Anschlag auf Berliner Synagoge

(aus: Frankfurter Rundschau 30.04.02)

Zentralrat warnt vor Eskalation der Gewalt / Täter unbekannt

Von Karl-Heinz Baum

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat nach dem Anschlag auf eine Synagoge in Berlin vor einer Eskalation antisemitischer Gewalt gewarnt. Unbekannte hatten in der Nacht zum Montag einen Molotow-Cocktail auf das Gelände des Gebäudes in Kreuzberg geworfen. Sicherheitsbeamte konnten den Brandsatz rasch löschen.

BERLIN, 29. April. Nach Angaben der Berliner Polizei schleuderten Unbekannte den Brandsatz am Sonntag um 21.35 Uhr von einem Nachbargrundstück aus auf das Gelände der Synagoge. Die Flasche mit einer brennbaren Flüssigkeit sei in "großer Entfernung" zum Gebäude auf dem Rasen zerschellt. Mitarbeiter des Objektschutzes hätten die brennenden Reste schnell gelöscht. An der Synagoge entstand kein Schaden. Der Polizeipräsident von Berlin setzte eine Belohnung von 3000 Euro für Hinweise aus, die zur Ergreifung der Täter führen.

Noch ist offen, ob es sich um eine antisemitische Tat oder um einen Anschlag wegen des israelisch-palästinensischen Konflikts handelt. Die Ermittlungen übernahm der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz der Polizei. Die Jüdische Gemeinde zu Berlin zeigte sich erschüttert und verurteilte den Anschlag scharf. Sie sieht die Tat im Zusammenhang mit anderen Angriffen auf Juden und jüdische Einrichtungen in Berlin.

Die Gemeinde erinnerte an den Anschlag auf die selbe Synagoge am 6. Oktober 2000. Damals hatten Unbekannte Pflastersteine auf das 1916 im neoklassizistischen Stil erbaute Gebäude geschleudert und Fensterscheiben eingeworfen. Erst kürzlich seien zwei orthodoxe Juden am Kurfürstendamm sowie zwei Frauen angegriffen worden, die einen Davidstern trugen. Mitte März hatten zudem Unbekannte zwei Rohrbomben auf den Eingang der Trauerhalle des jüdischen Friedhofs in Berlin-Charlottenburg geworfen.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland forderte die Verantwortlichen auf, die Bedrohung jüdischer Gemeinden mit allen rechtlich, politisch und polizeilich möglichen Mitteln zu bekämpfen. Die jüdische Gemeinschaft sei zutiefst beunruhigt über die Gewalt gegen ihre Einrichtungen.

Kirchenkreise in Berlin halten es für möglich, dass Meinungsverschiedenheiten unter linken Gruppen im Vorfeld der Kreuzberger 1.- Mai-Demonstration ein Schlüssel zur Klärung des Anschlags sein könnten. Auf einer Kirchenveranstaltung Anfang April sei besprochen worden, wie Gewalt auf der Kreuzberger Demonstration zu verhindern sei. Dabei sei auch gefordert worden, diese Demonstration müsse ohne "Antisemiten und ohne Palästinablöcke" ablaufen. Manche Linke verfolgten mit "Zionismus befreiten Zonen" das gleiche Ziel wie andere mit "national befreiten Zonen", habe ein Vorwurf gelautet.