von schlacht - und fußballfeldern

zur deutschnationalen mobilisierung 2006

noch demonstrieren studierende, arbeitslose, sozialhilfeempfängerinnen und andere von der ver-armungspolitik betroffene gegen koch und schily. noch wird die unvereinbarkeit der interessen behauptet. spätestens bei der nächsten fußballweltmeisterschaft aber, werden sich die konstruk-teure der agenda 2010 oder des zukunftsicherungsgesetztes zusammen mit ihren kritikerinnen, den zu arbeitszwangsmaßnahmen oder studiengebühren verpflichteten, auf der selben seite wie-derfinden. wenn es um fußball geht, kennen die fans vom vorsitzenden des bdi über den bundes-kanzler bis hin zur alleinerziehenden studentin und der ungesicherten beschäftigten keine partei-en mehr: „doiiiitschlaaaand!!!“ – so lautet die braune parole, die aus rot angelaufenen köpfen und bierträufenden mäulern gebrüllt wird.

schon daran zeigt sich, dass an dem beschwichtigenden argument, hier gehe es doch nur um harmlosen – ideologisch unverdächtigen – sport, wenig dran ist. wäre es so, würde sich die wahl des favorisierten vereins, der lieblingsmannschaft nach sportimmanenten oder verhältnismäßig rationalen kriterien wie dem aussehen der hüpfenden heten richten. aber solche erwägungen kommen höchstens für den zweiten platz in betracht. der territoriale verband, die zwangsheimat entscheidet schon vorab, für wen die herzen schlagen. besonders anschaulich zeigt sich die ab-surdität jener irrationalen bande daran, dass die erbittertsten feinde bayern münchens plötzlich deren tore bejubeln, wenn es gegen eine ausländische „mann“schaft geht.

genau darin besteht die ideologische funktion des „volkssports“: über alle politischen differenzen, kulturellen millieus und klassengrenzen hinweg jede – und vor allem: jeden – zur deutschen fan-gemeinschaft, zum heimatverband zusammenzuschließen. das zusammenschweißen des män-nerbündischen fanblocks vollzieht sich vor allem hierzulande über den ausschluss des anderen, der „fremden“. rassistische sprechgesänge, das bewerfen schwarzer spieler mit bananen oder gar pogromartige auschreitungen in der „dritten halbzeit“ stehen dabei in bester deutscher traditi-on.

an der geschichte des dfb lässt sich ablesen, dass der massensport fußball für die deutschen ein wichtiges ausdrucksmittel völkischen bewußtseins war und ist. dieser wehrsportverband triefte nicht bloß vor national-sozialistischem hass, er beteiligte sich darüberhinaus auch an dessen wegbereitung. bereits am 19. april 1933 ließ der dfb über sein damaliges verbandsorgan „kicker“ verlauten, dass „juden und marxisten in führenden stellungen der vereine und verbände nicht mehr tragbar seien“. damit wurden tatsächlich keine vorgaben des nationalsozialistischen sys-tems erfüllt, wie „man“ heute gerne glaubhaft machen möchte, sondern zeichen gesetzt. die rechtliche sanktionierung dessen, was der dfb bereits 1933 forderte, folgte erst 2 jahre später im rahmen der „nürnberger rassengesetze“.

aber auch nach ’45 erfreute sich der im ns eingeübte arische doppelpass von völkischer ideologie und sport noch lange zeit großer beliebtheit: es kann daher nicht verwundern, dass es innerhalb des dfb kein interesse an einer aufarbeitung der eigenen geschichte gab. als 1948 die allierten anlässlich einer sporttagung die frage stellten, warum die weimarer sportorganisationen so wenig widerstand gegen den nazismus bewiesen hätten bezeichnete der ehemalige nsdap-funktionär und dfb-vorsitzende bauwenz diese anfrage als unverschämte aufdringlichkeit und wies die frage zurück. diese einstellung teilte übrigens "der wiedergegründete dfb insgesamt".

so blieb die personelle und ideologische kontinuität des dfb gewahrt. wer sich an der spitze des verbandes befand, wird gut durch ein ereignis aus dem jahre 1954 verdeutlicht: nachdem die deutsche mannschaft bei der weltmeisterschaft von 1954 den weltmeistertitel gewonnen hatte, verlor bauwenz bei einer feier im münchner hofbräuhaus völlig die kontrolle über sich selbst und fiel in sein gewohntes vokabular zurück. er behauptete, der germanische kriegsgott wotan habe den deutschen spielern beigestanden, die spieler hätten die vom stadiondach verschwundene deutsche fahne im herzen getragen, und als er schließlich auch noch das führerprinzip als leitmo-tiv der mannschaft ausmachte, wurde es selbst dem bayrischen rundfunk zuviel und er brach die liveübertragung ab.

scheinbar politisch unverdächtig war die deutsche fußballnationalmannschaft plötzlich willkom-mene projektionsfläche, auf der alle kollektiven ressentiments und narzißtischen kränkungen ausgelebt werden konnten. eine art nachgeholter sieg auf dem fußballfeld, der die deutschen „schlachtenbummler“ zielsicher die verbotene erste strophe des deutschlandlieds singen ließ.

fußballmannschaften hierzulande konnten noch nie etwas anfangen mit „spielwitz“, „ballzauberei“ usw. das waren immer „mentalitäten“ der südlichen länder und entsprechend war deren spiel: individualistisch, verspielt, eben undeutsch und selbstverständlich ineffektiv. diese naturalisierung von spielsystemen, deren kern immer rassistisch war (man denke an die „afrikanische gazellen-haftigkeit“ schwarzer spieler in der bundesliga), ist ebenso manifest wie die bekannten klischees über „nationalcharaktere“. „grob gesagt, gibt diese mannschaft schon etwas wieder vom national-charakter unseres volkes. sie hat gekämpft, nie aufgegeben und war immer mit vollem einsatz dabei.“ (helmut kohl, 1986 in mexiko) in übereinstimmung mit diesem nationalcharakter wird sich auch der dfb-sprecher wolfgang niersbach gefühlt haben, als er bei der wm 1994 auf eine anti-deutsche artikelserie in der washington post mit den folgenden worten reagierte: "80 prozent der amerikanischen presse ist in jüdischer hand".

fußballweltmeisterschaften sind immer ein höhepunkt nationalistischer mobilmachung. besonders deutlich wurde dies im jahre 1990 als die deutsche „wiedervereinigung“ durch einen sieg der deutschen auf dem rasen gekrönt wurde. die deutschen ergingen sich im größten nationalen freudentaumel seit dem überfall auf die sowjetunion und das land erstickte förmlich in einem meer an bis dahin immer nur zögerlich verwendeten schwarz-rot-goldenen fahnen. noch der kur-ze zeit später stattfindende angriff auf das asylbewerberinnenheim in rostock-lichtenhagen stand ganz im zeichen dieses totalen sieges: er erfuhr seine weltweite mediale repräsentation bezeich-nenderweise durch einen den hitlergruß entbietenden mann, der eine vollgepisste trainingshose und das trikot der deutschen nationalelf trug.

auch wenn bei der wm 2002 das schlimmste durch eine antifaschistische aktion des brasiliani-schen fussballspielers ronaldo verhindert werden konnte, deutete sich hier schon düster an, was sich für das jahr 2006 am horizont zusammenbraut: sich von rechts nach links erstreckender na-tional- und reichskriegsflaggenterror, durch die städte kreuzende hupkarawanen volltrunkener jungmänner und schwarz-rot-golden aufgeschminkte kriegsbemalung können durchaus als dro-hung für die kommende weltmeisterschaft verstanden werden.

gerade die tatsache, dass die wm 2006 als deutsches heimspiel inszeniert werden wird, lässt das schlimmste befürchten. der deutsche mob wird eine niederlage auf dem spielfeld nicht hinneh-men. der „sieg“ wird entweder auf dem platz, in jedem fall aber auf den strassen danach errungen werden.

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am 5. dezember wm-auslosung in der festhalle
treffpunkt: bockenheimer warte 14:00