Offener Brief an das Filmmuseum Frankfurt a. M.

04.05.2005


Erlösung durch Mord -

Das aus städtischen Geldern geförderte Filmmuseum Frankfurt am Main zeigt den antisemitischen Propagandafilm Paradise Now

Kurz nach dem 8. Mai und in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum israelischen Unabhängigkeitstag zelebriert das Filmmuseum Frankfurt am Main am 13. und 14. Mai den Höhepunkt seiner nun bereits acht Monate dauernden Reihe arabischer Filme und setzt damit seine inoffizielle Reihe des antisemitischen Films mit einer aktuellen palästinensischen Produktion fort: Paradise Now von Hany Abu-Assad. Begleitend dazu wird dann noch Route 181 von Eyal Sivan und Michel Khleifi gezeigt, ein Film, der die Shoah zugunsten antiisraelischer Propaganda verharmlost.

Paradise Now, eine französisch-deutsch-holländische Koproduktion, also ein alteuropäisches ‚Gesamtkunstwerk’, war der große Publikumserfolg der diesjährigen Berlinale. Er schildert den Einsatz eines palästinensischen suicide bombers als Erlösungsdrama, an dessen Ende der Mörder, Said, sich in einem vollen Bus in Tel Aviv in die Luft sprengt. Das Filmmuseum Frankfurt nennt diese Mordtat an Israelis „für seine Überzeugungen einstehen“ und lädt den Regisseur zum Plausch, jenen Abu-Assad, der sich in einem Interview mit quantara.de weigerte, die suicide bombings zu verurteilen, da es sich um eine „sehr menschliche Reaktion auf eine extreme Siuation“ handele.

Bereits im letzten Jahr sorgte das Filmmuseum mit der völlig unkritischen Projektion mehrerer Filme Helene `Leni` Riefenstahls für Protestaktionen antifaschistischer Gruppen und des Förderverein Roma. Diese Proteste führten jedoch nur dazu, dass die Verantwortlichen des Filmmuseums ihrer Riefenstahl-Verehrung verstärkt Ausdruck gaben, indem sie die Vorführung des faschistischen Monumentalepos Fest der Völker mit Polizeigewalt durchsetzten. Auch mit palästinensischen und anderen arabischen Propagandafilmen hat das Filmmuseum Erfahrung; so lief 2003 Jenin, Jenin, als dessen Produzent ein Mitglied der terroristischen Al Aqsa-Brigaden fungierte, und 2004 Das Sonnentor, welches völlig einseitig die im Jahre 1948 zum Teil gewaltsam vollzogene Aussiedlung der palästinensischen Bevölkerung im Zuge der israelischen Staatsgründung darstellt und vom Filmmuseum in Anspielung auf das Schicksal jüdischer Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg als „eine Art palästinensischer Exodus“ bezeichnet wurde. Das Sonnentor war Teil eines monatelangen Programms, das Filmschaffen der arabischen Welt vorzustellen. Dieses an sich interessante Unterfangen, das einen Fokus auf dissidente Stimmen von Liberalen, FeministInnen oder KommunistInnen hätte legen können, wurde jedoch sehr unreflektiert angegangen. Ihren Ausgang nahm die Filmreihe als Begleitprogramm zur Buchmesse im Herbst 2004, auf der die Arabische Liga, ein Zusammenschluss diktatorischer Regimes, sich präsentierte und dort auch ohne zu zögern die Chance wahrnahm, antisemitische Literatur und HolocaustleugnerInnen vorzustellen. Die Rechnung ging auf, weder von Seiten der Buchmessenleitung noch in der Presse erfolgten Thematisierung oder Widerspruch.

Zu Paradise Now

Paradise Now ist ein subtil gemachter Propagandafilm, der beim Berlinale-Publikum große Wirkung entfaltete und so einiges für den Kinostart ‚verspricht’. Die Handlung ist schnell erzählt, das Interessante ist die Art der Darstellung. Zwei Freunde, Khaled und Said, arbeiten in einer Autowerkstatt und scheinen ein recht sorgloses Leben in Nablus zu führen – wären da nicht die Israelis. Diese treten zwar nicht auf, werden aber den ganzen Film hindurch als bedrohliche und beherrschende Macht imaginiert, die es zu vernichten gelte. Die beiden Freunde haben sich bereit erklärt, für eine nicht näher benannte Terrororganisation einen Selbstmordanschlag in Tel Aviv, der Stadt des Bösen schlechthin, auszuführen. Als Begründung wird kein innerer Antrieb der Mörder gegeben außer dem Vorhandensein der Juden in dieser israelischen Stadt – ihr Dasein reicht als Grund aus, sie zu ermorden.

Die Vorbereitung der beiden auf ihre ‚Mission’ wird für das europäische Publikum bewusst ästhetisiert: Die Szene, in der die beiden ihr Abschiedsvideo drehen, wirkt unbeholfen lustig, es werden Worte an die Familie gerichtet und Israel pauschal als böse Militärmacht verdammt. All das Ekelhafte solcher Videos jedoch, die antisemitischen Tiraden eines religiös-nationalistischen Wahns, die Vernichtungsphantasien und das militaristische Machogeprotze werden dem europäischen Publikum erspart. So strukturiert die schönfärbende Lüge den sich als dokumentierte Realität ausgebenden Propagandafilm, um den Zuschauern die einfühlende Identifikation mit der Hauptfigur, dem Mörder Said, zu ermöglichen. Der offene, brutale Antisemitismus islamistischer Videos und palästinensischer Fernsehsendungen wird für das europäische Publikum in dezente und appetitliche Chiffren übersetzt, um ihn kommensurabel zu machen, denn die Filmemacher können sich darauf verlassen, dass das Publikum die antisemitische Vernichtungsbotschaft so noch besser versteht und anzunehmen bereit ist.

Nach den Videos gibt es ein letztes Abendmahl in christlicher Ikonologie, in der Said, der sich letztlich als Mörder bewähren wird, die Rolle Jesu erhält, während Khaled, der seine Zweifel schließlich nicht zu überwinden vermag, die Rolle des Judas (an der ‚Sache’ und an seinem Freund) einnimmt. Um dem europäischen Publikum auch ein bisschen Pluralität und Zivilgesellschaft vorzuführen, ist zwischenzeitlich Suha aufgetaucht, eine junge, aus dem westlichen Ausland zurückgekehrte Frau, die friedliche Widerstandsformen gegen die Israelis propagiert und so Zweifel in die Herzen der beiden jungen Helden sät. Die Versuchung begegnet dem Erlöser in der Gestalt einer Frau, die sich auch noch als sexuell offen erweist. Suha verkörpert die sexuelle Bedrohtheit des in einer feindlichen Welt für seine Überzeugungen verzweifelt kämpfenden arabischen Mannes. Said ist zu schüchtern und zurückhaltend, als das etwas geschehen könnte, und so bewahrt er seine Unschuld, wie er sich letztlich auch seine Überzeugungen von den weiblichen Zweifeln nicht zersetzen lässt. Durch die unbeholfene Schüchternheit, die Said im Umgang mit der schönen Palästinenserin an den Tag legt, soll er zum Sympathieträger des europäischen Publikums werden, das ja lieber als einen Macho solch einen netten, einfühlsamen Softi sieht, der dennoch für seine politischen Überzeugungen einsteht – als hätte ihn attac in die Westbank geschickt. Hier sei daran erinnert, dass der Titel ‚Paradise Now’ 1968 vom Living Theatre einer vielbeachteten und skandalisierten Theateraufführung in Avignon gegeben wurde, in der es um die Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen mit friedlichen Mitteln und um Befreiung des eigenen Körpers als ein Erleben des Paradieses jetzt und hier ging. Wie weit das Mörderparadies Abu-Assads von dieser ‚westlichen Dekadenz’, für die auch Tel Aviv steht, entfernt ist und sein will, ist klar; dass die palästinensische Vision einer Erlösung durch Mord in Deutschland nicht skandalisiert, sondern begeistert aufgenommen wird, kennzeichnet den Stand eines gesellschaftlichen Bewusstsein, in dem Nacktheit als Bedrohung empfunden wird, während Mord Lustgefühle weckt.

Auch in der Darstellung der Geschlechterverhältnisse in der palästinensischen Gesellschaft wird dem europäischen Publikum das vorgelogen, was es sehen will und wofür es Sympathie entwickeln kann. Die alltägliche Unterdrückung von Frauen und der massive Sexismus werden bewusst geleugnet. Schon in seinem vorangegangenen Film, Ranas Hochzeit, hatte sich der Regisseur Abu-Assad seiner speziellen Sicht palästinensischer Frauenemanzipation angenommen. In diesem Film kämpft eine junge Frau erfolgreich gegen den Plan ihres Vaters, sie auf die Kairoer Universität zu schicken, so dass sie sich stattdessen in Ramallah verheiraten und von jeglicher Ausbildung unbelastet einer Familie widmen kann.

Zurück zu Paradise Now: die beiden Mörder werden losgeschickt, aber alles geht überstürzt und sie kehren getrennt in die Westbank zurück. Said nimmt zwar einen ersten Anlauf, sich an einer Bushaltestelle in die Luft zu sprengen, doch ist er angesichts eines kleinen Mädchens noch nicht bereit. Propagandistisch wird hier eine Humanität des späteren Mörders konstruiert. Zurück in Nablus beginnt ein Drama der Zweifel und Diskussionen, in der die Frau weiterhin die Rolle der Verführerin spielt, die den Mörder von seiner Tat abzubringen versucht. Er flüchtet sich zum Grab seines Vaters, der als sog. „zionistischer Kollaborateur“ von Palästinensern ermordet wurde, wofür er sich an den Israelis rächen will, um die Ehre seiner Familie wiederherzustellen. Spät gibt der Film Said ein weiteres Motiv. Der Garten mit dem Grab wird zu seinem Garten Gethsemane. Der Film setzt die Analogie zur christlichen Erlösergeschichte fort, indem er Said an diesem Ort die letzten Zweifel ablegen und sich in sein ‚Schicksal’, seine ‚Bestimmung’ fügen lässt. Die Erfüllung oder das Erleiden des unabwendbaren ‚Schicksals’ bis in den Untergang kann nur als Ausdruck einer faschistischen Todessehnsucht verstanden werden, der es darum geht, so viele Feinde wie möglich mit in den eigenen Tod zu reißen. Said macht sich auf den Weg nach Tel Aviv und sprengt sich in einem vollen Bus in die Luft. Noch die Schlusseinstellung abstrahiert von seinen Opfern und konzentriert sich im Zoom auf das Gesicht des Mörders, der so zugleich zum Opfer der (natürlich von den JüdInnen) zu verantwortenden Umstände und zum Erlöser stilisiert wird.

Der Film versucht Trauer für den Mörder und Wut auf die eigentlichen Opfer zu erzeugen. Der Mord an Israelis soll als Überzeugungstat verständlich gemacht werden, und bietet seinem Publikum an, diese Überzeugungen im Verstehen der Tat zu teilen.

Die Rezeption von Paradise Now in Deutschland

Solcherlei Propaganda findet Unterstützung: in Berlin gab es den Bären für den besten Europäischen Film, den Publikumspreis der Berliner Morgenpost, sowie den Menschenrechtspreis von Amnesty International. Und auch die Bundesregierung setzt sich tatkräftig für die Verbreitung antisemitischer Propaganda ein, indem sie den Film und seinen Verleih in Deutschland aus Mitteln des World Cinema Fund unterstützt. Christina Weiss, die Staatsministerin für die Pflege deutscher Kultur, begrüßte das Machwerk. Die Kulturinstitution Berlinale, die Bundesregierung und Amnesty International kämpfen gemeinsam für eine Welt der europäischen Menschenrechte, die leider nicht für AmerikanerInnen und JüdInnen gelten können und so gegen diese durchgesetzt werden müssen. Wie sich schon nach 9/11 in Deutschland eine Schadenfreude des ‚selber schuld’ breitmachte, erzeugt auch Abu-Assads Film dieses Gefühl bei seinem Publikum. Dabei kann er sich der Überzeugungen der Mehrheit seines Publikums sicher sein. Laut Heitmeyer-Studie empfinden es 86% der Deutschen als „ungerecht, dass Israel den Palästinsern das Land wegnimmt“, und 68% dichten Israel bar jeglicher Realität einen „Vernichtungskrieg“ an. Was daraus für den ‚Juden unter den Staaten’ (Hannah Arendt) folgen soll, lässt sich an der deutschen Geschichte ablesen.

Die islamistische Vernichtungsdrohung gegen die Juden und ihr im Film dargebotener Vollzug wird vom deutschen Publikum als ein Versprechen auf Erlösung aufgenommen. Stellvertretend sei hier Nina Hoss zitiert, die die Verleihung des Amnesty International Filmpreises an Paradise Now damit begründete, dass der Film „moralisch“ und „berührend“ sei und ein „Plädoyer dafür, dass jeder einzelne einen Unterschied machen kann“. Der Film zeigt, dass jede und jeder selbst durch ihre/seine kleine Tat am großen Ziel des Judenmords mitwirken kann. Vielleicht fällt es aus der historischen Erfahrung der Verdrängung der Shoah und zugleich der Selbststilisierung als eigentliche Opfer dem deutschen Publikum so leicht, die jüdischen Opfer der palästinensischen Mordanschläge beiseite zu schieben und sich – wie bei ihren SS-Vätern und Großvätern – in die ‚menschliche Seite’ der Mörder einzufühlen. So freute sich der Tagesspiegel „Täter mit menschlichem Antlitz“ sehen zu dürfen. Darüber ist die Unmenschlichkeit der Taten dann schnell vergessen.

Zu Route 181

Am Tag nach Paradise Now, am 14. Mai, plant das Filmmuseum Frankfurt die Aufführung eines weiteren antiisraelischen Filmes: Route 181. Der Dokumentarfilm folgt der in der UN-Resolution 181 von 1947 vorgesehenen Teilungslinie des britischen Mandatsgebiet in zwei Staaten. Warum es nie zu einer Umsetzung dieser Teilungslinie kam, verschweigt er zugunsten seines Anliegens, die PalästinenserInnen als die völlig unschuldigen Opfer des Krieges von 1948 darzustellen. Die arabischen Staaten erkannten den UN-Teilungsplan nicht an und griffen mit vereinten Kräften den jungen Staat Israel an in dem Versuch, diesen sogleich zu vernichten, was glücklicherweise nicht gelang. Im Laufe des 48er Krieges kam es zu Vertreibungen der je anderen Bevölkerungsanteile aus den nun gehaltenen Gebieten, die jedoch nur in Westbank und Gaza dazu führten, dass dort keine JüdInnen mehr lebten, während es im nun in erweiterten Grenzen errichteten Israel eine ansehnliche arabische Minderheit gab und gibt. Die Zwangsaussiedlungen von PalästinenserInnen aus dem Gebiet, das der Staat Israel wurde, werden von den PalästinenserInnen als Nakba bezeichnet und beweint; Spuren dieses Ereignisses geht Route 181 im heutigen palästinensischen Alltagsleben einseitig nach. Dabei werden antiisraelische Ressentiments weiter gepflegt, während keinerlei kritische Haltung gegenüber der palästinensischen Gesellschaft, ihren Mythen und dem virulenten Antisemitismus eingenommen wird. Der Sicherheitszaun, der zur Prävention gegen antisemitische Anschläge gedacht ist und diese Funktion laut Statistiken auch erfüllt, damit einen wichtigen Beitrag zur Rettung von Menschenleben leistet, wird in verzerrender Weise als endlose Mauer dargestellt, obwohl nur 3% seiner Gesamtfläche aus Beton bestehen. Gerade zu perfide ist die filmische Anlehnung ganzer Sequenzen von Route 181 an Claude Lanzmanns Film Shoah, wodurch eine Gleichheit der beiden historischen Geschehen, Shoah und Nakba, implizit und emotional vermittelt werden soll. Diese Gleichsetzung des industrialisierten Genozids mit der im Einzelfall brutalen Zwangsumsiedlung der Bevölkerung einzelner Dörfer und Städte bedeutet eine Verharmlosung der Shoah, indem sie eine Aufwertung der Nakba versucht, die ein Begreifen dieser in ihrem historischen Zusammenhang – und damit auch palästinensischer Politik seit 1948 – verhindert. Während der Film in Frankreich eine heftige Debatte herbeiführte, scheint er dem hiesigen Publikum nur zu willkommen. In Berlin wurde der Film bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Reihe »Culture Watch« (Goethe Institut und Akademie der Künste) mit den Worten angekündigt, man wolle sich mit einer »Kultur der Gewalt« beschäftigen, die die »Zukunft der Weltgemeinschaft gefährdet«. Die Einschätzung, dass zu aller erst Israel den Weltfrieden gefährdet, teilen laut einer Eurobarometer-Umfrage 65% der Deutschen. Sah man die standing ovations für Paradise Now während der Berlinale, so ist wohl eher von einer höheren Prozentzahl ausgehen. Bei einem solchen Publikumssegment will wohl auch das Filmmuseum Frankfurt in seinen Bemühungen um die Stilisierung heldenhafter Opfer, sei es Riefenstahls oder der PalästinenserInnen, nicht nachstehen.

Die nötigen Konsequenzen ziehen!

Indem das Filmmuseum Frankfurt am Main diese Filme zeigt, beweist es seinen Willen, antisemitischen Filmen ein Forum in einer öffentlichen Kulturinstitution zu geben, aus Bewunderung für die Überzeugungen des Mörders Said und des Propagandafilmers Abu-Assad sowie aus revanchistischen Wünschen, die in den Tränen des Selbstmitleids alle historische Verantwortung für deutsche oder palästinensische Taten ersticken sollen. Wir fordern diese skandalöse Programmierung eines Kommunalen Kinos umgehend zu beenden, die genannten Filme aus dem Programm zu nehmen und bei der zuständigen Programmleitung, allen voran ihrer Leiterin Ulrike Stiefelmayer, personelle Konsequenzen zu ziehen. Denn wer den Film Paradise Now gut heißt, bekennt sich zu einer antisemitischen Propaganda, die die Ermordung jüdischer Israelis verlangt und feiert.

Bündnis gegen Antisemitismus Rhein/Main, Mai 2005

[Mail: gegenantisemitismus@gmx.net]