Grenzen der Globalisierung Einführung in die theoretisch-politische Debatte um Globalisierung |
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Andre Bisevic | ||
Einleitung | weiter | |
Nachdem die erste Version des Referates »Grenzen der Globalisierung – Einführung in die theoretisch-politische Debatte um Globalisierung« inhaltlich sehr umfangreich war und mir als zu lange erschien um im Rahmen der gemeinsamen Publikation veröffentlicht zu werden, beschloss ich mit dieser neu überarbeiteten Fassung auf einige Kernthesen in Altvater/ Mahnkopfs Buch (1) einzugehen. Hauptsächlich wird hierbei auf den im dritten Kapitel des Buches erörterten Prozess des »Disembedding« global eingegangen, der mir in dreifacher Hinsicht sinnvoll erscheint näher betrachtet zu werden.
Erstens lässt sich anhand dieses Gedankenkonstrukts gut die Sichtweise beider Autoren im Hinblick auf ihren Globalisierungsbegriff darstellen.
Zweitens sind in diesem Entbettungsprozess Handlungsoptionen für Akteure enthalten die diese Veränderung politisch Regulieren wollen, und schließlich war während der Ausführung des Referates der Begriff des »Disembedding« der am kontrovers diskutierteste in der anschließenden Diskussion.
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(1) Altvater, Elmar/ Mahnkopf, Birgit 1999: Grenzen der Globalisierung Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft, Münster, Westfälisches Dampfboot, 4. Auflage | |
Polyanis Begriff des »Disembedding« | weiter / zurück | |
»Die kapitalistische Wirtschaft verselbstständigt sich gegenüber der Gesellschaft. Dieser Prozess der Herausbildung aus dem ›gesellschaftlichen Bett‹ kann als ›disembedding‹ bezeichnet werden« (Altvater/ Mahnkopf 1999: 90). Um den Begriff des »disembedding« global zu verdeutlichen, beziehen sich die Autoren Elmar Altvater und Birgit Mahnkopf auf den Sozialtheoretiker Karl Polanyni, der in seinem Werk »The Great Transformation« (2) diesen oben genannten Sachverhalt am Beispiel Englands in seiner Entwicklung zur Marktwirtschaft verdeutlicht. Das Neuartige an diesem Prozess ist Polyanis Ansicht nach die Unterwerfung und Transformation von Geld, Arbeitskraft, und Boden unter das Diktat von Kapital und Marktwirtschaft. Seiner Ansicht nach bildete sich dieser Prozess in England im 19. Jahrhundert heraus, und hält bis zur heutigen Zeit an. Dem Autor zur Folge waren über Jahrtausende hinweg Märkte sowie das Marktgeschehen in das gesellschaftliche Leben integriert (eingebettet). Mit der kapitalistischen Marktwirtschaft änderte sich dies jedoch, und das System nahm eine Eigenlogik an, die auf die Gesellschaft in Form von Geld- und Sachzwängen rückprojiziert wurde. Polyanis gibt in seinen Schriften einer vollkommenen Geld- und Marktgesteuerten Gesellschaft wenig Chance, und sieht die desaströsen Folgen dieser Entwicklung in der völligen Zerstörung selbigen. Seiner Ansicht nach war der Prozess des »Disembedding« jedoch durch Bewegung und Gegenbewegung gekennzeichnet. Auf den Prozess des »Disembedding« folgte der gesellschaftlich, sozialstaatliche Gegenentwurf, der es vermochte die desaströsen Folgen einer, den Lehren der neoklassischen Ökonomie unterworfenen Marktwirtschaft entgegenzuwirken, und somit gesellschaftlich zu regulieren. Polyani hatte mit dem Begriff des »disembedding« immer den Nationalstaat vor Augen, der es vermochte die Doppelförmigkeit der Transformation, gekennzeichnet durch Bewegung und Gegenbewegung zu regulieren.
| (2) Polanyi, Karl 1944/1978: The Great Transformation, Frankfurt a. M., Suhrkamp. | |
Altvater und Mahnkopfs »Disembedding« global | weiter / zurück | |
Kam dem Nationalstaat bei der Regulierung gesellschaftlicher Transformationsprozesse
eine wichtige Bedeutung zu, verliert dieser Akteur in Zeiten seiner
Negierung eine wichtige Rolle als Regulator des gesellschaftlichen Lebens.
Altvaters und Mahnkopfs Ansicht hat die »great transformation«
des »disembedding« im 19. Jahrhundert nicht ihren Abschluss
gefunden. Sie ist als eine dem kapitalistischen System eigene Tendenz
bis heute wirksam. (Altvater/Mahnkopf 1999: 91). Nach außen setzt
sich dieser Prozess in seiner Tendenz den Weltmarkt zu schaffen weiter
fort. Bezugsgröße ist demnach immer der Weltmarkt. Er ist
somit Bezugspunkt für einzelne Nationalstaaten die Anhand diesen
Indikators in Produktivitäts- sowie Währungskonkurrenz treten,
und sich auf diesem behaupten müssen. Forciert wird dieser Prozess
noch durch die Bewertung von einzelnen Rating-Agenturen, die durch ihre
Bewertungen einzelne Volkswirtschaften in Konkurrenz treten lassen,
und somit oft als Indikator für Anleger gesehen werden in erfolgreiche
Ökonomien zu investieren.(3)
| (3) Als Beispiel hierfür könnte man die zwei führenden Rating Agenturen »Moodys« und »Standard & Poor« heranziehen, die durch ihre negative Bewertung südostasiatischer Volksökonomien mitverantwortlich sind für die Währungskrise Mitte der neunziger Jahre. | |
Entbettungsmechanismen | weiter / zurück | |
Im folgenden Abschnitt wird der Frage nachgegangen, welche grundlegenden Voraussetzungen erforderlich waren, damit solch ein gewaltiger Transformations- und Verselbständigungsprozess möglich wurde, und welche Folgen dies für das persönliche Leben all jener hat, die diesem Prozess unterworfen sind.
1. Die Verselbstständigung des Geldes gegenüber dem Markt Der marktwirtschaftliche Prozess ist ohne das Geld nicht vorstellbar.
Geld reguliert Handelsbeziehungen und weist der Ware einen Wert zu.
»Es« entwickelte jedoch seit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods
System (1973) ein Eigenleben, welches es als Zahlungsmittel zum »Geldfetisch«
verkommen ließ. Den Entbettungsprozess des Geldes kann man an
den globalen Finanzmärkten ausmachen. Das Geld steht nicht mehr
in unmittelbaren Zusammenhang zur Ware, und wird seit dem Zusammenbruch
fixer Wechselkurse selbst als Ware auf den internationalen Devisenbörsen
gehandelt. Das Geld entwickelt hierbei ein aus dem Markt herausgelöstes
Funktionssystem, und drückt diesem eigene Kapitalzwänge auf.
In diesem System ändern sich auch die primären Aufgaben der
Zentralbanken, von Institutionen »der geldpolitischen Unterstützung
der Regierungen bei der Verfolgung ihrer wirtschaftspolitischen Ziele,
hin zur Sicherung von Geldvermögen und ihrer Verwertung«
(Altvater/ Mahnkopf 1999: 109). Zentralbanken unterliegen in diesem
Prozes dem Druck internationaler Finanzmärkte. Die negativen Auswirkungen
auf die innerstaatliche Politik ist hierbei verheerend, da diese es
nicht mehr vermag Ereignisse die sie politisch zu verantworten hat zu
selber zu steuern. 2. Die Entstehung eines neuen Zeitregimes
Zeitregime bilden sich in der Funktionslogik des Geldes an den Stichtagen von Zahlungsfälligkeiten heraus, und prägen demnach ein neues Zeitgefühl jenseits von Erntezyklen und dem Zeitgefühl vergangener Generationen.. Dem evolutionär gewachsenen Zeitgefühl jenes einzelnen Menschen wird ein global, digitalisiertes gegenübergestellt, dessen Logik abstrakt, und nicht unmittelbar den Bedürfnissen des einzelnen entspricht. Es entsteht somit ein globales Zeitregime welches sich deutlich von dem vergangener Tage unterscheidet. Verantwortlich für diesen Prozess sind Altvater und Mahnkopfs Ansicht nach die Funktionslogiken des Marktes (Geldmarktes), »welcher das Vergessen des Vergangenen ebenso zur Folge hat, wie den Verlust der Zukunft als Projekt« (Altvater/ Mahnkopf 1999: 99). Vergangenheit ist den Autoren zur Folge immer »Gegenwart minus«, und Zukunft »Gegenwart plus«. Was für die Autoren nichts anderes heißt, dass sich die Menschheitsgeschichte bedingt durch das kurzfristige ökonomische, im »Präsens« abspielt, und so die Zukunft als Projekt in Vergessenheit gerät. Generationskonflikte müssten unter diesen Gesichtspunkten ihrer Ansicht nach neu diskutiert werden.
3. Entbettung als Potenzierung von Innovationen Verlief die Menschheitsgeschichte über Millionen von Jahren relativ langsam in einem steten gleichen Fluss, so sind gerade in den letzten Jahrhunderten entscheidende Erfindungen getätigt worden, welche die Menschheit aus ihrem gewohnten Zeit- und Raumempfinden herausgelöst haben. Durch die Umwandlung von Biotischen, hin zu A-biotischen, fossilen Energieträger ist dieser Prozess in den letzten zwei Jahrhunderten möglich geworden. Über Hunderte von Jahren war Wasser und Windkraft die einzige Energiequelle, räumlich und zeitlich in die Lebenswelt der Menschen eingebunden. Durch diese Einschränkung konnten gewisse Erfindungen, wie bspw. Leonardo da Vincis Konstruktionen nicht in die Tat umgesetzt werden. Ebenso stoßen verschiedene Formen der Kapitalakkumulation an ihre natürliche Grenzen. Mit dem Beginn der Industrialisierung wurden nun diese natürlichen Grenzen überwunden. Ein neues Zeit- und Raumregime entstand, und durch neue Antriebsmöglichkeiten ist eine massive Arbeits- und Innovationsakkumulation möglich geworden. Der Übergang vom absoluten zum relativen Mehrwert kann auf diese Zeit rückdatiert werden. Die von Marx analysierte Unterwerfung der Arbeit unter das Kapital ist ein weiterer Entbettungsvorgang in diesem Zeitalter. Der Profit entzieht sich seiner natürlichen Grenzen, diese werden gar als Einschränkung im Akkumulationsprozess empfunden. 4. Institutionalisierte Sachzwänge Altvaters und Mahnkopfs Ansicht stellen durch Menschen geschaffene Sachzwänge weitere Entbettungsmechanismen dar, auf die sie nur bedingt Einfluss haben. Als Beispiel führen sie hier »synthetische Indikatoren« ein, die Gesellschaften bewerten, und »die komparative Position eines nationalen Währungsgebietes in der globalen Währungskonkurrenz« definieren (Altvater/ Mahnkopf 1999: 111). Die Transformation eines Staates zeigt sich hierbei auch durch die Verschiebung seiner Grenzen. Die neue Grenzlinie ist nun der Währungsraum, »dessen Grenzen an den Theken der Devisenbörsen oder im globalen ›swift‹-Netzwerk der Banken verteidigt wird« (Altvater/ Mahnkopf 1999: 111). Dieser Geldfetisch stellt dabei einen Entbettungsmechanismus dar, der als Sachzwang auf die jeweiligen Gesellschaften rückwirkt. Einmal geschaffene Standards können nicht mehr rückgängig gemacht werden, da sie auf globaler Ebene institutionalisiert sind. Der Nationalstaat verliert durch diesen Verlust, bspw. der Zinsautonomie die Möglichkeit die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt zu steuern.. Die Politik muss sich in diesem Prozess den Gesetzen der Marktwirtschaft beugen, um deren Rationalitätskriterien folgen zu können.
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Eine ausreichende Theorie des Marktes ist Luhmanns Ansicht nach bis heute nicht gegeben. Es reicht nicht aus den Markt als eine reine Anhäufung von Tauschbeziehung zu sehen, in der das Streben jedes einzelnen nach dem maximalen Profit der Allgemeinheit zu Gute kommt. Die neoliberale Doktrin, dass mehr Markt zugleich immer weniger Staat bedeutet ist nur bedingt richtig. Bei aller Deregulierung und dem Zurückdrängen des Staates aus dem Marktgeschehen, bleibt dieser von Nöten um eine für alle Marktteilnehmer verbindliche Rechtsregelung festzusetzen. Der Prozess der Deregulierung geht immer einher mit einem »Mehr« an rechtlicher Verregelung und Regulation. Zentrale Aufgabenbereiche die dem Staate zugute kommen, wie bspw. die Sicherung eines funktionsfähigen Preissystems oder die Sicherung der Geldwertstabilität sind unabdingbar für das Gelingen einer funktionsfähigen Marktwirtschaft.
Außerdem ist ein rein Geld- und Marktgesteuerter Wirtschaftsprosses ohne eine gut funktionierende Zivilgesellschaft nicht möglich. Erst diese schafft die für den Marktprozess für alle Marktteilnehmer so wichtige Vertrauensbasis.
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Literatur | ||
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Altvater, Elmar/ Mahnkopf, Birgit 1999: Grenzen der Globalisierung. Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft, Münster, Westfälisches Dampfboot, 4. Auflage.
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Protestbewegungen im globalen Kapitalismus. | ||
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