
no.4 inhalt
Informationen
Kostenloses Erststudium
HRZ
Careering
Uni-Shop
Unsere Sponsoren |
Farce Academy for Applied Applications: Studium Generale


Dieser Text ist ein Vorabdruck aus dem im September
erscheinenden Buch:
Klaus Schönberger (Hg.); Va Banque! Bankraub. Theorie. Praxis. Geschichte.
Verlag Libertäre Assoziation/Verlag der Buchhandlungen Schwarze Risse/Rote
Strasse.
ISBN: 3-922611-83-4, KNO-NR: 8 61 62 85
340 Seiten. ca. 34 DM
Franziska Roller
Die Bank-Ladies - wenn Frauen zu sehr rauben
Der Bankraub ist –
kriminalstatistisch gesehen – eine Domäne der Männer. »Von den acht
Fällen, in denen Frauen mitwirkten, geschah dies einmal als Lenkerin des
in der Nähe der Bank abgestellten Fluchtautos, und in vier Fällen durch
unmittelbare Unterstützung des den Überfall im wesentlichen leitenden
männlichen Partners« (Császár 1975, 62). Daran hat sich auch zwanzig Jahre
später kaum etwas geändert. In der Polizeilichen Kriminalstatistik des
Jahres 1998 heißt es lapidar: »Frauen betätigen sich nach dem
polizeilichen Ermittlungsergebnis relativ selten als Räuber.« In der
Rubrik »Raubüberfälle auf Geldinstitute und Poststellen« sind mit 95,2
Prozent fast alle Täter Männer. Doch die immerhin 4,8 Prozent der Fälle,
die auf das Konto von Frauen gehen, können in den Medien mit besonderer
Aufmerksamkeit rechnen. Die Neue Westfälische schreibt am 21. April 1999
über einen Überfall in Minden: »Mit einem Luftgewehr forderte die mit
einer blauen Wollmütze mit Sehschlitzen maskierte Frau die Herausgabe des
Geldes.« Ein anderer Fall wird aus dem kleinen Ort Buchbach in der Nähe
von Landshut im August 1999 berichtet: »Zwei Angestellte bedienen eine
ehemalige Kollegin, als eine weitere Kundin hinzu kommt. Und dann geht
alles ganz schnell: Die zweite Frau umklammert die ehemalige Kollegin von
hinten und hält der Geisel eine Spritze an den Hals. ›Geld her – oder ich
spritze‹, fordert die Bankräuberin, die eine schwarze Perücke trägt, die
Kassiererin auf« (ZET.NET Rosenheim ovb-online news, 28.8.1999). Wie
einige ihrer männlichen Kollegen auch, bedienen sich einzelne Täterinnen
intelligenter Täuschungsmanöver. Beispielsweise in Hamburg, wo eine
»attraktive dunkelhaarige Frau« ihren Forderungen mit einer Bombenattrappe
Nachdruck verlieh (Hamburger Morgenpost, 2.2.1980). Oder im Fall der Ulmer
Bankräuberin, die am Telefon eine ganze Geschichte erfand: Sie sei
Kriminalbeamtin und »in Ulm sei es mehreren Terroristen gelungen, mehrere
Geiseln zu nehmen«. Man brauche nun alles verfügbare Geld, um die Geiseln
freizukaufen. Dafür müsse auch die Filiale in Saffranberg ihren Beitrag
leisten« (Welt, 26.11.1977). Brav rückte der Direktor knapp 40.000 Mark
heraus, die Frau packte den Geldstapel »seelenruhig in eine große Tasche,
bedankte sich, ging ruhigen Schrittes aus der Sparkasse und verlor sich in
der Menge« (ebd.).
Historische
Vorbilder
Die ersten berühmten Bankräuberinnen finden sich in den USA.
So zum Beispiel Bonnie Parker, die in den dreißiger Jahren zusammen mit
Clyde Barrow (-> Bonnie und Clyde) umherzog. Es wird berichtet, daß die
beiden impulsiv waren, begeistert davon, Leute umzulegen, kurz gesagt:
vollkommen unprofessionell. John Dillinger (->), einer der größten
Gangster ihrer Zeit, soll gesagt haben, wegen Typen wie ihnen müsse die
bewaffnete Räuberei um ihren guten Ruf fürchten. Beide hatten eine
Schwäche für dramatische Szenen, sie liebten Publicity, und Bonnie
schickte sogar schlechte selbstgeschriebene Gedichte über die Mär von
Bonnie und Clyde an die Zeitungen. Auch ihr Ende ist berühmt: von 167
Kugeln getroffen in ihrem legendären Ford V-8. Die Polizisten, die den
beiden die Falle gestellt und sie durchlöchert hatten, schleppten den
Wagen mit beiden Leichen bis in die Stadt Arcadia, als Spektakel für alle
am Wegesrand. Dort wurden die Leichen aufgebahrt und zur Schau gestellt.
Bonnie Parkers Grabstein ziert ein Spruch, der sich nur mit viel Phantasie
auf ihr Leben anwenden läßt: »As the flowers are all made sweeter by the
sunshine and the dew, so this old world is made brighter by the lives of
folks like you« (»So wie alle Blumen durch Sonne und Tau süßer werden, so
wird diese alte Welt strahlender durch das Leben von Leuten wie dir«)
(zit. n. Helmer 1998, 216; Übersetzung: F.R.).
Eine weitere weibliche
Berühmtheit der US-amerikanischen Gangstergeschichte ist Arizon Donnie
Clark alias Kate »Ma« Barker (->). Sie war die Mutter von vier Söhnen,
die es in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren allesamt zu einiger
Berühmtheit als professionelle Kriminelle gebracht hatten. Ma Barker starb
an der Seite ihres Sohns Fred im Kugelhagel bei einem Feuergefecht mit dem
FBI. Der Kriminal-Psychologe Hans von Hentig (1954) stilisierte sie gar
zum »Michael Kohlhaas in Unterröcken«, doch ob sie tatsächlich das
Oberhaupt der Barker-Karpis-Gang war, bei Raubüberfällen auskundschaftete
und Schmiere stand, ist mehr als fraglich. Es wird kolportiert, sie sei
eine geistig eher unterbelichtete Frau gewesen, die zu ihren Söhnen hielt,
weil das eben Familie war, und die alle Vorwürfe gegen ihre Jungs als
infame Lügen abtat.
»Die alte Frau konnte nicht mal ein Frühstück
planen«, soll Harvey Bailey, ein Mitglied der Bande, gesagt haben. »Wenn
wir uns hinsetzten und einen Bank-Job planten, ging sie ins andere Zimmer
und hörte Amos und Andy oder Hillbilly Musik im Radio« (Helmer 1998, 138).
Doch als das FBI feststellen mußte, daß es eine ältere Frau erschossen
hatte, kam es wohl unter Rechtfertigungsdruck. Schnell sei die Legende in
die Welt gesetzt worden, Ma Barker sei skrupellos, berechnend, kurz, sie
sei der eigentliche Kopf der Bande gewesen und mit dem Gewehr in der Hand
gestorben.
Die Zeiten der alten Gangster-Gangs mögen vorbei sein, doch
die der Bankräuberinnen fangen vielleicht jetzt erst richtig an. Zwischen
1996 und 1997 stieg die Zahl der Banküberfälle in den USA allgemein
drastisch an, und dieser Trend gilt auch für die Räuberinnen: »In der
Tradition von Bonnie Parker erscheinen mehr Frauen auf der Bildfläche.
Eine einzeln auftretende Räuberin terrorisierte Ende 1996 Banken in Marin
County, Kalifornien. Im vergangenen Monat wurde ein vierzehnjähriges
Mädchen von einer Bankkamera aufgenommen, das gerade von der Schule
suspendiert war. Sie behauptete eine Waffe zu haben und befahl den
Bankangestellten: ›Just do it‹« (Time Magazine, 31.3.1997; Übersetzung:
F.R.).
Vamp – zarte Geliebte – Mannweib
In der Bundesrepublik beginnt die Geschichte der berühmten
Bankräuberinnen erst in den sechziger Jahren mit Gisela W. In drei Jahren
›machte‹ sie mit ihren Komplizen insgesamt 19 Banken; im Zeitraum von 1965
bis 1968 erbeuteten die vier rund 400.000 Mark – das war zu dieser Zeit
ein Nachkriegsrekord. Schon ihr erster Banküberfall heizte die Fantasien
von Zeitschriften und LeserInnen an. Die Presse fand für sie bald den
bewundernden Titel »Bank-Lady«. In Bild erschien sogar eine
Karikaturenserie, die die Bank-Lady als attraktive Frau mit langen Beinen,
Stöckelschuhen und Lippenstift zur feschen Heldin stilisierte. Seitdem ist
»Bank-Lady« ein geflügeltes Wort, wenn Frauen sich nicht mit dem
Auszahlungsvordruck, sondern mit der Waffe Geld besorgen. Eine
vierzehnjährige, die mit ihrem Kumpel eine Bank überfiel, soll laut Bild
(2.8.1990) sogar gesagt haben: »Ich bin die jüngste Banklady – woll’n
Sie’n Autogramm?«
Die erste Bank-Lady fand schon während ihrer
erfolgreichen Phase Nachahmerinnen: Der Stern berichtete über eine ganze
Reihe von Pärchen, aber auch von Frauen ohne Begleitung, und er tat dies
mit sichtlichem Vergnügen: »Am 4. Februar 1967 bereitete Birgit S. (19),
die ihr Leben eigentlich der Freude gewidmet hatte, dem Kassenwart der
Bank in Zeven Kummer, indem sie ihm 3.000 Mark raubte. Sie entkam im
Schutze ihrer langen, schwarzen Haare in der Dunkelheit, aber Rivalinnen,
deren Strich sie auf St. Pauli kreuzte, verpfiffen sie der Polizei«
(Stern, 19.1.1969).
Von Kriminologen werden die wenigen Frauen, die
Banken überfallen, schlichtweg ignoriert. Für Császár beispielsweise ist
der Fall klar: Frauen sind für Banküberfälle in der Regel psychisch
ungeeignet. Er berichtet über die von ihm untersuchte Gruppe: »Der einzige
von einer Frau allein verübte Raubüberfall ist nach der Schüchternheit
seiner Durchführung und der Bitte der gestellten Räuberin, sie als Frau
doch laufen zu lassen, keine Ausnahme von der Regel, daß Frauen zur
Begehung von Vermögensdelikten, die Gewaltanwendung gegen die Person
erfordern, im allgemeinen noch nicht die nötige Mentalität mitbringen«
(Császár 1975, 62).
Für die Medien sind die Räuberinnen hingegen ein
gefundenes Fressen. Sie schlachten das seltene Ereignis hingebungsvoll
aus, und sie versuchen, das Unfaßliche mit Sinn zu füllen und durch ihre
Interpretationen in den Rahmen gesellschaftlich akzeptierter Weiblichkeit
hineinzupressen. Das galt vor allem für besagte Gisela W., die bis heute
berühmteste bundesrepublikanische Bankräuberin: Sie löste in der Presse
regelrechte erotische Ausnahmezustände aus. Wenn eine Frau im Spiel ist,
mutiert der Bankraub zum sexuellen Akt, sogar ein typisches
Bankraubutensil wie der Handschuh wird – wenn Gisela W. ihn überstreift –
als Sex-Accessoir beschrieben, mit Worten, die normalerweise für Kondome
herhalten müssen: »Es war immer ein erregender Augenblick, wenn Gisela W.
ihre dünnen Lederhandschuhe anzog, die so weich waren und so gefühlsecht«,
fantasiert Balthasar Berg in einem Stern-Artikel : Auch die Tatsache, daß
Gisela W. ihre Requisiten für die Überfälle im Schlafzimmer versteckte und
gemeinsam mit ihrem Geliebten auf Beutezug ging, ist in den Augen des
Stern eine besondere Erwähnung wert. Das Blatt geht sogar so weit, den
gesamten Überfall als Teil einer Beischlaf-Szene mit ihrem Komplizen Peter
W. zu interpretieren: »Jeder Überfall mit seinem prickelnden Drumherum war
für Gisela wie ein unerhört raffiniertes Vorspiel, das unausweichlich in
ihrem französischen Bett enden mußte« (Stern, 15.12.1968).
Der
männliche Autor des »großen Verbrecher-Lexikons« beschreibt eine andere
Bankräuberin, Margit Czenki (->), ebenfalls mit einem Vokabular, daß
einem schlüpfrigen Groschenroman entliehen scheint: »Mit einem
Trommelrevolver bewaffnet stand die blonde Frau mit den besonders betonten
Backenknochen und ihrem weißen Knautschlackmantel auf dem Tresen und
beschattete die Bankangestellten, während Kuhn das Geld einsackte, Otto
die Bankkunden in Schach hielt und Heißler draußen im Fluchtauto wartete«
(Sinn 1984, 199f.). Margit Czenki hatte im Jahr 1971 zusammen mit drei
anderen eine Zweigstelle der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank in
München überfallen und wurde bald darauf gefaßt.
Das Medien-Bild der
Räuberin changiert zwischen Vamp und zarter Frauenseele. Die Bank-Lady
Gisela W. wurde nicht zuletzt auch für ihren angeblich besonders femininen
Stil beim Rauben berühmt. Auf einige Schalterangestellte wirkte sie wie
eine Erscheinung, und alle waren sich darüber einig, daß sie eine
besonders höfliche Art hatte, die Banken um Geld zu erleichtern. In der
Darstellung des Stern war sie ebenso Lady wie fürsorgliche, gefühlvolle
Geliebte für ihren Komplizen Peter W.: »Das war es: sie liebte ihn
bedingungslos, ohne Maß und ohne Grenzen … Das spezielle Können der
Bank-Lady kam erst im Augenblick der Tat voll zur Geltung, denn ihre
Qualitäten hatten die Wurzeln in starken Gefühlen: Vertrauen zu dem
Geliebten, Entschlossenheit und unbeirrbarer Mut.«
Sexbesessener Vamp
und Liebende – beide Stereotype müssen als Erklärung für das Unfaßliche
herhalten: Daß es Frauen gibt, die sich doppelt nicht an die Spielregeln
halten, weder an die des Staates noch an die ihres Geschlechts. Kein
Wunder, daß auch eine dritte Erklärung immer wieder auftaucht, wenn es um
raubende Frauen geht: Sie sind gar keine – oder zumindest keine
richtigen. So wurde auch über Gisela W. kolportiert: »Nur eines stimmte
nicht: Das Mädchen, das einmal die Bank-Lady werden sollte, wollte partout
keine Frau werden. Sie war nett und lieb, und jeder mochte sie, aber ihre
ganze Art war burschikos und jungenhaft salopp. Sie mußte achtzehn Jahre
alt werden, bis bei ihr endlich eine Entwicklung spürbar wurde, die bei
ihren Freundinnen schon mit dreizehn oder vierzehn Jahren eingetreten war.
Sie mochte auch keine Männer. Sie war freundlich zu ihnen, aber sie hielt
sie sich vom Halse« (Stern, 15.12.1968).
Aus ähnlichen Gründen hielt
sich wohl auch das Gerücht, daß Bonnie Parker Zigarren rauchte; es wurde
immer wieder in der Presse aufgewärmt. Die Verbrecherin mit der dicken
Havanna im Mund – der »männlichsten« Tabakware schlechthin – paßt eben zu
gut ins Medienbild des kriminellen Mannweibs. Das war offensichtlich auch
Bonnie selbst klar. Sie war eitel genug, die Geschichte aufs Heftigste zu
dementieren – das Foto, auf dem sie eine Zigarre hielt, sei nur ein Witz
gewesen (Helmer 1998, 214).
Ins Muster der unweiblichen, somit
abnormalen Räuberin paßt auch die Vermutung von Hans von Hentig, berühmte
Verbrecherinnen seien machtgierig und hätten keinerlei Respekt vor
Männern. Er sinnierte 1954 in einer Studie mit dem Titel »Der Gangster«:
»Es gibt auch eine kleine Gruppe Frauen, die an Gewalt Gefallen finden. Es
sind die Heroinen, die, wie Bonnie Parker, Zigarren rauchen, kommandieren,
Männer gefügig sehen wollen. Sie haben früh die Illusion des ›stärkeren‹
Geschlechts verloren. Als Kellnerinnen sind ihnen die Augen aufgegangen.
Weil sie zumeist im Kampf erschossen und danach verscharrt werden, ist
unsere Kenntnis dieser Typen mager. Sie haben ein eigentümlich vertrautes
Verhältnis zur Schußwaffe und zum Machtgefühl, das sie verleiht« (von
Hentig 1954, 66).
Wo Hentig befremdet-faszinierte Vermutungen anstellt,
vermag Oswalt Kolle den Zusammenhang mit gesellschaftlichen und
geschlechterkulturellen Zuschreibungen mittels Sexualisierung des Handelns
der Bankräuberinnen aufzuzeigen. Ursprünglich war er durch seine Bücher
und Filme zum Thema sexuelle Aufklärung berühmt geworden. 1973
veröffentlichte er in der Frauenzeitschrift Jasmin einen Artikel über die
bereits erwähnte Margit Czenki, die 1971 als Anführerin von drei jungen
Männern eine Bank überfallen hatte. Über die Umstände ihrer Festnahme
schreibt er: »Kriminalrat Georg Schmidt sagte: ›Sie war nackt, wie Gott
sie schuf.‹ Von einem nackten Mann hätte er vermutlich nüchtern gesagt, er
sei unbekleidet gewesen. Aber ›nackt, wie Gott sie schuf‹, das klingt halt
bei einer Frau aufregend, das ist sexy. So wird die Frau, … die das Geld
›im Interesse der Lohnabhängigen verwertet hat‹ (Margit Czenki vor
Gericht) noch in dieser bitteren Stunde der totalen Niederlage abgewertet,
als Sexualobjekt, eben ›nur eine Frau‹.« Kolle sah ihren Bankraub als
Versuch, »sich der Fesseln zu entledigen, die Frauen in unserer
Gesellschaft immer noch tragen«.
Pleiten, Pech und
Pannen
Ein Blickwinkel, der versucht, den jeweiligen Gründen der Frauen
gerecht zu werden, ist die Ausnahme. In den meisten Fällen entwerfen
Journalisten und Wissenschaftler Fantasiebilder von den Räuberinnen. Doch
nicht erst auf dem Papier, auch bereits beim Überfall selbst müssen Frauen
damit rechnen, von den Bankangestellten und Kunden ganz anders
wahrgenommen zu werden als ihre männlichen Kollegen. Sie haben es aufgrund
der geschlechtskulturellen Zuschreibungen von Schwäche und
Unprofessionalität besonders schwer, gefährlich und entschieden zu wirken.
Die Salzburger Nachrichten 12.8.1999: »Einen Zettel mit den
Worten ›GELD HER ODER ICH SCHIESSE‹ hatte sie vorbereitet. Doch den
verwendete sie nicht. Kapuze tief ins Gesicht gezogen und Sonnenbrille vor
den Augen, forderte sie die Kassiererin auf, ihr Geld zu geben.« Bei der
Flucht wurde ihr jedoch zum Verhängnis, das ein Bankkunde vor ihr weitaus
weniger Respekt hatte, als es wohl bei einem männlichen Bankräuber der
Fall gewesen wäre: »Ihr knapp auf den Fersen: ein Passant, den die
Kassiererin gebeten hatte, die Frau nicht aus den Augen zu verlieren, weil
sie etwas mit dem Überfall ›zu tun‹ habe. Am Franz-Josef-Kai meldete sich
der 50jährige Salzburger schließlich bei einem Polizisten. Silvia C.
ebenfalls. Sie gab an, sie werde von jenem Mann verfolgt und belästigt.
Beide wurden in den Streifenwagen verfrachtet.« Über die »Näherin Sylvia
K. (26)« machten sich Medien wie Bankangestgellte richtiggehend lustig.
Die Süddeutsche Zeitung bezeichnet sie als »harmloseste Bankräuberin der
Münchner Kriminalgeschichte«: Sie »wirkte bei ihrem ›Überfall‹ auf die
Commerzbank-Filiale gegenüber dem Strafjustizzentrum trotz Gaspistole und
Küchenmesser so wenig furchterregend, daß eine der Angestellten sie mit
›komischer Vogel‹ ansprach« (Süddeutsche Zeitung, 10.1.1986).
Doch
Frauen haben es nicht nur schwerer, als Räuberinnen ernst genommen zu
werden. Das Bild der schwachen Frau wirkt auch auf ihr Selbstbild zurück.
Häufig trauen sie auch sich selbst nicht genug zu, machen fatale Fehler.
Eine Räuberin hatte sich beispielsweise beim Überfall mit Hartgeld
abspeisen lassen und war noch in der Bank überwältigt worden. Eine
71jährige ließ sich ebenfalls Münzgeld geben. Das war im Vergleich zu
Scheinen nicht nur sehr wenig wert, sondern auch schwerer, als sie tragen
konnte: »Die Flucht mit der schweren Beute wurde jedoch von einem
Hexenschuß vereitelt. Die Rentnerin wurde verhaftet« (Neue Mittelland
Zeitung, 15.7.1999). Eine andere Seniorin hatte den Eindruck, den ihre
Waffe auf den Banker machen würde, deutlich überschätzt: »›Überfall, Geld
her‹, schrie sie. Aber der Bankchef, Hubert L., mußte sich mit aller
Gewalt das Lachen verbeißen: Die Frau hatte nämlich eine ›geladene‹
Stöpsel-Pistole im Anschlag!« (Münchner Abendzeitung, 18.12.1984). Andere
bekommen schon während der Tat Angst vor der eigenen Courage; über eine
53jährige schreibt die Neue Westfälische (21.4.1999): »Die Frau setzte
sich zunächst in ihr Fluchtfahrzeug, sie kam dann aber zurück und warf das
erbeutete Geld auf den Boden. Danach stieg sie in ihr Auto und fuhr davon.
Knapp eine Stunde später kehrte die Frau zur Bank zurück und stellte sich
der Polizei«. Pannen und Panikreaktionen kommen allerdings auch bei vielen
Männern vor – die dummen, witzigen, unentschiedenen Überfälle, die auf das
Konto von Männern gehen, könnten ganze Bände füllen. Bei den meisten
Banküberfällen handelt es sich eben nicht um die Tat von coolen Profis
(-> Schönberger/Bankraub und Lotto), sondern sie werden spontan
ausgeführt und zumeist auch nur spärlich geplant.
Karitativ in Familie,
Gesellschaft und bei Geldbeschaffung
Die häufigsten Gründe, die Männer
für ihre Tat angeben, sind Schulden: »Der eine brauchts, um auf diesem
Wege seinen Konsum an Betäubungsmitteln zu decken. Die anderen sind
erheblich überschuldet und wissen deshalb nicht mehr ein noch aus. Das
sind eigentlich die beiden großen Gruppen«, so ein Kriminalhauptkommissar
in einem Zeitungsinterview (taz, 5.8.1989). Diese Gründe finden sich
selbstredend auch bei Frauen: »Schulden in Millionenhöhe, die sie im
Pokercasino im Airportcenter machte, sollen jene 48jährige
Frühpensionistin zum Bankraub getrieben haben« (Salzburger Nachrichten,
12.8.1999). Ungeachtet dessen findet die Presse bei Frauen ganz andere
Gründe als bei ihren männlichen Kollegen – zum Beispiel den Wunsch, für
andere zu rauben. »Aus Liebe den Tresor geplündert – eine 29jährige
Bankangestellte griff sich 750.000 Mark für ein Leben mit ihrem Freund aus
Jamaica«, titelt die Berliner Zeitung (10.2.1998). In der
Urteilsbegründung befindet der Vorsitzende Richter Laeger: »Die Liebe hat
sie blind gemacht.« Hier muß einmal mehr das Klischee der gefühlsbetonten
Frau herhalten.
Die meisten Bankräuberinnen werden in der Presse als
Hausfrauen und vor allen Dingen als Mütter geschildert: »Schulden,
Wucherzinsen, Unfall – das war zuviel. Verzweifelte Mutter beraubte Bank«
(Hamburger Abendblatt, 27.12.1985); »Banküberfall im 9. Monat – Ich wollte
eine größere Wohnung für unser Kind« (Aktuell, 19.4.1996); »Die Hausfrau,
die eine Sparkasse ausraubte: Puschelohr, Mami ist wieder frei« (Bild,
22.12.1984). Ein gefundenes Fressen ist es, wenn die Kinder mit zur Bank
genommen werden. »Während des Überfalls saßen die Kinder im Auto«,
schreibt die Nürnberger Zeitung (10.9.1999) in der Kopfzeile ihres Artikel
über eine 29jährige Bankräuberin. »Ihr vierjähriges Töchterchen wartete
draußen im geparkten Auto, als die Hamburgerin Cornelia M. (26) die
Filiale einer Bank in Bad Lauterberg betrat«, beginnt ein Bankraubartikel
des Hamburger Abendblatts (27.12.1985).
Überschuldung, das Gefühl der
Auswegslosigkeit bringt bestimmt weitaus häufiger Familienväter als
-Mütter auf die Idee, durch Abheben der besonderen Art wieder in die
schwarzen Zahlen zu kommen. Doch ihnen wird der Familienbonus nicht
zuteil. Zwar sind Frauen bei der Ausführung des Bankraubs deutlich
benachteiligt und müssen schon eine Menge Professionalität mitbringen, um
ernst genommen zu werden. Bei der Verurteilung haben sie jedoch immer
wieder die Chance, mit einer vergleichsweise milden Strafe davonzukommen;
die Vorstellung der Mutter, die sich schützend vor ihre Kleinen stellt und
bis zum Äußersten kämpft, erweicht die Herzen der Richter und
Staatsanwälte. So auch im Fall der Mutter zweier Kinder, die sich die
Spielzeugpistole ihres Sohnes schnappte, weil die Haushaltskasse leer war,
und gerade einmal 1.400 Mark erbeutete. Der Vorsitzende der Strafkammer
befand, die Angeklagte »habe einen ›schwachsinnigen Banküberfall‹
begangen, um ihrer Familie ein Wiedersehen mit den Verwandten in
Griechenland zu ermöglichen« (Nürnberger Zeitung, 10.9.1999).
Eine
genauere Sichtung der meisten Fälle führt zu dem Schluß, daß die größten
Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Räubern darin bestehen,
wie ihre männlich dominierte Umwelt sie wahrnimmt, sowohl beim Überfall
selbst als auch in der Darstellung der Medien.
Das Erklärungsmodell
Hilfsbereitschaft, das eng mit dem der Mütterlichkeit verknüpft ist, wird
dann in der Presse aktiviert, wenn der direkte Mutterbonus nicht mehr
anwendbar ist. Für die Medien ist der Weg von der karitativen Tätigkeit
zum Bankraub bei Frauen besonders schnell zurückgelegt: Aus
Hilfsbereitschaft verübte eine Einundsiebzigjährige einen
Verzweiflungs-Bankraub. In Grevenbroich überfiel sie eine Sparkasse. Weil
sie die Freundin ihres Sohnes vom Selbstmord abhalten wollte, aber nicht
einmal die Fahrkarte zu den beiden bezahlen konnte, sah sie nur einen
Ausweg: »›Überfall! Keine Triks. Schieze‹, kritzelte sie in aller Eile auf
einen Zettel«, so die Neue Mittelland Zeitung, 15.7.1997.
Allerdings
sind die karitativen Motive der Frauen nicht ausschließlich ein
Medienkonstrukt. Schließlich teilen die Frauen selbst ja die
gesellschaftlichen Vorstellungen davon, wie sich eine Frau zu verhalten
hat, wie sie fühlen und handeln muß, um ihrem Geschlecht gerecht zu
werden. Denn Konzepte von Weiblichkeit sind nicht nur von außen auferlegte
Zuschreibungen, sie werden im Lauf des Lebens verinnerlicht und prägen
auch das Selbstbild von Frauen.
Und doch: Wenn Gisela W. noch dreißig
Jahre nach ihrer Bankräuberinnenzeit vom luxuriösen und sorglosen Leben
erzählt, das sie sich mit dem geraubten Geld ermöglichte, wird einmal mehr
klar: Die Gründe, aus denen die jeweiligen Frauen rauben, haben nur sehr
wenig mit den stereotypen Erklärungsversuchen zu tun, mit denen die Medien
versuchen, das Phänomen in den Griff zu bekommen (Der geplatzte Traum
1999).
Politisches Exempel
Frauenpower
Das Erklärungsmodell der uneigennützigen Tat wird auch bei
den Frauen herangezogen, die sich aus politischen Gründen für einen
Bankraub entscheiden. Margit Czenki dachte beispielsweise laut Kolle schon
in ihrer Schulzeit über die Ungerechtigkeit in der Gesellschaft nach: »›In
unserer Klasse gibt es zwei Gruppen. Die reichen Mädchen und die armen.
Die armen sind immer die Doofen. Sie trauen sich nichts zu, sie können
sich nicht durchsetzen. Und deshalb bleiben sie auch immer doof.‹ Sechzehn
Jahre später steht sie vor der Bankfiliale. Zwei Minuten vor dem Countdown
ist Margit Czenki entschlossen, eine andere Verteilung des Geldes
vorzunehmen. Sie will den Klassenkampf in die Schalterhallen der reichen
Banken hineintragen – und die Beute ›im Interesse der Lohnabhängigen
verwerten‹. So wird sie später auch vor Gericht immer wieder aussagen,
ohne Bedauern, ohne Reue, bis zur letzten Minute stolz auf ihre Tat«
(Kolle in Jasmin). Doch Kolles Interpretation blieb die Ausnahme; die
meisten Artikel stellten ihr soziales Engagement und ihre Kinderliebe in
den Mittelpunkt.
Für das Thema Frauen und Bankraub sind auch Rote
Armee Fraktion (RAF) und Bewegung 2. Juni nicht unwichtig (->
Viehmann/Notgroschen der Revolution). Beide Gruppen ›organisierten‹ Geld
für ihre Aktionen, indem sie Banken erleichterten, und in beiden waren
Frauen selbstverständlich mit von der Partie. Einen Überfall auf eine
Bochumer Bank führten drei RAF-Frauen 1979 ganz ohne ihre männlichen
Genossen aus. Feministische Überlegungen waren bei der RAF normalerweise
kein Thema; im bewaffneten Kampf, so ihre Überzeugung, war das
diskrimierende Geschlechterverhältnis ohnehin aufgehoben – um so
vielsagender, daß die Frauen gerade beim Banküberfall ein Exempel für
Frauenpower statuierten.
Warum sich so viele Frauen dem bewaffneten
Kampf anschlossen, blieb für Psychologen, Kriminologen, JournalistInnen
ein Rätsel. Der Soziologe Erwin K. Scheuch konstatierte einen »Bruch mit
der abgelehnten Weiblichkeit« (Spiegel 20/1981) – einmal mehr ein
hilfloser Versuch, die Frauen für ihre unglaublichen Taten einfach zu
entweiblichen. Der Kriminologe Wolf Middendorf klammert sich an seinen
humanistischen Zitatenschatz und behauptet mit Schiller: »Da werden Weiber
zu Hyänen und treiben mit Entsetzen Scherz, noch zuckend, mit des Panthers
Zähnen zerreißen sie des Feindes Herz …« (Spiegel 20/1981). Die
Rechtsanwältin und Psychologin Margarete Fabricius-Brand glaubte, »daß die
Terroristinnen Selbstbeschränkung, Selbstverleugnung und Selbstaufgabe in
radikalster Form betreiben« und sie sich somit, wenn auch übertrieben,
konsequent fraulich verhalten (Spiegel 20/1981). Um das Unglaublich
glaubwürdig zu erklären, wird gerade bei den Frauen der Stadtguerilla
einmal mehr das besondere weibliche Maß angelegt, das alles, was sie tun,
ein bißchen verkleinert: Was bei den Männern bedingungslose politische
Überzeugung ist, wird bei den Frauen zur fehlgeleiteten Nächstenliebe, was
bei Männern als harte, kämpferische Disziplin interpretiert wird, ist bei
ihren Genossinnen übertrieben feminine Anpassungsfähigkeit.
Für alle
raubenden Frauen gilt gleichermaßen: Was nicht sein kann, weil es nicht
sein darf, wird glaubhaft gemacht, indem es in den üblichen Kanon
weiblicher Verhaltensmuster eingepaßt wird: durch Sexualisierung – sei es
als Vamp oder im anderen Extrem als Mannweib, durch Lächerlichmachen, was
einer Abwertung gleichkommt, und durch Karitatisierung d.h. durch eine
Interpretation der Tat als Akt weiblicher Fürsorglichkeit. Und doch bleibt
ein letzter Rest Faszination und Unbehagen in allen Erklärungsversuchen
zurück. Denn wie man es auch auslegt und mit gängigen Stereotypen
ummantelt, es bleibt der Fakt: Frauen tun’s auch.
Bank-Rapping
Coole
Frauen mit dem Revolver in der Hand, fehlgeleitete weibliche Robin Hoods,
Outlaws ohne femininen Touch oder raubende Vamps – Bild von
Bankräuberinnen haben entweder eine romantische Färbung, oder sie liefern
eine dramatische Geschichte über Auflehnung und Grenzüberschreitungen.
Kein Wunder, daß bankräubernde Frauen eine besondere Faszination auf
Regisseure und Filmemacherinnen ausüben. Die Frau mit der Waffe vor dem
Schalter ist Stoff und Staffage für eine ganze Reihe von Filmen: John
Waters, der für seinen Kult des Widerlichen, Extremen und Freakigen
berüchtigt ist, verpflichtete Patty Hearst für zwei seiner Filme.
Margarete von Trotta nahm die Geschichte von Margit Czenki als Vorlage für
den Film »Das zweite Erwachen der Christa Klages«. Und Margit Czenki
erzählt ihre Geschichte selbst in ihrem ersten Spielfilm
»Komplizinnen«.
Kinofilmen wird inzwischen eine Frauen inspirierende
Wirkung zugeschrieben, bis hin zur Entscheidung, nicht mehr auf den
Lottogewinn zu warten. Auch das Time Magazin (31.3.1997) befürchtete in
dem Kinofilm »Set it Off« mit der Rapperin Queen Latifah ein mögliches
Vorbild. Dort versuchen vier schwarze Frauen, trotz aller
Ungerechtigkeiten und Sorgen, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Als
alles nicht gelingt, beschließen sie, ihr Recht auf ein halbwegs
anständiges Leben nun selber durchsetzen. Das geht nur mit dem Geld aus
einer Bank. Der Film hat wahrlich kein Happy-End, nur eine kommt am Ende
davon. Der direkten Weg von der Leinwand in die Gehirne und hin zur
eigenen Tat ist ein bis zum Überdruß strapaziertes Argument, und es
erklärt bekanntermaßen nichts (Schönberger/Roller/Zaiser 1994). Aber die
Filme über den Traum vom schnellen, wilden, unerschrockenen Weg aus dem
Elend zeigen immerhin Frauen, die ihr schlechtes Leben nicht mehr ertragen
wollen und ihre Sache selbst in die Hand nehmen.
Quellen und
Literatur
Császár, Franz: Der
Überfall auf Geldinstitute. Wien u.a. 1975. Helmer, William J.: Public
Enemies: America’s Criminal Past, 1919-1940. New York 1998. Hentig,
Hans von: Zur Psychologie der Einzeldelikte. Bd. I: Diebstahl, Einbruch,
Raub. Tübingen 1954. Schönberger, Klaus/Roller, Franziska/Zaiser,
Michael: Kritik der Medienkritik. Rassismus & Gewalt – Fernsehen und
Videotapes. In: autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe/mittlerer neckar (Hg.):
Medienrandale. Rassismus und Antirassismus – Die Macht der Medien und die
Ohnmacht der Linken. Grafenau 1994, S. 107-143. Sinn, Dieter: Das
große Verbrecher-Lexikon. Herrsching 1984.
Film: Der geplatzte
Traum: Die Banklady. Autor: Martin Niggeschmidt. Süddeutsche TV/Vox,
30.8.1999.
|