mais, melhor e depressa

Philanthropisch

Ein nervöser Mensch auf einer Wiese

wäre besser ohne sie daran;

darum seh er, wie er ohne diese

(meistens mindstens) leben kann.

Kaum daß er gelegt sich auf die Gräser,

naht der Ameis, Heuschreck, Mück und Wurm,

naht der Tausendfuß und Ohrenbläser,

und der Hummel ruft zum Sturm.

Ein nervöser Mensch auf einer Wiese

tut drum besser, wieder aufzustehn

und dafür In andre Paradiese

(beispielshalber: weg) zu gehn.

[Christian Morgenstern]

C'est vrai parce que c'est scientifique.

Es ist schon sehr sehr sehr lange her, etwa dreißig Jahre, daß eine ko(s)mische Vogelspezies mit Namen Shadok allabendlich das französische Fernsehpublikum unterhielt.

Es ist noch viel viel viel länger her, da lebte jene Spezies im Himmel auf ihrem Planeten Shadok. Dort konkurrierten der seriöse Professor Shadoko und der sinistre Hexenmeister in der Ideologieproduktion.

Letzterer sorgte mit positiven Schwingungen dafür, daß jeden Morgen die Sonne aufging und da er es bis dahin immer geschafft hatte, wurde er von den Shadoks als göttliche Autorität verehrt. Außerdem war er in seiner Freizeit Klempner und las in seinem magischen Wasserhahn die Zukunft.

Der bärtige, bekittelte Professor Shadoko hatte die Rolle des Aufklärers inne. Nicht nur, daß er über die modernsten wissenschaftlichen Methoden verfügte, er gab sich auch alle Mühe, seine genialen Erkenntnisse in die beschränkten Gehirne der ungebildeten Shadokmasse zu hämmern. Das war gar nicht so einfach, denn mit einer Speicherkapazität von nur vier Bits konnten die Shadoks nur bis vier zählen. Als einer seiner größten Verdienste galt die geniale Reform der Shadok-Mathematik. Diese bestand aus einem dem irdischen Dezimalsystem verwandten Vierersystem. Die Shadoks waren begeistert. Doch bevor sie lernen konnten, sich mit dieser Hilfe ihres eigenen Verstandes zu bedienen, schaltete sich der inquisitorische Geist des Hexenmeisters und göttlichen Klempners ein. Das sei alles nicht klar, man müsse verhindern, daß den Kindern solche Dummheiten beigebracht würden und deshalb müsse Shadoko verdammt und öffentlich verbrannt werden.

Die Shadoks jubelten dem göttlichen Klempner ebenfalls zu. Aber zuvor wollten sie den Vortrag des Professors hören, denn: les mathématiques, cela les intéressait, bien sûr, mais brûler le professeur, c'était intéressant aussi, faut dire.

Les Shadoks sind auch in zwei Comic-Bänden ersschienen, bisher leider nur in französisch:

Jacques Rouxel: Les Shadoks, 1994, Editions Circonflexe

ders.: La Vengeance du marin, 1995, Editions Circonflexe

Walser 1 - Starrsinn

„Ich werde meine Rede nicht ändern, wenn ich sehe, daß sie mißbraucht werden kann." „Ich habe keine Rede gehalten, von der ich glaube, daß sie kommentiert werden muß." „Ich nehme das nicht zur Kenntnis." „Wo ist der Fleck auf meinem Rock? Wo ist die Nachlässigkeit?" „Aber ich kann nur zum hunderttausendsten Mal sagen, daß die Wirkung, die wir jetzt alle erleben, nicht auf Mißverständnissen beruht. Das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen."

Wir nehmen das zur Kenntnis. Walser hat also gemeint, was er gesagt hat. Warum spielt er aber dann den Gekränkten, wenn man ihn ganz zu Recht des Antisemitismus und des Revisionismus bezichtigt?

Besser als Wolfram Schütte in der Frankfurter Rundschau vom 15.12.98 kann man kaum kommentieren, was Martin Walser in seinem „Gespräch" mit Ignatz Bubis, Frank Schirrmacher und Salomon Korn am 13.12. gemacht hat. Wir huldigen also der bürgerlichen Presse und zitieren:

„Für mich hat Walser _ anmaßend, starrsinnig, schamlos und feige _ die denkbar schlechteste Figur gemacht: derart lutherisch-hysterisch, daß man auf der Stelle und vor Scham katholisch werden möchte.

(...)

Walser (fährt) rhetorisch versiert und unentschuldbar hinterhältig fort (an Bubis gewandt): ,Ich wage nicht Ihr Bild fortzusetzen`, um es dann mit seinem Ressentiment auszumalen: ,Dann haben Sie das deutsche Gewissen in eine Flasche gesperrt, zu der Sie den Stöpsel haben.` Daß ,die Juden` unser Unglück sind, hat man auch schon einmal rhetorisch unumwundener gehört _ und kann es jederzeit dort lesen, wo Walser, der seine Rede ,unmißverständlich` nennt, offenbar in diesem Sinne verstanden wurde."

Vielen Dank.

Was nicht nur die Zeit vertreibt

Wer regelmäßig die Frankfurter Rundschau liest, sollte montags in der Weltrundschau die Lektüre von Mafalda nicht versäumen. In dieser kurzen Bildergeschichte spielt ein kleines Mädchen (eben Mafalda) die Hauptrolle. Sie kommentiert auf angenehm unübliche Weise Alltagssituationen und persifliert die Lebensweisheiten der Erwachsenen.

Unlängst sah man Mafalda an der Straße stehen. Neben ihr steht ein kleiner Junge weinend: „BUAÄ". Seine Mutter, ihn am Ohr ziehend, schreit: „Willst Du ruhig sein! RUHE!"

Da dies jedoch scheinbar ohne Erfolg bleibt, richtet sie ihre und seine Aufmerksamkeit auf Mafalda mit den Worten: „Haha, guck Dir die Kleine an! Sie ist genauso groß wie Du und heult nicht. Schämst Du dich nicht? Sie wird Dich für eine Heulboje halten, was Kleine?" Mafalda, die bisher alles ruhig mitanschaute, brüllt die Mutter mit vor Grimm verzerrtem Gesicht an: „NEIN!" Dann macht sie kehrt und verschwindet aus dem Blickfeld mit den Worten: „Gott sei Dank denkt die Kleine das nicht."

Als LeserIn wird man ergriffen. Und zwar von einem unbestimmten Gefühl der Sympathie für dieses NEIN, das fast das ganze Bild einnimmt. Auf die Frage der Mutter hätte eigentlich ein kleinlautes „JA" folgen müssen. Damit wäre die bekannte Ordnung wiederhergestellt und der kleine Junge _ durch die Bestätigung von Seinesgleichen zur unterwürfigen Einsicht gebracht _ der Autorität doppelt unterworfen. Statt dessen aber ein monströses „NEIN". Mafalda macht da nicht mit. Sie verweigert sich der Vereinnahmung durch die Macht, die sich stets auf den allgemeinen Konsens berufen will. Auch will Mafalda von Rollenklischees nichts wissen, nach denen „Jungens" nicht weinen und wenn sie's doch tun von Mädchen für Heulbojen gehalten werden.

Die Mutter bleibt verwirrt und ins Leere starrend zurück, während der kleine Junge bewundernd in die Richtung blickt, in die Mafalda entschwindet. Auf seinem Gesicht zeichnet sich ein Lächeln ab. Es kündet von der Freude über so viel subtilen Widerstand und unmittelbare Solidarität. Alle Erwartung wird gebrochen und es braucht doch nichts ausgeführt oder erklärt zu werden. Es passiert halt einfach so, in vier kleinen Bildchen. Zum Beispiel bei Mafalda! Toll, was?

Walser 2 - Auswanderung

Der altersstarrsinnige Schwurbelschwachkopf Martin Walser, dessen durchgeistigte Wortwahl auch bisher nur wenige GermanistInnen begeistern konnte, hat wieder zugeschlagen:

„Wenn das so ist, wenn man mich damit in irgendeinen Zusammenhang bringen kann, dann muß ich auswandern." Es hatte nämlich eine der vielen frechen, den armen Deutschen ein schlechtes Gewissen aufzuzwingen sich abmühenden Juden gewagt, Walsers gewissensschwangeres Paulskirchengeschwätz mit dem Sprengstoffanschlag auf das Grab Heinz Galinskis in Verbindung zu bringen.

Im Augenblick sollte das aber niemanden wundern. Wenn schon Augstein und Dohnanyi meinen, Deutschland und die Deutschen als die eigentlichen Opfer des Holocaust (und seiner gewissenlosen Instrumentalisierung in einem natürlich von Ignatz Bubis geschaffenen „Klima der Intoleranz") hinstellen zu dürfen, dann finden sich schon ein paar Nazis, um (vermeintlich?) in ihrem Sinne Hand anzulegen.

Laut Herrn Herzog handelt es sich bei den Attentätern übrigens um „wirre Einzelgänger" und Herr Diepgen bedauert nur, „daß wir durch die Taten von einzelnen Verrückten und Kriminellen immer wieder in einen Erklärungsbedarf gedrängt werden." Schöner kann man nicht sagen, daß man weder erinnert werden noch erklären möchte.

Walser 3 - Selbstmord

Und dann kündigt er auch noch seinen Selbstmord an. Zum größten Mißfallen deutscher Kirchenfürsten verkündet Martin Walser in der Presse, daß er den Selbstmord für die schönste und selbstbestimmteste Form des Todes hält.

Wir wissen, wer ihn zum Selbstmord im Exil treiben wird: die jüdische Mafia.

Wer ist Herr Backhaus?

Geboren am 29.2.1924 als unehelicher Sohn von Sesemi Weichbrod-Predöhl und des schwedischen Wanderbäckers Gustav Wasa. Ab 1941 Versorgungsoffizier bei der dt. Armee in Ache-les-Pain. Aus umfänglichen Studien entsteht die erste, später stark umgearbeitete Veröffentlichung: „Welsches Flötenbrot contra germanische Krume: ein ballistischer Vergleich". Nach dem Krieg bis 1949 Studium der Ingenieurs- und Haushaltswissenschaften, zahlreiche Veröffentlichungen in der „Bäckerblume", u.a.: „Krusten im Wandel der Zeit"(1951), „Goethe und das Brötchen" (1953), „Selbstkrümelndes Brot _ die Revolution der Paniermehlindustrie"(1967), „Zum zeitgeschichtlichen Kontext der Roggenmuhme" (1971), „Stuhl in Form _ Wege zur vollwertigen Gesundheit" (1975). Neben der journalistischen Arbeit entstehen ferner aus der Auseinandersetzung mit dem russischen Suprematismus die Lyrikbände „Russisch Brot"(1961) und „Chlebstoff" (1970, je 18 Oblaten, Fadenheftung). Nach einem umstrittenen Sauerteigexperiment zur Hautatmung bei Kindern, dem sogenannten „Max-und-Moritz-Versuch" 1983 Rückzug ins Privatleben.

M. Cnepic

Walser 4 - Völkerverständigung

Das Volk der Deutschen leidet. Daran, daß nicht es, sondern die Juden die Opfer des Holocaust sind. Deshalb schwadronieren Dohnanyi und Co. von der großen Last der Deutschen an der Geschichte. „Umverteilung der Leidenslast" nannte das sehr schön die Süddeutsche Zeitung (vom 17.12.98). Daß dazu ein gewisses Maß an (latentem?) Antisemitismus nötig ist, versteht sich. Gern und wiederholt werden deutsche Juden zu Ausländern erklärt, Ignatz Bubis für angebliche Verbrechen Israels kritisiert oder eine Bedrohung für die eigene Person imaginiert (Monika Maron mag als Fallbeispiel dienen). Auch Martin Walser kriegt wiederholt die Kurve nicht:

Von der Zeitschrift Bunte gefragt, was er Herrn Bubis zum Weihnachtsfest wünsche, meint der: „Einen guten Rotwein, einen Erstgewächs-Chateau-Margaux. Der ist völkerverbindend." Wie gehabt: Der Jude als Asylant.

Nicht mit rechten Dingen

„Aber so ist das Geschäft, es ist schnellebig. Und es ist nun mal so, der Trainer ist das schwächste Glied in der Kette, und er muß manchmal ausgewechselt werden." So verlautete Gernot Rohr, Manager von Eintracht Frankfurt, am 10 Dezember in der FR nach dem Rausschmiß von Trainer Horst Ehrlichhaut. So weit alles normal. Doch warum so plötzlich, scheinbar ohne jede Begründung? Die Fans waren entsetzt und ebenso der geschaßte Horst: „Es sind meine Jungs, ich hätte gerne mit ihnen weiter zusammen gearbeitet. Ich hatte eine ungeheure Verbindung zu dieser Mannschaft." Der Vorstand stand am Pranger und sah sich gezwungen, nun die wahren Hintergründe offenzulegen: Ehrmanntrauts kosmische Trainingspraktiken.

Co-Trainer Lippert durfte zum Beispiel nicht an Mannschaftssitzungen und nicht im Mannschaftsbus mitfahren, weil er angeblich negative Energien aussendet. Aus demselben Grund sollte Zeugwart Friedel Lutz entlassen werden. Bei einem Elfmeter gegen Stuttgart in allerletzter Minute saß der Trainer am Spielfeldrand parallel zu seinem Jungen Brinkmann und erzeugte nach eigenem Bekunden ,positive Schwingungen`. Mit einem Wort: Der Trainer, ein Esoteriker! Und das ausgerechnet im Fußball, wo doch alles nach Sportmedizin und taktischem Kalkül geschehen soll. „Das ist eine Lüge, die zum Himmel schreit!" schreit's Horstsche deshalb auch und klärt uns via Zeitungsinterview über seine vernünftigen Maßnahmen auf: „Ich wollte, daß er den Ball reinschießt, ich wollte, daß er was Gutes tut. Was Positives....Das hat doch nichts mit Übersinnlichem zu tun." Zur Bekräftigung präsentiert er dann sein wahres Credo, das, wie er wohl meint, alles andere als übersinnlich sei. Er will nämlich auf dem Platz immer „alles so akribisch und genau wie möglich haben,...Es kann nicht jeder machen, was er will. Wir leben nun mal von der Ordnung und der Disziplin. So arbeitet man, um erfolgreich zu sein."

Dieser Phänotyp eines Ordnungsfanatikers ist typisch für den Fußballstrategen, bei dem alles genau geplant und organisiert sein muß. Nichts ist unwichtig. Und so müssen auch die okkulten Möglichkeiten der höheren Kräfte ausgeschöpft werden. Nicht aus Kalkül sondern aus Neigung, denn wo absolute Ordnung herrscht, darf das Zufällige nicht zügellos bleiben. Das praktiziert Ehrmanntraut so gut wie jeder andere Fußballtrainer. Nur die anderen vielleicht im Rahmen des alltäglichen Aberglaubens: Da argwöhnt der eine die Verschwörung der Schiedsrichter gegen seinen Club, während der andere seinen Spielern Ringelsöckchen verordnet; und jeder Torwart, der etwas auf sich hält, drapiert vor dem Spiel sein Maskottchen im Tor. Ehrmanntraut sollte mit all diesen hervorragenden Trainereigenschaften doch schnell wieder einen neuen Job...., oder etwa nicht? Wir drücken jedenfalls beide Daumen.

Blitzmädel

Ein Phänomen überschattet den täglichen Genuß der 20 Uhr-Tagesschau: Der Anblick der SprecherInnen. Man fühlt sich wie in einer Zeitmaschine; nicht nur Trachtenjankerl und Spitzenbluse, sogar eine original KDF-Innenwelle ziert die blonde deutsche Frau, die uns da entgegenspricht. Und ist sie mal ein Mann (und nicht einer von der alten Garde um Wilhelm Wieben und Dagmar Berghoff), dann trägt sie unter dem Landsergesicht einen Ultra-Retro-Anzug im dunkelbraunen Gauleiterlook mit breitem Revers und großer Klappentasche. Das schokobraune Hemd und die karamelfarbene Krawatte sind selbstverständliche Accessoires. Hat man sich genug gegruselt, die Nacht eventuell sogar durchgeschlafen nach all dem Grauen, trifft einen gleich der nächste Schlag. Ein Blick in die Zeitung macht unmißverständlich klar: das war kein schlechter Traum, alles ist wahr. Susan Stahnke, eine der blondesten der blonden Tagesschausprecherinnen hat tatsächlich und ungelogen einen Anruf aus Hollywood erhalten. Es wird ihr die Rolle der Karin Göring angetragen, in einem Film über die Größen des Dritten Reichs.

Letzte Meldung: Susan Stahnke nimmt die Rolle an und erklärt sich zum kommenden europäischen Star in Hollywood.

Weiterbildung

Im Rahmen der Entwicklungshilfe genießen schon nun schon seit längerer Zeit aus diversen Geographien kommende Studierende die Möglichkeit, eine zeitlang an der Zivilisation teilzunehmen. Die Gründe für ein Studium in der sogenannten Ersten Welt sind unterschiedlich: Die meisten erwarten durch eine intellektuelle Aufrüstung europäischer Provenienz einen privilegierten Karriereeinstieg im Heimatland. So manch andere wiederum kommt in der Hoffnung, in einer relativ sicheren Atmosphäre, am kritischen linken Diskurs teilnehmen zu können. Diese zukünftigen BotschafterInnen Deutschlands im Ausland werden hierzulande gern gesehen. Sogar die Hilfsbereitschaft und Sympathie der Ordnungshüter ist gesichert _ natürlich nur mit StudentInnenausweis. Ganz im Gegensatz zu der nicht gerade Gastfreundlichkeit zu nennenden Attitüde gegenüber potentiell „asylverdächtigten" Ausländern.

Für einen ausländischen Studierenden scheint die Welt, was bürokratische Regelungen und Gängelungen betrifft, noch in Ordnung zu sein. Jedenfalls bis zum formalen Abschluß der universitären Ausbildung. Der Abschluß ist der Zweck des Aufenthalts, mit ihm endet somit der rechtliche Existenzanspruch. Also Koffer packen, Bücher nicht vergessen und tschüs.

Bei denjenigen, die nur das Diplom im Sinn hatten, dürfte das nicht allzu große Unzufriedenheit hervorrufen. Komplizierter kann die Angelegenheit werden, wenn mensch auf den Gedanken kommt, daß es hier auch ganz nett sein kann, sieht man einmal ab von ein paar angeblich harmlosen unfeinen Ereignissen, wie z.B. die Schändung jüdischer Friedhöfe oder verschiedentlich öffentliche Räume schmückende, eigenartig bizarre Formen der Zuneigung artikulierende Parolen wie: „Ausländer f... eure Schwestern" (habe ich neulich tatsächlich gesehen).

Primär ist dann der Aufenthaltsstatus zu klären. Trotz sich permanent verschärfender Ausländerpolitik können sich Studierende in dieser Angelegenheit zu den priviligierteren zählen. Wissenschaftliches Arbeiten ist eine Disziplin, die, wie wir alle fleißig gelernt haben, aus Fehlschlägen und abermaligem Scheitern schließlich die richtigen Schlußfolgerungen zieht. Solange wir also nicht falsifiziert werden, besteht kein Grund zur Hoffnunglosigkeit. Es gibt einen eleganten, akademischen Weg, den Aufenthalt an's sichere Ufer zu bringen, ohne in den heiligen Bund der Ehe einzutreten: Der Weg zum Standesamt soll mittlerweile 20.000,- kosten, ist also relativ kostspielig. Und auch lange nicht mehr so sicher wie früher; mehr Kontrollen und so... Deshalb wird wieder einmal die Wissenschaft der Ausweg aus unseren Problemen sein.

Also mein Tip an diejenigen, die zu bleiben gedenken, es ist noch nicht zu spät:

Beschäftigt euch intensiv mit Forschung und Wissenschaft. Seid innovativ und eignet Euch das begehrte, materiell verwertbare Know-How an. Lernt hart, diszipliniert und plaziert Euch vor der Konkurrenz, und fragt mich nicht, wie Ihr das alle machen sollt. Die Profs oder irgendwelche Firmen werden dann Eure Fachkraft zu verwerten wissen und ungern auf euch verzichten wollen, weil nämlich Standortfaktor und so.... Und werden sich entsprechend bei den zuständigen Behörden für Euch einsetzen. Unterstützung aus liberalen Kreisen dürfte garantiert sein.

Falls auch dieser Weg scheitern sollte _ ultima ratio _ verliebt Euch rechtzeitig in jemanden mit den richtigen Papieren.

Also nicht jammern, erst mal anständig lernen....

Watcher's Digest

Viel hat sie uns schon beigebracht, die Lindenstraße, und dankbar müssen wir anerkennen, daß wir mit ihrer Hilfe von Woche zu Woche klüger werden. Von den Tücken einer Bluttransfusion (Bennos AIDS-Tod) bis zur politischen Situation in Nigeria gibt es kaum ein Thema, das die Lindenstraße-MacherInnen noch nicht verwurstet hätten. Die Erforschung fremder Lebensformen war ihnen dabei schon immer ein ganz besonderes Anliegen: VertreterInnen sogenannter „Minderheiten" tummeln sich in der kleinen Münchner Straße so zahlreich, daß andernorts schon von einem sozialen Brennpunkt die Rede wäre. Aber nicht in der Lindenstraße, wo ihre wichtigste Funktion darin besteht, ihre schon fast erbärmliche Normalität vorzuführen und uns so zu beweisen, daß sie auch nicht interessanter sind als andere Leute. Seit einigen Wochen nun richtet sich der pädagogische Eros der Lindenstraße-AutorInnen auf ein neues Objekt: Canan und Ahmet Dagdalen dienen als FührerInnen in die fremde und geheimnisvolle Welt des Islam, wo es gar merkwürdige Dinge zu entdecken gibt. Seltsame Bräuche wie das Abstellen der Schuhe vor der Haustür, religiöse Riten wie das wochenlange Fasten während des Ramadan werden der geneigten ZuschauerIn in leicht verständlicher Form nähergebracht. Als Medium dient dabei der in Canan verliebte Flip, der sich mittels Internet auf jede Begegnung mit ihr akribisch vorbereitet _ damit ihm nicht noch einmal ein Schnitzer passiert wie damals, als er mit löchrigen Socken Eintritt in ihre Wohnung begehrte. An Steifheit ist dieser interkulturelle Dialog nur schwer zu überbieten:

_ Canan, möchtest Du heute abend zu uns zum Essen kommen? (Es ist Heiligabend) Klausi und ich haben unsere Familien zum Essen eingeladen.

_ Sehr gerne, Philipp, aber ich kann meinen Bruder nicht allein lassen. Zwar feiern wir nicht Weihnachten, aber er ist heute abend ganz alleine. Die ganze Familie ist in der Türkei.

_ Dann bring ihn doch einfach mit. Wir essen um 19 Uhr, da ist es auch schon dunkel, dann könnt Ihr ja ganz unbesorgt mitessen.

_ Oh Philipp, ich sehe Du hast Dich mit dem Islam beschäftigt.

_ Na ja, daß man bei Euch während des Ramadan erst dann etwas essen darf, wenn es dunkel ist, gehört ja eigentlich zur Allgemeinbildung.

Im letzten Satz zeigt er sich dann wieder, der kritische Impetus der Lindenstraße. Und der wiegt so schwer, daß wir den Rassismus, der einem zu Türkei nur Islam einfallen läßt, schon gar nicht mehr übel nehmen.