IG Farben, Zyklon B – das ist „Made in Germany“

Verhöhnung der Opfer im Haus der Täter


Das IG Farben-Gebäude, von dem aus der HR heute seine TV-Talkshow mit dem Titel "Made in Germany - Was ist der Standort Deutschland noch wert?" ausstrahlen will, ist der Ort, wo die "Interessengemeinschaft Farben" ihren Beitrag zum NS-Programm "Vernichtung durch Arbeit" planten und steuerten. Dass der HR ausgerechnet in der Vorwoche eines Überlebendentreffens ehemaliger Häftlinge des von der IG Farben betriebenen KZ´s Buna-Monowitz (Auschwitz III) eine gemütliche Plauderstunde über den "Standort Deutschland" mit Gästen aus Industrie und Staat über den Äther schicken will, ist mehr als nur pietätlos. Es ist eine weitere Verhöhnung der Opfer, die bis heute vergeblich für die Auszahlung der ihnen zustehenden Löhne und Entschädigungszahlungen kämpfen.

Der IG Farben-Konzern, in dessen ehemaliger Zentrale sich heute u.a. der deutschnationale Trigema-Chef für den Erhalt deutscher Arbeitsplätze stark machen darf, war der größte Einzelfinanzier der NSDAP. Er befürwortete ausdrücklich deren Kriegspläne und schaffte mit ihren Hitler persönlich gemachten Zusicherungen der Lieferung von Treibstoff, Munition etc. überhaupt erst die Möglichkeit für die Deutschen einen Weltkrieg loszubrechen und ihren Vernichtungswahn in die Tat umzusetzen. Unter den Imperativen der Profitmaximierung und des Kampfes für Volk und Nation haben die IG Farben keine Perversion ausgelassen. Für geringe Summen von der SS "gekaufte" Häftlinge wurden in grausamen "medizinischen und anderen Versuchen im Dienste der Wissenschaft" bei vollem Bewusstsein zu Tode gequält. Der Massenmord an der jüdischen Bevölkerung wurde mit dem von IG Farben und Degussa entwickelten Giftgas Zyklon B "perfektioniert"; durch seinen Einsatz konnten in Auschwitz täglich bis zu 20.000 Menschen vernichtet werden. Im IG Farben eigenen KZ Buna-Monowitz und seinen Nebenlagern wurden ca. 370.000 Häftlinge durch Arbeit ermordet.

Trotz ständiger Proteste von Seiten der wenigen überlebenden Zwangsarbeiter zahlte die in der BRD weiterbestehende IG Farben (in Abwicklung) ihr Restvermögen nie an die Opfer aus. Ehemalige Funktionäre und Aktionäre mussten dagegen nie auf satte „Ehrenrenten“ und Dividenden verzichten. Die aus dem IG Farben-Konzern hervorgegangen Unternehmen BASF, Bayer und Hoechst zählten bereits kurz nach Kriegsende wieder zu den größten Unternehmen der Nation und warfen riesige Gewinne ab. Wurden die Manager der IG 1947 noch zu geringen Haftstrafen verurteilt, waren sie 1951 allesamt bereits wieder auf freiem Fuß und konnten problemlos ihre Karrieren als Kanzlerberater und Aufsichtsräte fortsetzen.

Die Geschichte der IG Farben ist sicherlich das schillerndste Beispiel für das Weiterbestehen einer Mentalität, die sich stets durch die Weigerung die singulären Verbrechen der Deutschen anzuerkennen auszeichnete und aus Schuldabwehr und Entschädigungsverweigerung sowohl materiellen, als auch ideellen Profit zog und bis heute zieht. Im Kleinen gleich taten es ihr unzählige Deutsche, die während des Nationalsozialismus in Bauernhöfen, Bäckereien und Privathaushalten ZwangsarbeiterInnen ausbeuteten, sich an "arisiertem" Eigentum bereicherten, JüdInnen, Sinti, Roma, Homosexuelle und KommunistInnen ermordeten, um sich dann am 8. Mai 1945 von willigen Tätern zu unschuldigen Opfern, die von nichts gewusst haben wollen und somit unverdienter Maßen unter "Bombenkrieg" und "Vertreibung" zu leiden gehabt hätten, zu stilisieren.

Die Idee, nach Auschwitz könne weiterhin eine Nation namens Deutschland existieren, erschien ihnen nicht als der Wahn, der sich in ihr ausdrückt, sondern als das Normalste der Welt. Wenn am heutigen Abend in dieser Koordinierungszentrale des antisemitischen Massenmords erneut die deutschen Eliten aus Staat und Wirtschaft zusammentreffen, vermutlich ohne eine Sekunde auch nur einen Gedanken an die Symbolik ihrer Zusammenkunft verschwendet zu haben, zeigt ihre naive Selbstverständlichkeit performativ einen brutalen Zynismus gegenüber den Opfern an. Nur eine kleine Gruppe Protestierender wendet sich gegen den Normalisierungsdiskurs und stört den Plausch über die Zukunft eben des "Standorts", dessen - nunmehr vermisster - wirtschaftlicher "Erfolg" nicht ohne Zwangsarbeit und Nicht-Entschädigung zu verstehen ist.

Die unterbewusst und wohl darum so treffsicher gewählte Kombination von Austragungsort und Motto erweist, was all die polit- und zivilgesellschaftlichen Lippenbekenntnisse zu „Verantwortung“ und „Einzigartigkeit des Holocaust“ wert sind: gar nichts. Auschwitz ist ihnen gerade erwähnenswert genug, um als Legitimation für neue Kriege, etwa den dritten Überfall auf Jugoslawien binnen eines Jahrhunderts, zu dienen.

Anstatt den schreienden Skandal der Verdrängungs- und Nivellierungspolitik zu benennen und die nationalistische Standortlogik zu attackieren, gefallen sich auch die meisten vermeintlich kritischen Deutschen im scheinbar neuen und geläuterten Deutschland, kritisieren ausschließlich die Kriegspolitik anderer Staaten und sehen im immer offener zur Schau gestellten Antisemitismus nur einen Makel und Imageschaden für das von seiner Geschichte gereinigte Heimatland, wodurch sie den Kreis der nationalen Gemeinschaft schließen. Deutschland, diese beschissene Nation von AuschwitzprofiteurInnen, SchlussstrichzieherInnen und StandortbastlerInnen, gehört abgeschafft.

Wir werden weiterhin unseren bescheidenen Beitrag dazu leisten.

In diesem Sinne geben wir hiermit die Antwort auf die im Titel der Sendung aufgeworfene Frage „Made in Germany – Was ist der Standort Deutschland noch wert?“: Made in Nixdazugelernt – Deutschland ist sein Ende wert!


Für den Kommunismus!

sinistra! radikale linke