zuerst der revolutionär

du schreist: es lebe die welt-revolution! es klingt sehr gut. aber sind die telegraphenkabel schon in deinen händen? hast du schon eine rotation-maschine in die luft gesprengt? du schreist: es lebe die welt-revolution! aber dein bruder, den du umarmt hälst, hört den schrei schon nicht mehr. wie könnte ihn da die welt hören? kaufe dir keinen sonntagsrock und schäme dich nicht, daheim in einer kiste zu schlafen und ohne hosenboden lachend durch die elegantesten straßen zu gehen, das ist mehr getan für die revolution als die internationale zu singen und den hokuspokus zu studieren, den dir die päpste aus berlin und moskau verkaufen. so lange du noch ein fünkchen schamgefühl hast, weil du bedürfnisse, die zur bürgerlichen wohlanständigkeit gehören, nicht befriedigst, so lange du dich noch schämst, zu sagen: ich bin stolz darauf, wie der verkommenste strolch auszusehen! so lange wirst du auf deine freiheit nicht hoffen dürfen. die wohlanständigkeit des bürgers ist nicht auch die meine. ich habe meine eigene. sich zu schämen wie ein strolch auszusehen ist das vorrecht einen bürgers. dieses vorrecht auch zu haben, für einen wohlanständigen bürger gehalten zu werden, macht dich, prolet zum knecht. dem bürger gleich zu sein oder gleich zu scheinen, macht dich zum sklaven. ich aber vernichte den bürger, weil ich sein dasein zerstöre dadurch, daß ich ihm nichts zu verdienen gebe, um auszusehen wie er. von jeher wurden freie völker umso leichter unterjocht, je leichter es war, sie zu überreden, daß mit einer kattunhose bekleidet zu sein schöner aussehe, als nackt herum zu laufen. die kattunhosen, die sie gar nicht brauchten, die in ihnen den glauben erweckten, sie würden dadurch dem europäischen bürger ebenbürtig, machten sie zu ausgebeuteten knechten. erzwinge mit allen mitteln den fünfundzwanzigfachen lohn für den fünfhundertsten teil deiner heutigen arbeit, iß trockenes brot, kleide dich in lumpen, die du dir auf den kehrhaufen suchst und füttere mit deinem geld die mäuse: das vollkommene chaos des wirtschaftslebens, bewußt hervorgebracht durch deine passive und durch deine aktive tat, ist das erste frühlicht-dämmern des tages, der dich zum menschen macht! die staubwolken einer vollständig zertrümmerten industrie allein zerbrechen deine ketten. flicke nicht, was zerreißen muß! halt nicht fest, was zusammenbrechen muß! bricht ein stein aus den zwingburgen des wirtschaftsleben und aus den festungen der industrie, so wirf gleich hundert steine hinterher. hebst nur einen einzigen der herausbrechenden steine auf und fügst ihn gar wieder ein, so ist dein verrat nichtswürdiger als der verrat eines spions, der dich umlauert. entreiße deinem gegner seine schärfsten waffen. seine schärfsten waffen sind nicht kanonen und soldaten. gold ist weniger wert als loser sand, wenn deine arbeit nicht dahinter steht. ich handele! ich handele, wenn ich mich stark genug fühle, in aktivität! ich handele, wenn ich mich stark genug fühle, in passivität! das zweite ist das stärkere, denn es stärkt nicht meinen gegner, der aus meiner aktivität kräfte schöpft. ich warte nicht auf die einigkeit; denn ich bin die einigkeit. ich warte nicht auf die masse; denn ich bin die masse. ich warte nicht auf die revolution; denn ich bin die revolution. ehe die revolution ist, muß der revolutionär sein! ehe die masse ist, muß der einzelne sein! ehe die einigkeit ist, muß der eine sein, der selbe! das wort muß sein, bevor das feldgeschrei und die parole sein können. demokratie ist mehrheit, mehrheit ist herrschaft. die mehrheit ist das gewand, unter dem der nicht-mensch den dolch verborgen hält. mehrheit ist die hirnzelle derer, die nicht zu denken vermögen. mehrheit ist das szepter der betrüger und halunken. abstimmung ist beabsichtigter betrug, weil der niedergestimmte im recht ist. abstimmung und mehrheit sind die blutrünstigen henker der menschen. gegenrevolutionär ist, wer etwas kauft; denn der pfennig, den du zahlst, der wird zu einem taler, mit dem man dir das mark aus den knochen dörrt. sei du selbst, und du wirst immer einig sein! sei wollen! sei nicht-wollen! sei tat

ret marut, dez 1921

wählt nicht! - nur im chaos herrschen träume - liste 2

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