"one of my best friends is from africa,

kann ich auch von mir sagen"

[der fachbereich gesellschaftswissenschaften der universität frankfurt und sein soziologieprofessor karl otto hondrich]

jahrhundertelang gewachsene identitäten, darunter die vorstellung, wer deutscher sei und wer nicht, kann man nicht kurzerhand ignorieren, austricksen, vergewaltigen, so der frankfurter soziologieprofessor karl otto hondrich zum thema rassismus in der brd. sich viel mehr und systematischer mit kollektiven gefühlsvorstelungen, die die basis solcher gewachsenen identitäten darstellen, zu beschäftigen, dazu fordert hondrich seine zunft auf, die sich zumindest in frankfurt bisher in stillschweigender toleranz übt. so kann hondrich unbehelligt sein politisches programm formulieren:

* grenzen dicht, denn nationalismus lebt, heute wie früher [...] von seiner funktion, gerade die modernen erungenschaften eines gemeinwesens zu sichern. wie jede kultur sind diese erfolge in grenzen gewachsen; sie würden im grenzenlosen sogleich verdampfen.

* ein neuer kategorischer imperativ für die politik: folgen wir unseren gefühlen mit den meisten menschen.

eben dieses gesunde volksempfinden als soziologische kategorie im wissenschaftsbetrieb zu etablieren, ist erklärtes ziel der sogenannten neuen rechten. in ihrem versuch, die akademische elite für sich zu gewinnen, sind professorinnen wie hondrich potentielle ansprechpartnerinnen von zeitschriften wie junge freiheit oder criticón. dass diesem experten in der reinwaschung völkisch-nationalen gedankenguts, dessen thesen selbst die zeit "politische brandstiftung attestiert, im frankfurter kolleginnenkreis kaum widersprochen wird, er sich sogar in studentischen gruppen einiger beliebtheit erfreut, liegt an der allgemeinen unfähigkeit, kritik am zunehmenden einfluss neurechter ideologeme im wissenschaftsbetrieb zu üben. so basteln derzeit alle statusgruppen an der großen "uni-familie", die sich gemäß dem motto "ich kenne keine parteien mehr" auf den "marsch in die reformen" begibt. hondrich währenddessen tingelt weiter zwischen zeit, spiegel, faz, rowohlt-, fischer- und knaur-verlag und feilt an seinem "deutschland den deutschen"-programm, auf dass seine antworten zum thema ausländerfeindlichkeit auch jedem richtigen deutschen als argumentationsgrundlage in auseinandersetzungen mit bloßen vorteilssuchenden und ausländerfreunden zur verfügung stehen.

dem deutschen volk zur ehr'

wenn karl otto hondrich in den urlaub fährt, kommt er gern mit dem einfachen volk in kontakt. dann lernt er menschen wie urs kennen, einen einfachen arbeiter an einer liftanlage in der schweiz. urs beweist seine weltoffenheit schon allein dadurch, dass er mit einer philippinin verheiratet ist. wenn dieser urs in rassistischer laune die aufnahme eines jugoslawen in sein arbeitsteam verhindert, streicht hondrich ihm mit väterlich-professoraler sympathie über's haar und hält ihm sein verhalten als tugend zugute. denn urs hat mit seiner empfindug hondrichs erkenntnis getroffen, dass das problem der ausländerfeindlichkeit da beginnt, wo fremde nicht als einzelne, sondern als vielzahl, manchmal sogar als mehrzahl auftreten.

urs gehört als prototyp eines mannes aus dem volk zu den einfachen leuten, die sich in ihren interessen, alltäglichen lebensräumen und ihrem selbstverständnis als deutsche (rsp. schweizer) durch die anwesenheit von ausländern eher beeinträchtigt fühlen. diese paranoiden bedrohungsängste werden von hondrich gerne als reale tatsachen unterstellt, um sie als legitimation des kollektiven rassismus aufzubereiten. so ist urs für ihn offenbar mit recht jederzeit auf dem sprung, seine nationale, kulturelle oder ethnische identität (was immer das auch sein mag) gewaltsam zu verteidigen. wie offensichtlich auch die zahlreichen angreiferinnen auf asylbewerberunterkünfte. die rechte lust auf die bekämpfung solcher täter, die bei ihm freilich auch nur opfer sind, will sich deshalb bei hondrich nicht einstellen. er hat nämlich in der zeitung gelesen, dass einer der jungen brandstifter von mölln aus armseligen verhältnissen stammt, seinen vater nicht gekannt hat und früh beim alkohol zuflucht suchte. "meine gefühle sind eher solche des mitleids als der belehrung und des draufschlagens." mit dieser "komm in meine arme"-geste will hondrich die verlorenen söhne der volksgemeinschaft heimholen. es fällt ihm im traum nicht ein, irgendwelche "hintermänner" schuldig zu sprechen, denn unorganisierte jugendlich sind eigentlich zu bemitleiden und suchen bloß halt bei verquasten parolen. der organisierte rechtsextremismus, weiß hondrich zu berichten, ist in deutschland nach wie vor zahlenmäßig gering und auch sein einfluss auf die "haltlosen" und gewaltbereiten jugendlichen scheint gering zu sein.

nicht von den opfern rassistischer pogrome und geplanter morde zu sprechen und statt dessen von der sozialen misere der täter zu faseln ist in deutschland ja seit langem gang und gäbe. die frage ist nur, warum hondrich als soziologe das größtmögliche einfühlungsvermögen für die jungen rechten mobilisiert. die antwort liegt nahe: die täter sind allesamt deutsche und damit teil einer gemeinschaft, der er nicht auf die füße tritt.

die tiefergelegte soziologie hondrichs

hondrich schreibt seine texte in der regel in vereinnahmender wir-form. darauf, dass dies nicht nur einen rhetorischen allgemeinplatz darstellt, sondern teil seiner analyse sein soll, weist er selbst hin. so ist für hondrich das verhalten der europäischen union im jugoslawien-konflikt beispielhaft dafür, wie sich gewachsene identitäten selbst in der großen politik durchsetzen. in der weigerung der eu, den bosnischen muslimen waffen zu geben, sieht hondrich die abgrenzung gegenüber dem islamischen einflussbereich, der sich auf gänzlich andere und mit den europäischen unvereinbare gefühlsvorstellungen stützt.

und so treffen denn auch in deutschland völlig unvereinbare identitäten aufeinander: die der migrantinnen und die der deutschen. quelle rassistischer gewalt ist somit der angriff auf die ethnisch-monokulturelle identität der deutschen, personifiziert durch die "fremden", die in die schließlich gerade erst wieder mühsam hergestellte, völkisch-nationale atmosphäre der deutschen hineinplatzen. ihm erscheint es danach unmöglich, aus der position der wissenschaft oder aus einer explizit politischen position heraus zu sprechen, da er selbst seine deutsch-europäische identität, hergestellt durch kollektive gefühlsvorstellungen , nicht hinter sich lassen kann. dass er sich jedoch implizit eindeutig auf die seite der rassistische täter stellt, entgeht hondrich im eifer des gefechts scheinbar völlig.

doch wie erklärt hondrich das zustandekommen dieser kollektiven identitäten, aus denen es dann nicht mehr möglich ist auszubrechen? kollektive identitäten entstehen durch kollektive gefühlsvorstellungen. diese sind, analog einem basis-überbau-schema, in mehr oder weniger tiefen schichten angeordnet, wobei im "überbau" kultur- und klassenspezifische gefühlsvorstellungen anzusiedeln sind und als "basis" die tieferen schichten der grenzaufhebenden gemeinsamkeiten gelten. da sich jedoch kollektive gefühlsvorstellungen und wirgefühle nach hondrich immer auf volk, staat und nation, die ohne dieses unterfutter nuir willkürlich konstruierte gewalthülsen sind, beziehen, meint hier "grenzaufhebend" nicht etwa "die grenzen zwischen allen menschen aufhebend", sondern "die grenzen innerhalb eines volkes aufhebend".

die populistische anrufung der gemeinschaft

die bei hondrich allgegenwärtige glorifizierung des einfachen mannes und der einfachen frau, die als deutsche durch hondrich die angst vor dem "fremden" als biologische konstante unveränderbar eingepflanzt bekommen, läuft auf einen völkischen populismus hinaus, der sich in die konstruierte gefühlslage des eigenen volkes eindenkt. in seiner populistischen versteifung spricht hondrich mit dem schnabel, den er bei den deutschen wachsen sieht und vergisst auch nicht, sie gegen "die da oben" zu verteidigen. parteiführer werden kurzerhand zur gesellschaftlichen elite erklärt, die als ebensolche minderheit eine latente koalition mit den ausländern eingehen gegen das volk, dem ausländer in in großer zahl im alltag viel näher rücken und das sich von ihnen bedrängt sieht. damit wäre das szenario der verschwörung komplett: das volk, von außen bedroht durch überfremdung, von oben verraten und verkauft durch seine eliten, findet allein bei hondrich noch verständnis, der weiß wie es fühlt und denkt.

mit seiner theorie praktiziert hondrich bereits, was er in seiner politikerschelte einfordert: angleichung an das interesse des vokes. solche populistischen ergüsse sind ein wichtiger bestandteil seiner texte. seine umschmeichlung des publikums, das er kurzerhand als amorphes etwas in ein gefühlskollektiv verwandelt, die anpreisung des deutschen volkes und desen befreiung von belastender geschichte wird mit der verharmlosung der von deutschen begangenen rassistischen morde der letzten jahre erkauft.

ausländerfeindlichkeit als lackmuspapier

nach lektüre der "soziologischen überlegungen zur ausländerfeindlichkeit" wird klarer, was hondrich meint, wenn er dort einleitend konstatiert, man möchte in deutschland zum thema ausländerfeindlichkeit nicht nur analysen hören, sondern auch wissen, was dagegen zu tun sei! wenn schon nicht gegen ausländerfeindlichkeit, wofür will k.o. dann unseren blick schärfen? spätestens hier offenbart sich, dass es ihm überhaupt nicht um eine kritisch ablehnende position geht. seiner weisheit letzter schluss legt vielmehr nahe, dass ausländerfeindlichkeit als anthropologische grundkonstante zu gelten habe, die letztlich - trotz des ihr anhaftenden barbarischen ruches - als ein trefflicher indikator für eine intakte "kollektive identität" zu verwenden ist, ganz nach der prämisse: je ausländerfeindlicher, desto deutscher! nicht, wie vorgegeben, der ausländerfeindlichkeit gilt das interesse, sie ist nur mittel zum zweck; es geht ihm vielmehr um die etablierung der nationalen identität als soziologische festgröße. sie erzwingt eben ausschließungsprozesse, ausländerfeindlichkeit.

also: fremde bleiben immer fremde – deutschland den deutschen. und die soziologie sowieso.

umdenken statt denken

nur scheinbar wird die position hondrichs relativiert, indem sich die jeweils liberalere hinzugesellt. unter dem verdikt der pluralisierenden meinungsäußerungen werden in zeitungen und magazinen sogenannte "debatten" und "kontroversen" eröffnet (in deren rahmen sich hondrichs texte in der regel finden lassen), die die moralische grundlage für politisch-staatliches handeln beliebig offen halten sollen. in solchen strukturen lassen sich leicht schon einmal der eigene name und die macht der wissenschaftsprofession in die waagschale werfen, um wie hondrich den "tabubruch" zu proben und den liberalen demokraten die ungeschminkt völkische meinung entgegenzusetzen.

währenddessen übt sich die universität in politischer abstinenz. unter dem deckmantel der freiheit der forschung wird der wissenschaftsdiskurs zur politikfreien zone erklärt, erstreckt sich das handeln auf die verwaltung des eigenen apparats. während leute wie hondrich in den öffentlichen debatten ihren siegeszug antreten, verabschieden sich die gesellschaftswissenschaften heimlich, still und leise von ihrer kritikfähigkeit, basteln akademischer nachwuchs und professorinnenclique - getreu dem motto von der krähe, die der anderen kein auge aushackt - weiter an ihren karrieren.

k.o.-gruppe (mai 1994)

alle zitate im text stammen aus folgenden texten k.o. hondrichs:

· das volk, die wut, die gewalt, in: der spiegel (04.01.93)

· grenzen gegen die gewalt, in: die zeit (28.01.94)

· das alte europa im krieg, in: faz (10.02.94)

· das fremde in uns. soziologische überlegungen zur ausländerfeindlichkeit,

in: warnfried dettling (hg.): perspektiven für deutschland. münchen 1994

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