Querfront-Referat

erneut überarbeitete Version gehalten von Olga Bombalowa (sinistra!) im Juni/Juli 2004 in Moers und Marburg

Vor kurzem erschien in der „Deutschen Stimme“, ihres Zeichens Parteiorgan der NPD, ein Artikel mit der Überschrift „Sind Rechte und Linke zu einer strategischen Allianz fähig? Mit einer sozialen, ökologischen und völkischen Bewegung das System der Globalisierer bekämpfen“. Der Tenor des Artikels: „Strategische Allianzen mit der noch antiimperialistischen und antikapitalistischen Linken“ sind sehr wohl denkbar, weil „der Riß ... nicht zwischen rechts und links [verläuft], sondern sich in der Frage: »Wie stehe ich zum eigenen Volk?« [definiert]“. 1993 traf sich die stellvertretende PDS-Vorsitzende Christine Ostrowski zum Plausch mit Nazi-Kadern der „Nationalen Offensive“ und konstatierte im Nachhinein, ihre sozialen Forderungen stimmten bis zum Wortlaut überein. Ein Jahrzehnt zuvor unterbreitete der damals prominenteste Neonazi, Michael Kühnen, den Autonomen ein Waffenstillstandsangebot, da der Kampf gegen „das System“ Priorität besitze.

Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, das Zustandekommen solcher auf den ersten Blick überraschenden Konstellationen und Bündnisangebote zu erklären. Der Schwerpunkt wird hierbei auf der Analyse aktueller Querfrontbemühungen liegen. Jene sind jedoch kein neues Phänomen, sondern stehen in einer längeren historischen Tradition, zu der sie sich auch freimütig bekennen. Daher erscheint es unabdingbar, in einem sehr knapp gehaltenen Überblick am Anfang des Referats auf die historischen Vorbilder einzugehen.

Noch ein kurzer Hinweis vorab: es geht nicht darum ein vollständiges Bild der Naziszene und ihrer diversen ideologischen Grabenkämpfe zu zeichnen, weniger interessiert bin ich auch an einer Einschätzung des prozentualen Anteils des Querfrontlagers, seiner Erfolgsaussichten und Zukunftsprognosen. Ziel des Referats ist es primär, die Grundzüge der nationalrevolutionären Ideologie, ihre aktuelle Ausprägung und ihr Rückwirken auf die Linke zu umreißen.

Vorläuferinnen in der Weimarer Republik

Vor allem in der Strömung, die unter dem Label Konservative Revolution subsumiert wird, wurden in den 20er Jahren Überlegungen angestellt, wie mittels eines nationalen Sozialismus die verhasste Weimarer Republik überwunden werden könnte. In diese Reihe gehören z. B. Oswald Spengler mit seiner Schrift „Preußentum und Sozialismus“, Arthur Moeller van den Brucks Phantasma von der „proletarischen Nation“ Deutschland, der von Ernst Jünger imaginierte Typus des heroischen Arbeiters oder Hans Zehrers TAT-Kreis, welcher „den Menschen rechts mit dem Menschen links zusammenführen“ wollte. Schon seit 1918 bestand in Hamburg um Fritz Wolffheim und Heinrich Lauffenberg eine aus der KPD hervorgegangene Gruppe, die sich selbst Nationalkommunisten nannte. In ihrem Bestreben, sich mit der „ehrlichen, antikapitalistischen Rechten“ zu vereinigen, um eine Volksgemeinschaft auf Grundlage der Gemeinwirtschaft der Arbeiter zu schmieden, gebrauchten sie der Legende nach zum ersten Mal in Deutschland den Begriff „nationalrevolutionär“.

Auch die NSDAP und hier speziell ihr vorgeblich linker Flügel um die Brüder Otto und Gregor Strasser erging sich in massiver antikapitalistischer Propaganda. Weil ihm die dominierende Fraktion um Hitler noch zu reformistisch schien, verließ Otto Strasser 1930 unter lautem Getöse die Partei und gründete die Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten. Mit dieser Truppe pflegte er Kontakte zur KPD, auf gemeinsamen Veranstaltungen traten je eine Rednerin der Roten und der Braunen auf. Noch 1932 beteiligte sich die NSDAP gemeinsam mit der KPD an einem Streik bei den Berliner Verkehrsbetrieben und in ebenjenem Jahr machte sich die kommunistische Parteiführung größte Sorgen um die hohe Personalfluktuation vom Roten Frontkämpferbund hin zur SA. Ermöglicht worden war das auch durch den teils offen nationalistischen und antisemitischen Kurs der KPD, wie er sich vor allem zu Beginn der 30er Jahre in der „Programmerklärung zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes“ manifestierte und 1923, als Karl Radek in seiner berüchtigten Schlageter-Rede während der französischen Ruhrgebietsbesetzung verkündete: „Wir glauben, dass die große Mehrheit der national empfindenden Massen nicht in das Lager des Kapitals, sondern in das Lager der Arbeit gehört“. Wenn es auch natürlich zu antifaschistischem Widerstand und u.a. heftigen Straßenschlachten kam, so waren doch leider die ideologischen und personellen Barrieren zwischen rechtem und linken Lager nicht immer besonders hoch.

Das Beispiel Ernst Niekischs

a]] Vita

Besonders deutlich wird die Verwischung von eindeutigen Zuschreibungen am Widerstands-Kreis und dessen Gründer Ernst Niekisch. Niekisch war Vorsitzender der bayerischen Räterepublik, SPD-Mitglied, im Hofgeismarer Kreis der Jungsozialisten tätig, verfügte über Beziehungen zur KPD und saß unter den Nazis einige Jahre im Zuchthaus. Nach dem Krieg trat er in die KPD ein, bekam von der SED den Vorsitz eines „Instituts zur Erforschung des Imperialismus“ angetragen und wurde noch in den 60er Jahren von der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes als Antifaschist geehrt. Auch heute noch geht Niekisch in manchen Kreisen als Linker durch. Tatsächlich hatte er scharfe Kritik an der NSDAP geübt, jedoch, und daraus hat er nie einen Hehl gemacht, nicht in emanzipatorischer Absicht. Im Gegenteil. Für ihn schienen selbst noch die Nazis zu westlich, quasi wesensfremd und undeutsch, weshalb er ausgerechnet Hitler vorwarf, eine „Politik des jüdischen Messianismus“ zu betreiben.

b]] Ideologie

Ich werde jetzt etwas ausführlicher auf Niekischs Ideologie eingehen, da sie in weiten Punkten als exemplarisch für das heute noch aktuelle nationalrevolutionäre Weltbild gelten kann und dementsprechend oft auf ihn rekurriert wird.

Niekisch setzte das absolute Primat der Außen- über die Innenpolitik. Als Endziel visierte er ein völkisch-großdeutsches Imperium an. Bis dahin war es für ihn aber noch ein langer Weg, denn durch die Schmach des Versailler Vertrags sah er Deutschland niedergeworfen, quasi kolonialisiert und von den westlichen Nationen unterdrückt. Bereits aufgrund der geographischen Situation, durch die Mittellage in Europa – ein Begriff bzw. Konzept das sich aktuell in den Reden des grünen Außenfischers wiederfindet -, galt ihm Deutschland als stets gefährdet, da von Feinden umringt. Gegen die Achse Paris-London-Washington sollte aus den genannten Gründen das Bündnis mit dem bolschewistischem Russland gesucht werden, im Osten entdeckte der Nationalbolschewist einen dem Germanischen seelenverwandten Typ des Barbaren. Mit dieser zweiten proletarischen Nation sollte der Kampf gegen den Westen aufgenommen werden. Den Liberalkapitalismus kritisierte er vor allem aufgrund dessen Versprechen, Glück und Freiheit für die Einzelne zu sichern, und hierin galt ihm der Marxismus als geistiger Zwilling, der ebenso materialistisch verdorben sei und sich nur an „wirtschaftlichen Gütern, Wohlstand und Lebensgenuss“ orientiere. Hinter der Aufklärung, dem Universalismus, dem Materialismus, ergo dem westlichen Prinzip sah Niekisch stets „den Juden“ am Werke, dessen natürliche Mission es sei, die Weltherrschaft anzustreben. Als „Negativmythos par excellence“ hätten die Juden vor allem die Vernichtung des authentischen Volkstums im Sinne. Demgegenüber stellte er das Modell eines deutschen Sozialismus, das auf der Basis der rassisch bestimmten Volksgemeinschaft beruhte. Unter Abwesenheit aller demokratischen Institutionen wie z.B. Parlamente oder anderer vermittelnder Elemente sollten die Deutschen zu einer homogenen organischen, oder besser: hierarchisch gegliederten Leistungsgemeinschaft zusammengefasst werden. Den Proletariern kam hierbei die Rolle der Arbeitsbienen zu, die von einer Elite geführt ihre ganze Kraft an die Nation hingeben sollten. Auch Banken und Großkonzerne hatten sich dieser Idee unterzuordnen und sollten verstaatlicht werden, um den Einfluss des internationalen Kapitals zurückzudrängen und das „hemmungslose Profitstreben“ zu beenden. Niekisch setzte das „Recht des Staates turmhoch über dem des Privateigentums“ an, denn der Staat sollte bei ihm die Rolle des alles überragenden Ordnungsfaktors spielen, der die egoistische Wirtschaft wieder unter die Kontrolle der Politik stelle. Ansonsten schenkte Niekisch der ökonomischen Sphäre nur wenig Beachtung. Nicht die Basisprinzipien der kapitalistischen Vergesellschaftung wie Ware, Wert und Tausch wurden von ihm kritisiert, vielmehr ging es ihm um die alle Schichten umfassende Mobilmachung Deutschlands, die nur erreicht werden konnte wenn auch die Arbeiterschaft via Nationalismus und der Verfütterung einiger finanzieller Brosamen ins antisemitische Kollektiv integriert würde. Sein Sozialismus basierte deshalb nicht auf einer Analyse der wirtschaftlichen Gegebenheiten, sondern war ein Prinzip, ein Ethos. Die Ideen von 1789 sollten durch die von 1914, dem Beginn des 1. Weltkriegs, abgelöst werden. Pflicht, Ordnung, Hingabe, Gefühl also statt Freiheit, Gleichheit und Vernunft. So naiv, um an eine vollkommene Abkehr von Technik und Zivilisation zu glauben, war er jedoch nicht, weshalb er eine Verbindung aus völkischem Irrationalismus und ökomisch-technischem Rationalismus anstrebte.

Niekisch war übrigens durch und durch Antifeminist. Frauen hatten nur als Gebärmaschinen ein Existenzrecht, die „Verweiberung“ von Staat und Gesellschaft spielte dem drohenden Volkstod in die Hände. Der Mann, der sich der Emanzipation der Frau öffne, „ist weibisch, weil er bürgerlich ist“. Am schlimmsten degeneriert seien die amerikanischen Männer, die als „Weiberknechte“ das genaue Gegenstück zum todesmutigen deutschen Krieger bildeten.

Time Tunnel: Die 70er Jahre und die Neue Rechte

Während in der Nachkriegszeit die autoritär-konservative Rechte dominierte, fand im Zusammenhang mit der 68er-Bewegung und den kurz darauf erfolgten Wahlniederlagen der NPD ein Umdenken in der rechten Szene statt: Etliche junge Aktivistinnen waren angeödet vom verspießten, hitlerfixierten Gefühls- und Bierhausnationalismus der Altnazis und bemühten sich um einen

Neuanfang. Die tradierte Engstirnigkeit und Theoriefeindlichkeit sollte abgelegt und durch ein militantes anti-parlamentarisches Konzept, welches sich auch nicht vor den Erfahrungen der Neuen Linken verschließen wollte, ersetzt werden. So spalteten sich Teile der NPD unter der Parole „Nationalismus ist Fortschritt“ ab und gründeten die Aktion Neue Rechte, deren Gründungsmanifest von Henning Eichberg verfasst wurde. Aus der bald schon zerstrittenen ANR entsprangen die Gruppen Solidaristische Volksbewegung SVB und die Sache des Volkes SdV/NRAO. Beide huldigten zwar ihrem Vorbild Ernst Niekisch - die SdV brachte gar an seiner Wohnung eine Gedenktafel an- trotzdem bestanden Differenzen. Denn orientierte die SVB um Lothar Penz sich weniger nach links, sondern stärker wertkonservativ und ökologisch -Zitat:“Nur die innere ökologische Balance garantiert die nationale Identität“- so gab sich die SdV um Henning Eichberg radikaler und übernahm typisch linke Organisationsformen wie autonome Basisgruppen und ML-Kaderstrukturen. Propagiert wurde ein Sozialismus des 3. Wegs jenseits von Kapitalismus und Kommunismus.

Henning Eichbergs Hirngespinste

Der wichtigste Theoretiker der Neuen Rechten war Henning Eichberg, dessen zentraler Beitrag in der Mitentwicklung und Verbreitung des Ethnopluralismus lag. Dieses Denken rechnet jedem Volk grundsätzlich verschiedene Eigenschaften zu, was sich nicht nur in Äußerlichkeiten wie etwa der Hautfarbe, sondern vor allem in unterschiedlichen geistigen und psychischen Strukturen niederschlage. Daraus entstünden schließlich die jeweiligen Traditionen und Kulturen, die zusammengefasst die nationale Identität bildeten. Jene Identitäten gelte es, ungeachtet ihres spezifischen Inhaltes, um jeden Preis zu verteidigen. Für den Ethnopluralist gilt die/der Einzelne gar nichts, die Individuen sind nur als unselbstständige Anhängsel ihres Volkes vorstellbar. Nur in der ihnen zu eigenen kulturellen Umgebung, ihrem Biotop, um den naheliegenden Begriff aus der Biologie zu entlehnen, können sie sich normal entwickeln. Störend oder gar zersetzend wirkt sich hier die Anwesenheit von Fremdfaktoren aus, etwa die durch eine perfide Strategie des Großkapitals veranlasste Präsenz von Gastarbeiterinnen. Jener gelte es, auch im Sinne der durch das Kapital entwurzelten Migrantinnen, entgegenzutreten. Ideal und Endziel wäre eine Welt, die fein säuberlich in klar voneinander abgegrenzte, ethnisch separierte Territorien aufgeteilt ist. Der Ethnopluralismus artikuliert also faschistische Reinheitsfantasien, die notwendig auf Pogrom und Vernichtung zielen, verkauft sich jedoch als antirassistisch, da er sich ja für den Erhalt der kulturellen Vielfalt einsetzt, die durch den gleichmacherischen Globalismus bedroht sei.

Eichberg sah speziell Deutschland aufgrund der Besatzung durch die raumfremden Supermächte USA und UDSSR, die mit ihrer universalistischen, liberalistischen Ideologie Europa seiner identitären Substanz beraubten, in Gefahr. Als Opfer des Imperialismus rechnete er Deutschland zur 3. Welt und entwarf ein Bündnis mit den anti-kolonialen Befreiungsbewegungen Afrikas und Lateinamerikas, ein absurder Gedanke der nichtsdestotrotz auch von einigen K-Gruppen wie der KPD und der KPD/ML geteilt wurde. Letztere forderte gar unter der Headline „Deutschland dem deutschen Volk“ die „Beendigung der quasi-kolonialen Unterdrückung“ ihres Vaterlandes.

[Laut Eichberg sollte sich der gemeinsame anti-imperialistische Kampf gegen das moderne, entfremdete Haben-Wollen richten und im Wunsch nach einem interesselosen Sein aufgehen. Darin fand er sich mit der jungen Alternativkultur verbunden, die sich ebenso einer Abkehr von der Konsumgesellschaft und einer back-to-the-roots-Mentalität verpflichtet fühlte. Ohne seine völkischen Grundprinzipien zu verraten, wechselte Eichberg in den 80er Jahren die selbst angehefteten Attribute und switchte vom rechten Europa-Strategen zum linken Regionalisten, der den kleinen Einheiten, den Regionen den Vorzug gab gegenüber dem Staat oder dem Imperium. Begründet wurde das u.a. mit der geschlechtspolitischen Dimension: Der Patriotismus, der sich auf ein Vaterland beziehe und durch klare Grenzziehung Ordnung schaffen wolle, sei ein männlicher. Die Linke müsse daher die feministische Kritik an abgrenzenden, ausschließenden Identitäten ernst nehmen und hin zu einem Verständnis derselben als Unterschiedsbegriff kommen, welcher Vielfalt und fließende Grenzen zulasse. Gemeint ist damit die Abkehr vom männlich-rationalen Staat und die Hinwendung zur mütterlichen, über Dialekte, Regionen und sogenannte Alltagskultur konstruierte Gemeinschaft.

Eichberg veröffentliche außer in rechten auch in sozialdemokratischen und alternativen Publikationen wie Ästhetik+Kommunikation, Pflasterstrand und der taz. 1978 führte er in „das da/avanti“ einen mehrere Artikel einnehmenden Schlagabtausch mit Rudi Dutschke über die nationale Frage. Dabei beweinte der rote Rudi die deutsche Arbeiterklasse, die immer verschaukelt worden sei, früher von „mad Hitler“, aktuell durch die „Spaltung unseres Landes“ und beklagte im weiteren, „Amerikanisierung und Russifizierung sind vorangeschritten, aber nicht die Wiedergewinnung eines realen Geschichtsbewusstseins der Deutschen, ganz zu schweigen von einem nationalen Klassenbewusstsein der deutschen Arbeiterklasse“. Begeistert von solcherlei nationalem Gedöns, postulierte Eichberg in der nächsten Ausgabe von das da/avanti den angeblichen neuen Hauptwiderspruch „Imperialismus oder unser Volk“ und frohlockte: „Rudi Dutschke hat etwas Systemoppositionelles getan, als er seine Aphorismen wagte. Er hat die nationalrevolutionäre Chance der deutschen Linken bezeichnet“. Die Rede von der Systemopposition, die Linke und Rechte verbinde, wird heute immer noch gern gebraucht und dient zur Beschwörung einer revolutionären Identität, die den wahren Charakter dieser konformistischen Rebellion verschleiert. Schließlich ist Deutschland nichts lieber als junge, aufstrebende Menschen, die sich zu willigen Erfüllungsgehilfen des verrückten Glaubens vom Opfer für die hohe Idee der Nation machen.

Außer Eichberg versuchten sich in den 70ern noch etliche andere an der Konstruktion einer Querfront gegen „das System“. BündnispartnerInnen erblickten sie vorwiegend in der Alternativ- und Ökobewegung, wo sie den Versuch unternahmen, die dort virulenten Topoi „schützenswerte Heimat“ und „Abkehr von der dekadenten Konsumgesellschaft“ eindeutig aufzuladen.

Das Magazin „wir selbst“

Besonders hervor bei der Förderung solcher grün-brauner Mixturen tat sich die Zeitschrift „wir selbst“ von Siegfried Bublies, die aus der von jungen NPD-Mitgliedern gebildeten „Grünen Zelle Koblenz“ hervorging. In einem aus diesem Umfeld stammenden Manifest wurde gegen „AKW`s, kapitalistische, kommunistische Konzerne“ gewettert und für den „Vorrang der Ökologie vor der

Ökonomie geworben“;, ergo für das Primat des faschistischen Sozialdarwinismus. „Wir selbst“ erschien mit dem Untertitel „Zeitschrift für nationale Identität und internationale Solidarität“. Im Editorial der ersten Nummer erklärte man, mensch wolle „den Freiheitskampf der Korsen, Basken usw unterstützen“;, stelle sich „gegen Diktatur, kapitalistische und marxistische KZ´s“ und betrachte „die Ideologien von rechts und links als überholt“. Massiv wurde hier der Versuch unternommen, rechten Nationalismus und linken Internationalismus mittels des Ethnopluralismus zu verklammern und zu einer allumfassenden Widerstandskategorie gegen westlichen Kapitalismus und östlichen Marxismus zu schmieden. Publiziert wurden von „wir selbst“ ansonsten neben Artikeln von Nationalrevolutionären wie H. Eichberg auch Texte des Historikers Sebastian Haffner, des Avantgardekünstlers Joseph Beuys, von Sozialdemokratinnen und kritischen Linken wie Arno Klönne. „wir selbst“ existierte bis vor kurzem, in einer der letzten Ausgaben schrieben neben den altbekannten Henning Eichberg und Baldur Springmann der Ex-Maoist Dieter Schütt (Shanghaier Kreis), der Nazi-Bänkelsänger Friedrich Baunack und der NPD`ler Arne Schimmer.

Die Eighties: Friedensbewegung und Deutschlandliebe

Zu Beginn der 80er Jahre setzte eine lagerübergreifende nationale Welle ein, welche die Zeitschrift „Nation+Europa“ zu der Bemerkung veranlasste, „die Rechte sollte sehr aufmerksam verfolgen, wie sich der Linksnationalismus entwickelt und sie sollte von ihm lernen“. In der neu entstehenden, sogenannten Friedensbewegung waren es die Forderungen nach Neutralität, Souveränität und Beendigung des „Besatzungszustandes“, an die angeknüpft werden konnte. Die Rahmenbedingungen waren günstig, denn von linker Seite erschallte laut der Ruf nach „Neubesetzung des Begriffs der Nation“. 1981 wurde von den der Niekisch-Linie zugehörigen Sozialdemokraten Peter Brandt und Herbert Ammon der Sammelband „Die Linke und die nationale Frage“ herausgegeben, in dem mit Beiträgen von u.a. Eichberg, Martin Walser, Willy Brandt, Kurt Schumacher, der KPD, Ernst Niekisch und Bertolt Brecht versucht wurde, eine Tradition des guten, weil linken Nationalismus zu konstruieren. Im Folgenden verstärkten sich entsprechende Interventionen aus der rechten Ecke, gemeinsam wurden Aufrufe und Aufsatzbände national gesinnter Intellektueller herausgegeben. So erschien im Verlag des nationalpazifistischen Grünen Alfred Mechtersheimer eine Denkschrift, als deren Autorinnen u.a. Herbert Ammon, Wolf Schenke, ehemaliger Reporter des „Völkischen Beobachters“, Rolf Stolz, Nazifreund und grüner Kopf der „Linken Deutschland-Diskussion“, Sozialdemokraten sowie der Mitbegründer von „wir selbst“ zeichneten. Zentrale Forderungen waren der „Abzug fremder Truppen aus beiden deutschen Staaten“ und die „Wiedervereinigung“, Fragen die gesamtgesellschaftlich breit diskutiert wurden und immer wieder Anlass für Avancen und Allianzen quer zum sonst geltenden politischen Gefüge gaben. Beispielhaft dafür noch zwei Zitate: Armin Mohler, Edelfaschist und wichtigster Bewahrer der Gedanken der „Konservativen Revolution“, verortete die Grenzen nicht mehr zwischen rechts und links, sondern „zwischen den Bejahern und den Gegnern des status quo“, d.h. „der großen Gleichmachung unter Sowjetstern und Stars + Stripes“. Michael Kühnen, militanter Naziführer, zeigte sich ebenfalls erfreut über den neuen Nationalismus von links und rekurrierte auf den historischen NS, der den Versuch unternommen habe, „rechts und links im Überlebensinteresse unserer Nation zusammenzuzwingen“. Vor allem die Nationalrevolutionäre im engeren Sinne um die Solidaristen und Henning Eichberg versuchten sich als nonkonforme, progressive dritte Kraft darzustellen und erklärten den Nationalismus kurzerhand zum wahren Antifaschismus, da er die Befreiung des deutschen Volkes von anti-emanzipatorischen Strukturen zum Ziel habe.

`89er-Antifaschismus und wiedererwachter Größenwahn

Bekanntlich wurde 1989/90 die antifaschistische Maßnahme „Wiedervereinigung“ umgesetzt und ein Ruck ging durch die Republik: Man war wieder wer. Die Bedrohung durch den Bolschewismus fiel weg, die wiedergewonnene Größe wurde in Mölln, Solingen und Lichtenhagen gebührend gefeiert. Beinahe ein halbes Jahrhundert hatte man unter der Knute der alliierten Besatzungsmächte gestanden, musste als DDR-Bürgerin den Vorgaben Moskaus Folge leisten, als in der BRD Ansässige sich als Teil der westlichen Welt verkaufen, was einer offenen Formulierung eigener nationaler Interessen zuwiderlief. Mit dem Nachlassen des – sowohl tatsächlichen wie auch herbeihalluzinierten ausländischen Drucks – konnte eine eine neue Runde in Sachen Identitätssuche eröffnet werden. Immer stärker wurde die Westbindung von nun an in Frage gestellt, was seinen bisherigen Höhepunkt in der offenen Absage an die alliierte Irak-Politik des letzten Jahres fand. Die angeblich geographisch begründete Mittellage Deutschlands in Europa wurde wiederentdeckt, woraus ein eigener, eben deutscher Weg jenseits von Wallstreet-Kapitalismus und Kommunismus, als Mittler zwischen West und Ost, abgeleitet wird. Die volksgemeinschaftliche Avantgarde am rechten Rand blieb von dieser Reorientierung und dem erneuten Einsetzen des Weltmachtstrebens selbstverständlich nicht unberührt, sondern vollzog alle wesentlichen Umbrüche in radikalerer Form mit.

Soziale Frage? Antwort: Braun!

Als paradigmatisch für die neue Ausrichtung der Nazis kann der Führerwechsel der NPD von 1996 gelten. Damals wurde der Holocaustleugner Deckert von Udo Voigt abgelöst, der sogleich begann, die „soziale Frage“ auf die Agenda zu setzen. Während REP`s und DVU mit plumper „Ausländer Raus“- und „Sozialschmarotzer“-Rhetorik agierten, schlug die NPD und im weiteren Verlauf wesentliche Teile der Rechten unter Bezug auf Vorbilder aus der Weimarer Republik wie Ernst Jünger und die Strasser-Brüder einen antikapitalistischen Kurs ein. Mit revolutionären Parolen wie „Nicht Kapitalismus! Nicht Kommunismus! Für deutschen Sozialismus“ warben sie fortan auf der Straße um Wählerinnen, während gleichzeitig in Zeitschriften und Theoriezirkeln am Konzept der

„raumorientierten Volkswirtschaft“ gebastelt wurde. Zu diesem Zweck wurde von der NPD ein eigener „Arbeitskreis Wirtschaftspolitik“ eingerichtet, dem der ehemalige SDS-Kader und heutige „Nationalmarxist“ Reinhold Oberlercher und der in der DDR als Professor für Marxismus-Leninismus tätige Michael Nier angehörten. Letzterer empfahl im neofaschistischen Organ „Nation+Europa“ seiner braunen Leserschaft die PDS zur Wahl, da sie „die einzig bekannte Partei [ist], die sich gegen die neoliberalistische Globalstrategie wendet. Man könne wohl feststellen, dass die Masse der Mitglieder ... national orientiert ist und der Meinung, dass das internationale Finanzkapital über die regierenden Systemparteien an der Zerstörung von Sozialstaat und Kultur arbeitet“. Als Dankeschön für diese Liebeserklärung stellte ihm das PDS-nahe Neue Deutschland kurz darauf Platz für seine Attacken gegen „das System“ bereit, den er nutzte, um über „kulturelle Flächenbombardements“ und „eine immer brutalere Amerikanisierung“ zu greinen und zu prophezeien, dass sich „in den kommenden Jahren neue politische Strukturen bilden, durch die sich zwar auch gegensätzliche Interessenfronten ziehen werden. Jedoch wird die Bewahrung des Landes gegen die Weltherrschaft der anglo-amerikanischen Milliardärsgruppen das entscheidende politische Einigungsziel bilden“.

Das führt uns zu einem Kleinen Exkurs über den rechten Antikapitalismus

Natürlich begreifen Nazis nicht um eine Analyse des Kapitalismus in seiner Totalität, sondern zuallererst um die Bewahrung ihres absoluten Fetischs, der Nation. Sie reißen die Sphäre der Produktion aus dem gesellschaftlichen Zusammenhang gerissen, naturalisieren sie in Form der ehrlichen, deutschen Arbeit und verklären sie fetischistisch zum Selbstzweck. Arbeit um der Arbeit willen, nicht um Geld zu verdienen lautet das Ideal. Dem heldenhaften, wertschaffenden Proleten, der seine Identität aus der Verwurzelung in der autochthonen Gemeinschaft bezieht, steht der jüdisch codierte Finanzkapitalist entgegen, welcher amoralisch und verkommen rein an Profit und Macht interessiert sei. Alles Böse wird in der Zirkulationssphäre verortet, die daraus resultierenden Feindbilder hören auf die Namen Banker, Abzocker, Spekulantinnen, korrupte Politiker. Auf politischer Ebene entspricht dem Typus der auf den finanziellen Vorteil schielenden Egoistin der fette, satte und darum feige Spießbürger, der statt Risiken einzugehen lieber diskutiert und faule Kompromisse schließt. Weniger auf ökonomische Realitäten, mehr auf die angebliche Zerstörung von Kultur und Tradition wird der Fokus gelegt. Der rechte „Antikapitalismus“ tritt als Absage an den Materialismus und damit gegen die Orientierung an Wohlstand und Lebensgenuss an. Im Gegenzug proklamiert er die Rückbesinnung auf „echte Werte“, Ideale für die sich zu sterben lohnt. Diesem Idealismus haben sich die Interessen und Bedürfnisse der Einzelnen im Sinne des Allgemeinwohls, des großen Ganzen, unterzuordnen. Die Volksgenossen sollen bis zur absoluten Identität mit dem totalen Staat verschmelzen, der zugleich als Souverän des Kollektivs und ehrlicher Makler auftritt. Aus jenen nationalsozialistischen Anwandlungen spricht ein ambivalentes Verhältnis zur Moderne. Das archaisch anmutende BlutundBoden-Prinzip soll mit der industriellen Maschine verknüpft werden, um gemeinsam den Kampf des Authentischen, Konkreten gegen das unfassbare Abstrakte, dass in den Juden personifiziert und naturalisiert wird, zu führen. Trotz der ständigen Betonung scheinbar rückwärtsgewandter Topoi wie Tradition, Kultur und Volkstum handelt es sich nicht um eine vormoderne Bewegung, sondern um die radikalste Exekution des kapitalistischen Verwertungsimperativs, in welchem die Tendenz zur Beseitigung alles Unnützen, Faulen, Abweichenden schon angelegt ist. Gleichzeitig strebt der rechte Antikapitalismus die Vernichtung aller der bürgerlich-kapitalistisch Gesellschaft entsprungenen begrüßenswerten Aspekte – der Gedanke der materiellen Bedürfnisbefriedigung, die Idee eines selbstbestimmten Individuums – an. Das Glücksversprechen wird von der ebene des Individuums auf das Kollektiv verschoben, seine Einlösung in Form der Volksgemeinschaft als Erlösung empfunden. Eine Erlösung die nur möglich erscheint mittels der Vernichtung alles Undeutschen, Nicht-Produktiven in einem gigantischen Akt der Reinigung. Die der bürgerlichen Gesellschaft eigene Dialektik der Aufklärung wird durch die Entscheidung für die Barbarei stillgestellt. Der Klassenantagonismus wird dabei nicht aufgehoben, lediglich eingefroren. Es vollzieht sich die negative Aufhebung des Kapitals auf Grundlage des Kapitals.

Wie gesagt, die rechten formulieren eine absage an das angeblich anarchische Marktprinzip und flüchten sich in die starken Arme des Staates. Jener wird zum Überpatriarch und Alleskönner mystifiziert und damit als scheinbarer Gegenspieler der Ökonomie ins spiel gebracht. Anvisiert wird ein Staat des arbeitsamen Volkes, der die Krise abschafft und Verteilungsgerechtigkeit installiert. Udo Voigt etwa fordert, „das Primat der Politik in der Wirtschaft zu setzen“, denn „nicht das Volk dient der Wirtschaft, sondern die Wirtschaft muss dem Volke dienen“. Entsprechende Maßnahmen sollen die Verstaatlichung von Banken, Versicherungen und multinationalen Konzernen sein sowie die „Schließung der Börsen und Einziehung aller Spekulationsgewinne“ (NPD-Parteiprogramm). Der antisemitische Hass auf Faulenzer und Schmarotzer artikuliert sich sowohl in der altbekannten Forderung nach „Brechung der Zinsknechtschaft“ als auch in dem Versprechen – oder besser der Drohung – „arbeits- und müheloses Einkommen“ mittels eines Arbeitsdienstes zu beseitigen. Währenddessen wird das Privateigentum an Produktionsmitteln nicht generell in Frage gestellt, aber mit der NSDAP-Formel „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ moralisch aufgeladen und den nationalen Bedürfnissen untergeordnet. Nicht nur mit taktischem Interesse, nämlich dem Abwerben von PDS-Wählerinnen, sondern auch inhaltlich begründbar ist die Ostalgie, mit der die NPD Ende der 90er die DDR zum besseren Deutschland erklärte. In dieser Zeit wurde zudem von NPD und Freien Kameradschaften der 1. Mai zum „Tag der nationalen Arbeit“ gekürt, womit sich die Nazis als soziale Alternative zum DGB profilieren wollen, der die Arbeiter schon längst verraten habe. 2004 marschierten sie bei ihrem zentralen Aufmarsch in Berlin mit der Parole „Volksgemeinschaft statt Globalisierungswahn! Arbeit für Millionen statt Profite für Millionäre!“ auf. Konkret liegt der Fokus vor allem auf dem Kampf gegen die Agenda 2010, die als „endgültige Demontage des Sozialstaates im Sog der Globalisierung“ analysiert wird. Im Zuge der Kampagne wurde eine eigene Homepage ins Leben gerufen und diverse Demos veranstaltet. In Dresden versuchten Nazis mehrfach, an einer linken Pro-Sozialstaatsdemo teilzunehmen.

Seit einigen Monaten sorgen sich Rechtsradikale wieder vermehrt um die „sozial Benachteiligten“, als Folge einer „entsolidarisierten multikulturellen Gemeinschaftt“(Radio Freiheit) wurde der Vorschlag des JU-Vorsitzenden, Seniorinnen Gesundheitsleistungen zu verweigern, scharf kritisiert. Noch rührseliger gibt sich Udo Voigt, der beklagt dass „gerade die Ärmsten der Armen, die sozial Schwachen, die Arbeitslosen und die Rentner, die dieses Land erst aufgebaut haben, durch Leistungskürzungen geschröpft werden, um mehr Geld in die maroden Staatskassen zu bekommen.“. Die Nazi-Homepage stoertebeker.net druckte gar mit lobenden Worten wegen derem „kämpferischen Ton“ eine Presseerklärung der PDS ab, die ankündigte, den „Weg in amerikanische Verhältnisse“ durch eine Plakatkampagne gegen die Kürzung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau zu stoppen.

Querlage im Mikrokosmos

Heruntergebrochen auf die kommunale Ebene fordern die nationalen Sozialisten zum „Widerstand gegen neoliberale Privatisierungen und den Ausverkauf der Städte“ auf. So gelang es dem rechtsradikalen BFF in Franfurt, sich in ein von Attac, PDS und GEW gegründetes Bündnis gegen das Cross-Border-Leasing der lokalen U-Bahn einzureihen und dort über mehrere Monate hinweg trotz Intervention von Antifas mitzumischen. Gemeinsamer Nenner war das von Rechten und Linken geteilte Ressentiment gegen das amerikanische Großkapital, dem der lächerlich-lokalpatriotische Rekurs auf „unsere U-Bahn“ entgegengehalten wurde. In eine ähnliche Richtung, aber noch stärker mit linken und subkulturellen Codes arbeitend, geht das Projekt sogenannter Linksnationalisten aus dem Umfeld der Freien Kameradschaften, die in Lübeck eine leer stehende Villa besetzten und sich ausdrücklich mit dem räumungsbedrohten linken Zentrum „Alternative“ und dem Hamburger Bambule-Movement solidarisierten. Beklagt wurde die „Streichung sozialer Projekte“, die „Ausgrenzung und Stigmatisierung von Minderheiten“ und die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, die nur „anonymen Kapitalanlegern“ diene. Statt vermehrter Repression etwa mittels Videoüberwachung sollten „emanzipatorische, selbstbestimmte und unkommerzielle Projekte“ geschaffen werden, die zum Aufbau einer „solidarischen nationalen Gesellschaft ohne Bonzen in ihren Regierungssesseln“ beitragen könnten.

Völker erkennt den Hauptfeind!

Wie schon gesagt, konzentrieren sich wesentliche Teile der rechtsradikalen Szene seit Mitte der 90er auf die Herstellung einer geschlossenen, anti-westlichen und antisemitischen Volksgemeinschaft mittels der Synthese von nationaler und sozialer Frage in einem Dritten Weg. Begeisterung war denn auch ihre Reaktion, als mit den Krawallen von Seattle der Startschuss für die Antiglobalisierungsbewegung gegeben wurde. Die Deutsche Stimme etwa frohlockte: „Das letzte WTO-Treffen im November 1999 in Seattle ging in die Geschichte ein als Querfront rechter und linker Globalisierungsgegner gegen die Diktatur des Freihandels.“. Kein Wunder, scheint doch das Weltbild beider Gruppen in vieler Hinsicht übereinzustimmen. Wer könnte schon entscheiden, ob die folgenden Zeilen aus dem eben erwähnten NPD-Artikel nicht von ATTAC stammen!? Da heißt es

nämlich: „Dass solche Entscheidungen nicht von nationalen Parlamenten, sondern von transnationalen Gremien beschlossen werden, die vorwiegend von einem ministerialbürokratischen Wasserkopf besetzt und von den Lobbyisten der multinationalen Konzerne beeinflusst sind, ist der Gipfel der Entdemokratisierung.“. Die Nazis sehen sich also mit der Bewegung gegen die Globalisierung, die laut Franz Schönhuber „Amerikanisierung + Judaisierung“ bedeutet, in ihrer Analyse und ihren Feindbildern weitgehend einig und hoffen, entweder in Abgrenzung zu oder in Kooperation mit den linken und bürgerlichen Kräften ihre Alternative vom deutschen Sozialismus einbringen zu können. In ihrem Mobilisierungstext zum Attac-Aktionstag begrüßt die NPD Hessen ausdrücklich die Bemühungen jener Organisation, auf die ungerechte Gewinnverteilung und damit zusammenhängende soziale Verelendung aufmerksam zu machen, warnt aber vor dem von Attac repräsentierten Glauben an eine „sozial gerechte und ökologisch verträgliche Globalisierung“. Diese Qualitäten könnten nur mittels einer raumorientierten Volkswirtschaft sichergestellt werden. Beide eint also die Idee einer gerechte Wirtschaftsweise, die durch die starke Hand des Staates zur Geltung gebracht werden müsse. Die Hasstiraden gegen transnationale Institutionen, Großunternehmen und den von jenen propagierten „Amerikanismus“ werden aber auch in einen globalen Kontext gestellt und, gemeinhin scharf abgegrenzt von „antinationalen Tendenzen“, als Teil internationaler Solidarität begriffen. Mit Verve wird immer wieder dieser Ausdruck benutzt, der in den 20er Jahren noch als Sinnbild des völkerzerstörenden Charakters des jüdischen Marxismus galt. Gemeint ist mit der Rede von der internationalen Solidarität jedoch nicht mehr als die Logik des Ethnopluralismus, nach dem keine Individuen, sondern lediglich Völker als Subjekte existieren, deren befreiungsnationalistisches Streben nach Abschüttelung der Herrschaft, die immer nur als Fremdherrschaft gedacht werden kann, ungeachtet des konkreten Inhaltes unterstützenswert ist. Vor allem natürlich, wenn es sich gegen den Westen richtet. Mit dem Carl Schmittschen Freund-Feind-Impetus gerüstet gehen die Nazis auf die Suche nach Bündnispartnerinnen und werden z.B., wie die Landser-Redaktion Nürnberg, bei der baskischen ETA, den Iren, Kurden und Palästinensern fündig, „die von kapitalistisch-imperialistischen Kräften in ihrer Heimat massivst unterdrückt“ würden, obwohl doch niemand das Recht habe, „freie Völker mit eigener Sprache und Kultur in ein unnatürliches Staatsgebilde hineinzudrücken“. Die Kameradinnen der NPD und des Kampfbundes Deutscher Sozialisten setzen andere Prioritäten und treffen sich lieber zum Plausch bei Kaffee und Kuchen mit den hiesigen irakischen (=baathistischen) und nordkoreanischen Botschaftern, entsprechende Kontakte sind mehrfach belegt. Franz Schönhuber initiierte eine Spendensammlung für die „Kinderhilfe Irak“ des französischen LePen-Clans, um den „unschuldigen Opfern der OneWorld“ beizustehen. In schöner Regelmäßigkeit enden entsprechende Aufrufe mit dem rührigen Che Guevara-Zitat „Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker“, ein angesagtes Nazi-T-Shirt mit dem Che-Konterfei prahlt gar „Nicht nur er wäre heute bei uns!“. Umstritten ist lediglich die Frage, inwieweit hier lebende Migrantinnen, speziell aus arabischen Ländern, als Verbündete gelten können und ob es legitim ist, wenn eine Partei wie die NPD den der Selbsttitulierung nach „bosnischen Befreiungs-nationalisten“ Safet Babic als Kandidat für die Europawahl aufstellt. Abgesehen von derlei kontroversen Details steht aktuell jedenfalls weniger die Verteidigung des weißen, arischen Nordens gegen die anstürmenden Massen aus dem Süden, also die wohlstandschauvinistische Bewahrung metropolitaner Privilegien im Zentrum der Debatte; die Hauptkampflinie verläuft zwischen den autochthonen Völkern und den westlichen „Weltbrandstiftern“, repräsentiert von den USA und Israel. Das Deutsche Kolleg analysiert messerscharf: “Die Insassen (sic!) der USA sind kein Volk, sie sind eine Anhäufung von Individuen, sie fallen durch rohe und gewalttätige Gesinnung auf und kennen nur abstraktes Recht, das allein der Eigentumssicherung dient“. Als traditionelles Einwanderungsland können die USA keine eigene Kultur hervorbringen, die amerikanischen Individuen sind nicht zu einer Gemeinschaft zusammengeschweißt, ihre Gesellschaft wird nur von abstrakten, profitorientiertem Recht zusammengehalten. Ihre besondere Gefährlichkeit rührt aus ihrem Universalimus her, der mit seinem Postulat von der basalen Gleichheit aller Menschen gegen die ethnopluralistische Lehre der Verschiedenartigkeit der Völker verstößt. Der sogenannten OneWorld-Ideologie läge der Glaube an die Auserwähltheit des amerikanischen Volkes zugrunde, seine Wurzeln werden im jüdischen Monotheismus, dem Glauben an einen einzigen Gott, ausgemacht. Die USA gelten also als verjudete Anti-Nation und verschmelzen mit Israel zu einem Block des absoluten Bösen, personifiziert im Feindbild BuSharon. Vom usraelischen Weltherrschaftsstreben würden alle Völker unterdrückt, besonders in seiner Existenz gefährdet, „kurz vor der Vernichtung stehend“, ist logischerweise das deutsche, welches sich deshalb mit den freien Völkern, v.a. Kuba, Nordkorea, Palästina, Irak und Russland, zu einem antiimperialistischen Befreiungskampf zusammenschließen müsse. Als Teil des globalen Aufstandes gegen den Westen gelten die baathistischen und islamistischen Terrorbanden im Irak, und so nimmt es nicht Wunder wenn hochrangige NPD-Funktionäre wie der bayerische Landesvorstand Guenter Kursawe auf der Unterstützerliste für die links-antiimperialistische Kampagne „10 Euro für den irakischen Widerstand“ zu finden sind.

Im antiamerikanischen Projekt „Friedensbewegung 2003“ erkannten die Nazis den idealen Nährboden, um ihre antisemitische Propaganda an die nationalen Massen zu bringen. Unter Verwendung autonomer und antiimperialistischer Rhetorik wurden eigene Demonstrationen und Saalveranstaltungen durchgeführt, um sich als echte Opposition zu profilieren, die dem Übel, nämlich dem Globalismus, an die Wurzeln gehe. Parallel wurde zu den unzähligen Manifestationen der linken und bürgerlichen Kräfte mobilisiert, oftmals einfach indem Links auf die entsprechenden Seiten der „Friedens“initiativen gelegt wurden. Manchmal wurden die Stolzdeutschen vertrieben, oft konnten sie jedoch mitmarschieren – allein nach meiner Zählung 15 mal -, um dem friedliebenden Europa zu seinem gerechten Platz an der Sonne zu verhelfen. Gerade diejenigen Rechten, die nicht aufgrund von Namen oder Auftreten sofort als solche identifizierbar sind, z.b. die Bürgerrechts-bewegung Solidarität, hatten meist überhaupt keine Probleme, dankbare Empfängerinnen für ihre Propaganda zu finden. In Halle reihten sich sogar alle zwei Wochen bis zu hundert Freie Kameradinnen bei der offiziellen Friedensdemo ein, ohne dass es zu Ausschlussversuchen der Veranstalterinnen kam.

Intifada gegen USrael

Seinen konkretesten Ausdruck gewinnt der Kampf gegen den Universalismus bzw. die „zionistische Oligarchie“ in der Intifada, dem Aufschrei des „unterdrückten, verzweifelten Volkes der Palästinenser“. Die JN Duisburg erfreut sich am „heroischen, selbstlosen Kampf um die Sache“, der mit Steinen und Flaschen „gegen einen Feind, der große Teile der Welt hinter sich hat“, geführt werde. Die Intifada wird sowohl inhaltlich zum Chiffre für den Aufstand gegen den „verjudeten Westen“, dient daneben als Identifikationsangebot für den eigenen „nationalen Widerstand“ und wird mit einer rebellischen Haltung, dem „aufrechten Gang“ eines Julius Evola assoziiert. In der Bewunderung für den Mut, die Würde und das Rückgrat des palästinensischen Volkes mühelos entzifferbar ist der Wunsch, selbst alsbald wieder zur Vernichtungstat schreiten zu können. Die rechten Wiener Nachrichten Online schreiben: „Der Kampf um die Befreiung Palästinas und der Kampf um die Würde der österreichischen und deutschen Bevölkerung ist ein Kampf.“. Regelmäßig werden in den halbseriösen Nazi-Organen von Nation+Europa bis Junge Freiheit die allseits bekannten und beliebten Nahost-Expertinnen wie Uri Avnery, Norman Finkelstein und Felicia Langer herumgereicht, wobei stets auf deren Qualitätssiegel „linke Juden“ hingewiesen wird. Einen besonderen Narren hat die Nationalzeitung der DVU am „mutigen Juden und entschiedenen Menschenrechtler“ Noam Chomsky gefressen. Nicht nur dass sie ständig dessen Bücher in den höchsten Tönen anpreist, sie druckte sogar ein Interview mit ihm über zwei Ausgaben ab.

Der offenkundige Charakter dieser Publikation störte Chomsky dabei auch im Nachhinein nicht im geringsten (wie der Graswurzelrevolution zu entnehmen war). Die Nazi-Taktik, Jüdinnen als Israelkritikerinnen heranzuziehen und damit dem Antisemitismusvorwurf entgegenzuwirken, deckt sich weitgehend mit dem Vorgehen bürgerlicher und links-antizionistischer Medien. Wenig überraschend also die ständigen Beteiligungsversuche bei den Pali-Demos der letzten Jahre. Einige Male konnten Nazis über die volle Länge hinweg mitlaufen, etwa in Mainz und München. In der selben Stadt besuchten Verdi-Mitglieder gar „irrtümlich“ eine von Nazis veranstaltete Kundgebung für Palästina. Den absoluten Tiefpunkt bildete der Aufmarsch zum „Tag des Bodens“ im April 2002, zu dem unter anderem Libertad! und das Gegeninformationsbüro aufgerufen hatten. Hochrangige Nazi-Kader marschierten ganz internationalistisch Arm in Arm mit der Hisbollah, i m Zuge der antisemitischen Manifestation wurden Hitlergrüße gezeigt, „Juden raus“-Rufe angestimmt und verdächtige Personen auf ihr angenommenes Judentum befragt.

Militanzfetisch und Heldentum

Den in Palästina als „revolutionären Volkskrieg“ identifizierten Marsch in die Barbarei wollen viele Rechte nun auch im eigenen Land offensiv angehen. Die BRD-Elite gilt ihnen als dem „jüdischen Prinzip“ verfallene „Kollaborateure der Fremdherrschaft“; die durch das „volksvergessene“ Handeln der „Erfüllungsgehilfen des Kapitals“ heraufbeschworene Notsituation rechtfertigt gewalttätiges Vorgehen gegen das als monolithischen Block analysierte „System“. Der empirische Staat wird im Namen des idealen Staates angegriffen. Mittels radikaler anti-bürgerlicher Rhetorik – „Raus aus dem bürgerlichen Mief“ tönt es - will man das prickelnde Feeling von Aufruhr und Revolte heraufbeschwören. Das Logo des Aktionsbündnis Eifel bildet denn auch einen mit Hasskappe vermummten Fighter, umrahmt von den Wörtern „Autonomer Widerstand“, ab. Praktisch umgesetzt werden derlei Phrasen von militanten Nazis wie etwa in Gotha, wo ein „Kampfbund für die Freiheit Deutschlands“ als Signal an den US-Imperialismus die Scheiben von Mc Donald`s einwarf. Am liebsten sähe man sich in der Rolle des Steine schmeißenden Märtyrers nach dem Vorbild der „Intifada“ von Genua, weshalb in den letzten Monaten mehrfach Aufrufe zur Bildung eines nationalen schwarzen Blocks kursierten. Am 1. Mai in Berlin gelang die Blockbildung, mehrere hundert Nazis marschierten mit Kapuzis, Sonnenbrillen, Pali-Tüchern und Transparenten im Pop-Antifa-Style auf und lieferten sich kleinere Auseinandersetzungen mit der Polizei. Ihre stupid-revolutionäre Geste überschneidet sich mit bestimmten linken Lifestyles, und so ist es nur konsequent wenn die-kommenden, eine Querfront-Homepage, einen von Autonomen unter dem dummen Label Volxsport verfassten Kaputtmach-Ratgeber anlässlich des Bush-Besuchs online stellen. Gemeinsamkeiten bestehen in der Fetischisierung von Gewalt, Gefahr und Nervenkitzel, wie sie etwa beim oft zu beobachtenden Bestaunen von Riot-Fotos mit Szenen von brennenden Autos und gesmashten Banken zum Ausdruck kommt. Der ideale Politaktivist soll – mit dem nötigen technischen Know-How ausgestattet – souverän und entschlossen auftreten, seinen Anspruch auf ein wildes Leben hier und jetzt forcieren und mittels des militanten Kräftemessens in einen Wettbewerb mit der bewaffneten Staatsmacht eintreten. Zugrunde liegt dem ein zutiefst „männlich“ geprägtes Weltbild, Werte wie Stärke, Dominanz, Mut und Entscheidungsfähigkeit werden hoch skaliert, während gemeinhin Frauen zugeschriebene Eigenschaften, etwa Angst, Schwäche und Unterlegenheit immanent oder explizit verachtet werden. Der Steinewerfer als Held, der sich selbstvergessen der Sache hingibt und sich darin dem imaginierten Vor-Gesellschaftlichen, Barbarischen nähert, agiert als Gegenpart zur zivilisierten, konsumorientierten und damit verweichlichten Bürgerin, die des „Salon-Patriotismus“ oder „endlosem Rumgeschwätze“ bezichtigt wird. Mit solch heroisch-aktionistischem Gestus verbunden ist die Abwehr von Zweifel, Kritik und Selbstreflexion. Niederlagen und Ratlosigkeit können nicht eingestanden werden und führen über den erfolgsorientierten Anschluss an Massenbewegungen für manche Linke auf direktem Weg zur Reintegration in die Nation.

Querfront: Strategie und Motive

Zum Ende möchte ich noch mal die Frage nach den Motiven und Absichten, die hinter der Querfront-Strategie stecken, aufwerfen. Einerseits soll den Rechten der Flirt mit der Linken hilfreich sein beim Ausbruch aus dem Szene-Ghetto, in das sie sich gesperrt fühlen. Die Debatte und der Austausch mit Linken soll dazu dienen, das gemeinhin vorherrschende Schreckbild vom ewigen Nazi abzustreifen, um somit gesellschaftsfähig, intellegibel zu werden, wobei vor allem die Integration von Konvertiten wie Horst Mahler, Reinhold Oberlercher oder Günter Maschke hilfreich bei der Verwischung der Grenzen und der Steigerung des Ansehens ist. Mittels des Aufzeigens von vermeintlichen Kontinuitäten im eigenen Weltbild oder bei linken Idolen wie Rudi Dutschke, der tatsächlich schon in den 60er Jahren für die „Wiedervereinigung“ eintrat, wird eine Erzählung präsentiert, die die links-internationalistische Vergangenheit nicht als Gegenpart, sondern als komplementär zum heutigen Nationalismus versteht. Die Einbindung diverser Linker, Ex-Linker oder Eigentlich-nie-links-Gewesener gilt des weiteren als nützlich für die Selbststilisierung als nonkonforme, unideologische Kraft des 3. Weges, die sich jenseits althergebrachter Denkschemata bewegt und aufregende neue Pfade erkundet. Vor allem jedoch soll die Aufhebung der „Links-Rechts-Gesäßgeographie“ (Jürgen Schwab) der alles überragenden, unhinterfragbaren Sache der Nation dienen. Wie auf außenpolitischer Ebene pragmatisch ein Bündnis mit islamistischen oder russischen Kräften, den kleinen Satans gegen den großen Satan, gesucht wird, so im Innern mit der Linken, denn der gemeinsame Angriff auf den Hauptfeind, das liberalkapitalistische System, und die damit verbundene revolutionäre Überwindung der bürgerlichen Gesellschaft lasse alle noch vorhandene Differenzen verblassen. Mit Hilfe projizierter Katastrophenszenarien, die fröhlich gruselnd eine kurz bevor stehende Vernichtung Deutschlands an die Wand malen, wird ein nationaler Notstand beschworen, der entschlossenes Handeln in möglichst breiter Front nötig mache. Die NPD Hessen ruft die SDAJ auf, sich nicht als Antifas zum objektiven Agenten des Großkapitals zu machen, sondern gemeinsam für die „Zukunft unseres Volks“ einzutreten. Der NHB-Funktionär Dietmar Engelhard bringt das so auf den Punkt: „Längst verläuft die maßgebliche Frontlinie nicht mehr im herkömmlichen Links-Rechts-Schema. Das wesentliche Gegensatzpaar heißt heute nationale Identität vs. Entfremdung, Ethnopluralismus gegen One-World-Ideologie ... Die deutsche Volkssubstanz ist mittlerweile so in ihren Fundamenten bedroht, dass die nationale Frage zu der entscheidenden Existenzfrage schlechthin geworden ist.“. Andere Nazi-Prediger betonen mit linkem Vokabular die Vereinigung im Kampf gegen „die da oben“, die Ausbeuter, welche die überkommene Fraktionierung abgelöst habe. Michael Koth vom KDS etwa will NPD und PDS unter der Losung „Getrennt marschieren - vereint schlagen“ in den Aufstand gegen die „Herrschenden dieses Staates“ schicken. In beiden Fällen wird Herrschaft nur als von außerhalb des völkischen Kollektivs kommende Fremdherrschaft interpretiert, das Endziel, eine harmonische, hierarchisch gegliederte Volksgemeinschaft, in der alle Individuen ungeachtet von Klassenzugehörigkeit oder politischer Einstellung aufgehen, bleibt das selbe.

Schnittmengen zwischen rechts und links finden sich einerseits auf ästhetischer Ebene, wo vor allem der militant-revolutionäre Habitus des autonomen Kämpfers gegen das System für die Rechten interessant ist, den sie folglich auch massiv übernommen haben, etwa in der Form von Palitüchern und Kapuzenpullis, lauter wütender Musik (Hatecore, Punk) oder provokantem Aktionismus. Jene konformistische Revolte findet ihre inhaltliche Entsprechung im Hass auf die westliche Zivilisation. Hier bzw. vor allem an den damit verbundenen Phänomenen des Antiamerikanismus, des Antisemitismus in seiner aktuellsten Erscheinungsform als Israelfeindschaft, und einer falschen Kapitalismuskritik sehen die Nazis Anknüpfungspunkte, die die Linke für sie zunächst interessant macht, jedoch dort noch zu wenig verbreitet scheinen bzw. radikaler nationalisiert werden müssen. Logisch ableiten aus der ideologischen Ausrichtung der Nationalrevolutionäre, denen auch die als bremsend oder reaktionär wahrgenommene gemäßigte Rechte ein Dorn im Auge ist, lässt sich die Verachtung für die Antifa- und antideutsche Linke, die mit ihrem „West-Extremismus“ der Sehnsucht nach einer deutschen Identität diametral entgegengesetzt zu stehen scheint. Dementsprechend hart wird sie angegangen: Während die Konkret als „Fachblatt für angewandten Deutschenhass“ gelabelt wird und das „irre“ BGAA ein „giftiges Gebräu aus Philosemitismus und Antigermanismus“ mixe, begleitet die Deutsche Stimme die Kurz`schen „wuchtigen Verbalattacken gegen antideutsche Seelenkrüppel mit Sympathie“. Die meiste Zuneigung wird nationalen Sozialisten wie der PDS und antizionistisch-antiimperialistischen Linken wie der immer wieder zitierten Jungen Welt oder der Antiimperialistischen Koordination, die mittlerweile mit Holocaustleugnern paktiert, geschenkt. In diesem Geiste propagiert P. Baden auf die-kommenden.net „die objektive Verbindung von autonomen Rechten, antiimperialistischen Linken und islamischen Kräften“, denn „in der antizionistischen Auseinandersetzung haben sich neue Kräfte herausgebildet, denen man vorurteilsfrei gegenüberstehen sollte ... Mit der Aktion „Menschliche Schutzschilde für den Irak“ beweisen sie die Bereitschaft zum Martyrium, die einst Gruppen wie die Eiserne Garde ausgezeichnet hat, heute auf der Rechten durch Maulheldentum und Zynismus ersetzt worden ist.“. Zwar wird konstatiert, dass die subjektiven Motive für solche Aktionen durchaus differieren können, doch „falsche Gesinnung und richtiges Handeln“ seien nützlicher als der umgekehrte Fall. In den Worten von Helmut Kohl: „Wichtig ist, was hinten rauskommt“...

Und deswegen ...

Gemeinhin werden die enormen Möglichkeiten der nationalrevolutionären Ideologie und Praxis von der Linken weder wahr- noch ernstgenommen. So wird etwa der Hinweis auf die fast komplette Übernahme vormals autonomer Slogans durch die Nazis mit der Bemerkung abgetan, es handele sich dabei nur um eine perfide Verschleierungstaktik zur Kaschierung der eigentlichen Ziele, um Demagogie oder um Manipulation mit dem Ziel, die Linke zu verwirren und zu lähmen. Weiterführender wäre die ernsthafte Beschäftigung mit der Frage, wieso immer wieder von Faschistinnen solch unsittliche Angebote an die Linke herangetragen werden, was letztere für erstere überhaupt erst interessant macht. Solche Gedanken sind allerdings unbequem für eine Linke, die sich lieber nicht allzu viele davon macht und stattdessen lieber als moralisches Beiboot im Tanker Germania mitschwimmt, von wo zwar ab und zu einige unschöne Töne zu hören sind, die Existenz des ganzen Kahns jedoch äußerst selten hinterfragt wird. Mir geht es nicht darum, an sich progressive Bewegungen vor Kontaktaufnahme oder „Vereinnahmungsversuchen“ abzuschirmen. Die Erkenntnis, dass die Nazionalrevolutionäre sich derzeit vor allem über die Schnittstellen Antizionismus, Antiamerikanismus und Antiglobalismus organisieren, darüber hinaus jedoch potentiell eine Nähe zur linken Theorie und Praxis zum Beispiel in Bezug auf Geschlechterfragen, Überwachungsstaat oder Häuserkampf sehen, muss zu intensiver Reflektion und radikaler Infragestellung althergebrachter Dogmen führen. Die Linke müsste sich der Einsicht der absoluten Marginalisierung aller emanzipatorischen Strömungen stellen, anstatt jedem Anflug von sozialer Bewegung hinterherzulaufen und dabei im Rennen ihr Hirn an der Biegung des Flusses fortzuwerfen. Nur wenn die Orientierung an den derzeit konterrevolutionären Massen abgelegt und der tradierte Appell an den Staat überwunden wird ist die Erarbeitung von Grundlagen für eine neue, anti-populistische, kritische Linke möglich. Vorraussetzung sollte die Annahme sein, dass die Linken als vergesellschaftete Individuen zunächst genauso rassistisch, antisemitisch und sexistisch sind wie der Rest der Gesellschaft, noch dazu als in Almanya lebende für die spezifischen Ausformungen des deutschen Nationalismus anfälliger als die Linke in anderen Teilen der Welt. Daraus folgt keine totalitarismustheoretische Gleichsetzung der beiden extremen Flügel, die doch nur die bürgerliche Mitte entlasten würde, stattdessen ginge es um ein tiefergehendes Verständnis der nationalrevolutionären Propaganda als derzeit aggressivster Option einer deutschen Ideologie, die alle Bereiche der Gesellschaft durchzieht und in verschiedenen Ausprägungen bei Werner Pirker, Gerhard Schröder, Norbert Blüm und Horst Mahler anzutreffen ist. An solcher Positionsbestimmung, die für etliche einen Kurswechsel zur Folge haben müsste, scheinen derzeit jedoch die wenigsten Linken interessiert.