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com.une.farce - eine neue linke Zeitschrift, getragen von Gruppen und Personen aus dem
Spektrum der autonomen und radikalen Linken - versteht sich als ein an der Vermittlung von
Theorie und Alltag orientiertes Projekt. Es geht uns darum, die Ebene der
alltagskulturellen Phänomene mit der "großen Politik" der alten Männer auf
staatlicher und internationaler Ebene, der sozialen Frage und einer Kritik des
Geschlechterverhältnisses so zu verknüpfen, daß dem alten Reduktionismus der Ökonomie
nicht irgendein neuer entgegengesetzt wird. Dabei kommt es darauf an, die verschiedenen
Herschaftsverhältnisse zu unterscheiden, sich aber auch ihrer Verwobenheit bewußt zu
sein.
Vermittlung von Theorie und Alltag heißt, politische Fragestellungen zur eigenen
Subjektposition in Relation zu setzen. So wie sich Herrschaft bis unter die Haut materiell
manifestiert, so übersetzen sich Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse in den daily
terror der verwalteten Welt. Eine an Emanzipation orientierte politische Theoriebildung
darf sich nicht damit begnügen, sozusagen vom Katheder die kritische Kritik zu predigen,
sondern muß sich auf den Alltag, auf die politische Praxis einlassen, um an der
kulturellen Grammatik, der symbolischen Ordnung wie den ökonomischen und politischen
Strukturen rütteln zu können. Die Interventionen unseres Projektes in politische
Debatten und Auseinandersetzungen verstehen wir als eine solche Vermittlungsanstrengung.
Wer spricht?
Das Redaktionskollektiv ist durchaus heterogen:
Teile des Projektes sehen sich in der Tradition der inzwischen etwas in die Jahre
gekommenen Neuen Linken und wollen ihr Engagement auch als Beteilung an den
Erbstreitigkeiten um 68 verstanden wissen, andere wiederum pfeifen drauf und überlassen
insbesondere im Jubiläumsjahr die Entsorgung der Geschichte lieber den Museen und
Galerien.
Motivationen sind schlechte Erfahrungen im real existierenden linksradikalen Blätterwald
oder einfach der Wunsch, selbst zu ProduzentInnen zu werden. So verschieden der
Ausgangspunkt, wieso sich die an diesem Projekt Beteiligten mit der "Waffe der
Kritik" ins Handgemenge begeben, so verbindend ist doch das gemeinsame Interesse an
der Weiterentwicklung einer linksradikalen Theorie und Praxis jenseits von Markt, Staat,
Geschlecht und kultureller Herkunft.
Mehr Fragen als
Antworten
Dabei stellen sich noch viele Fragen: Wie ist
das Verhältnis von Theorie und Praxis zu werten bzw. inwieweit kann unter den gegebenen
Verhältnissen Theorie als Praxis reichen? Welche Theorie hat was mit welchem/wessen
Alltag zu tun? Wie muß heute eine "Kritik des Alltaglebens" formuliert werden?
Oder genauer: Wie können feministische, antirassistische und marxistische Ansätze -
seien sie nun poststrukturalistisch oder eher an Kritischer Theorie ausgerichtet - für
eine undogmatische Theoriebildung so nutzbar gemacht werden, daß sie nicht bei einer
Aneinanderreihung von -ismen stehenbleiben, sondern Herrschaftszusammenhänge in
alltäglichen Kontexten analysieren und Experimentierfelder für Emanzipation benennen
können? Diese Fragen werden immer wieder von neuem zu beantworten sein. Die Antworten
werden dabei notwendigerweise unterschiedlich ausfallen, aber genau das macht uns
neugierig auf die gemeinsame Arbeit an einer Zeitschrift wie der com.une.farce.
Mit Netz und
doppeltem Boden
Die Idee, eine Zeitschrift im Netz machen zu
wollen ist nicht zuletzt eine Folge davon, daß die Mittel für eine "echte"
Zeitschrift in Printform fehlen. Insbesondere der Aufbau eines Vertriebes, der eine
Zeitschrift auch einigermaßen trägt, ist derzeit ein nahezu unüberwindbares Hindernis
für neue Projekte. Im Netz ist das einfacher und vor allem billiger. Wir wollen unseren
Schritt ins Netz jedoch nicht als Ausdruck unkritischer Netzeuphorie verstanden wissen;
wir verfolgen und beteiligen uns an den Netzdebatten und üben Netzkritik, weil hier
wichtige Weichenstellungen für die Zukunft der politischen Kommunikation getroffen
werden.
Ungeachtet des neu aufgekochten Brechtschen Interaktivitätsmythos, der schon in den 20er
Jahren Kommunikationstechnologie mit der Veränderung gesellschaftlicher Strukturen in ein
kausales Verhältnis setzte, und diverser anderer ideologischer Wolkenkratzer, die das
Medium mit sich bringt, erscheint uns das Internet im pragmatischen Sinn nutzbar. Wir
wissen, daß wir mit der ausschließlichen Publikation im Netz neue Ausschlüsse
produzieren - selbstverständlich kann auf Anfrage auch ein Ausdruck der com.une.farce
zugeschickt werden. Andererseits sind die Ausschlüsse bei klassischen linken
Zeitschriften, die es lediglich in ein oder zwei Buchläden in ein dutzend Städten zu
kaufen gibt, kaum minder problematisch. Das ganze allein auf ein quantitatives Problem zu
reduzieren, wird der Sache gewiß nicht gerecht; es geht auch darum, Erfahrungen mit der
Nutzung eines für linke Zeitschriften neuen Mediums zu machen, es sich anzueignen.
com.une.farce wird dreimal jährlich erscheinen. Die Nullnummer ist ab Samstag, den 1.
August 1998 unter www.copyriot.com/unefarce abrufbar, Nummer 1
erscheint am 1. Dezember, die folgenden Nummern in viermonatigem Abstand. Diese, einem
klassischen Periodikum angelehnte Erscheinungsweise verzichtet bewußt auf einige der
neuen und schnellen Möglichkeiten des Mediums und orientiert sich an den
Diskussionsprozessen der Redaktion, die überregional und dezentral organisiert ist. Das
Medium Internet soll hier nicht nur zur Publikation der Zeitschrift selbst dienen, sondern
auch der Redaktion die Möglichkeit einer Kommunikation bieten, die nicht auf die bei
überregionalen Projekten bekannte Zentralisierung auf einen Redaktionsstandort
zurückfällt. Möglichkeiten, die das Medium bietet, wie etwa die Einrichtung einer
Mailingliste für Diskussion und Austausch von LeserInnen, Redaktion und AutorInnen,
stehen als weitere Entwicklungstufen des Projektes zur Diskussion. Selbstverständlich ist
an dieser Stelle auch die Einladung an Interessierte, sich Texte runterzuladen, zu
verteilen oder als Werkzeugkiste in anderen Kontexten zu verwenden. Bei
Wiederveröffentlichung bitten wir um Angabe der Quelle und der Autorinnen sowie der
Zusendung eines Belegexemplares.
In der vorliegenden Ausgabe wurde noch kein Bild- und Tonmaterial verwendet. In den
folgenden Ausgaben soll das anders aussehen und sich anders anhören.
Die für das Zeitungmachen, -lesen und drüber reden notwendige Neugierde, Gelassenheit
und kriminelle Energie wünschen wir Euch und uns.
Die f a r c e - Redaktion |