party politics
[subkultur und subversion]

wer die diskussionen innerhalb der linken in der letzten zeit verfolgt hat, wird des öfteren auf das "party-thema" gestoßen sein. gestritten wurde darüber, welches emanzipatorische potential diesen parties und den subkulturellen zusammenhängen ("scenes") innewohnen könnte, ob diesen kulturellen praxen etwas politisches anhafte, oder es sich um rein privatistische vergnügungen handele, um hipness und die von seite der herrschenden milde betrachtete sphäre der freien narretei, auch genannt freizeit, die in beachtlichem maße zum bruttosozialprodukt und zum erhalt dieser nation beitrage. nicht selten wurde dabei die perspektive eines zoologen eingenommen, der sich im subkulturgehege umschaut, um dort mehr oder weniger gute (meist schlechte) bewertungen auf der subversions-skala vorzunehmen.

die subkultur

genaugenommen handelt es sich hierbei nicht um diskussionen, die erst in der letzten zeit stattgefunden haben. die debatte um das "konzept subkultur" ist in ähnlicher form bereits in der weimarer republik erkennbar, wenn es um die frage ging, ob die beteiligung in arbeitergesangs- oder fußballvereinen mit dem politischen gehalt des ideologiekritischen kampfes vergleichbar seien. die parallele stimmt nicht ganz, zugegebenermaßen,da unter dem begriff subkultur heute etwas anderes verstanden wird, als vor sechzig, oder auch nur zwanzig jahren. damals wurde subkultur synonym für den begriff "gegenkultur" verwendet, der vorstellungen von systemoppositionellem verhalten, verweigerung und dissidenz implizierte, und entsprechende lebensweisen zu entwickeln versuchte. rolf schwendter unterschied in "theorie der subkultur" zwischen subkultur und "teilkultur", wobei sich erstere durch ihre grundsätzliche opposition zum bestehenden system und dadurch, daß sie auch als solche verstanden werden wolle, auszeichne. (vgl. schwendter, s.11) heute hingegen reicht das bekenntnis zu einem bestimmten stil bzw. die verwendung bestimmter symbole und zeichen (vielleicht auch nur die richtige cd-sammlung), um sich einer subkultur zugehörig fühlen zu können. ob dieses ende der möglichen verwendung eines "wahren" subkulturbegriffs nun so schlimm ist, sei zunächst einmal dahingestellt. festzustellen ist jedoch, daß der begriff auch jenseits der konzentrationen und verschiebungen innerhalb der produktions- und distributionsebene des musikmarktes zunehmend an schärfe und aussagekraft verloren hat.

die subversion

die frage, was denn nun subversiv ist und was nicht, war nicht nur gegenstand zahlreicher diskussionen, sie ist auch heute längst nicht zu einem auch nur halbwegs befriedigenden ergebnis geführt worden. nach welchen kriterien der subversion bemißt sich nun eine für sich subversivität reklamierende (party-) politik? - und: führt diese form der politik idealtypisierend nur zur anhäufung von kulturellem kapital im kultur-konkurrenzkampf, der dem diktat der allumfassenden kulturindustrie unterworfen ist, oder zur "politischen subjektivität in einem neuen klassenkampf"? fragen über fragen, die einer antwort harren, die jedoch aus der perspektive subversiver politik sowieso falsch gestellt sein könnten.was damit gemeint ist, wird vielleicht durch einen genaueren blick auf die gemeinsamkeiten der für sich subversivität reklamierenden praxen deutlich: zentral sind begriffe wie auflösung, zersetzung und untergrabung, die nicht nur rein zufällig der militärischen terminologie entnommen zu sein scheinen. im rahmen einer mikropolitischen guerillataktik sollen hier die elemente militärischer propaganda und die erzeugung von paranoia umwertend nutzbar gemacht werden. - dies erscheint insofern interessant, als daß diese elemente im gegensatz zu leitideen der moderne (aufklärung, erziehung, veröffentlichung, diskussion, etc.) stehen. die kommunikation mit staat und öffentlichkeit wird verweigert oder überaffirmiert weil die grundlagen für die diskussion ("laß uns doch drüber reden..."; "konstruktiver dialog") fehlen. - dem entsprechen die vielfältigen versuche "subversiver bewegungen", sich zu verschanzen und unkenntlich zu machen, "nicht faßbar zu sein". - "don´t talk to sociologists"! in diesem zusammenhang sind die strategien von partyankündigungen besonders interessant: es scheint einen bedeutsamen unterschied zu machen, ob flyer in der batschkapp verteilt werden, oder ob mundpropaganda verwendet wird. an dieser stelle tauchen jedoch zwei probleme auf:

1. das so verstandene konzept der subversion muß ein elitäres sein, da es durch die konsequente verweigerung von diskussion und identitätszuschreibungen - die wiederum selbst eine identität generiert, die nicht-identität - nicht verallgemeinerbar sein kann und will. vielleicht ist das aber nur das geringere problem, da eine mikropolitik immer auf die bearbeitung einer bestimmten nische gerichtet ist und nicht auf mehrheitsfähigkeit abzielt. - das größere stellt sichvermutlich erst bei einer durch mechanismen der kulturindustrie erzwungenen verallgemeinerung ("mainstream der minderheiten")?

2. ebensowenig kann ignoriert werden, daß alle partys im rahmen einer marktförmigen gesellschaft stattfinden; die tauschwert-logik kann auch aus der letzten linksradikalen nische nicht verbannt werden. mit anderen worten: auch die party darf für die veranstalterinnen nicht zu materiellen schäden führen, "muß sich rechnen". - existieren in einer bestimmten "szene" keine kommunikationsstrukturen, die mundpropaganda als adäquates mittel erscheinen lassen, so könnte dies zum einen darauf hinweisen, daß keine "subversive gemeinschaft" besteht - doch davon später -, und zum anderen, daß andere formen der information notwendig sind (wie veranstalterinnen dem reibungslosen einstieg ins kleinunternehmertum vorbeugen könnten, kann an dieser stelle nicht weiter ausgeführt werden).

die linksradikale "scene" und ihre musik

seit ende der siebziger jahre bis etwa anfang der neunziger war punkrock der bestimmende musikstil innerhalb der linksradikalen, ihrer autonomen zentren und treffpunkte. selbstverständlich handelte es sich hierbei um keine einheitliche form, es gab überschneidungen und übergänge zu sogenannten "independent"-stilen, die bis in die gefilde des mainstream-80er-pop hineinreichten, entwicklungen zum hardcore-bereich, neue einflüsse durch hip-hop, diverse mischformen, etc. - doch über diese entwicklungen der einzelnen musik-stile gibt es genügend publikationen, von interesse ist an dieser stelle der einbruch repetitiver, elektronischer musik in die linken zentren anfang/mitte der neunziger.

bis zu dieser "neuentdeckung" hatten alle musikstile, die bisher in linken kreisen vertreten waren, zumindest eines gemeinsam: texte. aussagen, die in mehr oder weniger verschlüsselter form über worte transportiert wurden. das verhältnis von form und inhalt ist bei musikstücken zwar immer mehrfach gebrochen, will mensch nicht den musikalischen teil als bloßes beiwerk und untermalung der lyrics verstehen, doch scheint sich dieses verhältnis durch elektronische (tanz-)musik ohne texte grundsätzlich verändert zu haben: form ist inhalt, inhalt ist form; das heißt, es wird kein inhalt transportiert, der nicht in der form selbst enthalten ist. - explizites findet sich nicht, die direkte aussage ist verschwunden, der assoziation ist nahezu jede begrenzung genommen. umso stärker kommen die äußeren umstände, der kontext, zum tragen, innerhalb dessen sich eine party bewegt.

diese entwicklung verlief und verläuft alles andere als bruch- und spaltungslos. vielerorts wird nach wie vor an punk-/indie-stilen festgehalten und jegliche techno/drum´n´bass-variante mit z.t. recht dürftigen argumentationen (kommerzialisierung, ausverkauf), die auf die "eigenen" stile und deren verbreitungstechniken genauso anwendbar wären, vehement abgelehnt.

tanzen, räume und subversive gemeinschaft

mit der elektronischen (non-verbalen) musik hat sich auch der charakter der parties grundsätzlich verändert: war das tanzen zuvor eng verknüpft mit dem wiedererkennen eines liedes oder einer band, so ist es jetzt nicht mehr daran gekoppelt; das tanzen zu einem beat steht im mittelpunkt, auch wenn sich bestimmte parallelen zwischen der (damaligen) band und dem auflegenden dj und seinem stil konstatieren ließen. tanzen scheint objektiv leichter geworden zu sein, muß es subjektiv aber nicht. der beat, der keine wiedererkennung braucht, kann für einzelne gänzlich ohne bedeutung bleiben, ohne begehren und leidenschaft, kann zum gegenteil von ekstatischem tanz animieren, der die vermeintlich transzendierenden elemente in sich bergen soll. hier soll jedoch nicht in esoterische gefilde eingetreten werden, sondern es geht vielmehr um die faktoren, die das subjektive empfinden bestimmen. - wie es zu differenzen des geschmacks kommt, versuchen zahlreiche sozialisations- und kulturtheoretische ansätze zu ergründen, doch ich kenne keinen, der mir in bezug auf unterschiedliches partyerleben schlüssig und plausibel erscheint (vielleicht ist es auch gar keine frage des geschmacks).

wichtig erscheint mir in diesem zusammenhang die einbettung der partys in einen übergeordneten kontext. dieser ist durch die verschiebung des form-inhalt-verhältnisses, wie bereits oben erwähnt, maßgeblicher stifter von bedeutung: drum´n´bass kann sowohl im rahmen der love-parade, als auch in linksradikalen zentren, oder in abrißhäusern gespielt werden. - die musik kann exakt die gleiche sein und doch ist es ein unterschied ums ganze: der bedeutungsrahmen muß und wird durch die leute, die die party besuchen, und den ort, an dem sie stattfindet, gestaltet (damit soll selbstverständlich nicht bestritten werden, daß es innerhalb von d&b, wie auch in anderen stilrichtungen, differenzierungen gibt, die einen anschluß an den mainstream erleichtern oder erschweren).

die temporäre illegale aneignung von abrißhäusern oder öffentlichen plätzen verweist zumindest partiell auf eine infragestellung der tradierten ordnungs- und eigentumsformen. dies auch, wenn sich die auswahl der plätze eher am kriterium der "hippen location" orientiert, eben weil auch hier die interpretationsleistung in den händen der besucherinnen liegt. eine party, die in einem raum stattfindet, der "von links besetzt" ist (z.b. autonomes zentrum), das heißt, der im bewußtsein der leute als symbol wirksamkeit entfaltet, wird immer eine andere sein, als die in einer beliebigen disco.

abstand zu nehmen ist jedoch von wie auch immer gearteten linken strategien, die auf inbesitznahme und behauptung vermeintlich sicherer orte abzielen. - linke politik ist nicht mit "linker subkultur" identisch, und wird es wohl auch niemals sein. "jeder versuch, an (sub)kulturelle praxen eine subversionsskala anzulegen, würde bedeuten, genau jenen unkontrollierbaren 'sumpf' trockenzulegen, jenes gewirr unterschiedlicher und widersprüchlicher aktivitäten ordnen zu wollen, aus dem subversion überhaupt erst entsteht."

gleiches gilt auch für die beschaffenheit einer "subversiven gemeinschaft": wie sie sich konstituieren, wie sie sich artikulieren, wie sie sich untereinander verständigen sollen, ist nicht projektierbar und in bezug auf das erreichen linker zielsetzungen meßbar. dies muß und wird aus jeder "subkultur" selbst entstehen, und gerade die unterschiedlichen formen und deren unüberschaubarkeit sollten als deren eigentliche stärke erkannt werden.

ein totales nichteinverstandensein und eine radikale fremdheit gegenüber dem bestehenden drückt sich am besten in formen aus, die sich der beschreibung und analyse entziehen, die nicht kommunizierbar sind. auch deshalb wird sich das geheimnis der subversiven party wohl niemals lüften lassen und dieser text in zweck-, wenn auch hoffentlich nicht sinnlosigkeit verharren.

(sinistra! januar 1998)