Äppelwoibeatz für den Volksempfänger


Am 21. August 2004 wird eine Initiative namens Rock`n Go eine Demonstration mit dem Motto "Für mehr lokale Vielfalt in den Medien" veranstalten. Organisiert wird die Demo von Leuten aus der "Frankfurter Szene" (Selbstbezeichnung). Dort werden Bands aus dem (links)alternativen Milieu auftreten, um dem ersten Anschein nach für mehr Proberäume, gegen nervende AnwohnerInnen und Polizeidrangsalierungen Stellung zu beziehen. Dabei handelt es sich um korrekte Anliegen, und hätte mensch es dabei belassen, wäre die Initiative durchaus unterstützenswert gewesen. Doch der erste Eindruck trügt wie so häufig. Es geht nicht um Musik und Kunst, sondern um die Errettung deutscher Musiker und das hemmungslose Mitmarschieren in der deutschen Popnationale. Doch der Reihe nach:

Artenschutz für das Szenebiotop

Ausgangspunkt ist die ausschließliche Beachtung des "internationalen Mainstreams" durch die Medien, obwohl Frankfurt doch eine "quietschlebendige und kunterbunte Szene" zu bieten habe. "Sind die Journalisten zu bequem geworden, um sich ins pralle Kulturleben vor ihrer Tür zu stürzen? Um nach neuen Perlen zu graben und sie ans Tageslicht der Öffentlichkeit zu fördern? Oder wird einfach nur bei der Jagd nach Verkaufszahlen die Artenvielfalt zur Strecke gebracht?", fragen sich die RockerInnen. In der Apologie einer vermeintlich pluralen und gleichzeitig homogenen Szene, die in einer "pfiffigen" Sprache im Stile der muffigen 50er Jahre gehalten ist, deutet sich schon Schlimmes an. Die falsche Metapher des Grabens nach Perlen - nach solchen muss noch immer getaucht werden, da sie bekanntlich nicht in der Erde wachsen - verweist dann auf die Vorstellungen von lokaler Szene, die in der Erde verwurzelt sei.Jene wird biologistisch als Artenvielfalt, welche vom Aussterben bedroht ist, beschrieben. Die Nichtbeachtung der Szene wird folgerichtig als Zerstörung der Natur gedeutet, die im Gegensatz zu den künstlichen "Retorten-Stars" stehe. Das Denkmotiv der verwurzelten und natürlichen Gemeinschaft, welche von entwurzelten Feinden umgeben sei, ist genuin nationalistisch und strukturell an antisemitische Diskurse anschlussfähig. Die lokale Szene bekundet ihre unlösbare, da natürliche Verbundenheit mit der heimatlichen Scholle.

"Rumtitum, wir leiten um..." ...mit dem nationalen Ticket zu den Majors

Doch hier bricht kein regionalistischer Subnationalismus durch, wie man ihn zum Beispiel aus Teilen des linksalternativen Spektrums in Spanien kennt (was übrigens schon schlimm genug wäre). Nein, es muss schon die deutsche Nation (oder die Überregion? s.u.) sein, auf die sich positiv bezogen wird. So wurde zunächst nicht nur eine Quote von 30% deutschen und 30% lokalen Interpreten im Radio gefordert, sondern auch eine von 60% "nationaler Musik" (sic!) für das Repertoire von Major Labels. Nach einiger Kritik, u.a. im Forum der Website, wurde "national" durch "überregional" ersetzt. Dennoch wurde an den Quotenforderungen festgehalten. Solche wurden bisher nur von provinziellen, miefigen und reaktionären Softrockschlageropas wie Heinz-Rudolf Kunze oder Ole Seelenmeyer vom Verband deutscher Rockmusiker, welcher sich nicht entblödete vom ,Genozid an der deutschen Rockmusik' zu schwadronieren, vertreten.

Das hippe Pendant zu den Rockopis, die den Zenit der Vermarktung ihres Irreseins überschritten haben dürften, bilden Bands wie Mia, die sich daran erfreuen, unbefangen stolz auf Deutschland sein zu können. Der Muff der Proberäume zeigt sich daher als das geeignete Umfeld für den Muff in den Köpfen der Rock´n Go-InitiatorInnen und MusikerInnen. Mit Forderungen nach nationalen/ überregionalen Quoten wird sich dem Standort D angedient, denn implizit geht es dabei um eine bessere Positionierung deutscher Produkte im (inter)nationalen Markt. "Made in Germany" soll auch im musikalischen Sektor als Qualitätssiegel fungieren, da der "internationale Mainstream" nichts als "Einheitsbrei" darstelle, der nur "Konsum-Musik" hervorbringe. Das paradoxe Wettern gegen "Konsum-Musik" bei gleichzeitigem unbedingtem Willen, mit Hilfe des Staates endlich selbst mal für die eigene "kunterbunte Quietschlebendigkeit" in den Medien ausreichend Beachtung zu finden und schließlich auch dafür bezahlt zu werden, also in der Musikindustrie unterzukommen, ist deutsche Ideologie in Reinform.

Das Internationale gilt als steril, abstrakt und nur zum Konsum und zu nichts Höherem berufen, während die lokale deutsche Szene ehrlich, verwurzelt und anscheinend mehr sein soll als bloße Konsum-Musik - eben echte Handkäsmusik und deutsche Wertarbeit. Das ist vor allem vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass sich die musikalischen Produkte der lokalen Szene glücklicherweise nicht vom sogenannten "Einheitsbrei" unterscheiden und ebenfalls nur zu dem Zweck hergestellt werden, ein möglichst großes Publikum zu finden. Auch ist es ein völlig normaler Vorgang im Kapitalismus, Partikularinteressen gegen KonkurentInnen durchzusetzen. In Deutschland kann dieser Egoismus jedoch nur vertreten und für gut befunden werden, wenn er nationalistisch überhöht und damit für die große Gemeinschaft artikuliert wird.

"The mob rules" (Black Sabbath)

Da wundert es auch nicht mehr, wenn sich ein Aufruf zur Demo, der per mail verschickt wurde, wie eine Drohung liest: "Bald wird der Pöbel sich erheben und gegen die Bollwerke der Musikindustrie anrennen! Bands aus dem Rhein-Main-Gebiet werden durch die Straßen ziehen und lautstark gegen den internationalen Einheitsbrei demonstrieren (...).". An anderer Stelle heißt es: "Es wird Zeit die Medien daran zu erinnern, dass "die Masse" kein tröges Tier ist, das einfach nur frisst, was man ihm vorsetzt". "Die Masse" wird also ähnlich "der Szene" biologisiert und damit als Naturzusammenhang dargestellt, und im ersten Zitat zudem recht unumwunden und damit der Wahrheit sehr nahe kommend als "Pöbel" bezeichnet. Die Affirmation des Aufgehens des Individuums in einer Masse ist nichts als die romantische Vorstellung von totalitärer Gemeinschaft.

Damit zeigt sich, dass der Gedanke an Subversion, der im musikalischen Underground wohl tatsächlich einst existierte, die schlichte Vorstellung, "Ich mach was ich will und ob`s jemand hören will ist mir egal", hier vollkommen verschwunden ist. Dies tangiert auch die Musik, die unter dem Kommando der Affirmation produziert wird. Aus dem britisch-ironischen "yeah yeah yeah" (über das Erich Mielke sich so herrlich aufgeregt hat) ist das deutsche "jawoll" geworden.

"Deutschland has gotta die" (Atari Teenage Riot)

Es stellt sich die Frage, warum sich so viele Bands, die sich bisher nicht als rückständig-traditionalistisch-heimatbezogene VolksmusikerInnen präsentiert haben, nun in eine Reihe mit der deutschen Popnationalen stellen. Die MusikerInnen, die noch einen Funken Restvernunft besitzen, sollten gegen den Mief der Demo vorgehen und sich nicht an einem solchen nationalistischen Spektakel von Frankfurter Folklorewürstchen beteiligen. Dieser Underground ist mainstreamiger als die McDonalds-Chartshow.

Subversion statt Affirmation -

Nieder mit Heinz-Rudolf Kunze -

Be transgressive -

Für den Kosmopolitismus!



SINISTRA!

much more radical than spex