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9.03-9.04.>>sozialer gebrauchswert, funktionale architektur und möbel.
raum für kritik und kooperatives leben – Ausstellung mit Werken von Ferdinand Kramer.

09.03., 20 uhr: eröffnung. vortrag von dr. astrid hansen (landesamt für denkmalpflege schleswig holstein)

23.03., 20 uhr: zu ferdinand kramers arbeiten - intention und realität.
vortrag von prof. lore kramer (werkbund hessen e.v.)

Vom 09.03. bis zum 09.04.2006 wird im ivi unter dem Titel: "sozialer gebrauchswert, funktionale architektur und möbel. raum für kritik und kooperatives leben" eine Ausstellung mit Werken von Ferdinand Kramer zu sehen sein.

Kramer kam Anfang der 1950er Jahre aus dem amerikanischen Exil nach Frankfurt und wurde von der damaligen Universitätsleitung mit der Gestaltung des neuen Campus in Bockenheim beauftragt. In der Folge entwarf und verwirklichte er bis Mitte der 60er Jahre über zwanzig Universitätsbauten, die an das "Neue Frankfurt" der 20er Jahre anknüpften und in Form und Inhalt mit dem nationalsozialistischen Erbe radikal brachen.
Sein erster Schlag der Befreiung galt dem Portal zum wilhelminisch-autoritären Uni-Hauptgebäude (Jügelhaus in der Mertonstraße), das er mit dem Bagger einreissen ließ und durch das - in weiten Teilen bis heute erhaltene - "demokratisch-transparente" Glasportal ersetzen ließ. Der daraufhin einsetzenden Welle der Empörung begegnete er mit spitzer Geste - an das Fußfragment einer Portalfigur klebte er einen Zettel mit der Aufschrift: "Dem Empörten zum Trost. Vom Barbar. Dieser Stein fiel mir vom Herzen am 17.5.53, 17 Uhr nachmittags. Kramer".

Auch in der Folge blieb der progressive Charakter von Kramers Architektur stets ungewollter Fremdkörper, wie der rohe Umgang mit seinen Gebäuden bei Renovierungen und Umbauten dokumentiert. Das mangelnde Verständnis seiner Absichten drückt sich auch in den zahlreichen Neubauten aus, die ohne jedes Gespür für die von ihm geforderte "kooperative" Gestaltung des Raums zwischen die bestehenden Gebäude geklatscht wurden, so dass vom ursprünglichen "Kramer-Campus" letztlich nur eine große Betonpfütze übrig blieb.

Und Heute? Die Uni Frankfurt zieht um auf den IG-Farben-Campus, der als solcher nicht nur nicht beim Namen genannt wird ("Poelzig-Ensemble"), sondern dessen herrschaftlicher Charakter geradezu begrüßt wird.
Gleichzeitig stehen die verbleibenden Kramer-Bauten zwar unter Denkmalschutz; dieser wird aber kontinuierlich ausgehebelt und umgangen, da er dem Interesse am Geschäft entgegensteht. Dahinter steht aber auch ein Geschichtsrevisionismus, wie er deutlicher kaum ausfallen könnte: Die barbarische Geschichte des Holocaust, für die der IG-Farben-Komplex steht, geht auf im elitären Sonnenschein des "Westend-Campus", während der radikal-demokratische Bruch mit dem Nationalsozialismus, wie er sich in den Kramer-Bauten ausdrückt, dem Abriß überlassen wird.

Mit der Ausstellung richten wir uns gegen diese Form der Geschichtsschreibung, wie sie durch die Unileitung betrieben wird, und wollen dazu beitragen, das Werk Ferdinand Kramers zu würdigen und zu erhalten.

Öffnungszeiten: Dienstags und Sonntags, 15 - 19 Uhr Ort ist übrigens das ehemalige "Amerika-Institut" (IAES), eines von Kramers ersten Gebäuden nach seiner Rückkehr aus dem Exil, das die Uni-Leitung bereits zum Verkauf ausgeschrieben hat.

veranstalter: institut für vergleichende irrelevanz in zusammenarbeit mit dem werkbund hessen e.v.