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L'état et toi


«So organisiert er sein Verschwinden, indem er sich durch mich bewegt.» (Blumfeld)


Wenn die hessische Landesregierung ihre Absicht verwirklicht und allgemeine Studiengebühren von bis zu 1.500 € pro Semester einführt, so wird dies, neben der Intensivierung sozialer Ausschlüssen von ohnehin gesellschaftlich Marginalisierten (Studierende aus Nicht-Eu Ländern, und solche ohne wohlhabende Eltern), auch erhebliche Auswirkungen auf die Bedingungen des Studiums selbst haben. Denn ein kritisches und ausführliches Studium, das nicht im reinen Faktenpauken, sondern ebenso im Hinterfragen des Gelernten, besteht und ohnehin kaum je an der Universität zu verwirklichen war (ganz zu schweigen von einem entspannten, genussvollen Leben, das durch den kapitalistischen Verwertungsimperativ strukturell, für so gut wie alle Teile der Bevölkerung ausgeschlossen ist), braucht u.a. Zeit. Zeit, die künftig nur noch besonders Priviligierte unter uns haben werden, denn jedes zusätzliche Semester, würde fortan den Schuldenberg erhöhen, der mit ins immer ungesichertere Berufsleben zu schleppen wäre. Die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen, die auf Grund ihres verschulten Aufbaus und dem Zwang das Studium möglichst schnell durchzuziehen noch jeden Rest an kritischen Nischen im Studium schließen, geht daher Hand in Hand mit der geplanten Einführung von Studiengebühren und ist dabei durchaus folgerichtig: Denn wer wird künftig noch das Geld für ein ausgiebiges Magister- oder Diplomstudium haben? Eine der besonders perfiden Folgen des geplanten Gesetzes ist, dass es sich für derartige Maßnahmen auch noch Legitimität – erkauft, müsste es heißen, wäre das Verhältnis von Kauf und Verkauf nicht genau umgekehrt, denn wir sollen zu Käufer_innen unseres eigenen Studiums werden.

Gleichzeitig wirkt das Gesetz, obwohl noch gar nicht umgesetzt bereits jetzt, hier. Die ge- und verplante Zukunft des Studiums scheint es umso unmöglicher zu machen, diesen Plänen den Widerstand entgegenzusetzen, die sie verdienten. Die Drohung von Studiengebühren erzeugen schon jetzt als Schreckgespenst Angst davor das Studium nicht schnell genug abschließen zu können und so die eigenen, materiellen Existenzbedingungen zu verlieren. Eine Angst, die wohl viele von uns davor zurückschrecken lässt, den Protest Ernst werden zu lassen: zu demonstrieren, zu streiken, zu blockieren. Genau das ist die Wahrheit vom Verschwinden des Staates, dass er sich nunmehr in uns als Angst hineinfrisst und so durch uns agiert, „ein Prozess der Unsichtbarmachung – und des Effizientwerdens – der terrorisierenden Staatsmacht“ (Judith Butler), genau das ist die Wahrheit vom staatlichen Terror im Zeitalter des Neoliberalismus. Natürlich ist diese Angst verständlich. Natürlich ist es leichter abgesichert zu protestieren. Es kommt halt erst das Fressen und dann erst kommt sie die Moral. Aber der Weg, der allzu häufig von allzu vielen von uns, von den Studierenden, eingeschlagen wird, um sich der neuen Situation zu stellen – individualisiertes Durchwurschteln nach dem Motto: ich werd`s schon packen auch wenn alle anderen den Bach runtergehen - erweist sich mehr und mehr als Sackgasse. Das Bewusstsein, das hinter einer solchen Reaktion steht, ist schon lange gnadenlos veraltet. Viel zu viele von uns träumen immer noch den Traum vom bürgerlichen Bildungsroman, obwohl wir alle schon längst nur noch Stellen hinter dem Komma irgendwelcher Statistiken sind. Das Problem ist nicht, dass das studentische Bewusstsein zu verdinglicht ist, sondern dass es noch nicht verdinglicht genug und damit den gesellschaftlichen Verhältnissen inadäquat ist. Wir werden nicht mehr, wie wohl die meisten von unseren Eltern, nach dem Studium einen lebenslangen, gut bezahlten und abgesicherten Beruf bekommen, sondern wahrscheinlich werden auf die meisten von uns nach der Uni erst mal eine Reihe von unbezahlten Praktika warten, bis wir irgendwann einmal einen kurzfristigen Job bekommen werden... Dieses Regieren durch Prekarisieren gibt sich als Ausnahmezustand, der in (wirtschaftlichen) Krisenzeiten von allen Opfer verlangt, und dabei suggeriert mensch werde schon mit all den Zumutungen fertig, wenn mensch sich nur genug anstrengt. Dabei ist dieser Ausnahmezustand alles andere als nur verübergehend, sondern wird mehr und mehr zur allgemeinen Regel. Die geplanten Studiengebühren sind nur die Spitze des Eisberges – ebenso wie schon die Einführung von Langzeitstudiengebühren (die natürlich auch absolut abzulehnen sind), lediglich ein Testballon, was wir schon während der letzten Studierendenproteste bemerkt haben siehe (am besten unsere seite und den titel des textes)..... Das Ziel hinter all diesen Vorhaben ist ein gänzlich privatisiertes Studium, was Studiengebühren von bis zu 5000€ bedeuten würde, wie jüngst von Politikberatungsagenturen gefordert.

Aber was könnte ein Weg sein aus dem Dilemma? Erst einmal locker bleiben und vor allem keine Angst haben. Lassen wir uns von den angestrebten Maßnahmen keine Angst einjagen. Lasst uns nicht auch noch Vollstrecker eines staatlichen Willens werden, der uns ankotzt. Lasst uns Widerstand leisten! Wird es einen breiten und solidarischen Protest der Studierenden geben, wird uns nichts passieren. Unsere Scheine werden wir auch dann noch machen können, wenn es einen Streik und längere Blockaden der Universität gibt. Wenn wir nur genug Druck auf die Lehrenden aufbauen, werden sie uns das Scheine machen trotzdem ermöglichen oder uns Freischeine ausgeben müssen. Je mehr Studierende sich an dem Protest beteiligen, desto geringer wird der Druck auf diese, desto höher der Druck auf die hessische Landesregierung. Vorraussetzung dafür ist nur, dass wir uns nicht noch mehr als ohnehin schon individualisieren und privatisieren. Das nämlich ist genau das, was das geplante Gesetz bewirken soll: die Konkurrenz unter den Studierenden erhöhen, um so noch jeden Protest gegen eben dieses Gesetz zu verhindern. Seit stattdessen solidarisch! Organisiert euch: zusammen mit euren Freund_innen, oder auch mit irgendwelchen Leuten, die eure Freund_innen werden könnten. Kämpft gemeinsam gegen das geplante Gesetz und die Angst, die dieses Gesetz in euch auslöst. Kämpft gegen die gesellschaftlichen Bedingungen der Präkarisierung, und das Regieren durch Angst! Setzt dem permanenten Ausnahmezustand der gegenwärtigen, staatlichen Reformpolitik, den wirklichen Ausnahmezustand in Stadt und Universität entgegen! Kämpfen wir zusammen für eine Gesellschaft, die keine Angst macht!

Der Zweck der Revolution ist die Abschaffung der Angst. Darum brauchen wir keine Angst vor ihr zu haben.“ (Theodor W. Adorno)


sinistra! – radikale linke im Wahlbündnis linke liste – lili