" gibt die Plattform ab für einen in vielen Ländern dominanten rassistischen Formierungsprozeß, der zu Recht als "Stigma-Regime" zu bezeichnen ist.

Die ethnischen Konstruktionen und Projektionen aufzubrechen, das nahezu perfektionierte Zusammenspiel der Hetze und Gesetze anzugreifen, sehen wir als eine zentrale Herausforderung an die antirassistischen Initiativen in Westeuropa. Perspektivisch muß damit ein Ansatz verknüpft sein, der sich - einmal mehr in Frankreich am meisten entwickelt - recht treffend in der dortigen Parole von der "Bewegung der Ohne" ausdrückt. Ohne Arbeit, ohne Wohnung, ohne Papiere, ohne Geld und ohne Rechte - der Versuch, die konstruierten Identitäten aufzulösen, die Spaltungslinien zurückzudrängen und Brücken zu schlagen zwischen verschiedenen Terrains, läßt sich allein in einem übergreifenden sozialen und politischen Kampf bewerkstelligen. Dem Kampf der Illegalisierten kommt darin besondere Bedeutung zu.

Zweitens sind Flüchtlingsbewegungen und ihre Kämpfe in den meisten europäischen Ländern ein Phänomen der 80er Jahre. Linke Solidaritäts- und Unterstützungsarbeit hat diesbezüglich eine noch kurze und schon wechselhafte Geschichte. Eine Erwartungshaltung, die in den Flüchtlingen die besseren Menschen sah und auf neue revolutionäre Subjekte hoffte, mußte schnell enttäuscht werden. Diese Vorstellungen entsprangen zumindest funktionalisierenden, wenn nicht - positiv - rassistischen Projektionen. Doch die Motivation für Unterstützungsprojekte erschöpft sich deswegen nicht in moralischen Verpflichtungen. Es bleibt richtig: Migration konfrontiert mit den weltweiten Ungerechtigkeiten, die hier in Westeuropa einen Ursprung haben. Seit 1989 wird das Ausbeutungsgefälle völlig ungehemmt immer weiter und tiefer nach Osteuropa hineingetrieben. Der Wertraub aus den drei südlichen Kontinenten führt zu einer ständig zunehmenden Einkommenskluft zwischen dem Süden und Norden. Im Hinblick darauf hat Migration einen egalitären Charakter, ein zentraler Ausbeutungsmechanismus wird vielfach unterlaufen und damit angegriffen. Auch wenn vor allem Arme, Alte und Familien an den gesteigerten Gefahren und Kosten einer Flucht in die europäischen Metropolen scheitern, spiegelt sich dennoch der Anspruch auf gesicherte Existenz in der heute fast gänzlich illegalisierten Migrationsbewegung. Geld wird an die zurückgebliebenen Familien überwiesen, Migrationsketten entwickeln sich. Die Lebenssituationen und Kampfbedingungen von Illegalisierten variieren in den jeweiligen Staaten beträchtlich. Die Rigidität in der Abschiebepraxis, die Spielräume bei Legalisierungsprogrammen und die reformistisch-humanitären Einflussnahmen sind sehr unterschiedlich. Unterschiedliche Kolonialgeschichte und Anwerbeprogramme, verschiedene Staatsbürgerschaften sowie Melde- und Kontrollsysteme prägen die Differenzen bis heute. Doch die Entwicklungen zielen EU-weit auf sich angleichende Kombinationen von Integration und Ausgrenzung. Bleiberechtskämpfe, vor allem wenn sie kollektiv und in internationaler Zusammensetzung geführt werden, und der kompromisslose Widerstand gegen Abschiebungen stellen diese Politik in Frage. Die Forderungen nach "Circulaire libre", nach freier Zuwanderung, offenen Grenzen und kein mensch ist illegal symbolisieren die völlige Unvereinbarkeit mit den herrschenden Zuständen.

 

Illegalisierte MigrantInnen in den Niederlanden

Grundsätzlich kann man für den Zeitraum der letzten 30 Jahre drei verschiedene Phasen festhalten, in denen sich die soziale Situation der illegalisierten MigrantInnen jeweils veränderte. Die erste Phase war die der "spontanen ArbeitsmigrantInnen", die ohne große Probleme legalisiert wurden und Arbeit fanden. In der zweiten Phase wurden nur bestimmte Gruppen von illegalierten ArbeiterInnen zugelassen und ihnen die Möglichkeit gegeben, sich selbst durchzuschlagen. Die dritte Phase erleben wir jetzt: die Verdrängung und Ausweisung von illegalisierten MigrantInnen.

Eine erste große Änderung in der Migrationspolitik begann in den 80er Jahren. Nach der offiziellen Regierungslinie war Holland nunmehr kein Einwanderungsland mehr. Die wirtschaftlichen Probleme am Ende der 70er Jahre verursachten allerdings diesen Linienwechsel. Die alltägliche Praxis sah jedoch anders aus. Tatsächlich gab es in dieser Zeit einige größere Gruppe von Illegalisierter, die legalisiert wurden. Zum Ende der 80er Jahre hin wurde dies allerdings durch eine mehr und mehr restriktive Politik ersetzt.

Schon bevor die Zahl der Asylsuchenden zu Beginn der 80er Jahren anstieg, bestanden schon leichte Restriktionen in der Einwanderungspolitik. Allerdings veränderten sich Bedingungen deutlicher mit dem Beginn der Diskussion zu den Schengen-Übereinkommen seit 1985. Die Möglichkeit dieses Abkommens führte zu einiger Panik innerhalb der Niederlanden. Man vermutete, daß aus anderen europäischen Ländern Einreisende kommen würden, um "vom Sozialsystem und vom Wohlstand zu profitieren"; vor allem aber meinte man, die Zahl der MigrantInnen würde in dem Moment steigen, wenn die Grenzen fallen. Daher wurde 1989 eine Sonderkommission gebildet, um diese Auswirkungen zu untersuchen und effektive Kontrollen gegen die "Fremden" zu ergreifen. Nach zwei Jahren machte diese Kommission u.a. folgende Vorschläge:

- stärkere administrative Kontrollen einzuführen, insbesondere bei den sozialen Sicherheitssystemen;

- ein effektiveres Identifikationssystem einzuführen;

- mit neuen gesetzlichen Maßnahmen die illegal Eingereisten vom sozialen Sicherungssystem auszuschliessen;

- hinter den faktischen Grenzen, insbesondere im Umfeld der größeren Städte, sollen die Kontrollen verstärkt werden, indem Polizei und Militärpolizei aufgerüstet werden.

Diese stärkeren administrativen Kontrollen erfordern eine effektive Verwaltung, ein Projekt, an dem die Regierung bereits zu Beginn der 80er Jahre interessiert war. Es gab zwei bedeutsame Entwicklungen: die Umstellung der Computer-Registrierung auf ein städtisches Grunddatensystem (GBA, nl.), die Umstellung der Registrierung bei der Fremdenpolizei zu einem "Fremden-Verwaltungs-System" (VAS, nl.). 1991 wurden beide Systeme verkoppelt. Es dauerte drei Jahre, um diese Datensysteme einsatzfähig zu haben..

Eine dritte wichtige Entwicklung bezieht sich auf die Fiskal-Kennziffer (SOFI); sie etablierte sich mehr und mehr zu einem tatsächlichen Identifizierungscode in allen Registern. Bis zum 1. November 1991 war es möglich, eine derartige Kennziffer dadurch zu erhalten, in dem man sich als SteuerzahlerIn mit dem Pass auswies. Dadurch erhielt man die Möglichkeit der legalen Arbeitssuche. Diese Arbeit wiederum ermöglichte die Teilnahme am Steuersystem und an dem Sozialsystem. Illegalisierte konnten dadurch nahezu legal werden. Die Tatsache, Steuern zu zahlen und andere Beiträge, ermöglichte den Zugang zu Arbeitslosengeld, Kindergeldunterstützung etc.

Seit dem 1. Nov. 1991 muß man sich - um eine Steuerziffer zu erhalten - bei der Fremdenpolizei registrieren lassen. Damit war eine erste Hürde für illegale MigrantInnen errichtet worden, um sich auf dem legalen Arbeitsmarkt zu bewegen. Die zweite Hürde folgte ein Jahr später, nachdem ein Flugzeug in Amsterdam in ein Wohngebiet abstürzte, in dem viele MigrantInnen wohnten. Die städtischen Behörden waren überzeugt, daß in diesem Gebiet, das nun zerstört worden war - man fürchtete über 200 Tote - viele illegale MigrantInnen gewohnt hätten. Seitdem war es nicht mehr möglich, sich im Einwohnerregister melden zu können, ohne nicht zuvor bei der Fremdenpolizei eine Erlaubnis erhalten zu haben. Andere Städte schlossen sich dieser Methode an. Diese Maßnahme bedeutet z.B., daß man sich nicht mehr auf dem billigeren Teil des Wohnungsmarkts bewerben kann, da dazu die Registrierung Voraussetzung ist.

1994 wurde ein neues Gesetz zur Identifikation eingeführt; damit wurden in 25 weiteren gesetzlichen Grundlagen (z. B. im Finanzbereich, im Sozialgesetz) Analogien entwickelt. Es wurde damit definiert, welche Papiere für eine Identifizierung erforderlich sind. Das führte zu einer Einschränkung illegaler Arbeit, "neue" illegale MigrantInnen sollten von dem Sozialsystem ausgegrenzt werden. Hiermit wurden die psychologischen Voraussetzungen geschaffen für andere, künftige Entwicklungen. Im gleichen Jahr wurde eine neue Fremdenverordnung erlassen, die Datenabgleiche zwischen GBA und VAS waren funktionsfähig. Somit waren die Bedingungen geschaffen, um eine neue allgemeine Einwanderungsbeschränkung zu schaffen: 1998 wurde der Datenschutz ausgehebelt, damit wurden illegale MigrantInnen vollständig vom Sozialsystem ausgeschlossen (zukünftig kann sich dies auch auf legale MigrantInnen auswirken!). Zunächst wollte man alle, die keine klare Aufenthaltsberechtigung habe, damit ausschliessen, d.h. die Mehrheit aller Flüchtlinge der letzten 5 Jahre, die nach Holland kamen. Auch jene, die legal einreisten, sollten bis zum endgültigen Entscheid über ihren Aufenthalt davon ausgeschlossen bleiben. Es entwickelte sich jedoch einiger Protest dagegen. So wurde, als das Gesetz am 1.7.1998 in Kraft trat, eine Differenzierung vorgenommen. Ausgeschlossen waren alle, die ohne Aufenthaltspapiere sind, und ansonsten entwickelte sich eine Abstufung in 18 verschiedene Kategorien: abhängig von ihrem Aufenthaltsrecht haben sie entweder keinen, einen begrenzten oder einen allgemeinen Zugang zur Sozialunterstützung. Der Datenabgleich zwischen dem Sozial- und dem Aufenthaltsgesetz kann durch alle lokalen Behörden, Schulen, Versicherungssysteme etc. vollzogen werden. Sie alle können das GAB/VAS-System befragen, um Auskunft über den Status zu erhalten. Das System wird immer auf dem neusten Stand gehalten. Man kann also sagen, daß sich hiermit ein Apartheid-Verwaltungssystem entwickelt hat.

Das Ausländergesetz von 1994
Die Pläne für ein neues Ausländergesetz reichen bis in die 60er Jahre zurück. Die Tatsache, dass es 25 Jahre dauerte, um diese Reform durchzusetzen, sagt einiges über den politischen Entscheidungsprozess in den Niederlanden aus, gleichzeitig aber auch darüber, dass der Prozess der Migration nicht in den Griff zu bekommen ist. Es gab großen Widerstand gegen alle Vorschläge zur Änderung des Gesetzes. Er ging nicht nur von den Organisationen der MigrantInnen, von Unterstützungs- und Aktionsgruppen aus, sondern kam auch von WissenschaftlerInnen, RechtsanwältInnen und sogar RichterInnen. Diese KritikerInnenkonstellation war in diesem Bereich ziemlich neu. Das Gesetz wurde vom Parlament verabschiedet, aber einige der neuen Bündnisse zwischen Gruppen und Einzelpersonen bestehen noch heute und haben den Widerstand gegen zwei andere Gesetze bestärkt.

Auch gegen die Vorschläge zu einer Identitätspflicht am Arbeitsplatz gibt es eine lange Geschichte des Widerstands. Deshalb war es überraschend, dass nur wenige das Gesetz, das zum 1. Juli 1994 in Kraft trat, bekämpften. Aus diesem Grund ergriff das Autonome Zentrum in Amsterdam die Initiative und organisierte eine landesweite Kampagne. Zentrales Thema dieser Kampagne war der Artikel des Gesetzes, der allen Beschäftigten vorschrieb, dem Arbeitgeber Kopien ihres Passes zu übergeben, um Kontrollen am Arbeitsplatz zu erleichtern. ArbeiterInnen, die ihre Papiere nicht aushändigten, sollten in der höchsten Steuerklasse besteuert werden, mit 60% ihres gesamten Bruttoeinkommens. Dieser Teil des Gesetzes sollte ein Jahr nach seiner Verabschiedung in Kraft treten. Das gab den GegnerInnen die Möglichkeit, gemeinsam dagegen zu protestieren, dass er sich speziell gegen illegalisierte MigrantInnen richtete, die mit falschen oder Papieren von jemand anderem arbeiteten. Die Kampagne begann Ende 1994 und dauerte bis zum Sommer 1998. Sie hatte eine große Öffentlichkeit, vor allem weil mit rechtlichen Mitteln gegen das Gesetz angegangen wurde. Die höchste Aufmerksamkeit bewirkte hier das Urteil eines Amsterdamer Gerichts, das entschied, dieser Teil des Gesetzes verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Schließlich wurde dieses Urteil 1998 durch den Holländischen Obersten Gerichtshof kassiert. Diejenigen, die die Kampagne führten, entschieden sich dagegen, am Europäischen Gerichtshof weiter gegen dieses Urteil anzugehen. Das wichtigste Ergebnis der Kampagne war in jedem Fall, dass ArbeiterInnen mit ganz verschiedenem Hintergrund sich entscheiden, bei der Jagd gegen illegalisierte ArbeiterInnen nicht mitzumachen. Auch hier kamen neue Bündnisse zustande. In einer großen Versammlung wurde plötzlich grundsätzlicher über die Entwicklungen diskutiert. Solche Diskussionen bewirkten, dass es gegen ein anderes Gesetz viele Gegeninitiativen gab: gegen das Datenabgleichsgesetz. Von Anfang an zielte die Kampagne gegen dieses Gesetz darauf, Initiativen im lokalen Bereich und in bestimmten Berufsgruppen im Bildungs- und Gesundheitswesen anzustoßen.

Das Abgleichsgesetz war für die Gegner der niederländischen Migrationspolitik ein Geschenk des Himmels. Tatsächlich brachte das Gesetz nichts neues, es sollte eher die rechtliche Grundlage schaffen, damit das Ausländergesetz auch in den meisten Gesetzen, die das Sozialversicherungssystem regeln, zur Anwendung kommen konnte. Das war mit einzelnen Verordnungen schon in den Jahren zuvor Schritt für Schritt verwirklicht worden. Nun aber gab das Abgleichsgesetz seinen Gegnern die Möglichkeit, das ganze Ausmaß der Umstrukturierung sichtbar zu machen und nicht nur einzelne Teile. Es wurde zwar verabschiedet, doch bis heute protestieren lokale Behörden gegen das Gesetz und weigern sich, es auszuführen.

Überlebensstrategien
Der Datenabgleich in Verbindung mit den computerisierten Registrierungen machte für die illegalisierten MigrantInnen die meisten der legalen Strategien für das Überleben zunichte. Durch andere Methoden wie z.b. der Erlangung einer Sozialversicherungs-Kennziffer waren die Möglichkeiten bereits eingeschränkt worden, aber es gab dagegen noch formale Strukturen. Diese wurden nunmehr aufgelöst, da insbesondere die Identifzierungsforderung die Grauzone zwischen legalen und illegalen Formen der Unterstützung zunichte machte.

Nunmehr können Illegalisierte nicht mehr ein "legales Leben" führen. Allerdings gab es unerwarteterweise einige Widersprüche. Z.b. befürchtete die Amsterdamer Polizei, daß bislang relativ offene Strukturen in den Communities sich gegenüber der Gesellschaft dadurch abschliessen könnten, damit wären die Möglichkeiten der Transparenz enorm erschwert worden.

In der Grauzone zwischen einer vollständig legalen und einer anderen, vollständigen illegalen Struktur ist noch vieles möglich, auch trotz der Versuche der Regierung, diese Bereiche so umfassend wie möglich zu separieren. Beispielsweise kann man noch seine SOFI-Kennziffer an eine andere Person "ausleihen"; man kann noch gültige Dokumente erhalten, wenngleich auch die Preise dafür gestiegen sind; es gibt immer noch Unternehmen, die nicht nach dem Status der MigrantInnen fragen. Selbst die größte Zeitung der Niederlande - der rechtsgerichtete "De Telegraaf" - könnte nicht ohne Unterstützung der Illegalisierten jeden Morgen ausgeteilt werden. Jedoch gehören derartige Beispiele nicht mehr in den gewöhnlichen Bereich, es handelt sich dabei eher um Ausnahmen.

MigrantInnen ohne Ausweise sind mittlerweile vollständig aus dem offiziellen Sektor ausgegrenzt. Sie bilden einen mobilen und durchaus vielfältigen Sektor, aber außerhalb des offiziellen Arbeitsmarkts und Wohlfahrtssystems. Von der Arbeit allein können sie nicht leben, von Sozialunterstützung schon gar nicht. Innerhalb ihrer Communities bilden sie selbst eine AussenseiterInnen-Position hinsichtlich des dort angegliederten (informellen und illegalen) Arbeitsmarkts. Sie lassen sich aber nicht als "Unterklasse" bezeichnen, da sie keinen legalen Status haben und in einem "vorkapitalistischen" Lohnsektor arbeiten. Auch hinsichtlich der sozialen und psychologischen Auswirkungen ist hier folgendes zu nennen: der illegale Status überschattet den gesamten sozialen Bereich. Sie müssen sich vor anderen verstecken, da sie Gefahr laufen, daß ihr Status bekannt werden könnte. Daher verläuft ihr Alltag grundsätzlich unterschiedlich: sie müssen sich mit Cover-Geschichten sichern, sich in der Öffentlichkeit bewegen lernen und gegenüber der Bürokratie und der staatlichen Autorität verhalten können.

 

 

Frank Düvell: "Viele Menschen gehen nach England, wir reden darüber recht oft und so bin ich halt auch gegangen." Papierlose in England1

Die Grundlagen der Einwanderungs- und Asylpolitik sind im Immigration Act 1971, dem Nationality Act 1981 und dem Asylum and Immigration Appeals Act 1993 festgeschrieben. Die britische Immigrationskontrolle konzentriert sich vor allem auf die Einreisekontrolle; England ist nicht Mitglied der Schengenstaaten und kontrolliert sämtliche Aussengrenzen mit der EU konsequent, nur die Einreise über Irland und Nordirland ist weniger stark reguliert. Eine Visapflicht (pre-entry clearance) gilt für derzeit rund 120 Staaten. Aufgrund der starken antirassistischen Bewegung und Kultur sind Aufenthaltskontrollen innerhalb des Landes, die sich vor allem an Nicht-Weiße richten würden, ein heißes Eisen. Seit Jahrzehnten laufen Initiativen gegen jedwede Form interner Kontrollen Sturm, die Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsgesetzgebung bildet in der Tat ein wirkungsvolles Instrument und droht hohe Strafen an. Dennoch ist dieser Trend seit dem Abebben des 'schwarzen'2 Kampfzyklus rückläufig.3 Obwohl also die offizielle Version nach wie vor lautet, "der Fokus der Einwanderungskontrolle war und bleibt ganz klar die Grenzkontrolle" hält Gordon fest "interne Kontrollen sind haben an Bedeutung gewonnen ".4 Im Vergleich mit den Einreisekontrollbehörden an den Grenzen sind die internen Aufenthaltskontrollbehörden jedoch nur schwach besetzt und ausgerüstet.

"Du kannst dich hier frei fühlen und frei sein. Nicht wie in Deutschland, das ist ein Land, das auf einem Polizeiregime basiert. Ich bin vorher in Deutschland gewesen, die Polizei würde dich dort überall anhalten und nach deinem Pass fragen und überhaupt viele Fragen stellen, was du machst und so. Du hast keine Probleme einzureisen, aber dann geht es schon los, du wirst überall beobachtet".(Zbigniew). Seit Anfang der 90er Jahre werden jedoch in diversen Behörden administrative Hürden eingebaut, die Sozial- oder Dienstleistungen an den Aufenthaltsstatus koppeln. Seit 1997 besteht auch für Arbeitgeber die Pflicht, sich Papiere vorlegen zu lassen, aus denen die Arbeitsberechtigung hervorgeht. Die Beschäftigung von MigrantInnen ohne Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis ist seit 1997 eine Straftat. Bisher hatten die internen Kontrollbehörden irreguläre Einwanderer mehr oder weniger nach dem Zufallsprinzip entlarvt. Die meisten werden durch Informationen Dritter identifiziert, seit einigen Jahren setzt die Behörde allerdings auf Sondertrupps. New Labour hat 1998 der Verfolgung und konsequenten Abschiebung von abgelehnten Asylsuchenden oberste Priorität eingeräumt.

Bis 1996 wurde der Umgang mit Flüchtlingen einigermaßen liberal gehandhabt, Restriktionen galten eher der Einreise - Visabestimmungen und die Transportunternehmer-Strafe - als jenen, die es einmal ins Land geschafft hatten. Flüchtlinge hatten die freie Wahl der Niederlassung, Anspruch auf volle Sozialleistungen und öffentlichen Wohnraum oder Wohngeld, sowie eine Arbeitserlaubnis. Die Behandlung von Flüchtlingen im Lande wurde schlussendlich 1996 mit dem neuen Asylum and Immigration Act und den Social Security (Persons from abroad) Miscelleneous Amendment Regulations 1995 enorm verschärft. Zum einen wurde zwischen an der Grenze und im Land gestellten Asylanträgen unterschieden und all jenen, die erst nach der Einreise einen Antrag stellten, jegliche soziale Unterstützung komplett verweigert. Der beabsichtigte Abschreckungseffekt hatte zur Folge, dass tatsächlich 25 % weniger Flüchtlinge einen Asylantrag stellten, im Jahr 1996 nur noch 29.000. Erst Präzedenzurteile des High Court verpflichteten die lokalen Behörden zur Anwendung des National Assistance Act von 1948, wonach Bedürftige mit Unterkunft und Verpflegung zu versorgen sind. Alle Stadträte nahmen dies wörtlich, bringen Asylsuchende in Hostels, Bed&Breakfast oder auch in Sammelunterkünften unter und stellen ihnen Essensmarken aus, darüber hinaus werden keinerlei Leistungen eingeräumt, keinerlei Bekleidung, Bettzeug, nichts, dies blieb den Kirchen und anderen humanitären Organisationen überlassen. Etwa die Hälfte aller Asylsuchenden ist davon betroffen. Auf der anderen Seite wurde das uneingeschränkte Arbeitsrecht kassiert, erst nach sechs Monaten können sie einen Antrag auf eine Arbeitserlaubnis stellen, deren Bearbeitung dann mindestens weitere sechs Monate dauert. New Labour übernahm diese Regelung entgegen aller Hoffnungen zunächst, brachte allerdings 1998 einen Gesetzesentwurf, ein White Paper on Asylum and Immigration ein, dass unter dem vorangestellten Motto, "Fairer, strenger, schneller" nichts anderes als eine Kopie des deutschen Modells darstellt: Umverteilung, Sammelunterkünfte, semi-staatliche Betreiber und Vollverpflegung.

Zur Arbeitssituation von MigrantInnen in Groß-Britannien
In London hat sich eine ausgedehnte Schattenökonomie entwickelt, in der Engländer, Schwarzarbeiter, Sozialhilfeempfänger, Studenten, Migranten oder "Illegale" Arbeit finden. Dieser Prozess ging einher mit der neo-liberalen Deregulierungsstrategie des Thatcherismus. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass Sozialleistungsempfänger ihre mageren Zuwendungen mit allerlei zusätzlicher Arbeit aufbessern, oder dass niedrig entlohntes Personal Zweit- und Drittjobs macht. Möglich ist dies zum im Bausektor, in den Hotels in West-London, in der Reinigung von Bürogebäuden in Nordost-London, in der Textilindustrie mit allein 1.500 Betrieben und Klitschen, in der Gastronomie in Nord und Ost-London, sowie in den unzähligen take aways. Dazu kommen Jobs in Großbäckereien, auf Tankstellen, in KFZ-Werkstätten oder als Fahrer. Tatsächlich sind ganze Industriezweige, insbesondere die Textilproduktion, aber auch Chemie- und Kunststoff aus der Dritten Welt nach England zurückgekehrt, seit dort marktnah, flexibel und billig produziert werden kann. "Renewing the industrial past" wird dies genannt, die Erneuerung frühkapitalistischer Arbeitsbedingungen und Löhne geht damit einher.5 Neben London trifft dies auch auf die Ballungsräume Manchester und Birmingham zu.

New Labour ist nun aber angetreten mit einem Re-Regulierungsprogramm. Die Massnahmen reichen von Einschränkungen unternehmerischer Freiheit, der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns bis hin zur verschärften Bekämpfung des sogenannten Sozialleistungsmissbrauchs. Die damit verbundenen neuen sozialpolitischen Prinzipien erhöhen die den Zwang zur Arbeit beträchtlich, eher wird Niedriglohnarbeit subventioniert statt Nichtarbeit zu finanziert. Insbesondere die Kontrollen der Sozialhilfebetrugsdezernate (Benefits Agency Benefit Fraud Intelligence Service) schränken auch die Möglichkeiten für irreguläre Migranten ein.

Aus Interviews mit MigrantInnen aus Polen geht hervor, dass etliche von ihnen von bereits in England lebenden, Familienangehörigen, Freunden oder sogar Agenturen angeworben wurden. Die meisten, die wir getroffen haben, hatten bereits irgendeine Art von Kontakten in England. Sie alle fanden innerhalb von wenigen Tagen eine Arbeit, meistens durch Vermittlung von Freunden, diejenigen, die nicht bereits in Polen für einen Job geworben worden waren, fanden Anzeigen in polnischen Geschäften.

Die allermeisten Anstellungen erfolgen in der Textilindustrie, gefolgt vom Bausektor, der Gebäudereinigung und im Hotel- und Gaststättengewerbe. Es gibt auch Prostitution, vor allem in den Hinterzimmern von Cafes und Restaurants. Außerhalb Londons arbeiten viele in der Landwirtschaft.

Von den Arbeitsbedingungen in den betrieben zeigen sich viele geschockt:

"Es war entsetzlich in dieser Fabrik sein zu müssen, in dieser Kälte", "kein Mensch in Polen arbeitet so viele Stunden." Die Löhne ihrer ersten Jobs liegen anfangs zwischen umgerechnet DM 270 und DM 360 wöchentlich oder zwischen DM 4.50 und DM 7.50 Stundenlohn.6 Die meisten schaffen es dann aber, besser entlohnte Jobs zu finden, für DM 10.50 bis DM 18 Stundenlohn in einer Textilfabrik oder DM 900 wöchentlich für Wohnungsrenovierungen.

Insbesondere neue MigrantInnen werden nicht selten betrogen, Leute werden auf Probe eingestellt, arbeiten zwei Wochen unbezahlt oder erhalten eine extrem niedrige Vergütung und werden schlussendlich doch nicht angestellt. Dazu ein Beispiel: "Ein Arbeiter ging zu einer Baustelle und fragte, ob er einen Job bekommen könnte und der Vormann sagte, er könne morgen früh anfangen, aber nur 5 Stunden am Tag arbeiten, verspricht ihm eine 14-tägige Bezahlung. So arbeitete er also 14 Tage, und als er die folgende Woche hinging, fand er heraus, dass die Firma, für die er arbeitete, ihre Arbeit beendet hatte und dass da jetzt eine andere Firma war, die die Elektrik machte. Den, den er daraufhin ansprach, sagte, wir hatten eine Firma hier, wir haben kleine Subunternehmer und an die, von denen du redest, erinnern wir uns nicht".(Flüchtlingszentrum).

Etwa die Hälfte von befragten TürkInnen und KurdInnen hatten politische Gründe, die Türkei zu verlassen, eine ganze Reihe gaben allerdings keine politischen Gründe an. Sie wollen Englisch lernen, als Studenten oder Au Pairs, um in der Türkei bessere Jobs zu bekommen – dies erzählten vor allem Frauen - , wollen sich allgemein verbessern oder flohen vor Armut. Bezüglich ihrer Einreise erzählten sie sehr komplexe Geschichten, sie kamen mit falschen Papieren, geliehenen Papieren, einige hatten Fluchthelfer, andere bezahlten hohe Summen an Agenten. Ein Drittel waren Asylsuchende, ein Drittel StudentInnen, andere Au Pairs oder TouristInnen. Etliche haben ihren Status gewechselt, kamen als TouristInnen oder als StudentInnen und stellten dann Asylanträge.

Die befragten Au Pairs haben allesamt die Familien, denen sie zugeteilt worden waren, nach wenigen Monaten verlassen. Sie beschwerten sich, dass sie zuviel arbeiten mussten, dass sie gar nicht dazu kamen, Englisch zu lernen, aber auch über sexuelle Belästigung. Sie suchten sich nach im schnitt drei Monaten einen andren Job und eine eigene Unterkunft. Dies ist - sofern die Familien sie nicht anzeigen - ein sicheres Unterfangen, da sie als Au Pairs legal eingereist sind, eine Aufenthaltserlaubnis von bis zu zwei Jahren haben und auch eine Sozialversicherungsnummer bekommen, mit der sie im Prinzip überall arbeiten können.

Studenten haben nur ein eingeschränktes Recht zu arbeiten. Sie erhalten dazu eine Sozialversicherungsnummer. Auch Asylsuchende können nach sechs Monaten eine Arbeitserlaubnis und eine Sozialversicherungsnummer beantragen, faktisch müssen sie aber sehr viel länger darauf warten, 12 bis 16 Monate lang. Nach Ablauf der Aufenthaltsfrist oder nach verlorenem Asylverfahren entscheiden sich viele, im Land zu bleiben. Viele haben aber während ihrer legalen Phase eine Sozialversicherungsnummer und eine Steuernummer bekommen, die sie anschließend weiter benutzen, Arbeitgeber oder Sozialbehörden müssen annehmen, es handelt sich um gänzlich legale Personen, eine Regelüberprüfung bei der Innenbehörde oder eine Passkontrolle wird nicht vorgenommen. Dies geschieht nur, wenn Sozialleistungen beantragt werden, nicht jedoch bei der Arbeit. Auch Führerscheine, die während der legalen Phase gemacht werden, können später als Ausweispapiere genutzt werden.

Viele MigrantInnen aus der Türkei arbeiten hauptsächlich in zwei Sektoren, der Textilindustrie und im Gaststättengewerbe, in Kebab Shops, Cafes, Burger-Bars, aber auch in kleinen Supermärkten, ein paar machen Putzjobs oder arbeiten auf Baustellen. Die Jobs sind im allgemeinen unsicher und befristet, teils müssen sie sich auf Teilzeitarbeit beschränken, teils sind sie zwischendurch mehr oder weniger lange arbeitslos. Die Löhne bewegen sich auf ähnlichem Niveau wie bei den polnischen MigrantInnen, allerdings ohne die Tendenz, sich im Laufe der Jahre zu verbessern. Unabhängig vom Aufenthaltsstatus oder der Aufenthaltsdauer bleiben TürkInnen und KurdInnen in der niedrig entlohnten Schattenökonomie hängen und machen unabhängig vom Status die selben Jobs, sind also entweder irreguläre oder Schwarzarbeiter.

Wie sieht die Kontrolle seitens der öffentlichen Dienste aus?

Der öffentliche Dienst ist ein stark deregulierter Niedriglohnsektor. Es handelt sich nicht um Beamte, sondern um Angestellte, ein hoher Prozentsatz, bis zu 50 %, sind selbst Schwarze. Im ständigen Neuregelungen unterliegenden Asylsektor werden viele Angestellte gar über Zeitarbeitsagenturen beschäftigt. Im öffentlichen Dienst herrscht eine ausgeprägte, aber nicht lückenlos von der Antidiskriminierungsgesetzgebung geprägte, antirassistische Kultur. Die Angestellten im öffentlichen Dienst, insbesondere Sozialarbeiter, werden in diesem Bewusstsein ausgebildet. Daneben bestimmt die an den bürgerlichen Freiheiten orientierte Praxis, dass dem Wort eines Antragstellers geglaubt wird. Nach Papieren wird nur bei bestimmten Vorgängen gefragt, ein Datenabgleich mit anderen Behörden findet aus datenschutzrechtlichen Gründen ohnehin kaum statt und es dauert, wenn überhaupt, Monate, ehe eine Antwort vorliegt. Gesetze und Verordnungen werden regelmäßig zugunsten von Klienten ausgelegt. Einzelne Einwanderungsbeamte sehen darin schlichtweg Korruption:
"Wenn du von Nigerianern sprichst, denkst du sofort an Betrug und Korruption, und dass sie losgehen und Institutionen infiltrieren und von dort Entscheidungen beeinflussen".
In vielen Behörden gilt als Praxis oder sogar Verordnung, dass entweder gar nicht mit der Einwanderungsbehörde kooperiert wird oder aber ihr zumindest keine Verdächtigen gemeldet werden.
"Wir sind nicht die Polizei in dieser Sache", "wir überwachen sie nicht", "schließlich sind wir keine Ermittlungsbehörde", "wir sind nicht verpflichtet, die Innenbehörde zu informieren".
Als 1996 das Innenministerium mit anderen Behörden um Kooperationsvereinbarungen verhandelte - staatliche Stellen weisen ein jeweils hohes Maß an Autonomie auf - wurde dieses Ansinnen von nahezu allen Behörden abgelehnt. Es gibt in diesem Zusammenhang eine Reihe von Gewerkschaftsbeschlüssen - NATFE (Lehrer in der Weiterbildung) und UNISON (Gewerkschaft im Öffentlichen Dienst), die generell aufenthaltsrechtliche Kontrollen durch Angestellte öffentlicher Behörden ablehnen, und Angestellte, die dies verweigern bis hin zum Streik unterstützen würden, in dem Sinne:
‘Einwanderungskontrolle ist die Arbeit von Einwanderungsbeamten, Sozialarbeit ist die Aufgabe von Sozialarbeitern, also sollen Sozialarbeiter nicht die Arbeit von Einwanderungsbeamten machen.'
Soweit ist es jedoch noch nie gekommen.
Viele Angestellte haben Verständnis für beispielsweise illegale Arbeit, weil sie um die niedrigen Sozialleistungen wissen. Statt einer Anzeige werden MigrantInnen verwarnt und ihnen damit signalisiert ‘Vorsicht, du bist entdeckt'. Sie werden auch schon mal aufgefordert, zuviel erhaltene Leistungen zurückzuerstatten, aber erzwungen oder eingetrieben werden die Gelder nicht.
Die geringsten Probleme bestehen im Gesundheitswesen, jeder kann sich bei einem Hausarzt registrieren lassen, die Vorlage von Papieren wird nicht verlangt. Bei Unfällen oder in Notfällen findet überhaupt keine Personalienüberprüfung statt, wenn, dann wird der Status abgefragt, aber keine Papiere verlangt. Wenn, wie auch immer, offenkundig wird, dass eine Person nicht in England sozialversichert ist, so werden Leistungen nicht verweigert, wohl aber Rechnungen ausgestellt. Es gibt allerdings auch hier wenig Bemühungen, die Gelder einzutreiben.

Kämpfe
Anfang der 80er Jahre gelang es einer Organisation von Tausenden von philippinischen Hausangestellten (Kalayaan), ihre Illegalisierung und Abschiebung erfolgreich zu verhindern.

Im Grunde sind auch alle Anti-Abschiebungskampagnen Kämpfe gegen Illegalisierung, Kämpfe für einen legalen Aufenthalt und Kämpfe von bereits Illegalen, sie werden allerdings nicht als solche verstanden.

In jüngster Zeit hat es mindestens zwei Streiks von türkischen und kurdischen Arbeitern in der Fast Food und in der Textilindustrie in Nord-London gegeben, bei JJ Fast Food 1995 und bei Euroscene 1996. Die nicht voll anerkannte, mehr oder weniger türkische Textilbranche der Transport and General Workers Union hatten grossen Anteil an dieser Mobilisierung. Zwar vermieden die Flugblätter und Artikel jeden Hinweis auf den Immigrationsstatus, doch war offenkundig, dass viele der Streikenden entweder keine Arbeits- oder keine Aufenthaltserlaubnis hatten. Obwohl die Polizei die Streikketten überwachte, wurden keine ernsthaften Versuche unternommen, gezielt Illegale herauszugreifen.

Die Arbeit der Flüchtlingsunterstützungsgruppen
Es gibt drei Typen von Initiativen, Asylberatungsstellen, staatlich gefördert oder unabhängig, Selbstorganisationen bestimmter politischer oder ethnischer Gruppen und Kampagnen. Einige beschränken sich auf Sozialarbeit, andere agieren nur politisch, die meisten aber kombinieren Sozialarbeit mit politischer Arbeit. Die staatlichen und städtischen Geldgeber sind bemüht, die kämpferischen Anteile zugunsten reiner Dienstleistung - Beratung und Soforthilfe - zurückzudrängen und sich Initiativen in das System von Verwaltung und Behandlung von MigrantInnen einzuverleiben.

Die Initiativen, wie auch die MigrantInnen selbst, gehen mehr oder weniger geschlossen von einer Funktionalität irregulärer Arbeit für die britische Gesellschaft aus.

Die meisten Initiativen wissen nicht, wie sie in Fällen irregulärer Einwanderung oder Aufenthalts helfen könnten. Sie empfehlen dann meist, einen Asylantrag zu stellen. Eine andere Möglichkeit ist, einen an den Staatssekretär gerichteten Antrag auf "compassionate grounds", auf ein Bleiberecht aus humanitären Gründen zu richten. Einige, besonders private Dienste, verweisen auf die Möglichkeit einer Heirat.

Razzien werden aber vor allem durch die lokalen Kräfteverhältnisse und seit den Riots der 80er Jahre durch die Furcht vor Aufständen in den schwarzen' Wohnvierteln begrenzt.

 

Anmerkungen
1 Der Aufsatz basiert auf einer zwischen 1996 und 1999 an der University of Exeter von Bill Jordan und Frank Düvell erhobenen Studie mit dem Titel "Undocumented immigrant workers", die sich auf polnische und türkisch oder kurdische MigrantInnen ohne Arbeits- oder Aufenthaltserlaubnis in Ost-London konzentrierte, sowie auf alle gesellschaftlichen Institutionen, mit denen sie Berührungspunkte haben. Insgeamt wurden rund 100 Interviews geführt, 50 mit MigrantInnen, 25 mit Beratungsstellen und UnterstützerInnengruppen, 15 mit Behörden des öffentlichen Dienstes und 7 mit der Einwanderungsbehörde. Allen wurde Vertraulichkeit zugesichert, deshalb werden (Orts- oder Organisations-) Namen nicht genannt. Weitere Veröffentlichungen der Ergebnisse folgen in Kürze. <zurück zum text>
2 'Schwarz' ist ein politischer Begriff, der nicht auf die Hautfarbe abzielt, sondern wie rot oder braun eine politische Bedeutung hat, die sich auf all jene bezieht, die von Rassismus betroffen sind. <zurück zum text>
3 Schon mit Beginn der überseeischen Einwanderung begann die Bildung 'schwarzer' Communities, strukturiert von einem Netz von Selbsthilfeinitiativen und Kampagnen gegen Benachteiligung, Chancenungleichheit, Polizeischikane und Rassismus. Linear spitzte sich der Konflikt zu, bis er zwischen 1975 und 1986 in eine Phase anhaltender Revolten und Aufstände (Riots) einmündete. Die Regierung wurde zu einer Reihe von Konzessionen und Richtungsänderungen gezwungen, die das Leben der etablierten Minderheiten stark verändert haben, damit einher ging jedoch ein Bedeutungswandel und Verlust 'schwarzer' Kampftradition. <zurück zum text>
4 National Audit Office(1995): Entry into the United Kingdom, London, S. 14); Gordon, P.; Klug, F.(1985): British immigration controls, London, S.17) <zurück zum text>
5 Werbner, P.(1990): Renewing an industrial past: British Pakistani entrepeneurship in Manchester, in: Migration, berlin, 8/1990, S. 7 - 41 <zurück zum text>
6 Der Wechselkurs zwischen 1997 und 1999 lag bei rund 1:3, £ 1 entspricht 3 DM, dies ist jedoch recht hoch, das Pfund neigt zum Fallen, dann sinkt in Relation zu Polen auch der Lohn. <zurück zum text>

Link zur Kampagne:
http://www.contrast.org/borders/indexeu.html

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