"A RUSH AND A PUSH AND THE CAMPUS IS OURS !"

(The Smiths)

Jedes Jahr aufs Neue: Die Wurmfortsätze der etablierten Parteien gehen auch an den bundesdeutschen Universitäten auf Stimmenfang.

Da der herrschende Demokratiebegriff auch an den Hochschulen nichts anderes bedeutet, als die untertänige Delegation politischer Verantwortlichkeit nach oben, kann es auch nicht weiter verwundern, wenn Umsatzerotiker, Versachlichungsfanatiker und Flexibilisierungsfetischisten diese Stimm-Abgabe entsprechend als Freibrief begreifen. Heraus kommt, wie immer und zur Zeit auf allen Ebenen Sozialabbau, immer mehr innere Sicherheit und unser aller Standort D.

So richten sich die Maßstäbe, denen sich studentische Hochschulpolitik zu unterwerfen hat, auch ganz konsequent an den "Sachzwängen" und Vorgaben der sogenannten großen Politik aus. Dabei gehört das Rufen nach den dringend anstehenden Reformen des Hochschulwesens ebenso zum Standardrepertoire, wie die Einhaltung der gegebenen politischen Spielregeln, die harte Linie gegen Unerwünschte, sowie die zwanghafte Verrichtung von Oppositionsritualen.

Durch die Etablierung der Marionetten der Bundesparteien in den Studierendenparlamenten ist dieser Zustand nach unseren Berechnungen bis ins Jahr 2082 (100 Jahre Kohl, 87 Jahre rot-grüner AStA) vorerst festgeschrieben. Das Argument, gerade die direkten Beziehungen zu den Berufspolitikern ermöglichten eine sinnvolle Einflußnahme auf die Entscheidungsträger, dies insbesondere im hochschulpolitischen Bereich, erweist sich als Schuß in den Ofen.

Die hochschulpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre verweisen darauf, daß der strukturelle Widerspruch zwischen parteipolitischer Zugehörigkeit, und dem Anspruch, den Kürzungsparanoikern in Bonn zu opponieren, so er überhaupt noch besteht, nicht aufzulösen ist. Handelt es sich doch beim AStA vielmehr um eine Spielwiese für zukünftige Oberförster: die jeweiligen AStA-Oberen prüfen sich und ihre Gesinnung auf Politiktauglichkeit, wenn sie etwa ein selbstverwaltetes Studi-Cafe räumen lassen (KoZ-Krise von 1995 - leider ohne Schweinebucht-Desaster -) oder den Pre-Test der Gefahrenabwehrverordnung an der Uni durchexerzieren.

Heute kann wohl kaum noch ein Zweifel am Erfolg dieser Maßnahmen bestehen: Linke weg, Obdachlose weg, Flüchtlinge weg. Gleichzeitig jedoch ein klarer Punktsieg für die pluralistische Demokratie, der die Wiederherstellung von Rechtsstaatlichkeit und der Verweis auf die Legitimation ihres Handelns gleichermaßen am Herzen liegt. Politische Inhalte werden auf diesem Weg auch transportiert: Frei nach dem Motto "Ihr habt uns gewählt, also sind wir die, die handeln", läßt sich von der faden Kinderei bis hin zum Bulleneinsatz auf dem Campus alles legitimieren.

Doch das ist der Schnee von gestern. Das Einverständnis mit "diesem ganzen Scheiß" (Marx, Deutsche Ideologie) verdankt sich der neuesten Sachzwang-Religion, zu der mittlerweile alle konvertiert sind. Die Globalisierung der Köpfe überholt die Globalisierung der Ökonomie mit Lichthupe und Blinker links. Das genuin Politische wird zu Gunsten von "Sachzwängen" verworfen und als unvermeidliches Naturereignis staunend zur Kenntnis genommen.

Nicht anders bei der jetzt anstehenden Stimm-Abgabe:

Da enthält das studentische Wahlvolk sich vornehm, oder es bemüht sich ehrlich, dem an es gestellten Anspruch zu genügen, einen Vertreter seiner Interessen zu bestimmen. Da kommt es dann zu kuriosen Begründungen für den Wahlakt, die so folgenreiche Tat, z.B. "ich habe Frauen gewählt", oder "ich habe den oder die gewählt, weil er oder sie aus meinem Fachbereich ist". Zunehmend erfolgreich ist jedoch anscheinend, wenn man die letzten Wahlergebnisse betrachtet, die Wendung "Wähl ich sonst auch immer SPD/CDU/Grüne/(jetzt doch nicht neu: PDS), dann hier auch". Alle diese Begründungen sind leidlich hanebüchen, aber das müssen sie auch sein, denn der Wahlakt selbst ist es. So verwirklicht sich die nette Nachahmung der großen Politik an den Unis endgültig auch auf Seite der Wählenden. Nicht nur unsere AStA-Oberen spielen große Politik, auch die, die sie wählen. Aber nolens volens ahmen die Studierenden auch noch weitergehend tagtäglich unter recht großen Mühen das nach, was sie unter Studierenden verstehen, wenn der vermeintliche Karriere-Student (Studiosus Deppus Maximus), eine ohnehin tragikomische Rolle, die an ihn herangetragenen neuesten Repressalien und Reglementierungen in vorauseilendem Gehorsam als Herausforderungen begreift. Wer sich selbst, frei nach dem Motto "Die Hölle sind die anderen", ausschließlich auf der Gewinnerseite wähnt, überschlägt sich folgerichtig in der Forderung nach noch mehr Restriktionen und Selektionsverfahren im Studium.

Die Karriere als Zweck des verachtenswerten Studidaseins ist schon längst zur Farce geworden. - gestern war sie noch eine Tragödie. (frei nach Hegel) Der Karriere-Studiosus Deppus Maximus entbehrte auch in besseren Zeiten nicht einer gewissen Lächerlichkeit. Heute aber ist der Wunsch, nach dem erfolgreichen Studium in hochdotierte Positionen zu kriechen, nicht mehr als die Offenbarung des Realitätsverlustes delirierender Phantasten.

"Ja, so scheint das alles zu sein, `doch die Welt kann mich nicht mehr verstehen´" (Tocotronic), sprach der Analytiker und wurde vom Erboden verschluckt.

"Revolution hört in dem Augenblick auf zu existieren, wo es nötig wird, sich für sie opfern zu lassen."

Radikaler Spaß, die permanente Party, und der Anspruch, sich unter keinen Umständen zu langweilen, scheinen die Worthülsen zu sein, die noch immer auf ihre inhaltliche Füllung, auf ihre Überführung in die Praxis warten. Gegenwärtig erleben wir hingegen, wie auch hier an der Uni für das "Recht auf Party" mobilisiert wird, die Möglichkeit, sich Samstags auch mal ein bißchen Utopie zu gönnen, inklusive sonntägliches Ausschlafen natürlich. Die Verteidigung des Schonraums der tollen Freizeit (die coole Party als unser spezifischer Naturschutzpark) wird so im besseren Fall zum reformistischen Aufbegehren gegen eine Politik, die freilich nur einen anderen Schonraum zur Reproduktion der Arbeitskraft will, nämlich die Ruhe des Bürgers. Und die gilt es zu zerschlagen! Wie auch die Uni und alles überhaupt.

Die Utopie vergangener Kunst-Avantgarde-Bewegungen, die Kunst im Leben aufzulösen, die Trennung zwischen Leben und Kunst, die letztere ursprünglich überhaupt erst ermöglichte, endgültig aufzuheben, wird von dem oben beschriebenen Party-Konzept nicht mehr mitgedacht, geschweige denn in die Praxis überführt. Das macht aber nichts, denn das erledigen wir, nachdem wir als gewählte Vertreter der Studierenden die Klausurensammlung verbrannt und das Mensa-Essen mit LSD vergiftet haben.

Viva sinistra!