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Stellungnahme des Instituts für vergleichende Irrelevanz zu den Übergriffen am Rande der Demonstration »Gedenken an den Atombombenabwurf auf Hiroshima (6. August 1945) und für eine sofortige Waffenruhe im Nahen Osten«, veranstaltet vom »Frankfurter Bündnis gegen den Krieg« am 5.8.06 in Frankfurt

„In der Welt als Serienproduktion ersetzt deren Schema, Stereotypie, die kategoriale Arbeit. DasUrteil beruht nicht mehr auf dem wirklichen Vollzug der Synthesis, sondern auf blinder Subsumtion.“
Horkheimer/Adorno

Eine Gruppe von drei Leuten, einer mit Israel-Winkelement am Rucksack, stand am Rande der Demonstration bei deren Auftakt an der Hauptwache. Schon dort wurde offensichtlich gepöbelt und das Winkelement vom Rucksack abgerissen. Im weiteren Verlauf kam es, nach Darstellung eines Angegriffenen, zu einem abermaligen, aber nicht intendierten, Zusammentreffen. Dort wurde die kleine Gruppe zunächst als »Faschisten, Zionisten, CIA, Imperialisten« bezeichnet. Nach den Verbalinjurien folgten die körperlichen Angriffe, bei denen die Gruppe geschubst und geschlagen und schließlich einer Person zwei Finger gebrochen wurden. Einige der AngreiferInnen, die auf der Demo ein Transpi mit der Aufschrift »Keine Solidarität mit dem israelischen Staat« vor sich her trugen, rechnen sich laut dem Hauptbetroffenen der linken Szene zu.
Die Struktur des gewalttätigen Übergriffs ist dieselbe wie bei ähnlichen Vorfällen in den vergangenen Jahren in Frankfurt und wie bei den jetzigen sogenannten »Friedensdemonstrationen« in verschiedenen deutschen Städten. Diejenigen, die sich Frieden auch für Israel wünschen und dies öffentlich zeigen, werden als »Provokateure« ausgemacht, auf eine Stufe mit Nazis gestellt und damit für die diversen antisemitischen Gangs zu Freiwild erklärt. Der Wahn Einiger wurde auch schon zuvor deutlich als der blau-weiß gestreifte Rock einer Frau als Israel-Flagge »erkannt« wurde, obwohl das Muster des Rockes auch im Entferntesten keinerlei Ähnlichkeit mit dieser aufwies. Könnte eine Empörung über den Krieg noch nachvollzogen werden, wenn diese auch fragwürdig bleibt solange keinerlei Empathie für die hunderttausenden Flüchtlinge in Israel und die Opfer der Katjuschas, die tatsächlich wahllos auf die Bevölkerung in der einzigen Absicht, so viele als möglich zu töten, abgeschossen werden, wahrzunehmen ist, so ist der verbale und praktisch gewordene Hass auf Israel der Ausdruck von Stereotypie des Denkens und schlichter Fakten- und Aufklärungsresistenz. Und wie schon 2003, als die Friedensbewegung sich endlich mit der deutschen Regierung versöhnt sah, so wissen die AntizionistInnen sich einig mit dem Mainstream der Deutschen: 68% der deutschen Population ärgern sich darüber, dass ihnen die Verbrechen an den Juden vorgehalten würden, ebenso so viele sind der »Meinung« #1#, Israel führe einen »Vernichtungskrieg« gegen die PalästinenserInnen und 65% halluzinieren Israel als die größte Gefahr für den Weltfrieden. Schon 1969 schrieb der Philosoph Jean Amery: „Der Augenblick einer Revision und neuen geistigen Selbstbestreitung der Linken ist gekommen; denn sie ist es, die dem Antisemitismus eine ehrlose dialektische Ehrbarkeit zurückgibt. Die Allianz des antisemitischen Spießer-Stammtisches mit den Barrikaden ist wider die Natur, Sünde wider den Geist, um in der vom Thema erzwungenen Terminologie zu bleiben.“

Das Institut für vergleichende Irrelevanz verurteilt diesen Übergriff auf das Schärfste. Gewalt in dieser Form verhindert Kritik und blockiert jegliche inhaltliche Auseinandersetzung, sie ist von daher die Absage an jede Emanzipation. Dem (linken) Antisemitismus und seiner Form der »Umwegkommunikation«(Heitmeyer-Studie 2003) Antizionismus kann nur mit einer intellektuellen Auseinandersetzung begegnet werden, welche die Bereitschaft zur Selbstreflexion und Selbstkritik notwendig einschließt.

IvI im August 06

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#1# Zur Pathologie der „Meinung“ vgl. Theodor W. Adorno: Meinung Wahn Gesellschaft