Coole Kids tragen kein Pali-Tuch
[Dieses Flugblatt wurde auf der LL-Demo 2002 von den
JungdemokratInnen/Junge Linke Berlin verteilt]
Okay, Du bist etwas verwundert. Du trägst ein Pali-Tuch. Du
bist jung, Du nennst Dich radikal, oder auch nicht. Du nennst Dich
antifaschistisch, oder auch nicht. Jedenfalls trägst Du ein
Pali-Tuch.
Vielleicht hast Du Dir das gerade gekauft, vielleicht ist es schon eine
Weile her. Um auf den Punkt zu kommen. Jedes Kleidungsstück
ist eine Aussage. Jedes Kleidungsstück hat eine Geschichte.
Und dieses ganz besonders. Seit die Studenten im Jahr 1968 für
den Vietcong und gegen die Amerikaner in Vietnam waren, kam dieses
Kleidungsstück langsam in Mode.
Damals waren sogenannte Volksbefreiungsbewegungen, wie 1968 bis 1975 in
Vietnam, der Fluchtpunkt der Solidarität. Das vietnamesische
Volk kämpft um seine Freiheit - In den 90er Jahren war es dann
das kurdische Volk, das um seine Freiheit kämpfte, oder eben
das palästinensische Volk. Immer ging es dabei um das Volk.
Komisch irgendwie.
In Deutschland sprechen heute nur noch die Nazis von Volksbefreiung und
berufen sich auf den gerechten Kampf des palästinensischen
Volkes, gegen Israel, gegen den Staat der Juden. Und da sind wir
angelangt. Bei der Auseinandersetzung zwischen Palästinensern
und Israel. Bereits zwischen 1936 und 1939 wurde das
Kleidungsstück, das ursprünglich nur die
ländlichen Fedayin Arabiens trugen, vom Großmufti
von Jerusalem unter Strafandrohung bei der eigenen Bevölkerung
durchgesetzt. Das Tragen europäischer Hüte wurde
verboten. Diejenigen, die sich dagegen wehrten, wurden
verprügelt oder erschossen. Die deutschen Nationalsozialisten
haben diesen Großmufti finanziell unterstützt. So
starteten die Nazis in Berlin eine Pressekampagne gegen die Teilung
Palästinas. Prompt bedankte sich der Mufti bei den deutschen
Nazis: Schon damit habe die deutsche Regierung dem Kampf der Araber in
Palästina um ihre Selbständigkeit einen
großen Dienst erwiesen. Das Pali -Tuch ist der Ausdruck des
Kampfes gegen Israel.
Die Staatsgründung Israels hat seine Ursache aber nicht etwa,
weil die USA unbedingt einen Brückenkopf im Nahen Osten
brauchten, sondern im europäischen und asiatischen
Antisemitismus. Israel ist das direkte Ergebnis der Massenvernichtung
des europäischen Judentums durch die nationalsozialistischen
Deutschen. Gewöhnliche deutsche Angestellte bedienten die
Krematorien, gewöhnliche deutsche Soldaten erschossen
unterschiedslos Männer, Frauen und Kinder.
Gewöhnliche deutsche Hausfrauen ersteigerten arisierte
Möbel, bezogen die Wohnungen der ermordeten Juden. Da mutet es
zumindest seltsam an, wenn die Kinder der einst besiegten Deutschen
sich in den 70er und 80er Jahren Palästina als
Solidaritätsobjekt aussuchen.
Warum gerade Palästina?
Weil es indirekt gegen die Juden und ihren sie schützenden
Staat ging? Es ist nicht lange her, da standen in der Hamburger
Hafenstraße Losungen wie Boykottiert Israel. Mit der
Solidarität mit Palästina kam das Pali -Tuch nach
Deutschland und hat sich bis heute gut gehalten. Was aber ist
grundsätzlich von einer Volksbefreiungsbewegung wieder
palästinensischen zu halten, die sich auf die Fahnen
geschrieben hat, den Staat Israel zu vernichten? (Nach einer, monatlich
erhobenen, repräsentativen Umfrage der
Friedrich-Ebert-Stiftung befürworten 88% der
palästinensischen Bevölkerung
Selbstmordanschläge gegen israelische Zivilisten.)
Israel als bürgerliche Gesellschaft hingegen ist auch ein
schützender Hafen für all diejenigen, die in
arabischen Staaten keine Chance hätten: Schwule, Lesben,
selbstbewusste Frauen, Atheisten und Nonkonformisten, die keine Lust
haben, ihr Leben als Märtyrer zu beenden.
Und warum die Nazis heute Palitücher tragen? Weil sie - na
klar - Antisemiten sind, und weil sie viel Bewunderung aufbringen
für ein Volk, deren Mitglieder bis zur physischen Vernichtung
kämpfen für ihren Boden, der heilig genannt wird. Da
sind die Nazis ein bisschen neidisch, dass sie das nicht haben, diesen
mörderischen und mordenden Alltag.
Das Palituch ist die Geschichte einer linksradikalen Verirrung oder
eines Irrtums. Es ist Zeit, diesen Irrtum zu erkennen und in Zukunft
einen Schal von H & M, C & A oder von Vati
genäht zu tragen.
Coole Kids tragen keine Pali-Tücher.
Zitate aus: Danny Rubinstein: Yassir Arafat, Heidelberg 1996 und Klaus
Gensicke: Der Mufti von Jerusalem, Amin el-Husseini und die
Nationalsozialisten, Frankfurt am Main 1988. Zum Weiterlesen: Michael
Krupp: Die Geschichte des Staates Israel, Von der Gründung bis
heute, Gütersloh 1999 (24,80 DM)