Neuhof und sein Martin


Pünktlich zum Jahrestag seiner antisemitischen Rede am 03.10.03, in welcher er Juden als führende Köpfe der Oktoberrevolution ausmachte, welche er wiederum mit dem Holocaust und dem Nationalsozialismus gleichsetze, setzte Martin Hohmann erneut ein Glanzlicht in Neuhof. In eben jenem Dorf, dessen Einwohner sich immer wieder hinter „ihren Martin“ gestellt haben, der ja ein grundanständiger Mensch sei und nur einer verleumderischen Hetzkampagne zum Opfer fiel. Und so strömten sie auch so in Scharen. Das Vereinsheim der dortigen Schützen wurde zur Bühne für den Hohmannschen Auftritt. Dicht gedrängt versuchte die interessierte Hörerschaft aus Neuhof und Umgebung Einlass zu erhalten. Diejenigen, die nicht mehr in das Vereinsheim passten, standen vor der Tür und lauschten der Rede, welche via Lautsprecher an ihr Ohr drang. Im Inneren des Schützenhauses feierten sie „ihren Martin“ mit Rufen wie „Es müsste noch viel mehr Hohmänner geben!“ , welche so gleich mit zustimmendem Applaus honoriert wurden.

Hohmann begann seine Rede mit der Anmerkung, er wolle kein „Klagelied mit dem Titel Martin Hohmann und die Ungerechtigkeit dieser Welt“ anstimmen, so als würde er mit der Wahl des Titels dieses fiktiven Klagelieds nicht eben genau diese „Ungerechtigkeit“, die ihm angeblich widerfahren ist, anprangern. Und als er im Folgenden für die Rehabilitierung Günzels, also eben des Generals, der sich demonstrativ auf seine Seite stellte, eintrat, da wurde mehr als deutlich, dass er dabei auch über sich selbst redete. Auch aus den Äußerungen über die Neuhofer Dorfgemeinschaft, der er ja auch und sogar ganz besonders angehört, welche sicher keine braunen Tendenzen aufweise und von sensationsgierigen Medienvertretern absichtlich in diese Ecke gedrängt wurde, ließ sich deutlich herauslesen, dass er durchaus über sich und die „Verleumdungskampagne“ gegen ihn sprach.

Nachdem dies geklärt war, ging es ans Eingemachte. Über „Patriotismus“ wollte er dieses Jahr reden. Antisemitische Äusserungen vermied er diesmal. Dafür ging es nun um die „Ausländer“. Durch den verstärkten „Ausländerzuzug“ habe in Deutschland eine „Entreicherung“ stattgefunden. Natürlich durfte der Hinweis nicht fehlen, dass man darüber ja auf Grund der „politischen Korrektheit“ und irgendwelcher „Tugendwächter“ nicht reden dürfe. Doch Hohmann, mutig wie er nun mal ist, sprach doch darüber. 500.000 seien sofort ausreisepflichtig. Diese Menschen wollten das „warme Nest Deutschland“ nicht verlassen. Schuld daran sind die Politiker, die den Abzuschiebenden fleißig weitere Schecks zuschickten. Die versammelte Anhängerschar dankte es ihm mit Beifall.

Des weiteren sprach er vom Nationalsozialismus als der „größten Katastrophe unseres Volkes“ (Hervorhebung durch den Autor dieses Berichts). Der Nationalsozialismus war also vor allem eine Katastrophe für die Deutschen. Vom Holocaust verlor Hohmann selbstredend kein Wort.

Im Vereinsheim und direkt davor entfachte sich stets neuer Applaus für die widerwärtigen Ausführungen. Und es hätte so ein gemütlicher, besinnlicher Nachmittag werden können, wenn nicht ein Grüppchen von c.a. 30 Personen aus Frankfurt die Reise (oder besser: die Strafexpedition) nach Neuhof angetreten hätte. Dass sich in der Region kein erwähnenswerter Protest gegen Hohmann regen würde, war alleine schon dadurch abzusehen, dass die einzigen kritischen Töne, welche in der Öffentlichkeit gegen eine erneute Hohmann-Rede angestimmt wurden, darauf abzielten, einen weiteren Imageverlust der Region zu verhindern. Und so waren es gerade einmal vier Personen aus einem Nachbardorf, welche sich den angereisten Protestierenden anschlossen.

Transparente mit der Aufschrift „Antisemitismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ und „Gegen Hohmann und den völkischen Wahn“ wurden entrollt, um die einstimmige Atmosphäre zumindest ein wenig zu stören. In Redebeiträgen der anwesenden Gruppen FDJ und sinistra! wurden noch einmal Hohmanns antisemitische und geschichtsrevisionistische Aussagen dargestellt. Eine Grußadresse von Peter Gingold wurde vorgelesen. Er bedauerte, dass es ihm aus terminlichen Gründen nicht möglich sei, nach Neuhof zu kommen, betonte aber die Wichtigkeit dieses Protests. Das eigentliche Problem sei nicht, dass es „diesen Hohmann und viele Hohmänner gibt, sondern, dass solche Worte den frenetischen Beifall seiner Zuhörer hatte und er sicherlich aus dem Herzen, weiß Gott, wie vieler Menschen in diesem Lande sprach.“ Es sei wichtig, die Wachsamkeit zu schärfen, „denn es beginnt mit Worten, es endet mit Totschlag und Massenmord“.

All dies interessierte die Passanten, welche unbeirrt in Richtung Schützenhaus marschierten, herzlich wenig. Empörung machte sich erst in dem Moment breit, als ihr kleines Nest Neuhof auf Grund seiner demonstrativen Solidarität mit dem Antisemiten Hohmann als „ekliges Dorf“ bezeichnet wurde.

Auf Grund der klaren Unterzahl waren die Demonstranten auch sogleich ein beliebtes Ziel für Schimpftiraden. Ein junger Nazi schoß einige Fotos für seine Sammlung, ohne daran von der Polizei gehindert zu werden, die ja eigentlich für den Schutz der Demonstranten zuständig gewesen wäre. Doch diese Annahme war spätestens zu dem Zeitpunkt obsolet, als diverse Hohmann-Anhänger auf ihrem Weg zum Schützenhaus den Beamten freundlich die Hand schüttelten und sich nett mit ihnen unterhielten. – Man kennt sich wohl. Und wer weiß, wessen Rede sich die Beamten wohl angehört hätten, wären sie an diesem Tag nicht im Dienst gewesen.

Es war wahrlich kein schöner Tag und kein schöner Ort, um sich klar gegen Hohmann und seine Äußerungen zu positionieren. Aber es hatte auch niemand erwartet, dass es schön werden würde. Jedoch war es wichtig und notwendig, den Weg nach Neuhof anzutreten. Jenes eklige Dorf, welches sich immer wieder schützend vor ihren liebsten Einwohner stellt und ihm auch an diesem Tag so viel Beifall gespendet hat. Deswegen darf dies nicht das Letzte gewesen sein, was Neuhof von uns gesehen hat. Ein weiterer Besuch in Neuhof ist angedacht und diesmal hoffentlich mit deutlich mehr als 30 Personen.


Bündnis gegen Antisemitismus, Rhein Main

gegenantisemitismus@gmx.net