blockieren geht über studieren !

[neoliberales sparprojekt hochschule]

nachdem nun schon seit ca. zwanzig jahren die hochschulen durch die verweigerung finanzieller, räumlicher und personeller ressourcen systematisch ausgetrocknet werden, ist ein punkt erreicht, an dem sie ihren regulären betrieb schlicht nicht mehr aufrechterhalten können: seminare verkommen zu hoffnungslos überfüllten vorlesungen, bibliotheken zu antiquariaten und kritische wissenschaft - wo sie denn überhaupt je stattfand - zu drittmittelfinanzierter auftragsforschung. auf den ersten blick könnte mensch meinen, dass sich die verantwortlichen mit dieser kahlschlagpolitik ins eigene fleisch schnitten. sind bildung und studium nicht der standortfaktor im rohstoffarmen deutschland (roman herzog)? aber eine derartige fragestellung geht aus zweierlei gründen fehl: zum einen kann das studium, verstanden als über eine kapitalistische verwertungslogik hinausreichende geistige betätigung, unabhängig davon betrachtet werden, ob es als standortfaktor taugt oder nicht; zum anderen ist auch keineswegs beabsichtigt künftige wissenschaftler, ingenieure und sonstige führungskräfte "dummzusparen". im gegenteil: das interesse an einer effizient funktionierenden, leistungsfähigen hochschule ist groß - nur, so fragen sich die neoliberalen sachzwanglogiker und sparfanatiker: "sind dazu wirklich soviele mittel nötig?", "brauchen wir wirklich soviele studierende?", "gibt es nicht noch viel zu viele ineffiziente, sprich: überflüssige studiengänge und lehrinhalte?" und natürlich: "warum zahlen die studierenden nicht gefälligst selbst für ihr studium?". damit wird nun keineswegs die institution hochschule in frage gestellt, aber es bedeutet sehr wohl die verstärkte ausrichtung der studiengänge an den bedürfnissen der wirtschaft, das zurückdrängen "unabhängiger" forschungsprojekte und den endgültigen abschied von der - natürlich nie wirklich realisierten - idee einer prinzipiell für alle gesellschaftlichen schichten zugänglichen hochschule durch direkte zugangsbeschränkungen (ncs), einführung von studiengebühren und de-facto-abschaffung des bafög.

mein freund der prof ist o.k.

wiederholt wurde im lauf des streiks gefordert, in einen konstruktiven dialog mit der professorinnenschaft zu treten (beispiel gießen!). die fixierung auf autoritäten, die im rahmen von seminarähnlichen "diskussions"-veranstaltungen die wahrheit verkünden und nebenbei noch die positionen der studierenden erläutern sollen, entbehrt jeglicher vorstellung von studentischer selbstorganisation und selbstorganisiertem studium. der herrschaftsfreie diskurs mit autoritäten bleibt in seiner widersprüchlichkeit zumindest fragwürdig. wenn sich nun professorinnen mit dem studentischen protest solidarisch erklären, bedeutet das zunächst noch nicht sehr viel: neben einigen profs, die durchaus gegen die umwandlung der "offenen" hochschule in eine stromlinienförmige eliteuniversität opponieren, gibt es nicht wenige, die dem projekt einer an wirtschaftlichen effizienzkriterien orientierten universität mit offener sympathie und konstruktiven vorschlägen begegnen. in jedem fall zeigt sich, dass ein großer teil der professorinnenschaft keineswegs willens ist, dem angriff auf die hochschulen offensiv entgegenzutreten, stattdessen aber, den ministerialbürokratischen vorgaben vorauseilend, den druck in form von anwesenheitslisten und herauslosen von seminarteinehmerinnen nach unten an die studierenden weitergibt. diese professorinnen sollten nicht von massiver kritik verschont bleiben!

a strike is a strike!

der am 13.11. beschlossene uni-weite streik sollte jetzt, um nicht ein zahnloses beweinen der verhältnissen zu bleiben, über einen bloß apellativen protest hinausgehen und als mittel zur verhinderung der - keineswegs auf den universitären elfenbeinturm beschränkten - sparvorgaben und der durchsetzung eigener vorstellungen begriffen werden. dazu ist es unbedingt notwendig solange zu streiken, bis unsere - sicher nur auf einem minimalkonsens beruhenden - forderungen durchgesetzt sind. streik (von engl.:strike=schlag) heißt aber auch: arbeitsniederlegung, also in unserem fall: uni-weite beendigung des seminar-, forschungs-, und verwaltungsbetriebs.

ohne die blockade möglichst aller institutsgebäude wird es einen aktiven(!) streik nicht geben. die meisten seminare werden ganz sicher nicht, wie gefordert, in diskussionen zum thema streik umgewandelt, sondern sich wieder dem aus professoraler sicht wichtigeren seminarplan widmen. dies zeigen die erfahrungen aus vergangenen streikbewegungen, die ihre hoffnungen auf teilblockaden, rotierende wöchentliche aktionstage und die reine proklamation des streiks bei gleichzeitiger bildung einiger arbeitsgruppen setzten.

viele studierende werden sich über die angenehm leeren seminare freuen und ihre scheine mehr oder weniger bravourös meistern.

also nehmt eure stühle und tische und setzt sie gezielt und sinnvoll ein!

(sinistra! november 1997)