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farce.in.progress - die Reise aus der Gutenberg-Galaxis geht weiter

Die com.une.farce erscheint nun bald drei Jahre im Netz und hat bislang an der klassischen Erscheinungsweise von Printzeitschriften festgehalten. Vier Ausgaben sind von der Redaktion geplant, diskutiert, redigiert, layoutet und dann veröffentlicht worden. Die farce ist allerdings keine Printzeitschrift sondern ein reines Netzprojekt. Warum dann diese old-school-Erscheiungsweise? Wir wollten uns als no-budget-Projekt nicht dem Druck der permanenten Aktualität im Netz aussetzen, dachten, eine 'außervirtuelle' Erscheiungsweise käme unserem Arbeitsrhythmus eher entgegen. Das mag auch damit zu tun haben, dass viele von uns Erfahrungen im Printbereich gesammelt haben. Nach zwei Jahren hingegen zeigt sich, dass sich die bisherige Publikationspraxis der farce als kontraproduktiv erwiesen hat. Lange Zeiträume, in denen nichts auf den farce-Seiten passiert, schrecken davor ab, einfach mal vorbeizusurfen, fette farce-Nummern mit zehn oder mehr Beiträgen 'erschlagen' die Leserin beim ersten Anblick.

Das wird sich nun ändern. farce.in.progress bedeutet permanente Publikation von redaktionell bearbeiteten Beiträgen. farce.in.progress bedeutet, den Entstehungsprozeß einer Nummer transparenter und 'flexibler' zu gestalten. farce.in.progress bedeutet schließlich, Möglichkeiten im Netz besser auszunutzen als bisher. Und deshalb bedeutet farce.in.progress gerade auch eine Veränderung unserer Arbeitsweise, die erst an ihrem Anfang steht. Der Aufbruch aus der Gutenberg-Galaxis ist ein Sprung ins Unbekannte - und zugleich ein langer Prozeß.

Diesen Prozeß setzen wir nun mit dem Prototypen "no.4 - in.progress" fort. Das Basislayout wurde im Lauf der Monate sukzessive ausgebaut, und Texte wurden dann ins Netz gestellt, wenn sie da waren und nicht erst, wenn die nächste Nummer komplett war.

Den Abschluß der Nummer bildet Su Montoyas revolutionäre Entdeckung (Buero für angewandten Realismus: MaoDada, Ventil-Verlag) in Sachen Coco Chanel und Mao Tse-tung. Sie enthüllt nicht nur verblüffende Übereinstimmungen zwischen den Kreationen von Coco Chanel und Mao Tse-tung - Chanels zweiteiligem Damen-Tweed-Kostüm und Maos Markenzeichen dem baumwollenen, blauen Volksanzug. Auch die Parallelen in der persönlichen Entwicklung und in der Karriere der beiden sind bis heute kaum bemerkt worden. Su Montoya läßt uns an der bislang unbekannten Brieffreundschaft der beiden großen Modeschöpfer teilhaben - mit einer Auswahl von sechs aus insgesamt 34 überlieferten Briefen.

Sozusagen in eigener Sache haben wir einen Text von Marion Hamm und Michael Zaiser in die Nr. 4 aufgenommen, der in "Das Argument" Nr. 238 ("Die Neue Ökonomie des Internet") erschienen ist: "com.une.farce und indymedia.uk - zwei Modi oppositioneller Netznutzung").
Es stellt sich die Frage, ob die rasante Aneignung des neuen Mediums eine qualitative Veränderung linker Kommunikations- und Vernetzungsformen mit sich gebracht hat. Die com.une.farce entdeckt langsam aber sicher die spezifischen Möglichkeiten des Internet, während indymedia.uk beginnt, grundsätzliche Diskussionen über Medienpraxis, Gegenöffentlichkeit, Authentizität und Repräsentation nachzuholen. Beide Zugangsweisen bringen ihre eigenen Erfolgserlebnisse und Frustrationen mit sich, sind mit unterschiedlichen Versprechen, Hoffnungen und Illusionen verbunden. Sie sind Teil eines Prozesses, in dem sich Linke und Oppositionelle aus verschiedenen Zusammenhängen und Generationen das Internet aneignen - und gegenwärtig sieht es aus, als sei das Netz trotz der glitzernden dot.com-Oberfläche und dem zunehmenden Zugriff staatlicher Kontrollinstanzen noch immer ein chaotisches Delta, in dem oppositionelle Strömungen die profitorientierten Kanäle kräftig aufmischen können

Dirk Kretschmer rezensiert Christoph Spehrs bereits zum Klassiker gewordenen Band "Die Aliens sind unter uns - Herrschaft und Befreiung im demokratischen Zeitalter. Unter der Überschrift "A New Mission For Emancipation. Notizen zur Social Sience Fiction von Christoph Speer" bekommen wir nebenbei auch noch ein wenig Textexegese in Sachen Science Fiction und Popkosmos mitgeliefert: "Diese Befreiung aus dem Muff der dreißig Jahre in Uni-Seminaren, aber auch aus der repetitiven und elitären Selbstvergewisserung im eigenen Tribe-Haus, stellt mit diesem Wissen selber wieder etwas an. Abstraktionen bekommen die Niederungen des Alltags zu spüren und müssen sich hier als denkbar erweisen." Wo sonst als in com.une.farce wird sowas nicht aufs schärfste begrüßt.

Gottfried Oy bespricht einige Bände (Thomas Seibert: Existenzialismus, Jost Müller: Sozialismus, Boris Gröndahl: Hacker) aus der von Martin Hoffmann herausgegebenen und betreuten Rotbuch 3000-.Reihe  "Interessant wird es, untersucht man die Bücher auf ihre Interpretationsleistungen, ihre Verknüpfungen und Kontextsetzungen. Diese sind bewußt gewählt und hier hört dann auch der bloße 'Was ist Was'-Charakter einer Wissensreihe für die Kinder des Sommers der Liebe auf."

Alain Kessis Beitrag "Globale Mobilisierungen - Worum geht's bei den Protesten in Prag?" entfaltet nochmals an einem konkreten Beispiel (Bulgarien) die Hintergründe der Anti-globalisierungs-Proteste. Hier stellen wir auch eine englischsprachige Variante des Textes zur Verfügung.

Hito Steyerl bespricht ein Buch über die Subjektivität intellektueller Migrantinnen, die im Spannungsverhältnis von Ethnisierung und Vergeschlechtlichung eine 'Politik der Örtlichkeit' für sich als Handlungsmöglichkeit bestimmen.

Franziska Rollers Beitrag ("Wenn Frauen zu sehr rauben") vermittelt geschichtliches wie fiktionales Wissen über direkte Umverteilungsstrategien von "Bank-Ladies". Der Text ist dem Sammelband "Va Banque! Bankraub. Theorie. Praxis. Geschichte", (Klaus Schönberger, Hg.) entnommen.

Bernd Hüttner führt uns in die Archive der neuen sozialen Bewegungen und geht der Frage nach, ob diese als Gedächtnis der Bewegungen taugen.

Der Beitrag von Thomas Berker analysiert auf seiner Reise von Kalifornien nach Darmstadt Internet-Praxen als Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse und Widersprüche. Dabei bringt er die industriesoziologische Perspektive der Darmstädter AG KAIROS in die Debatte um 'immaterielle Arbeit' ein.

Maurizio Lazzarato rezipiert einen ungewöhnlichen Ansatz des Soziologen Gabriel Tarde, der schon Ende des 19. Jahrhunderts eine vehemente Kritik an der Bestimmung des Werts durch die Arbeit formulierte. Diese Überlegungen richteten sich gegen die bürgerlichen wie die marxistischen Ökonomen. "Warum wir nie Sozialisten gewesen sind und was uns am Marxismus nicht zufriedenstellt" wurde am 15. Februar 00 im Café Ypsilon in Frankfurt am Main als Vortrag gehalten. Wir danken der veranstaltenden 'Gruppe N.N.' für die Erlaubnis zum Abdruck ihrer Übersetzung.

Energie!

die farce-crew