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Virtuelle Demo gegen Abschiebung während der Lufthansa-Aktionärsversammlung am 20.Juni 2001

von Serhat Karakayali

Abschiebungen sind eins der zentralen und zugleich finalen staatlichen Mittel bei der Behandlung des "Ausländerproblems". Die jährlich über 30.000 Abschiebungen auf dem Luftweg können die Behörden aber nicht selbst bewerkstelligen. Sie sind dabei angewiesen auf das Angebot von Fluggesellschaften, wie zum Beispiel der Lufthansa, die schätzungsweise ein Drittel der Ausweisungen abwickelt.

Die Gruppe kein mensch ist illegal organisiert seit mehr als einem Jahr die Kampagne deportation class, mit der sie die Lufthansa und ihre Beihilfe zum staatlichen Abschieberegime unter Beschuss nimmt. Auftritte auf Aktionärsversammlungen im seriösen Pilotenoutfit, Plakate im schicken Lufthansa-Design und gefakte Niedrigpreisangebote in typische Abschiebe-Destinations haben die Kampagne bisher gekennzeichnet. Schon bei ihrem Beginn - als scheinbar rein künstlerisches Projekt - auf der documenta in Kassel, spielten multimediale Aspekte des politischen Aktivismus eine besondere Rolle. Mit der Online-Demonstration wurde dennoch neues Terrain betreten. Denn bei dieser Kampagne im Internet, sind nicht nur technikbegeisterte Online-Hacktivisten angesprochen, das Internet vor Kommerzialisierung zu schützen. Im Unterschied zum fast schon legendären Toy-War, wo es gelang, den Domain-Namen einer kleinen Künstlergruppe gegen einen großen Online-Händler zu verteidigen, indem dessen Seite angegriffen wurde, handelt es sich bei der Online-Demo nur nebenbei um ein online-event.

Die Abschiebungen, um die es geht, sind ja keineswegs virtuell. Die Aktion hat vor allem symbolischen Charakter. Zwar wird der Lufthansa auch signalisiert, dass ihren Seiten dasselbe Schicksal widerfahren könnte, wie denen von E-Toys. Eine Drohung, die Wirkung zeigen kann angesichts der Umstrukturierungspläne der Airline. So ineffektiv, wie klassische Formen politischen Protests heute manchen erscheinen, so ineffektiv befindet die Kranich-Company den Vertrieb von Flugtickets über den Umweg der Reisebüros. Das bislang als Dinosaurier aus der Old-Economy-Ära belächelte Unternehmen will seine Flügel frisieren. Bis zum Jahr 2005 soll jedes dritte Ticket über Online- und Direktvertrieb abgesetzt werden, 25 Prozent über das Internet, 10 Prozent über Callcenter.

Wichtiger aber als kaum bezifferbare Verluste, die das Lufthansa-Management sowieso dementieren wird, ist der Image-Schaden, den die Aktion bewirken wird. Für eine Edelmarke wie die Lufthansa stellt die Beschmutzung ihres schicken Labels wohl ein worst case scenario dar. So wird sich irgendwann die Frage stellen, ob der minimale Umsatz, den sie mit Abschiebungen macht, in einem angemessenen Verhältnis steht zu der Assoziation "Lufthansa = Tod durch gewaltsame Abschiebung". Mit der Strategie, ein Unternehmen anzugreifen und nicht die staatliche Politik, setzen sich die Initiativen der Kritik aus, das Problem nur zu verschieben. Die staatlichen Behörden könnten einfach auf kleinere Fluggesellschaften ausweichen und Chartermaschinen ordern, so die Befürchtung etwa der Flüchtlingsorganisation "The Voice". Dadurch würden Abschiebungen noch unsichtbarer gemacht, als sie es ohnehin schon sind. Tatsächlich wird schon jetzt ein Teil der jährlich insgesamt 32.443 Abschiebungen (etwa 20%) mit Charterflügen abgewickelt (6.733). Solche Charterflüge lohnen sich aber nur, wenn größere Gruppen abgeschoben werden sollen. Aber keine Fluglinie fliegt von Deutschland aus fast alle Länder der Welt an. "Ein Rückzug der Lufthansa würde dem System der Abschiebungen einen empfindlichen Schlag versetzen." heißt es daher bei 'kein mensch ist illegal'.
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