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PUnK is not dead?
Editorial
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"Totgesagt und nicht gestorben / geistern wir
durch neue Formen / eine halbe Ewigkeit / ein Leben
voller Angst / und Hoffnung daß es sich ändern
kann / doch womit fängt man an?"
(Blumfeld)
Es wird wieder Krieg geführt in Europa und mit
deutscher Beteiligung, und es passiert nichts. Also gut,
fast nichts; jedenfalls viel zu wenig. Das Zwischenspiel
auf dem Bielefelder Sonderparteitag der Grünen war
ja nicht schlecht; die extra-langen Gesichter der
Alt-68er, aus denen die pure Naivität sprach - die
Fassungslosigkeit, jetzt von links genauso behandelt zu
werden, wie die meisten von ihnen noch in den 80ern
selbst gegen Nazi-Parteitage vorgingen. Auf unsere
Vehemenz und Entschlossenheit war die Partei mental
nicht sonderlich vorbereitet. Selbst die Bullen
brauchten ein wenig Zeit. Und da war er wieder, dieser
Kick, wenn du spürst, daß die Freiheit
für einen Moment zum Greifen nah scheint, daß
der Gegner nicht unangreifbar und entrückt sowieso
tut was er will, sondern direkt vor deiner Nase
ausrastet und sich nicht mehr zu helfen weiß. Um
ein Haar wären wir durch die Sperre auf's
Parteitagsgelände gekommen. Die Grünen waren -
wenigstens für den Augenblick - ein Papiertiger,
oder besser doch eine Papiertornadotaube!?
Der Oberlehrer von der Jungle World, der meint, wir
wären aus purer Verbundenheit mit den Grünen
nach Bielefeld gefahren, lehnt sich in den bequemen
Sessel der Antipolitik zurück. Wenn einem das nicht
zum Seelenfrieden reicht, du dich bewegen willst, wird
es nicht nur unbequem, weil dir so'n Rambo-Cop
seinen Knüppel über den Schädel zieht. Es
wird auch unbequem, weil du immer wieder entdecken
wirst, dass bei deiner Bewegung einiges anderes passiert,
als du dir das vorher so gedacht hast. Die
Verhältnisse in der Punkrocktradition von Ulrike
Meinhof und Johnny Rotten zum Tanzen bringen? Bruchlos,
ohne auf der permanenten Suche nach den Fallstricken und
blinden Flecken, die die Ulrikes und die Jonnys nicht
gesehen haben, wird das wohl nicht möglich sein.
Auch schon deswegen nicht, weil die späten
Neunziger nicht die Siebziger sind. Der Text
"Schluss mit dem jüngsten Gericht" von
Franco "Bifo" Berardi über die
77er-Autonomiabewegung in Italien
bietet
dafür eine Gelegenheit.
Bielefeld ist vorbei. Und der Tag endete mit einem
Erfolg und mit einer Niederlage. Der Erfolg war ein
symbolpolitischer; daß eine grüne Veranstaltung nur
unter Schutz der grünen Knüppelschwinger der
Staatsgewalt stattfinden konnte. Die Fischer-Adjutantin
Röstel fasste das mit dem Satz zusammen:
"Grüne und Grüne waren sich noch nie so
nah wie heute." Feldmarschall Fischers erstem
Offizier Vollmer fiel dann zum Beweis seiner
"intellektuellen Redlichkeit" nur noch ein,
dass einige von uns vermutlich
"pro-faschistisch" seien. Was einige
Grüne offensichtlich nicht dazu veranlassen konnte,
als brave Soldatinnen von nun an Partei und Vaterland zu
dienen. Sie wollen jetzt als Noch-, Ex-Grüne, und
mit Nie-Grünen, unter dem Label BasisGrün ein
Netzwerk für eine (hoffentlich) neue
Antikriegspolitik gründen. Die Niederlage, die uns
angesichts der Umstände ersteren nicht vermiesen
sollte, liegt natürlich auch auf der Hand. Das
Fischer-Corps, trotz "Kolateralschäden"
am Ohr des Feldmarschalls und am Friedensimage der
Partei, bewegt sich regierungspolitisch weiter auf den
Bodenkrieg gegen Jugoslawien zu. Die Alt-68erinnen an
der Macht scheinen sich wohl auf ein neues Vietnam
vorbereiten zu müssen; nur dass sie diesmal auf
der anderen Seite daran teilnehmen. Eine
Antikriegsbewegung '99 hat es also mit einem anderen
Kaliber von Kriegspartei(en) zu tun, als es vor
dreißig Jahren der Fall war.
Wo beim Protest gegen den Vietnamkrieg im globalen
Kräftefeld zwischen Poststalinismus und
US-Imperialismus noch eine eindeutige Parteinahme
für den Vietcong möglich erschien, kann es
heute keine einfache Solidarität mit dem
angegriffenen Land mehr geben. Der "doppelten
Erpressung" (Slavoj Zizek), sich zwischen den um
regionale Hegemonie ringenden Nationalismen entscheiden
zu müssen - hier der serbische, dort der
großalbanische mit seiner NATO-Luftwaffe -, gilt
es sich zu entziehen. Wer könnte das besser auf den
Punkt bringen, als die Exil-Jugoslawinnen von Women In
Black, die, eingekeilt auf Londons Straßen,
zwischen NATO- und Milosevic-Fans, von den Bullen
gedrängt werden, sich doch endlich auf eine Seite
zu schlagen. Damit endlich Klarheit herrsche und die
imperialistische Ordnung und die rassistische
Übersichtlichkeit wiederhergestellt sei.
Einigen der reichlich anwesenden
Fallstricke für antimilitaristische Linke versucht
Alain Kessi mit seinem Text "Kosov@ / NATO:
Ökonomie des Krieges und der Kommunikation"
auf
die Schliche zu kommen. Wobei eben die Ethnisierung des
Sozialen im Medium des Krieges einen solchen
ausmacht.
An weiteren blinden Flecken mangelt es bei
Anti-Kriegs-Bewegten bei weitem nicht. Besonders
auffällig ist das bei der - ansonsten
begrüssenswerten -
Netzwerk-BasisGrün-Initiative. Den schon verlorenen
Wettlauf um das humanistische Weltbild abzubrechen,
könnte die Gelegenheit bieten, auch noch andere
One-World-Mythen anzugehen. Wir empfehlen da für
den Anfang Kessi number two "NATO-Osterweiterung: Der
Mythos von der Wiedervereinigung Europas"
Wie der Neorassismus eine wichtige Rolle in der
Außenpolitik spielt, ist seine Bedeutung in der
Innenpolitik nach wie vor hoch im Kurs. Als radikalste
Kraft haben sich da die Ex-Regierenden der Union mit
ihrer Kampagne gegen den Doppelpass erwiesen. Wie
"kampagnentauglich" eine antirassistische
Linke dagegen noch sein kann, hat Sonja Brünzels
anhand der Kampagne gegen die doppelte
Staatshörigkeit der CDU herauszufinden versucht. Ein
erstes Ergebnis der Kampagnen im Test besagt:
"Natürlich sind zehn Deutsche dümmer als
fünf Deutsche"
Serhat Karakayali versucht sich und uns einen
Überblick über den Kongress
"Existenzgeld und radikale
Arbeitszeitverkürzung" zu verschaffen, der vom
19. bis 21.3.99 in Berlin stattfand. Und kommt zu dem
Schluß, dass das Projekt Existenzgeld keineswegs postautonomen Bohème-Phantasien
entspringt.
Bei dem Versuch, das bei Ça ira erschiene Buch
"Kryptogramme der Macht" von Helmut Reinecke
mit einer Rezension zu würdigen, ist Dirk
Kretschmer in den Sog zwischen poplinker Begeisterung
und adornitischem Kulturpessimsimus geraten.
"Einmal egoexpress nach Freiburg und zurück,
bitte" als eine (nicht-) normale Fahrt eines
elektronischen Punkrockers.
Micha Elm berichtet von einer anderen literarischen
Reise. "Was die Bilder nicht erzählen"
ist eine autobiographisch gefärbte Erzählung
von Ronit Matalon. Sie
stöbert der Geschichte ihrer Familie nach; einer
Familie jüdischer Herkunft im Kairo der
dreißiger Jahre, die ökonomisch verarmt,
kulturell dem Großbürgertum nahestehend, mit
der 1952 von Nasser initierten sozialistischen
Machtübernahme das Land verlassen muß. Zwei
Kapitel des Romans sind Essays einer anderen Autorin,
Jacqueline Kahanoffs, die Matalon dazu verwendet, die
Stimmung im Kairo der dreißiger Jahre zu
beschreiben. In ihnen kommt die Zerrissenheit der jungen
Frauen der jüdischen, griechischen, syrischen und
koptischen Minderheiten zum Ausdruck, deren Emanzipation
mit ihrer gehobenen Bildung enden soll. Die Frauen sehen
sich in einer Vermittlerinnenrolle zwischen
europäischen Befreiungsideen und
arabisch-moslemischer Gesellschaft. |
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