diskussion um moellemann auf der attac-mailingliste


Liebe Leute,

in dieser Weiterleitung ist die Diskussion auf der deutschen

attac-Mailingliste zum Tod von Möllemann dokumentiert. Den an die

Ursprungsmail angehängten Text habe ich hier in die mail reinkopiert.

Entschuldigt die Länge, aber ich denke, der selbstentlarvende Charakter

dieser Ergüsse ist Rechtfertigung genug.

Gruß

K.


----- Original Message -----

From: "Aktion 3.Welt Saar" <a3wsaar@t-online.de>

Sent: Tuesday, June 24, 2003 2:03 PM

Subject: attac-Disskussion: Mossad Schuld am Tod von Möllemann



> Liebe Leute,

>

> in beiliegender doc-Datei haben wir die Diskussion auf der bundesweiten,

> moderierten (!) attac-mailingliste zum Tod von Jürgen Möllemann

> zusammengestellt. Der Mossad soll daran Schuld gewesen sein, meint mit

> großer Vehemenz unter anderem G. Wendebourg. Der Moderator, Rudolf

> Stratmann, fördert unter dem Banner der Meinungs- und Zensurfreiheit die

> Verbreitung antisemitischer Verschwörungstheorien und verweigert sich

> der Aufforderung einiger Diskussionsteilnehmer, dies nicht mehr

> zuzulassen.


attacmod-d-request@listen.attac.de schrieb am 06.06.03 12:01:07:

>


> 2. Moellemann.. (G.Wendebourg)

> ------------------------------

>

> Message: 2

> Date: Fri, 06 Jun 2003 00:42:12 +0200

> From: "G.Wendebourg" <gwhh@gmx.de>

> Subject: [Attacmod-d] Moellemann..

>

> Zu den Hintergruenden des Abgangs von Juergen W. Moellemann

>

> Der Abgang des Juergen W. Moellemann war unter Umstaenden nicht ganz

> freiwillig.

> Er koennte ggf. zu den Faellen zu rechnen sein von denen wir in 40 Jahren

> erfahren werden, dass hier jemand, der politisch laestig war, aus dem Weg

> geraeumt wurde.

> Aehnlich, wie wir in den USA beobachten, dass laestige Senatoren oder

> Abgeordnete im passenden Moment (wie der letzten Kongresswahl) mit dem

> Flugzeug abstuerzen, und so bequemerweise fuer eine Mehrheit der Regierung

> Bush den Weg frei machten.

> Oder wie die Erschiessung von Olof Palme, deren Aufklaerung von Polizei und

> Justiz bekanntermassen gezielt verschleppt und nie zuende gebracht wurde,

> eine Aera sozialdemokratischer Politik in Schweden beendete, der eine

> gewisse Konsequenz nicht abzusprechen war und die einem neoliberalem

> Kurswechsel moeglicherweise im Weg stand.

> Oder der Hubschrauber-Absturz des Alexander Lebed, der versuchte, in

> Russland Krieg und Korruption zu beenden und damit als Stoerenfried der

> mafioesen Herrschaftsclique oder auch aussengesteuerter Interessen an den

> Ressourcen Sibiriens - das er zuletzt als Gouveneur verwaltete - auftrat.

>

> Der Fall Moellemann scheint uns etwas fremd und vermutlich uninteressant,

> da es sich um einen opportunistischen Machtpolitiker handelte, der an der

> Durchsetzung neoliberaler Politik ausserdem nicht ganz unschuldig war, so

> dass unsererseits ihm wohl kaum eine Traene nachgeweint wird.

>

> Andererseits war bei ihm zuletzt eine gewisse politische Konsequenz in der

> Auseinandersetzung mit dem Zionismus festzustellen, die von ihm -

> gewohnheitsgemaess - politisch opportunistisch betrieben wurde, die aber in

> dieser Konsequenz genau diesen Opportunismus konterkarierte als er

> schliesslich die Chance ausliess, sein Faehnlein wieder in den Mainstream

> zu haengen, und stattdessen im politischen Abseits landete und die Fruechte

> seiner karrieristischen Vorgehensweise annullierte.

>

> Dabei hat er allerdings dem politisch rechten Spektrum hierzulande schwer

> zu knacken gegeben und im Ergebnis moeglicherweise Stoiber den Sieg bei der

> Bundestagswahl verhagelt.

> Und er beliess es nicht dabei, klaglos zu kapitulieren, wie die

> Parteiraison inklusive des ganzen npolitischen Mainstream von ihm verlangte.

> Stattdessen bedrohte er seine Partei und das gesamte politische Spektrum

> rechts von rot-gruen (seine Mehrheitsfaehigkeit) mit der Gruendung einer

> neuen Partei, um damit den Schaden, den er bereits verursacht hatte,

> womoeglich zu perpetuieren.

> Insgesamt war damit sein politisches Suendenregister lang genug geworden,

> um zb. eine verdeckte Operation des Mossad zu rechtfertigen, fuer den der

> Schluss nahe genug lag, dass die Welt ohne einen Hernn Moellemann

> wahrscheinlich eine bessere sei.

> Dass die deutsche Justiz dergleichen Vorgehensweisen auf die Spur kommen

> koennte, ist nicht zu erwarten: mit ihrer Bearbeitung der Kohl'schen

> Hinterlassenschaften (Leuna, dass massenhafte Verdunsten von Akten usw.)

> hat sie hinreichend unter Beweis gestellt, dass eine solche Unabhaengigkeit

> - wie sie sich teilweise zb. die italienischen Anti-Mafia-Richter erlaubten

> - hierzulande nicht zu befuerchten ist, sondern dass in den Amtszimmern der

> deutschen Justiz die Staatsraison noch etwas gilt.

> Alles in allem soll hier nicht behauptet werden, im Fall Moellemann waere

> irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugegangen. Im Gegenteil.

> Es gab frueher ein Sprichwort. Das hiess: "Gelegenheit macht Diebe":

> _______________________________________________

> Attacmod-d mailing list

> Attacmod-d@listen.attac.de

> http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/attacmod-d

>

>

> Ende Attacmod-d Nachrichtensammlung, Band 92, Eintrag 10

> ********************************************************

____________________________________________________________________________

__

UNICEF bittet um Spenden fur die Kinder im Irak! Hier online an

UNICEF spenden: https://spenden.web.de/unicef/special/?mc=021101


Betreff:

Fwd: Attacmod-d_Nachrichtensammlung,_Band_92,_Eint rag_11

Datum:

Tue, 10 Jun 2003 13:10:42 +0200

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

einen Tag nach dem Suicid Möllemanns ging über die moderierte

Bundes-Attac-Maillingliste, an der ca. 700 Personen teilnehmen, eine Mail,

in der dem israelischen Geheimdienst Mossad eine

Beteiligung am Tod Möllemanns unterstellt wurde. Auf diese Mail von G.

Wendebourg antwortete ich (s. unten), worauf sich eine seit Tagen anhaltende

Diskussion entwickelte. Hier ein Ausschnitt daraus.



attacmod-d-request@listen.attac.de schrieb am 07.06.03 12:00:53:


> 1. Re: Attacmod-d Nachrichtensammlung, Band 92, Eintrag 10

> (Christian Langkamp)

> 2. Mail von Herrn Wendebourg zum Tod von Möllemann (Hartmut Regitz)

> 3. Interessante Nachricht (Uwe Tschirner)

> 4. Re: Mail von Herrn Wendebourg zum Tod vo n Möllemann

> (G.Wendebourg)

> 5. Re: Mail von Herrn Wendebourg zum Tod vo n Möllemann

> (RuStra@gmx.de)

>


> Message: 2

> Date: Fri, 6 Jun 2003 14:33:49 +0200

> Subject: [Attacmod-d] Mail von Herrn Wendebourg zum Tod von Möllemann

> To: attacmod-d@listen.attac-netzwerk.de

> Message-ID: <200306061233.h56CXnQ10544@mailgate5.cinetic.de>

> Content-Type: text/plain; charset="iso-8859-1"

>

> Hallo Attacies,

>

> Herr Wendebourg hat über diesen Verteiler eine Mail geschickt, in der er

die Vermutung äußert, der Mossad könne am Tod von Möllemann beteiligt

gewesen sein. Dies ist die Fortsetzung einer

Reihe von antijüdischen Verschwörungstheorien, die schon zum Thema des

Anschlags auf die Twin Tower auf der Attac-Bundesmailliste kursierten. Das

perverse daran ist, dass sie nach dem Motto

funktionieren, irgend etwas werde schon hängenbleiben. Herr Wendebourg

funktionalisiert die wahrscheinliche Selbsttötung des gescheiterten und von

Finanzskandalen begleiteten ehemaligen

F.D.P.-Stars, um wieder mal finstere zionistische Mächte als Quell des Bösen

auszumachen. Dass er dabei die Bedeutung Möllemanns grotesk übertreibt,

scheint ihm nicht bewusst zu sein. Bestürzend für mich ist, wie wenig Widerspruch es bisher auf ähnliche

Äußerungen gab, und dass solche Mails überhaupt auf die Bundesmailliste

gelangen, die immerhin moderiert ist und m.E.

dem inhaltlichen Austausch von an Emanzipation orientierten

Globalisierungskritikern dienen sollte. Oder sind viele Attac-Mitglieder ehe

r an Denunziation orientiert?

> H.

>

____________________________________________________________________________

__

> UNICEF bittet um Spenden fur die Kinder im Irak! Hier online an

> UNICEF spenden: https://spenden.web.de/unicef/special/?mc=021101

> ----------------------------

> Message: 4

> Date: Fri, 06 Jun 2003 23:48:57 +0200

> From: "G.Wendebourg" <gwhh@gmx.de>

>

> Moin, moin,

>

> wer den Mossad kennt und ansonsten die Vorgehensweisen der israelischen

> Armee und/oder Geheimdienste, und selbst Diejenigen, die nicht tiefer

> eingeweiht sind in deren Treiben, weiss doch nicht erst seit gestern, dass

> Mordanschlaege, gezielte Toetungen usw. zu den Mitteln gehoeren, die fuer

> legitim gehalten werden.

> Selbst der Moerder von Itzak Rabin erfreute sich weitreichender Sympathien

> unter der Bevoelkerung und unter Kreisen, die heute an der israelischen

> Regierung beteiligt sind: weil er mit seiner Tat angeblich den Ausverkauf

> israelischer Interessen durch Rabin gestoppt haette.

> Wer diese Dinge versucht zu bestreiten oder zu verdraengen muss sich

> letztlich gefallen lassen, als pro-zionistischer Parteigaenger

> eingeschaetzt zu werden.

> Gleichzeitig habe ich nie behauptet, dergleichen Mittel seien

> ausschliesslich ein Mittel israelischer Geheimdienste oder des Militaers.

> Wir wissen, dass ebenso europaeische und insbesondere amerikanische

> Geheimdienste bei Gelegenheit ebenfalls diese Mittel nutzten. Wieviele

> geheimdienstliche Mordanschlaege zb. hat Fidel Castro ueberlebt ?

>

> Selbst die ARD hat sich nicht nehmen lassen (vor ca. 2 Jahren) eine Serie

> zum Thema der politischen Morde zu zeigen.

> Opfer in diesem Kontext u.a. Lumumba (CIA u. belgische Armee), Dag

> Hammarskjoeld, Robert Kennedy, Olof Palme.

> Sollten dergleichen Verfahren nun tatsaechlich auf den Muellhaufen der

> Geschichte verbannt worden sein, in einer Zeit, in der George Bush dem CIA

> wieder die Lizenz zum Toeten erteilt und in dem er von langen und

> notwendigerweise schmutzigen Kriegen redet ?

>

> Ich kann von mir nicht behaupten, dass ausgerechnet Juergen Moellemann mir

> als Politiker symphatisch war.

> Dass er aber ausgerechnet dann von allen Seiten gepruegelt wird, wo er mehr

> Realitaetssinn als seine Kontrahenten dafuer zeigt, wer in einem konkreten

> Fall als Unterdruecker und Besatzer auftritt, erschien mir doch sehr

> befremdlich.

>

> Zweifellos: der hierzulande prozionistische Mainstream verbietet es, die

> Realitaeten in Palaestina zu sehen und zu analysieren, und wer dies dennoch

> tut, wird zwangslaeufig als Antisemit gepruegelt und aus oeffentlichen

> Zusammenhaengen eliminiert (Meinungsfreiheit hin oder her: hier ist die

> Grenze erreicht).

> Solange die palaestinensische Bevoelkerung nicht klaglos kapituliert und

> das Weite sucht, bleibt sie ein terroristisches Aergernis, das entsprechend

> zu behandeln ist.

> Wer dieser Lesart in ihrer mehr oder weniger grob gestrickten Form nicht

> folgt, zeigt durch seine Abweichung, dass er wahrscheinlich Naziblut in den

> Adern hat.

> Ich habe nichts gegen Juden oder Israelis - wenn sie sich nicht als

> kolonialistisch-repressive Herrenmenschen gegenueber ihren Nachbarn verhalten.

> Der geheimdienst Mossad jedoch ist ein deutlich groesseres Aergernis als

> zb. der BND, weil er bekanntermassen - ob in seiner Macht und Effizienz nun

> als die Nr2 oder 3 anzusehen - international agiert ohne Ruecksicht auf

> Gesetz oder Menschenrechte.und bei dieser Gelegenheit nicht selten

> Apartheids- oder Folterregime mit seinem Support versorgte (so zb. als

> Ausbilder von Todesschwadronen in Lateinamerika). Demgegenueber gehoerte

> ein J.W.Moellemann zu den harmloseren Streichen.

> Im Uebrigen habe ich nichts behauptet hinsichtlich einer realen Beteiligung

> - ebensogut koennte es eine Auftragsarbeit der russischen Mafia gewesen

> sein. Letztens haben wir auch gelernt, dass zb. die britische Armee die

> Verantwortung traegt fuer die Ermordung diverser Journalisten,

> Rechtsanwaelte usw. in Nordirland. Fuer dergleichen Uebungen hat der Mossad

> durchaus kein Monopol.

>

> Wer ansonsten mehr wissen moechte ueber dieses verschwiegene

> Dienstleistungsunternehmen, der bemuehe hierfuer getrost Google, die

> Journale der Menschenrechtsorganisationen, Geheimdienstexperten usw.

> (natuerlich: Antisemiten, wohin das Auge reicht..)

>

> Im Uebrigen kann ich nicht erkennen, wo ich die Bedeutung Moellemanns

> uebertrieben haette: dass er Stoiber-Westerwelle vermutlich den Sieg

> gekostet hat, ist nahezu unbestritten.

>

> und damit genug fuer heute -

>

> Gruss / GW

>

> At 14:33 06.06.2003 +0200, H. wrote:

> >Hallo Attacies,

> >

> >Herr Wendebourg hat über diesen Verteiler eine Mail geschickt, in der er

> >die Vermutung äußert, der Mossad könne am Tod von Möllemann beteiligt

> >gewesen sein. Dies ist die Fortsetzung einer Reihe von antijüdischen

> >Verschwörungstheorien, die schon zum Thema des Anschlags auf die Twin

> >Tower auf der Attac-Bundesmailliste kursierten. Das perverse daran ist,

> >dass sie nach dem Motto funktionieren, irgend etwas werde schon

> >hängenbleiben. Herr Wendebourg funktionalisiert die wahrscheinliche

> >Selbsttötung des gescheiterten und von Finanzskandalen begleiteten

> >ehemaligen F.D.P.-Stars, um wieder mal finstere zionistische Mächte als

> >Quell des Bösen auszumachen. Dass er dabei die Bedeutung Möllemanns

> >grotesk übertreibt, scheint ihm nicht bewusst zu sein.

> >

> >Bestürzend für mich ist, wie wenig Widerspruch es bisher auf ähnliche

> >Äußerungen gab, und dass solche Mails überhaupt auf die Bundesmailliste

> >gelangen, die immerhin moderiert ist und m.E. dem inhaltlichen Austausch

> >von an Emanzipation orientierten Globalisierungskritikern dienen sollte.

> >Oder sind viele Attac-Mitglieder eher an Denunziation orientiert?

> >

> >H.

>

>___________________________________________________________________________

>

> Message: 5

> Date: Sat, 07 Jun 2003 00:46:16 +0200

> From: RuStra@gmx.de

> Subject: Re: [Attacmod-d] Mail von Herrn Wendebourg zum Tod von Möllemann

> Cc: attacmod-d@listen.attac.de

>

> Ich nehme als Moderator kurz und ausnahmsweise Stellung:

>

> On 6 Jun 2003 at 14:33, H.:

>

> > Hallo Attacies,

> >

> > Herr Wendebourg hat über diesen Verteiler eine Mail geschickt, in der

> > er die Vermutung äußert, der Mossad könne am Tod von Möllemann

> > beteiligt gewesen sein. Dies ist die Fortsetzung einer Reihe von

> > antijüdischen Verschwörungstheorien, die schon zum Thema des Anschlags

> > auf die Twin Tower auf der Attac-Bundesmailliste kursierten.

> ......

> >

> > Bestürzend für mich ist, wie wenig Widerspruch es bisher auf ähnliche

> > Äußerungen gab, und dass solche Mails überhaupt auf die

> > Bundesmailliste gelangen, die immerhin moderiert ist

> dass sie moderiert ist, heisst nicht, dass in meinem Kopf dasgleiche Raster für das

> Erkennen einer "antijüdischen Verschwörungstheorie" existiert wie bei Dir. Ausserdem

> hätte ich zum Aufblitzen dieses Musters das mail vorher lesen müssen. Hab ich aber

> nicht. Gerhard gehört zu denjenigen Absendern (es sind die meisten, auch bei dir mach

> ichs so), bei denen ich die mails nicht vorher lese. das kann gelegentlich arbeit

> machen, so wie jetzt, ist aber anders nicht zu machen,jedenfalls nicht auf dauer.

> und m.E. dem

> > inhaltlichen Austausch von an Emanzipation orientierten

> > Globalisierungskritikern dienen sollte. Oder sind viele

> > Attac-Mitglieder eher an Denunziation orientiert?

>

> Methode Unterstellung, so gehts auch nicht

> Ich habe übrigens das mail von Gerhard, um das es dir geht, bis jetzt noch nicht

> gelesen. kann also sein,dass ich morgen dazu noch inhaltlich stellung nehme. im

> übrigen bitte, lieber H., wenn Du an einer Diskussion über die Frage, was

> auf attacmod gehen sollte und was nicht, interessiert bist, logg dich auf attac-meta

> ein,da können wir diese debatte fortsetzen, hier passiert das nicht.

>

> Rudolf Stratmann

>

> > ______________________________________________________________________


"H." schrieb am 18.06.03 09:48:00:

> "Solidarität hat etwas mit Solidität zu tun" (Rudi Dutschke)

>

> Nach den letzten Wortmeldungen auf dieser Liste hoffe ich wieder auf eine

> solidere Diskussion. Deshalb will ich etwas ausführlicher auf die Äußerungen der

vergangenen Tage eingehen. Wenn ich im folgenden einige gewohnte Sichtweisen

hinterfrage, so in der Hoffnung, mit andern an Emanzipation orientierten Attacies die

Sackgassen von vergangenen Bewegungen orten zu können, um künftige

Orientierungen zu erleichtern.

> Solidarität gebührt den Opfern, den Schwächeren, den Unterdrückten. In

Burundi, Rwanda und dem Kongo wurden in den letzten 10 Jahren vier Millionen

Menschen getötet - u.a. wegen des Kampfes um Coltan, dessen Bestandteil Tantal im

chemischen Anlagenbau z.B. von Bayer verarbeitet wird. Wen hat das bei uns

bisher interessiert?

> Deshalb einige kritische Nachbetrachtungen zur Friedensbewegung. Christian

Langkamp schreibt in seinem sachlichen Stil: "Angriffskrieg gegen das

Völkerrecht ist bar jeder Entschuldigung...". Gemessen an diesem Postulat wäre der vom

UNO-Sicherheitsrat gedeckte 2. Golfkrieg 1991 gegen den Irak legitim

gewesen, obwohl er über hunderttausend Menschen das Leben kostete. Der in seiner Vorgeschichte

von IWF und Deutschland mitverschuldete Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999

war dagegen völkerrechts- und grundgesetzwidrig, und dennoch hat sich zumindest

in Deutschland kein nennenswerter Widerstand dagegen geregt. Erst beim jüngsten

völkerrechtswidrigen Krieg der USA gegen den Irak gab es weltweite

Massenproteste, und natürlich war jeder der (bisher ermittelten) über 3.500

dabei getöteten Zivilisten ein Opfer zuviel. Doch auf den Montagsdemos wurden die

vorausgegangenen zehntausende Opfer der Hussein-Diktatur nur gelegentlich

erwähnt. Auch die Forderung nach Anerkennung der irakischen AsylbewerberInnen, die zu 95 % aus

Deutschland abgeschoben wurden und werden, floss nur selten in Flugblätter

ein. Nur ein Teil der Fb protestierte gegen den Umbau der Bundeswehr zur

internationalen Eingreifarmee, der andere (regierungsnahe?) Teil unterstützt

dies sogar mit dem Argument, die EU müsse ein Gegengewicht zur USA bilden!

> Wären auch Millionen auf die Straße gegangen, wenn nicht die USA, sondern

die EU den Krieg geführt hätte, mit einem sorgenzerfurchten Fischer, der

"Auschwitz verhindern" möchte? Wo ist die Friedensbewegung zur Zeit, da es um eine

EU-Militärintervention im Kongo geht? Noch keiner der Generäle Frankreichs

ist angeklagt,

die während der Planung des Völkermords in Rwanda 1994 mit dem damaligen

Regime kollaborierten.

>

> Nun zur Solidarität mit dem palästinensischen Volk. Herr Schettke fragt

nach der "Trennlinie zwischen Antisemitismus und erlaubter Kritik am Staat

Israel", und bestreitet den antisemitischen Charakter der Aussage Möllemanns. Ein letztes

Mal: Möllemann wurde nicht wegen seiner fragwürdigen Attacken auf Israel des

Antisemitismus bezichtigt, sondern weil er Sharon und Friedmann

beschuldigte, den Antisemiten Zulauf zu verschaffen. Nach diesem Denkmuster

wäre ein krimineller Ausländer selbst für den Rassismus verantwortlich - doch bekanntlich

existiert der Rassismus schon vor dessen Tat, und fühlt sich nur bestätigt

in der Wahrnehmung des Ausländers als Kriminellen! Wäre der Kriminelle Deutscher, so würde

seine Nationalität gar nicht bemerkt. Fast ein Drittel der Deutschen stimmen

der Aussage zu, dass "der Einfluss der Juden auch heute noch zu groß" sei, ein weiteres

Drittel kann sich nicht so richtig entscheiden. Das ist manifester

Antisemitismus. (Ich habe übrigens nichts gegen Deutsche, einige meiner besten Freunde sind

welche...).

>

> Neben dem offenen Antisemitismus nutzte Möllemann auch die Klaviatur des

latenten Antisemitismus, indem er unterstellte, jegliche Kritik an der

israelischen Regierung sei in Deutschland tabu. Die Rede vom Tabu hilft dabei, sich als

Opfer zu inszenieren. Das hilft vielen Landsleuten bei ihrer

"Vergangenheitsbewältigung".

'Noch 60 Jahre danach sollen wir in Sack und Asche gehen, einmal muss damit

Schluss sein, die Israelis sind doch auch nicht besser...' (Volkes Stimme).

Diese Täter-Opfer-Umkehr wird deutlich, wenn z.B. in der 'antizionistischen'

"Kritik an Israel" Wörter benutzt werden, die an die Shoah erinnern

("Völkermord", "Nazi-Methoden", Blüm: "Vernichtungskrieg"). Bei einer Veranstaltung von

Attac Stuttgart am 10.05.03 erklärte Shraga Elam, ein Freund von Jamal

Karsli, Israel habe gegen Nichtjuden "die gleichen Gesetze erlassen wie die Nürnberger Gesetze".

"Spiegel und Friedmann seien eine ungeheuerliche Bedrohung für Deutschland.

Sie seien Kriegstreiber und gehörten beide vor ein Kriegsgericht."

(www.friedensnetz.de/Stuttgart/index2.htm).

> Werner Schettke schreibt als P.S., seine Eltern seien Opfer der

Herrenmenschenideologie Hitlers. Auf meine Frage warum antwortet er, sein

Vater sei "in unsinnigen Krieg geschickt" worden, seine Mutter "auf der Flucht in einem Viehwagen an

Hunger" gestorben. War aber sein Vater nur Opfer, und nicht als Soldat auch

Täter? Und war nicht die überwältigende Mehrheit der Ostpreußen, Schlesier, Sudeten

begeistert von Hitlers Großmachtplänen? Wären heute so viele Deutsche gegen

Krieg, wenn Deutschland die beiden Weltkriege gewonnen hätte? Warum fällt ihnen als

'Fehler Hitlers' zuerst der Krieg ein?

> Herr Schettke begründet seine Erregung gegenüber der "Politik Israels"

damit, unter Sharon sei sie rassistisch und nationalistisch. Doch wieso regt

ihn das offensichtlich mehr auf als die nationalistische und rassistische Politik

z.B. der deutschen Regierungen? Laut Schätzungen sterben an den Grenzen der

Festung Europa jährlich über tausend Flüchtlinge, rund 30.000 werden aus Deutschland

abgeschoben.

> Zurück zu seiner Frage: die Kritik an Besatzungs- und Siedlungspolitik

israelischer Regierungen ist noch nicht antisemitisch - sie blendet

allerdings den historischen Kontext und die Strategie der ebenfalls nationalistischen Gegenseite aus.

Der Zionismus entstand nach einer jahrhundertelangen antijüdischen

Verfolgungsgeschichte Ende des 19. Jahrhunderts als Reaktion auf die nach der Französischen

Revolution in Europa vollzogene Bildung von Nationalstaaten und die

absehbare Bedrohung der

Juden durch Nationalismus und die Ideologie der "Rassen". Die Gründung des

Staates Israel kann nicht von der Shoah getrennt betrachtet werden. Seit

Jahrtausenden hatten Juden im Nahen Osten gelebt, von Zeit zu Zeit verstärkt durch die

teil verfolgungsbedingte Zuwanderung aus der Diaspora (Aliyas). Wenige Tage

nach der Staatsgründung wurde Israel schon von den arabischen Nationalstatten

angegriffen - seine Militarisierung ist auch eine Reaktion auf diese

andauernde Bedrohung. Seit Ausbruch der 2. Intifada starben über 2000 PalästinenserInnen und über 800

Israelis - warum werden letztere so selten erwähnt?

>

> Während Herr Schettke noch argumentiert, outet sich G. Wendebourg mit

seiner Mail vom 17.6. in einer Weise, die glücklicherweise schon andere hier

kommentiert haben: "...dass die Mehrzahl der Juden eigentlich friedliebende Menschen

sind, mit denen sich leidlich (!) koexistieren lässt" - danke. Wer wirft

hier wen "in einen Topf"?

Woher der Hass auf "Antisemiten-Fresser" und das Gejammere über den Verfall

der Sitten der "neudeutschen Herrenreiter"? Statt vielmehr über den

Schwachsinn der repressiven Drogenpolitik nachzudenken? Sic tacuisses...

> Am schlimmsten aber die Auslassungen von Andreas. Die Linksruck-Blöcke bei

der Attac-Gewerkschaftsjugend-Demo in Köln und vor kurzem bei der G8-Demo in

Genf skandierten doch tatsächlich "Wir alle sind Palästinenser", einige

trugen auch T-Shirts mit der Botschaft "Ich bin ein Palästinenser". Und auf

diesem Level bewegen sich auch seine Beiträge. Wenn er für die Auflösung rassistischer Staaten

ist - dann aufgemerkt Deutschland, es geht dir an den Kragen. Aber nein -

ihm fällt dazu nur Israel und Palästina ein. Lange Zeit hatten kommunistische Parteien und

antiimperialistische Solidaritätsbewegungen ein geradezu mythisches

Verhältnis zu den Völkern in der Dritten Welt und auch bei uns. 'Das Volk' als homogene

Einheit, die immer das Gute will, gehindert nur von Kapitalisten, Politikern

und korrupter Gewerkschaftsspitze. In einem längeren Artikel auf der Mailingliste führt

Regina Sternal, Attac Ffm und Linksruck, den Impuls zu Ende: "Dabei kommt es

auch auf ein realistisches Verständnis des politischen Islams an. Er kann Partner im

Kampf gegen den Krieg sein... Diejenigen, die jedoch islamistisch geführte

Massenbewegungen per se als reaktionär oder gar faschistisch begreifen, werden sich dagegen -

gewollt oder nicht - an der Seite des US-Imperialismus wieder finden."

> Und die Linksruck-GenossInnen werden an der Seite der Tudeh-Genossen, die

vor 1979 im Iran das Bündnis mit Ajatollah Chomeini propagierten - sich im

7. Revolutionshimmel über ihre taktischen und strategischen Fehler unterhalten

können. Einen Kopf kürzer.



Betreff:

Fwd: Möllemann und Antisemitismus

Datum:

Wed, 18 Jun 2003 10:07:04 +0200


Hallo,

die Diskussion auf der moderierten Attac-Bundesmailliste zum o.g. Thema ging

und geht weiter. Hier meine beiden letzten Diskussionsbeiträge dazu - bei

Wunsch kann ich auch die gesammelten Ergüsse von Attacies der letzten 2 Wochen

senden - es ist keine erspriesliche Lektüre.

Mit globalisierungskritischen Grüßen

H.


"H." schrieb am 12.06.03 15:23:29:

> Hallo,

>

> Attac wurde als globales (Selbst-)Bildungsnetzwerk gegen die neoliberale

Offensive gegründet. Doch die "Gut-Böse"-Debatten hier auf der Mailingliste

zum Thema Antisemitismus und Israel-Palästina-Konflikt erinnern eher an Stammtisch

denn an fundierten Austausch.

> Nachdem G. Wendebourg den Verdacht geäußert hatte, der Mossad stecke

hinter dem Tod von Möllemann, und ich ihm widersprochen hatte, fiel Reinhard

Lauterbach ein:"...die üblichen Freunde Israels hier sofort wieder die

Antisemitismuskeule schwingen werden - wie bei Herrn Regnitz ja bereits

geschehen." Dabei hatte ich Israel überhaupt nicht erwähnt.

> G. Wendebourg legte nach: "...prozionistische Mainstream verbietet es, die

Realitäten in Palästina zu sehen und zu analysieren, und wer dies dennoch

tut, wird zwangsläufig als Antisemit geprügelt...Ich habe nichts gegen Juden oder

Israelis - wenn sie sich nicht als kolonialistisch-repressive Herrenmenschen

gegenüber ihren Nachbarn verhalten." Dann erneuert er die Unterstellung bezüglich Mossad:

"Demgegenüber gehörte ein J.W. Möllemann zu den harmloseren Streichen".

Holger Buntenbach lehnt diese Verschwörungsthese ab: "Natürlich war Herr Möllemann

alles andere als ein 'konsequenter Antizionist' (?). Aber deshalb wird G.W.

nicht zum Verbreiter von 'antijüdischen Verschwörungstheorien'...". C. Langkamp

fordert eine Positionierung von Attac zum Israel-Palästina-Konflikt, und

Andreas bestreitet das Existenzrecht Israels mit dem Satz: "Der israelische Staat beruht seit

seiner Gründung vor 55 Jahren auf Rassismus".

>

> Eine Woche Debatte - und noch hat niemand zitiert, warum Möllemann

Antisemitismus vorgeworfen wurde. Nicht wegen Kritik an der israelischen

Regierung, die in Deutschland noch nie tabu war, erst recht nicht seit 1968. Nach dem 11.

September sagte Möllemann: "Die unerträgliche Politik der Israelis" sei

schuld, sie erst mache islamische Männer zu Terroristen von Bin Laden. (Dabei hatte Bin Laden in

seinem ersten Video nach dem 11.9. Palästina noch gar nicht erwähnt!).

Antisemitismus wurde Möllemann daraufhin nicht vorgeworfen. Als im Frühjahr 2002 Israel von

Selbstmordanschlägen erschüttert wurde, sagte Möllemann: "Ich würde mich

auch wehren, und zwar mit Gewalt, auch im Land des Aggressors." Auch jetzt kein

Vorwurf, er sei antisemitisch.

>

> Um auf die Fragen von Herrn Schettke einzugehen, will ich hier die

Chronologie des Möllemann-Skandals von "Panorama" (6.6.2002) zitieren.

"Jamal Karsli wirft Israel 'Nazimethoden' vor, spricht gegenüber der 'Junge Freiheit' von einer

'zionistischen Lobby', die 'den größten Teil der Medienmacht in der Welt'

innehabe. Der Zentralrat der Juden äußert Bedenken, die FDP werde zum 'Sammelbecken für populistische

antiisraelische Strömungen'. ... Jürgen W. Möllemann (FDP-Bundesvorstand,

16.5.2002): 'Ich fürchte, dass kaum jemand den Antisemiten, die es in

Deutschland gibt, leider, und die wir bekämpfen müssen, mehr Zulauf

verschafft als Herr Sharon und in Deutschland als Herr Friedman mit seiner untoleranten, gehässigen

Art, überheblich.' Erst jetzt der Vorwurf des Antisemitismus.

> Broder: 'Der Antisemit macht zweierlei: Erstens macht er immer die Juden

dafür verantwortlich, dass er sie nicht leiden kann. Zweitens bittet er die

Juden, ihr Verhalten zu ändern, damit er, der Antisemit, sie nicht mehr weiter hassen

muss. Das heißt, im Zentrum der antisemitischen Vorstellung steht immer der

Jude.'

> Möllemann: 'Ich bin jetzt 15mal, jedesmal, wenn ich Sharon kritisiert

habe, von Herrn Friedman als Antisemit bezeichnet worden'. Wir haben kein

einziges Zitat dieser Art gefunden...

> Möllemann: 'Herr Friedman ist CDU-Mann, Herr Spiegel unterstützt die SPD.

Könnte es denn sein, dass die im Blick auf die Wahlen etwas machen, was auch

nicht fair ist, nur um die FDP kleinzukriegen?'...

> Broder: 'Möllemann hat die ganze Affäre mit einer klaren Absicht

losgetreten. Jetzt steht er da und fühlt sich als Opfer von zwei Juden, die

zwei verschiedenen Parteien nahestehen und die ihm Übles wollen. Auch eine klassische

Rollenumkehr im Sinne des antisemitischen Verständnisses, man setze sich nur

zur Wehr.' " Zum Abschluss des Panorama-Beitrags werden O-Töne aus der Bevölkerung zitiert,

die denen auf der Attac-Bundesmailliste auffällig ähneln.

> Zusammenfassend: Zuerst hat Möllemann von Antisemitismus gesprochen - und

Sharon und Friedman dafür verantwortlich gemacht. Auch wenn Sharon für

Staatsterror verantwortlich und Friedman arrogant und drogensüchtig ist:

niemand käme auf die Idee, Hitler und Haider als verantwortlich für den Hass

auf Österreicher zu bezeichnen. Warum aber haben viele Deutsche gesteigerte

Erregungszustände, wenn es um die Politik Israels geht - eines kleinen

Landes, nicht größer als die Schweiz, umringt von Diktaturen, deren Machteliten den Frust ihrer

Bevölkerung über die gesellschaftliche Stagnation in Hass auf den

kollektiven Gesamtjuden Israel umlenken?

> Wieso soll Attac gerade hierzu eine Position erarbeiten - wo es derzeit

ungefähr 30 bewaffnete Konflikte auf der Welt gibt, wo die Bundeswehr gerade

zu einer internationalen Interventionsarmee umgebaut wird, wo hinter der

Friedensrhetorik von Schröder und Fischer massiver Sozialabbau betrieben

wird....? Gäbe es für Attac nicht wichtigere Themen der Debatte?

>

> H.



Betreff:

Fwd: Attacmod-d_Nachrichtensammlung,_Band_92,_Eint rag_30

Datum:

Sat, 21 Jun 2003 20:44:16 +0200

Von:

"H."


Hallo

uebrigens gibt es inzwischen auch einige Gegenstimmen, wie die von Thomas

Geyer, Thomas Lohmeier, Till Sawala, Joerg Schindler. Doch Wendebourg,

Schettke und Co. werden kraeftig vom Moderator gegen den Vorwurf des Antisemitismus

verteidigt. Rudolf Stratmann: Ich kenne Gerhard Wendebourg persoenlich, er

ist kein Antisemit. Nach dem Motto, das wir schon vom Plakat aus der Montagsdemo kennen...

H.




> Meldungen des Tages:

>

> 1. Antisemitismus, Antizionismus und Solidarität (Hartmut Regitz)

> 2. RE: [Attac-d] Re: [Attacmod-d] Friedman: die

> Moellemann-Retourkutche (Joerg Schindler)>

> ----------------------------------------------------------------------

>

> ------------------------------

>

> Message: 2

> Date: Wed, 18 Jun 2003 10:17:05 +0200

> From: "J.S."

> Subject: RE: [Attac-d] Re: [Attacmod-d] Friedman: die Moellemann-Retourkutche

> To: <attacmod-d@listen.attac.de>

>

> Hallo,

> eigentlich wollte ich mich ja ueber diese Liste lediglich ueber die

> attac-Debatten informieren und nichts selbst schreiben. Nachdem allerdings

> Gerd Wendebourg nunmehr keinen Tag unvergehen laesst, eine neue Hasstirade

> gegen den israelischen Staat hier quer durch diese Liste zu posten, willich

> der Aufforderung von Thomas Geyer und Thomas Lohmeier nachkommen und

> ebenfalls meine Kritik an Inhalt und Stil der Postings von Gerd Wendebourg

> aeussern. Im einzelnen:

>

> 1.

> Dies ist die Mailingliste von attac. attac hat sich insbesondere dem

> weltweitem Kampf gegen neoliberale Globalisierung und fuer eine "andere

> Welt" auf die Fahnen geschrieben. attac ist ein Buendnis verschiedener

> (linker und fortschrittlicher) Positionen. Wir wissen, dass es dabei

> Unterschiede in der Bewertung von gesellschaftlichen Phaenomenen gibt;

> trotzdem wirken wir als attac-Mitglieder hier an diesem Punkt - gegen

> Neoliberalismus und eine antisozialen und antidemokratischen Auswirkungen;

> fuer eine andere solidarische Weltwirtschaft ohne brutale Marktsachzwaenge -

> zusammen. Ueber Ziel, Wege und Strategien dahin sollen und muessen wir streiten und

> dabei gemeinsam in Aktion treten.

> Die attac-Mitglieder in dieser Liste haben sich allerdings nicht hier

> eingetragen, um mittels email-Propaganda sich diverse

> Absurditaetenpositionen zum Nahost-Konflikt und Moellemann jeden Tag hierin

> das email-Postfach zu holen. attac ist kein Buendnis mit einer einheitlichen Position zum

> Nahost-Konflikt. Wir muessen - jenseits der notwendigen und konsequenten

> Ausgrenzung antisemitischer Positionen - nicht ueber die Bewertung dieses

> Konflikts im Detail einig werden, um fuer eine andere solidarisch und

> demokratisch globalisierte Welt zu kaempfen.

> Offensichtlich aber haben einige Leute, wie etwa Gerd Wendebourg, doch

> taeglich nichts anderes politisches zu tun, als solche Nahost-emails hier

> bundesweit an Leute, die sich dagegen nicht wehren koennen, zu posten. Ich

> stimmte Thomas Lohmeier zu, dass doch bitte der Moderator diese Postings

> vorenthalten soll.

>

> 2.

> Ich habe allerdings nicht nur formal etwas dagegen, dass diverse

> selbsternannten Nahost- und Geheimdienstverschwoerungsexperten diese Liste

> mit ihren fragwuerdigen Positionen zumuellen, sondern auch inhaltlich:

>

> Spaetestens seit der Befreiung vom Faschismus im Jahre 1945 duerfte klar

> geworden sein, dass der sich in der Folge gruendende Staat Israel nicht

> irgendein Staat in der Welt ist. Es ist die leider notwendig gewordene

> Konsequenz aus der fast vollstaendigen Vernichtung der europaeischen Juden

> durch den deutschen Faschismus. In diesem Sinne ist die Gruendung des

> Staates in der Form, wie er nunmehr besteht, also als zionistischer Staat,

> zwar eine gewisse Tragik der Geschichte; nichts desto trotz notwendige

> Konsequenz - nie wieder sollen JuedInnen als Gruppe staatlicher Vernichtung

> anheimfallen; sie sollen sich durch einen eigenen Staat mit dessen Gewalt

> davor schuetzen koennen.

>

> Gerade daraus ergibt sich aber auch, dass fortschrittliche Menschen diesen

> Zusammenhang in ihre Geschichtsbetrachtung mit aufnehmen und - bei aller

> ggf. notwendigen Kritik an israelischer Regierungspolitik - die Existenz

> dieses Staates in dieser Region bis aufs Messer verteidigen.

>

> Schon aus diesem Grund verbietet sich ein Daherschwadronieren ueber den

> "Apartheidstaat"; "Kolonialismus" etc.... . Die Konsequenz aus diesen

> Woertern ist die Forderung nach Zerstoerung der tragenden staatlichen

> Strukturen (wie analog im damaligen Suedafrika) oder die Vertreibung der

> "Eindringlinge" (wie eben damals die Kolonialherren). Abgesehen davon, dass

> eigenartiger Weise kein Wort darueber verloren wird, dass bei aller Kritik

> eines sich noch im Kriegszustand befindlichen Staates dieser seinen

> BuergerInnen noch die meisten Grundfreiheiten zu bieten hat. Wo bleibt die

> Kritik an dem halbfeudalen Zustand vieler Nachbarstaaten? Weshalb aeussert

> hier Gerd Wendebourg & Co keine Kritik?

>

> Tatsaechlich ist natuerlich der Einwand berechtigt, dass die aktuelle

> israelische Politik seiner Rechts-Regierung nicht den Massstaeben

> entspricht, den fortschrittliche Menschen an Regierungspolitik stellen

> wuerden. Ja, Fortschritt heisst Frieden fuer die Region, heisst

> lebenswuerdige Bedingungen der Menschen auch in den besetzten Gebieten,

> heisst gerechte Verteilung der Naturressourcen, heisst damit wohl auch in

> absehbarer Zeit einen eigenen palaestinensischen entmilitarisierten Staat,

> heisst Kampf gegen das Sozialabbauprogramm der israelischen

> Rechts-Regierung. Diese richtigen Forderungen koennen aber erst unter

> Anerkennung von o.g. Praemissen ernsthaft erhoben und in einem

> Friedensvertrag verankert werden. Ansonsten sind sie geschichtsblind und

> leisten dem Vorwurf, anknuepfungsfaehig fuer rechte und antisemitische

> Positionen zu sein, weiterem Vorschub.- Ein Vorwurf, den attac durch seine

> Erklaerung "Grenzen der Offenheit" theoretisch bereits entkraeftet hat, aber

> auch praktisch werden lassen muss. Z.B. durch Ausgrenzung dieser

> ressentimentgeladenen Postings gegen den angeblichen Staatsterrorstaat

> Israel.

> Kein Wort verlieren die Freunde des offenbar einzig wichtigen Konflikts in

> dieser Welt darueber, dass die besetzten Gebiete auch Ergebnis eines

> militaerischen Konflikts sind, bei dem - vorsichtig ausgedrueckt - die

> arabischen Nachbarn nicht hinter dem Berg gehalten haben, was sie im Falle

> eines militaerischen Erfolges mit den Juden machen wollen. Kein Wort ueber

> den spaetfeudalen Konservatismus weiter Teile der palaestinensischen

> Gesellschaft; kein Wort ueber terroristische Gruppen mit antisemitischem

> Einschlag, die Oslo nach wie vor ablehnen und Karten mit Palaestina vom

> Jordan bis zum Mittelmeer unter dem Felsendom zeigen. Kein Wort ueber

> antisemitische Schulbuecher. Kein Wort ueber die bekannte "Mekka-Cola", die

> in Europa verkauft wird und dessen Gewinnerlös an Organisationen in den

> besetzten Gebieten gehen, die Israel erklaertermassen vernichten wollen Wer

> das in seiner harschen Kritik an israelischer Politik vergisst, handelt

> nicht aufklaererisch, sondern hochideologisch.

> Ganz zu schweigen von dem Verve, den offenbar Gerd Wendebourg aufbringt,

> sich gerade als Deutscher mit _diesem_ Konflikt so zu schaffen zu machen,

> dass er damit offenbar Stunden der email-Zusammenstellung und -Kommunikation

> verbringt. Weshalb ist sein Interesse nicht gleichmaessig auf viel blutigere

> Konflikte in der Welt gerichtet; aktuelles Beispiel etwa Kongo? - Man kann

> sich durchaus auch intensiv mit dem Nahostkonflikt befassen, aber diese

> fanatische Form laesst ahnen, dass dann doch im Ergebnis

> Geschichtsrelativismus betrieben und bewiesen werden soll, dass die Juden

> dann ja auch irgendwie nicht besser sind und halt Kriegsverbrechen begehen.-

> Dann ist es aber zu rechten Positionen eben auch nur noch ein klitzekleiner Schritt.

> Dem Fass den Boden schlaegt dann noch diese dauernden Anspielungen auf den

> Moellemann-Selbstmord aus. attac-Mitglieder taeten in Anbetracht diverser

> bekannter Veranstaltungen von Gruppen in der Vergangenheit mit dem

> Moellemann-Spezi Jamal Karsli gut daran, offensiv gegen das Bedienen von

> antisemitischen Ressentiments in der deutschen Bevoelkerung, welches

> Moellemann und Karsli versuchen bzw. versucht haben zu bedienen,

> aufzutreten. Die Erklaerung "Grenzen der Offenheit" war auch hier eine sehr

> unterstuetzenswerte Klarstellung der KoKreis-Mitglieder. Die Gruppen muessen

> das mit Leben fuellen, und sie werden es auch, wenn sie von dem

> propagandistischen israelfeindlichen Verschowerungs-Muell von Wendebourg,

> "Andreas (WSWS") & Co. verschont blieben.

>

> 3.

> Abschließend noch eine Frage an Gerd Wendebourg und "Andreas (WSWS)": Seid

> ihr ueberhaupt attac-Mitglieder? Macht ihr in einer attac-Gruppe Politik

> gegen neoliberale Globalisierung? Oder sitzt ihr nur auf dieser Liste, um

> andere per email zu belehren? - Ist letzteres der Fall, dann duerfte wohl

> gelten: Diese Art fragwuerdige politische Zeugen Jehova braucht attac hier

> sicher nicht.

> solidarische Gruesse

> J.

>

> > -----Original Message-----

> > From: attacmod-d-bounces@listen.attac.de

> > [mailto:attacmod-d-bounces@listen.attac.de]On Behalf Of G.Wendebourg

> > Sent: Tuesday, June 17, 2003 3:55 PM

> > To: T.S.; attacmod-d@listen.attac-netzwerk.de;

> > Subject: Re: [Attac-d] Re: [Attacmod-d] Friedman: die

> > Moellemann-Retourkutche

> >

> >

> > Lieber T.S.,

> >

> > die Unterstellung, ich wuerde antisemitische Postings verbreiten, muss ich

> > als voellig inakzeptabel und weit unterhalb der Guertellinie

> > zurueckweisen. Wer solche Behauptungen und Unterstellungen macht, der sollte sie auch

> > beweisen koennen.

> > Ich bestreite an keiner Stelle das Existenzrecht und die gleichberechtigte

> > Praesenz juedischer Mitbuerger. Allerdings sage ich auch, dass sie nicht das Recht haben, sich anderen

> > gegenueber als Herrenmenschen zu verhalten, ebensowenig, wie ich dieses

> > Recht anderen Volks- oder religioesen Gruppen zugestehe.

> > Im Uebrigen sind fuer mich Juden Menschen, wie 6 Milliarden andere auf

> > diesem Planeten auch: es gibt unter ihnen ebenso fragwuerdige Charaktere

> > wie hervorragende und anstaendige Menschen, wie unter allen

> > anderen Ethnien.

> > Gegenueber einem Michel Friedman stehen Leute, wie Uri Avnery, Felicia

> > Langer und viele andere: fuer Antisemitismus besteht weder Grund noch Anlass.

> > Sobald ich - oder andere - jedoch die kolonialistischen bzw.

> > rassistischen Neigungen von Sharon & Co. (und ihre Unterstuetzer) unter Kritik nehme,

> > werde ich nach der Logik der Antisemitismus-Strategen zum

> > Antisemiten. Dass sie tatsaechlich selbst zu Unterstuetzern nationalistischer rassistischer

> > Politik werden, entgeht ihnen dabei oder wird bewusst in Kauf genommen.

> > Somit werden sie zu Epigonen der Kreuzfahrer, die schon vor

> > tausend Jahren glaubten, im Besitz des hoeheren, ueberlegenen Geistes und von Gott

> > auserwaehlt zu sein das Boese auf dieser Welt zu bekaempfen: ueber Berge

> > von Leichen und brutale Repression, Orgien von Hass und Intoleranz.

> > Sie werden zu Unterstuetzern eines fundamentalistischen

> > Apartheidsregimes, das ohne dieses freundliche Entgegenkommen laengst den

> > moralischen Konkurs anmelden muesste (wie das politisch freundschaftlich und

> > geschaeftlich eng verbundene Suedafrika vor 1 1/2 Jahrzehnten).

> > Was sie in anderen Laendern ein militaerisches Eingreifen legitim

> > erscheinen laesst, um fundamentalistische Regime (zb. in Afghanistan oder

> > im Iran) zu beseitigen, das akzeptieren sie in Israel als angemes Mitglieder

> > der eigenen Rasse sondern nur die niederwertigen fremdrassigen Nachbarn,

> > die es nicht besser verdient haben.

> > An diesem Punkt beginnt die geistige Verbundenheit der

> > Antisemitismus-Strategen mit den "Herrenreitern" zu entstehen: beide

> > vertreten die Hoeherwertigkeit der dem eigenen Klan, der eigenen Ethnie,

> > der eigenen Klasse Zugehoerigen und ihre Privilegien, sich Ressourcen auf

> > Kosten der niederwertigeren Zeitgenossen anzueignen.

> > Damit diese Gemeinschaft nicht zutage tritt, werden Diejenigen, denen sie

> > auffaellig wird, mit der Antisemitismuskeule mundtot gemacht.

> > Der Vorteil: die Massivitaet dieses Vorwurfs draengt die

> > Betroffenen gleich derart in die Defensive, dass stichhaltige Argumente verzichtbar scheinen.

> > So arbeitete schon in frueheren Zeiten die Inquisition.

> >

> > Gruss / GW

> >

> >

> > At 12:56 17.06.2003 +0200, T.S. wrote:

> > >Lieber Herr Wendebourg,

> > >

> > >seit langem muss ich Postings wie dieses von Ihnen und einigen anderen auf

> > >dieser Liste lesen oder vielmehr ertragen. Natürlich ist es ein leichtes,

> > >diese ungelesen verschwinden zu lassen, aber es widert mich

> > gelinde gesagt an, dass die Liste von Attac von antisemitischen Postings regelrecht

> > >überschwemmt wird.

> > >Wenn Sie schon schreiben, die Drogen- oder sonstigen Probleme hätten nichts

> > >mit seiner Religion oder Weltanschauung zu tun, warum dann überhaupt ein

> > >Kommentar mit dieser Überschrift und diesem Inhalt? Wer sind

> > Ihrer Meinung nach die "Antisemitismus-Strategen", was haben

> > "Antisemitismus-Fresser" mit

> > >Ewiggestrigen oder Pädophilen gemein?

> > >

> > >Wenn sie sich gegen Menschenhandel einsetzen wollen, bitte sehr, Attac

> > >bietet Ihnen auch hierfür eine Plattform. Es hat jedoch den Anschein, dass

> > >Ihnen dieses Thema, wie so viele andere zuvor, lediglich als Vehikel dient

> > >um Ihre antisemitische Weltsicht über die Liste zu verbreiten.

> > >

> > >Im Übrigen verwechseln Sie augenscheinlich den Moderator Michel Friedman mal

> > >eben mit dem amerikanischen Ökonomen Milton Friedman. Aber was macht das schon...

> > >

> > >

> > >viele Grüße,

> > >

> > >T.S.

> > >

> > >_______________________________________________

> > >Attac-d mailing list

> > >Attac-d@listen.attac.de

> > >http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/attac-d