(un)endlich sicher!

die verschärfung der praxis des privaten sicherheitsdienstes an der uni war anlaß, sich mit der problematik der sogenannten "inneren sicherheit", im uni-bereich aber auch im im urbanen raum insgesamt einmal etwas näher zu beschäftigen. es sollen fragen aufgeworfen werden, um den hegemonialen sicherheitsdiskurs, wie er von den politischen (bürgerlichen) parteien und den (ebenfalls bürgerlichen) medien geführt wird, ein wenig anzuknacksen, im idealfall zu durchbrechen. dieser artikel erhebt keinen anspruch darauf, das letzte wort zu sprechen, sondern stellt vielmehr einen beitrag zur diskussion der oben genannten problematik dar.

"die universität ist kein aufenthaltsort für jedermann"

in den semesterferien zwischen sose 99 und wise 99/00 wechselte die uni-leitung den sicherheitsdienst und stattete ihn mit weitreichenden befugnissen aus. grundsätzlich sollen die mitarbeiter der firma nobis die hausordnung auf geheiß des uni-kanzlers busch und präsidenten meißner durchsetzen. dieses soll mittels massiver präsenz, kontrolle und überwachung erreicht werden. im genannten zeitraum ist es nahezu unmöglich geworden, an der uni einen platz zu finden, an dem die leute des sicherheitsdienstes nicht präsent waren. als beispiel mögen die patroulliengänge durch die mensen dienen. fallen ihnen bei den gängen personen auf, die nicht dem "normalen studierenden" entsprechend aussehen, soll eine kontrolle feststellen, ob diese eine "aufenthaltsberechtigung" für den raum der universität besitzen. handelt es sich z.b. um obdachlose, die sich in den gebäuden nur einmal aufwärmen, erhalten sie ein vom präsidenten meißner unterschriebenes hausverbot, da sie angeblich die "funktionsfähigkeit" des uni-betriebes stören. die kontrollen von studentinnenausweisen wurden nach einer intervention des asta beim kanzler busch zwar offiziell untersagt, allerdings mit der einschränkung, nur die ausweise von studierenden nicht kontrollieren zu dürfen. wie studierende nun aber äußerlich zu erkennen sein sollen, bleibt wohl das geheimnis der uni-leitung. dem dienstauftrag kann des weiteren entnommen werden: "bewachung und sicherung der jwg-universität und den darin befindlichen personen..." "überwachung von besuchern, mitarbeitern und verdächtigen..." die funktion des objektschutzes beinhaltet die prävention von "schmierereien" und wildem plakatieren, d.h. die uni soll `sauber´ bleiben. ebenfalls in das bild der sauberen uni paßt die repressive praxis gegenüber menschen, die nicht in eben dieses bild passen.

das bild der sauberen uni

die oben genannten maßnahmen sollen ein bestimmtes bild von universität real durchsetzen. nach dem motto "unsere universität soll schöner werden" wird versucht, den lehr- und arbeitsablauf ökonomisch zu perfektionieren, wonach alles, was die funktionalität irgendwie stören könnte, abzuschaffen, zu vertreiben und zu beseitigen ist. diese entwicklung ist nicht ganz neu; so sollte schon vor einigen semestern der campus eingezäunt werden, um auch optisch die universität von der außenwelt abzuschotten. dieses vorhaben wurde aber aufgrund von geldmangel fallengelassen. so wird auch die geplante chip-karte für studierende nur aufgrund von finanzierungsproblemen noch nicht für alle eingeführt. dennoch wird es – zunächst auf "freiwilliger" basis – eine für studierende des fb 02 (warum wohl gerade hier?) geben. ebenfalls mißfällt der "durchschleusungs- und selektionsuniversität" ein personenkreis, der sich durch ausländisches erscheinungsbild verdächtig macht. besonders studierende afrikanischer herkunft dürfen sich seit diesem semster auch hier vermehrt unverschämte fragen über sinn und zweck ihres aufenthalts auf dem uni-gelände gefallen lassen. diese menschen werden als potentielle dealer wahrgenommen, die die fleißigen studierenden von ihrer arbeit abhalten und sie zu unproduktivem drogenkonsum verleiten.(zur konstruktion des feindbildes dealer wurde schon genug geschrieben, so daß wir uns hier auf diesen kurzen hinweis beschränken.)

das szenario ständiger bedrohung im urbanen raum

seit dem wegfall des äußeren feindes vor rund zehn jahren ist in der bürgerlichen öffentlichkeit vermehrt von einer inneren bedrohung zu hören. neben den "großen" feindbildern organisierte kriminalität, internationaler drogenhandel etc. werden im hegemonialen sicherheitsdiskurs bestimmte gruppen von menschen zum "sicherheitsrisiko für den standort deutschland stilisiert. [...] durch zonierung und privatisierung der innenstädte werden die interventionszwänge weiter organisiert und verschärft. kriminalisierung und sicherheitsdiskurs definieren die feinde der öffentlichen sicherheit und stellen sie zugleich her – ob als bettler und obdachlose in den innenstadtzonen und halbprivatisierten räumen, oder als nicht aufenthaltsberechtigte flüchtlinge etc." d.h., menschen, die durch das "soziale netz" durchgefallen sind, also als opfer der politik und ökonomie ihr leben quasi außerhalb der gesellschaft auf die reihe kriegen müssen, werden zu potentiellen straftätern stilisiert; es wird in ihnen ein ständiges bedrohungspotential der öffentlichen ordnung gesehen, welches den interventionszwang der repressionsinstitutionen legitimieren soll. und mit eben diesen "außenseitern" wird druck auf all jene ausgeübt, die im sozialen mainstream halt, sicherheit und soziale gemeinsamkeit suchen und sich nicht zu ausgestoßenen randgruppen wie fremden, sozialhilfeempfangenden, obdachlosen und behinderten zählen möchten. dieser mechanismus der integration (das dazu-gehören-dürfen) kann von dem der desintegration (ausgestoßen/illegalisiert werden) nicht getrennt werden, da der produktion eines "wir – gefühls" die konstruktion abweichender subjekte als feinde der gemeinschaft immanent ist. dabei treten real strafbare handlungen in den hintergrund und abweichendes verhalten wird per se als potentiell kriminell stilisiert. "die schnelle und spürbare reaktion von polizei und justiz bei abweichendem und strafbaren verhalten gehört zur erziehung..."

herstellung von delinquenz

um das massive auftreten von polizei, privaten sicherheitsdiensten und anderen kontrollgruppen in der öffentlichkeit zu rechtfertigen, wird ehemals straffreies verhalten zur gesetzwidrigkeit oder gar straftat erklärt. so ist das "lagern in der öffentlichkeit" (verbunden mit alkoholkonsum) zu einer ordnungswidrigkeit geworden, was insbesondere in den innenstädten mit ihren großen konsumzonen zur systematischen vertreibung von obdachlosen und junkies führt. das behaupten einer angeblichen "geschäftsschädigung" seitens der ladeninhaber reicht hier offenbar bereits aus, elementare bürgerrechte auszuhebeln.

die sicherheitskonzepte der staatlichen institutionen

a) die pläne des hessischen innenministers volker bouffier

die jetzt zu beschreibenden vorhaben des hessischen innenministeriums sind teilweise schon gängige praxis, teilweise noch nicht umgesetzt, aber schon in vorbereitung. so wird die sogenannte schleierfahndung schon praktiziert. schleierfahndung meint eine verdachtsunabhängige kontrolle von personen durch polizei und bundesgrenzschutz (bgs). durch die erweiterten kompetenzen des bgs in einigen städten – wie etwa frankfurt – kann mensch faktisch von einer (im übrigen verfassungswidrigen) bundespolizei sprechen. des weiteren wurde das vorbeugegewahrsam von 24 stunden auf sechs tage verlängert. d.h., ohne eine straftat begangen zu haben, hat die polizei das recht jeden sechs tage lang festzuhalten. ebenfalls ausgebaut werden soll die überwachung von öffentlichen räumen durch videokameras. vorbild scheint dafür london zu sein, wo schon 95% des öffentlichen raumes videoüberwacht sind. so weit gehen die pläne in hessen (noch) nicht. überwacht werden sollen – vorerst – sogenannte "gefährliche orte", an denen sich potentiell kriminelle (oder solche in die ein solches potential hineininterpretiert wird) versammeln. die wirkung soll die verhinderung strafbarer handlungen an diesen orten sein. daß dadurch aber die menschen an diesen orten nur veranlaßt werden, den ort zu wechseln, falls sie wirklich strafbare handlungen begehen, gibt den verantwortlichen im innenministerium den handlungsbedarf weitere orte durch videokameras überwachen zu lassen, so daß schleichend eine rund-um-die-uhr komplettbewachung und kontrolle der stadt und aller in ihr lebenden menschen eingeführt wird. ein weiterer vorschlag ist die videoüberwachung von schulhöfen. dieses soll zwar nur in abstimmung mit den lehrerinnen und eltern geschehen, geht aber in die gleiche richtung, d.h. daß in schülerinnen per se ein kriminelles potential gesehen wird. (als legitimation für solche gedanken werden immer massenhafte fahrraddiebstähle angegeben.) doch wie das zitat von schily/glogowski (s.o.) schon erkennen ließ, kann und soll damit auch von der norm abweichendes verhalten kontrolliert und sanktioniert werden. den höhepunkt dieser entwicklung zur totalen kontrollgesellschaft markiert die angedachte freiwillige polizeireserve, also die faktische einführung einer bürgerwehr. dies könnte dann durchaus als eine neuauflage des faschistischen blockwartsystems gesehen werden. es ist auch nicht schwer, sich vorzustellen, was für eine gesinnung menschen haben, die sich freiwillig für eine solche "polizeireserve" melden.

b) community-policing

das konzept des community-policing sieht eine verstärkte kooperation verschiedener institutionen und den bürgerinnen in den gemeinden vor. d.h., bürgerinnen werden aktiv in die durchsetzung der öffentlichen sicherheit und ordnung (bzw. der hegemonialen ansicht wie diese auszusehen hat) mit einbezogen: zum einen als informantinnen (denunziantinnen) und zum anderen als aktive in der verhinderung von straftaten. dazu rufen auch jetzt schon kampagnen wie "gewalt – sehen – helfen" etc. auf. "die gemeinsamen bemühungen um eindämmung der kriminalität vor ort können zu unterschiedlichen präventiven oder repressiven strategien führen, die von maßnahmen der technisch-situativen prävention wie zum beispiel der verbesserung der straßenbeleuchtung [...] bis zu nachdrücklichen polizeilichen maßnahmen zur aufrechterhaltung der öffentlichen ordnung oder nachbarschaftswachen führen." konkret heißt dies, daß menschen, die die "öffentliche ordnung" stören, und dies müssen ja wie gesehen keine straftäter sein, vertrieben werden sollen. weitergehend gibt es in der stadt frankfurt eine sogenannte sicherheitspartnerschaft zwischen der örtlichen polizei und mehreren privaten, kommerziellen sicherheitsdiensten. d.h. es gibt einen regen datenaustausch über verdächtige und straffällig gewordene personen zwischen polizei und privaten. daß dabei nicht unbedingt auf den datenschutz geachtet wird, kann mensch sich denken. private und polizei helfen sich also gegenseitig bei der verfolgung verdächtiger personen. außerdem existieren runde tische zur kriminalitätsbekämpfung. dort werden unter beteiligung von behörden, polizei, privaten institutionen und privaten sicherheitsfirmen kontrollkonzepte entwickelt und abgesprochen. ziel ist letztlich die lückenlose überwachung der stadt, damit auffälliges (nicht unbedingt strafbares) verhalten sofort beantwortet werden kann.

fazit

abschließend stellt sich die frage, warum solche konzepte angestrebt werden und vor allem, warum sie weitgehend akzeptiert werden. ein grund für die breite akzeptanz dieser überwachungen und kontrollen fast aller lebensbereiche, ist die persönliche angst, den halt im eigenen umfeld zu verlieren und zu den "deklassierten" zu zählen. noam chomsky sieht diese angst bewußt von den herrschenden geschürt: "zunächst einmal muß man dafür sorgen, daß sie nicht merken, daß da etwas verkehrt läuft und sich nicht etwa einfallen lassen, etwas dagegen zu tun. die beste art, das zu erreichen, war schon immer, sie dazu zu bringen, sich gegenseitig zu hassen und zu fürchten. jede auf zwang aufgebaute gesellschaft verfällt sofort auf diese methode. und das thema der kriminalität eignet sich dafür geradezu perfekt. also bringt man die leute dazu, sich über die kriminalität sorgen zu machen und nicht über die tatsachen, daß ihre löhne nach unten gehen und daß andere leute sich auf ihre kosten bereichert haben. man suggeriert ihnen, sie müssten sich ständig dagegen zur wehr setzen, von irgendwelchen ghettojugendlichen ausgeraubt oder von sozialhilfemüttern, die ein kind nach dem anderen kriegen, ausgeplündert zu werden. das ist eine technik der sozialen kontrolle. "durch die ökonomischen transformationen der letzen jahre, die u.a. dadurch geprägt sind, daß immer mehr menschen in prekäre arbeitsverhältnisse gedrängt werden, ist diese technik der sozialen kontrolle eine entscheidende für den machterhalt, bzw. für den relativ ungestörten umbau der gesellschaft. dabei spielt auch die individualiserung der schuld an arbeitslosigkeit eine große rolle, um von den eigentlichen ursachen der misere abzulenken. wenn menschen, die noch arbeit haben, die schuld für die anwachsende armut den ausgeschlossenen selbst geben und immer wieder vollkommen überzeugt die alte reaktionäre weisheit nachbeten, daß wer arbeiten will auch arbeit finde, dann ist die oben genannte technik perfekt zur entfaltung gekommen. daß dann menschen, die keine arbeit, kein obdach haben oder sonstwie aus der gesellschaft herausfallen leichter als die schuldigen ausgemacht werden und daß dann in dieser argumentation auch eine legitimation enthalten ist, ja sogar eine notwendigkeit behauptet wird, diese zu vertreiben, bzw. einzuknasten oder zwangsarbeiten zuzuweisen, lässt diejenigen, die noch zum zentrum der gesellschaft gehören näher zusammenrücken. der schritt zur akzeptanz einer lückenlosen überwachung (selbst der eigenen person) ist dann nur noch ein ganz kleiner. der prozeß der entsolidarisierung geht damit hand in hand und tut sein übriges. d.h. es wird leichter, andere ohne gewissensbisse zu denunzieren. große, grundlegende unterschiede bei den parteien sind nicht zu erkennen. die forderung nach ausdehnung der kontrollmaßnahmen – sei es durch direkte überwachung oder durch einbindung der für den kapitalismus überflüssigen in scheinarbeit, arbeitswarteschleifen, arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und dergleichen mehr – ist parteiübergreifend. allenfalls, wenn überhaupt, ein bißchen polizei mehr hier und ein bißchen mehr sozialamt dort, unterscheiden noch die konzepte von konservativen und "neuer mitte". tendenziell geht die entwicklung, orientiert am vorbild der usa, in richtung "zonierter städte", so daß irgendwann, in nicht allzu ferner zukunft gänzlich von privaten sicherheitsdiensten abgesperrte und überwachte stadtteile entstehen werden.

die stadt gehört uns allen - die uni auch!!!

 

literatur:

detlef hartmann: metropolitane stadt und sozialer krieg, in: stadtrat (hg), umkämpfte räume, 1998

wolfgang haug/michael wilk: der malstrom - aspekte anarchistischer staatskritik, 1995

david barsian: interview mit noam chomsky - der kampf um größere bewegungsfreiheit im käfig, in: schwarzer faden 2/99 (nr. 68), grafenau

cdu-homepage (www.cdu.de)

otto schily/gerhard glogowski: den rechtsstaat stärken - den inneren frieden wahren - die innere sicherheit gewährleisten, (www.bundesregierung.de)

gewalt-sehen-helfen, anonymes flugblatt am fachbereich 03, uni ffm

tuca-info 99, flugblatt des turmcafes am uni-turm