Solidarität mit Israel –

Solidarität mit Israel –

Gegen antizionistische Referate und begriffsloses Mitmachen!

Die Juden sind heute die Gruppe, die praktisch wie theoretisch den Vernichtungswillen auf sich zieht, den die falsche gesellschaftliche Ordnung aus sich heraus produziert. Sie werden vom absolut Bösen als das absolut Böse gebrandmarkt.“1


Das Frankfurter Bündnis gegen den Krieg lädt für den 4. August `06 zu einer Diskussion mit Felicia Langer ein, deren Titel bereits – anstatt neutral ein Thema anzukündigen oder eine Frage aufzuwerfen – reißerisch fordert: „Schluss mit dem Krieg im Nahen Osten! Für eine atomwaffenfreie Zone in der gesamten Region unter Einschluss Israels!“ Was ist nun von einer solchen Veranstaltung mit der als israelische Rechtsanwältin und Bürgerrechtlerin vorgestellten Referentin zu erwarten?


Zäher Kampf gegen die „mächtige jüdisch-zionistische Lobby“


Felicia Langer vertritt die komplette Palette der in friedensbewegten Kreisen üblichen Positionen – von der angeblichen Kompromissbereitschaft der de facto vernichtungswütigen Hamas über die Rationalisierung des suicide bombings zum „Hilfeschrei“2 in verzweifelter Lage und dem Ruf nach dem völkischen „Selbstbestimmungsrecht“ der Palästinenser_innen bis zur Delegation der alleinigen Schuld an die Adresse Israels. Sie unterscheidet sich in ihrem moralistischen Furor, der statt auf Analyse auf die seit Jahrzehnten immer wieder ventilierten Bilder und Schlagwörter setzt, in Nichts vom antizionistischen Mainstream – so gesehen, hätte das Bündnis gegen den Krieg auch Jamal Karsli, Norbert Blüm oder Hans-Christian Ströbele als Referenten bestellen können. Offenbar ging es dem Bündnis gegen den Krieg weniger um die inhaltliche Qualifikation der Rednerin, sondern mehr um das Attribut ‚israelisch’, dass es erlaubt, sich einerseits auf eine ‚gute Jüdin’ zu beziehen und andererseits endlich einmal das verkünden zu lassen, was man sich sonst aufgrund der „Antisemitismuskeule“ (Langer) nur hinter vorgehaltener Hand zu sagen traut. Nicht die Erfahrung Langers als Jüdin in einer Welt voll von mörderischem Antisemitismus tangiert die deutschen Pazifist_innen, nein, lediglich die Anklage gegen ihre ‚eigene’ Gemeinschaft ist das Objekt ihres libidinösen Interesses. Und so wird Langer ihnen den Gefallen tun, die Forderung nach Erhöhung des „internationalen Drucks“ auf Israel zu kombinieren mit der blanken Lüge, Israel werde nicht ausreichend von der internationalen Staatengemeinschaft kritisiert. Dabei liegt der Israel-Palästina-Konflikt unter den 50 blutigsten Konflikten weltweit auf Rang 46 – weit hinter den Millionen Toten im Sudan, Äthiopien oder Nigeria – in der Berichterstattung aber auf Rang 1. Dem gemäß verhält sich auch die Menschenrechtskommission der UN, die zwar seit ihrer Gründung kein Wort über die Menschenrechtslage im Iran oder China verlor, jedoch ein Viertel all ihrer Resolutionen gegen Israel richtete. Solche Fakten bringen aber Langers einfaches Weltbild nicht ins Wanken. Stattdessen wird sie wieder die „jüdisch-zionistische Lobby“ als Schuldige für die angeblichen Sprechverbote ausfindig machen, jene „Lobby“, die mit „Hetzkampagnen“ für den Tod Möllemanns gesorgt habe – eine Verschwörungstheorie, wie sie auch von der NPD goutiert wird.

Langers intellektueller Amoklauf gipfelt in dem Ruf nach der deutschen Ordnungsmacht, die gegen die halluzinierte moralische „Erpressung“ durch die Jüd_innen durchgreifen solle: „In der Tat sind die Deutschen, gerade wegen ihrer Vergangenheit, dazu verpflichtet, sich überall einzumischen, wo Menschenrechte verletzt werden. Sie haben schon einmal geschwiegen [...] Wir, die Israelis, die Juden, können keinerlei Recht beanspruchen, als Opfer von gestern Täter von heute zu sein. [...] Wir haben auch kein Recht, die Schuldgefühle der Deutschen zu funktionalisieren, so wie Israel das tut“. Langer serviert den Friedensbewegten somit ein Gebräu aus staatsoffiziellem Antifaschismus im Stil der Berliner Republik – die geläuterten Deutschen als Weltmeister der humanitären Intervention – und Stammtischparolen von unheimlich mächtigen und anmaßenden Jüd_innen, die das schlechte Gewissen der Deutschen schamlos für ihre Verbrechen ausnutzten. Die Deutschen rücken also in der Propaganda Langers an den archimedischen Punkt des gegenwärtigen Konfliktes: Einerseits sind sie dank aufgearbeiteter Vergangenheit prädestiniert für einen Menschenrechtsimperialismus, andererseits müssen sie sich gegen die angebliche zionistische Keule wehren, um so die Palästinenser_innen als die ‚Opfer der Opfer’ zu befreien. Die anti-israelische Aktion wird solchermaßen zum bundesdeutschen Staatsauftrag – eine Mission, der sich das Bündnis gegen den Krieg unbemerkt der, oder gerade wegen der nationalistischen wie antisemitischen Implikationen begeistert widmet, wie im Folgenden zu zeigen sein wird.


Das Frankfurter Bündnis gegen den Krieg: Friedlich deutsch ...


Ähnlich wie Langer bedient sich das Bündnis gegen den Krieg in seiner Veranstaltungsankündigung einer begriffslosen Simplifizierung, die Widersprüche verschweigt oder ideell plättet, um ein möglichst klares Feindbild präsentieren zu können. Mit einem Wort: Das Bündnis betreibt Propaganda. Schon rein formal bedient man sich dabei solcher Topoi wie dem ‚Lösen der XY-Frage’3, die jede historisch geschulte Leser_in aufhorchen lassen. Doch Lösen geht vor Fragen, die Propaganda drängt zur Tat und darum bleibt keine Zeit zum Zweifeln, Widersprechen, Nachdenken mehr. Die konkreten Bilder des Krieges schieben sich, besser: werden geschoben, geschoben vor die Abstraktion der Reflektion einer hochkomplexen Auseinandersetzung. In diesem bipolaren Denken erscheint allein Israel als Aggressor, der in die friedliebende, über Jahrhunderte gleichsam organisch gewachsene arabische Welt eingedrungen ist und dort nun als Fremdkörper immer neuen Unfrieden produziert. Die Zurichtung der Jüd_innen als der einstigen Opfer der Deutschen zu DEN Täter_innen von heute schlechthin ermöglicht den Friedensbewegten die Entlastung vom moralischen Stigma der Täternation, als linke Variante nationaler Normalisierung ist sie somit unausweichlich an den sekundären Antisemitismus gekoppelt.

Zugleich ist die wahnhafte Fixierung auf die vermeintliche und exklusive Täterschaft Israel, dessen Staatsgebiet ungefähr der Größe Hessens entspricht, schon von der Struktur mit der alten deutschen Weisheit ‚Der Jud ist schuld’ identisch und darum auch immer durchsetzt von primär antisemitischen Stereotypen. So wünscht man sich in der Veranstaltungsankündigung einen israelischen Staat, „der sich nicht ständig das Recht herausnimmt, sich über fast schon beliebige internationale Resolutionen, Beschlüsse, Regeln, Gesetze hinwegzusetzen“ – der ‚freche Jude’ bzw. die ‚Arroganz’ des ‚auserwählten Volkes’, das sich an keine Konventionen gebunden fühlt und stets das Besondere für sich reklamiert4, lässt grüßen. Zugleich wird hier erneut deutlich, wie wenig dem Bündnis an einer wirklichen, mit bestimmten Kategorien arbeitenden Kritik gelegen ist. Anstatt entweder UN-Resolutionen als unhinterfragbare humanitäre Kategorie per se zu installieren – dann müsste eben auch im Falle des Libanon auf dessen von der UN angemahnte Verpflichtung zur Entwaffnung der Hisbollah gedrungen werden – oder zu fragen, warum Staaten generell UN-Resolutionen missachten – weil sie nun mal keine Sachwalter des Guten und Schönen sind – wird dieses Verhalten nur Israel angekreidet, dem jüdischen Staat als durchgehendes Attribut und moralischer Makel angehaftet. Damit verstellt der Verweis auf Israel die Sicht auf den Charakter von Staatlichkeit schlechthin, die im Kapitalismus eben nicht der Verbesserung der humanitären Situation dienlich, sondern allein dem Zweck unterworfen ist, die geeigneten Rahmenbedingungen für die optimale Akkumulation des jeweils nationalen Kapitals zu setzen. In ähnlicher Manier wird Israel ein „schmutziger Krieg“ angelastet – implizit also das Phantasma eines sauberen, gerechten Krieges begründet – oder das „Selbstbestimmungsrecht“ der Palästinenser_innen angemahnt, ohne zu sehen, dass genau dieser völkische Nationalismus, der „Selbstbestimmung“ nur im Zwang des Kollektivs zu erkennen vermag, immer und immer wieder von sich aus zum Krieg treibt. Der Antizionismus zieht somit das gesamte Aggressionspotential der falschen Gesellschaft auf einen Punkt zusammen – die Israelis bzw. Jüd_innen als Alleinschuldige, als Stören(de des)friede(ns) - und verunmöglicht zugleich die Einsicht in diesen destruktiven Zug, indem er sich als moralisch den ‚verbrecherischen Israelis’ überlegen und als von dunklen Lobby-Kräften unschuldig verfolgt wähnt.


... und auf dem linken Auge blind


Wie wenig das Bündnis gegen den Krieg an einer tatsächlichen Beendigung des Kriegszustandes im Libanon und den palästinensischen Gebieten interessiert ist, zeigt im Weiteren seine Bemerkung, zur „Existenz von Hisbollah und Hamas“ könne man „sicherlich sehr geteilter Meinung sein“. Kritik, deren Maßstab die Emanzipation von Herrschaft ist, die sich also nicht im Meinen, Palavern oder Strategisieren erschöpft, kann die Existenz rechtsradikaler Vereinigungen – seien es Nazi-Parteien oder islamistische Rackets – nicht zur Geschmackssache reduzieren. Mit dieser Position fällt das Bündnis nicht nur den Israelis, die angesichts des antisemitischen, vor allem die Zivilbevölkerung treffenden Raketen- und suicide-Terrors um ihr Leben fürchten (und kämpfen), in den Rücken. Nein, auch die Interessen der Millionen von Menschen im Gaza-Streifen oder dem Südlibanon, die unter der Herrschaft der islamistischen Banden leiden müssen und denen Disco-Besuche, (sexuelle) Selbstbestimmung und Möglichkeiten der Organisation gegen die Zumutungen des Kapitals wie etwa das Streikrecht5 bei Strafe des Knüppels oder gar des Lebens genommen werden zugunsten eines autokratisch regierten Gottes(un)staates, werden somit verraten.



Antizionismus als höchste Form des Einverstandenseins


„Mitmachen wollte ich nie.“6


Israel, das sich durch seinen Doppelcharakter als gewöhnlicher, herrschaftsförmig organisierter Staat wie als Ort der politischen Emanzipation der Jüd_innen und Instrument ihrer bewaffneten Selbstverteidigung zugleich auszeichnet, wird hierzulande leider nicht allein von dem doch recht marginalen Bündnis gegen den Krieg angegriffen. Während sich derzeit auf der Straße eine unheimliche Koalition aus Islamist_innen, Linken sowie Rechtsradikalen formiert und 75% der Deutschen – sicher keine Pazifist_innen! – laut einer Umfrage das israelische Vorgehen für „überzogen“ halten, werden von den Polit-Eliten geostrategische Bündnisse auf Kosten Israels geschlossen. Während die Einen wie Wolfgang Gehrcke und Norman Paech von der Linkspartei bereits mit Abgesandten der Hisbollah kunkeln bzw. eine Konferenz mit Vertreter_innen der Hamas annoncieren7, die Anderen wie der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Israel aus der Ferne die Aushandlung eines „tragfähigen Friedens“ mit „den Konfliktpartnern, also Hamas und Hizbollah“ zu diktieren suchen, reden Dritte wie Außenminister Steinmeier und Verteidigungsminister Jung eifrig eine internationale Einsatztruppe im libanesischen Süden herbei, was den Medien Anlass genug bietet, fröhlich-gruselnd über den Zeitraum, bis Deutsche endlich wieder guten Gewissens Jüd_innen morden können, zu spekulieren.

Der Antizionismus stellt durch sein Abspaltungstheorem – der böse jüdische Staat vs. die gute restliche Völkergemeinschaft – also nicht nur wie oben beschrieben eine sich rebellisch wähnende Versöhnung mit den Formen von Staat und Kapital bereit, darüber hinaus ermöglicht er der friedensbewegten Linken ganz konkret, sich wie die Fische im Wasser zu tummeln, im Strom des virulenten Ressentiments mitzuschwimmen. Auch wenn nur wenige außerhalb der ‚Szene’ eigens auf die Straße gehen: die Hetze gegen Israel versteht doch (fast) jede Deutsche. Der Antizionismus wird somit zum kulturellen Code und zur Bedingung der Möglichkeit des Dabeiseins. Mit gutem Gewissen kann so „die Linke“ eine Bewegung, welche die bürgerliche Mitte ebenso wie den rechten Rand einschließt, mit dem humanitär korrekten Vokabular versorgen. Anstatt solch eifrigen Mitmachens wäre Reflektion einzufordern auf die jeweiligen Besonderheiten der Kämpfe (und Kriege), eine Reflektion, die in Verbindung treten müsste mit einer Kritik der Allgemeinheit in Form von Staat, Volk und Kapital. Nur eine Bewegung, welche im Zeichen der Emanzipation des Besonderen wie des Allgemeinen eingedenk ist, könnte einst das derzeit so fern scheinende Ende jeglicher Kriege und jeder Gewalt herbeiführen.



Bündnis gegen Antisemitismus Rhein/Main

[gegenantisemitismus@gmx.net]

sinistra! radikale linke

[sinistra@gmx.li // www.sinistra.tk]

1 Adorno/Horkheimer, Elemente des Antisemitismus, in: dieselben: Dialektik der Aufklärung.

2 Alle Zitate im folgenden Abschnitt aus: Felicia Langer, Brandherd Nahost, Göttingen 2004.

3 „Die Wurzel des Problems ist, dass die Schlüsselfrage des Nahostproblems nicht gelöst ist: Gerechtigkeit, Sicherheit, Frieden und Selbstbestimmung für Palästina.“

4 Wie es auch immer wieder Michel Friedman vorgeworfen wird, der etwa von Möllemannüberheblicher, elitärer Arroganz" geziehen wurde.

5 Vgl. Hatoum, Raida: Wider eine Politik der Verzweiflung. Polemik einer Linken aus dem Libanon, adressiert an die Linken des Westens, Fantomas Nr. 7/2005: „Seit Mitte der 1980er Jahre führt die Hisbollah den Kampf gegen die israelische Besatzung, doch artikuliert ihr Widerstand – dem des Irak nicht unähnlich - den „Antiimperialismus“ eines religiös aufgeladenen Nationalismus, nicht den der ArbeiterInnenklasse. Zwar erzwang sie 2000 den Rückzug der Israelis, doch haben Gewalt und Ausbeutung im „befreiten“ Südlibanon seither sogar zugenommen. Als es am 27.Mai des vergangenen Jahres endlich zu einem Generalstreik kam, in dem eine Erhöhung der Löhne, ein Stopp der Privatisierungen und der Einschnitte in die sozialen Dienste gefordert wurden, erschoss die reguläre Armee fünf Demonstranten, verurteilten Militärgerichte 150 AktivistInnen. Die Hisbollah mischte auf eigene Rechnung mit, machte Jagd auf streikende Arbeiter und lieferte ihre Opfer der Armee aus.“

6 Leo Löwenthal, Mitmachen wollte ich nie. Ein autobiografisches Gespräch mit Helmut Dubiel.

7 Vgl. http://www.inforadio.de/static/dyn2sta_article/388/134388_article.shtml und http://www.jungewelt.de/2006/07-18/043.php