stadt.raum / wohn.raum / frei.raum

im dickicht der städte wehen unterschiedliche winde. blickt man abseits des staunens über die ansammlung von superlativen in die ritze und auf die widersprüche der ghettos und slums, steht der rauhe metropolensturm vor allem für soziale gegensätze, die materiellen und geografisch sichtbaren klassenverhältnisse. die metropole steht seit den '80er jahren auch für ökologische ausbeutung. die fleissige schadstoffproduzentin mit ihrem flughafen samt dessen ideologie der permanenten expansion.

doch die konzeption der stadt hat auch andere visionen. am anderen ufer steht die aufklärerische polis als zivilisatorisches zentrum mit ihrem öffentlichen bildungsauftrag. in den '70er jahren schlug sich ein insistieren auf die reformfähigkeit kapitalistischer verhältnisse bis in die mikrokosmen der lokalpolitik nieder. in frankfurt zeigte sich das fortschrittsoptimistische motto "mehr demokratie wagen" nicht zuletzt in der kulturpolitik: das (gescheiterte) vorhaben, aus der zerstörten alten oper ein kulturzentrum mit dem damals jungen "sinkkasten" zu machen oder die enthierarchisierung des stadttheaters durch ein kompliziertes mitbestimmungs-regelwerk etc.

im anschluss an foucault bringt die stadt als produktive macht die universität hervor, in deren nicht-intentionalem schlepptau sich eine dissidente kultur eingenistet hat: kritische theorie, rebellierende subkultur und organisierte gegenöffentlichkeit, die in frankfurt gerade in den '20er, '60er und '70er jahren sprießen konnte.

in der sogenannten mainmetropole kann man auf engstem raum einkaufsmeile, bankentürme und rotlichtmilieu begehen: frankfurt. bankfurt. junkfurt. doch den verweis auf all die spannenden gegensätze der pulsierenden metropole findet man heute vor allem in selbstdarstellungsbroschüren der stadtverwaltung. es kann hier also nicht die beschwörung des bunten allerlei, des normativen pluralismus folgen. vielmehr soll hier die aktuelle neuausrichtung des städtischen skizziert und von den kämpfen um die stadt berichtet werden - verbunden mit einem plädoyer für die subversive aneignung von freiräumen, die sich einem revanchistischen topos entziehen.

<STADT>raum

"ich geh in die stadt und ich bin es leid
ich werde erschlagen von der bratwurstigkeit
sie kommen auf mich zu doch sie wollen mich nichts fragen
denn sie kriegen geld nur um mich zu verjagen"
[superpunk]

nach dem wegfall des realsozialistischen modells als feind der äußeren sicherheit und der auflösung des inneren "linken" terrorismus wurde in den '90er jahren eine neue etappe des sicherheitsdispositivs auf den weg gebracht. heute, wo die kommunalen sicherheitsanstrengungen sowieso auf ihrem bisherigen höhepunkt angekommen sind, ermöglicht die debatte um den islamistischen terrorismus nochmal ein viel größeres feld. die drastischen maßnahmen zur "inneren sicherheit" sind derart tiefe einschnitte in bürgerliche freiheitsrechte wie man es vor dem 11. september niemals - zumindest nicht in diesem tempo - hätte durchsetzen können. trotzdem soll es im folgenden um die auswirkungen städtischer sicherheitsdiskurse gehen.

aufgrund der standortkonkurrenz der deutschen großstädte folgen öffentlichkeitswirksame aufwertungskampagnen, um die attraktivität bei investor/innen zu steigern. die maßnahmen umfassen alles von "weichen standortfaktoren" wie verkehr, freizeit- und kulturelle angebote über "entflechtungen" von bürokratie und verordnungen (z.b. zur wohnraumzweckentfremdung, hochhausrahmenplan) und städtebauliche veränderungen bis zu rein repressiven instrumenten.

zunächst sollen wohlfahrtsstaatliche ämter (bsp. braubachstraße) aus der innenstadt oder bordelle und junkie-fixpunkte (allerheiligenstraße) in vorgesehene toleranzzonen (bahnhofsviertel) ausgelagert werden. zudem bedeutet die aufwertung wie im fall der hanauer landstraße (mit dem bau der europäischen zentralbank und der goldmann-projekte) eine deutliche anhebung der mieten und somit die schleichende vertreibung sozial schwacher aus ihrem zu hause. dies stellt eine klare absage an eine sozial gemischte stadtkonzeption dar.

diejenigen, die dennoch in der city schnorren, betteln, anschaffen, sprayen, dealen, größere mengen alkohol konsumieren oder einfach nur in bauwägen statt doppelhaushälften wohnen, werden kurzerhand zu "gefährlichen gruppen" erklärt. der sicherheitsdiskurs stilisiert sie zum feindbild der gesamten stadtgesellschaft. die städtischen kampagnen nennen sich sicherheitsoffensive, gefahrenabwehrverordnung, oder public-private-partnership. sie reichen von der privatisierung öffentlicher räume oder dem repressiv ausgeübtem hausrecht in de facto öffentlichen räumen wie hochschulgeländen oder bahnhöfen bis zur zwangsdeportation obdachloser von der zeil in die ostpark-container.

die disziplinierende reglementierung hat ihren sozial-integrativen anspruch als leere rhetorische hülle zurückgelassen und dient lediglich noch der selektion und ausgrenzung sozial marginalisierter, die den gesellschaftlichen normierungsanforderungen em ehesten erliegen. ein einfaches beispiel ist das kürzlich erlassene rauchverbot an bahnhöfen: der bänker kann zum rauchen in die db-lounge jetten, die straßenhure, die bisher dort ihren arbeitsplatz hatte, nicht.

dies ist die notwendige schattenseite von schillernden erlebniswelten wie dem geplanten urban entertainment center. die zahlreichen beispiele wie berlin, bremen oder oberhausen, in denen derartige konsumparks verwirklicht wurden, haben nicht nur gezeigt, dass attraktivität und nachfrage unter den erwartungen der stadtplaner/innen bleiben. sie gehen einher mit offensiven vertreibungsaktionen gegen sogenannte randgruppen und subtileren normierungstechniken für alle. doch auch jenseits der shopping-malls kann man sich im öffentlichen raum auf weiteres gefasst machen. es ist zur zeit alles andere als transparent, was beispielsweise in den umbruchsgebieten auf der hanauer landstraße, in der allerheiligenstraße, im unigebiet bockenheim, im rebstockgelände oder im europaviertel genau passieren wird. und was im zuge der olympia-bewerbung und der fußball-wm an kollektivem kehraus so unter den roten teppich gerät, kann man bisher nur vermuten.

<WOHN>raum

"möchtet ihr hereinkommen in meine kleine welt?
dann schuhe ausziehen, wie ich es verlang'."
[die goldenen zitronen]

privatisierung und ausgrenzung führen dazu, dass sich die lage auf dem wohnungsmarkt wieder verschärft. und dass meistens jüngere alternative lebensweisen ohnehin benachteiligt werden, ist nichts neues. die stadt verhält sich dem trend entsprechend. sie zielt auf vertreibung der bauwagensiedlung rödelheim und des wal-projekts michael-barrax. sie zwingt mieter/innen gegen ihren willen, aus den städtischen arbeitersiedlungen auszuziehen, um diese abzureissen. sie lockert die verordnung gegen die zweckentfremdung von wohnraum zu büros, eine erkämpfte errungenschaft als spätfolge des häuserkampfs. es ist so gut wie unbekannt, was aus den gründerzeitvillen im teuren westend wird, die bis zum frühjahr 2001 die kleinen uni-institute beherbergten. sicher ist nur, dass die uni-leitung sie nicht an studierende, junge familien oder wohnprojekte vermieten oder verkaufen wird.

der trend geht in eine andere richtung. das intendierte verwischen der grenzen von arbeit, wohnen und freizeit durch sog. erlebniswelten findet in frankfurt widerhall im urban entertainment center oder am deutschherrenufer. der filofax der appartment-bewohnerin könnte für den morgigen tag folgendes anzeigen: nach dem frühstück zur bürobesprechung im nebengebäude, luxury-lunch im 12. stock, danach zum coiffeur in die passage, wieder hoch ins office und anschließend ins parterre zum musicaltheater - oder doch lieber ins wellnesscenter nebenan? diese art de vivre wird ideell und materiell von öffentlichen stellen stark gefördert. nicht nur aus prestigegründen, sondern um potente pendler/innen wieder vom wohlhabenden umland zurück in die innenstädte zu locken und sich steigender steuereinnahmen erfreuen zu können.

<FREI>raum

die welt in der wir leben
die stadt in der wir leben
die straße in der wir leben
das haus in dem wir leben
die wohnung in der wir leben
das zimmer in dem wir leben
das bett in dem wir leben
[andreas neumeister]

als reaktion auf die veränderungen der innenstadt- und wohnungspolitik haben sich seit einigen jahren verschiedene junge widerstandsformen gebildet, die jenseits von traditionellen bürgerinitiativen von sich reden machen. spontiesquer widerstand gegen leerstehende häuser, wohungsspekulation und mieter/innengängelung ist mit traumatischen erlebnissen für die stadtgesellschaft verbunden: der mythos des sponti-häuserkampfs (der vor nicht all zu langer zeit einen außenminister fast zu fall gebracht hätte) ist noch nicht endgültig verarbeitet.

auch igl21 wusste um dieses trauma. die aktion der initiative für gemeinsames leben im 21. jahrhundert vermied das wort 'besetzung'. anfang september organisierte sie eine wiederbelebungsaktion für die seit über zwei jahre leerstehende gründerzeitvilla in der schumannstraße. für ein wochenende wurde der patient aus dem koma geholt. ein "alpha-team" in arztkitteln und o.p.-masken bot ein kinderfest, eine bingo-show, filmabende und disco. und bei so viel konfetti-atmosphäre blieb polizei und eigentümer, das bundesvermögensamt, nichts anderes übrig, als das bunte treiben gewähren zu lassen - wenige schritte entfernt von der sog. spontivilla, dem ort, an dem in den wilden siebzigern... ach, lassen wir das.

einige wochen später hatten die igl-aktivist/innen weniger glück. als "delta-team" versammelte sich ein bunter mix aus initiativen auf einladung des mieterbündnisses in der voltastraße. die alte arbeitersiedlung der städtischen abg holding in der nähe des westbahnhofes steht kurz vor dem abriss. gegen den willen der mieter/innen sollen dort neue wohnungen entstehen. doch die siedlung ist nicht nur in gutem zustand, sie ist eben auch ein stadthistorisches dokument der arbeiterbewegung. während sich seit längerem in allen schichten altbauten dieser art neuer beliebtheit erfreuen, entsteht - gerade im öffentlichen wohnungsbau jenseits der innenstadtfassaden - weiterhin architektonische einfalt. neben einem mieter/innenfest im innenhof wollten die delta-bau-leute in bauarbeiter/innenmontur zeigen, was man noch aus diesen häusern rausholen kann: ein café, hausaufgaben-raum für die kinder, partyraum uvm. brachte wieder leben in den leerstehenden teil der siedlung. doch bereits am zweiten tag liess die abg mit riesigem polizeiaufgebot das haus räumen und die leute abführen.

diese aktionen sind die jüngsten beispiele für subversiven widerstand im stadtraum. bereits 1997 kritisierten die innenstadtaktionen privatisierung, vertreibung und ausgrenzung durch vielfältige, dezentrale aktionen. seitdem gestalten illegale parties um die nachttanzdemo / street re.public den öffentlichen raum der nacht zu temporären autonomen zonen um. doch neben den verschiedenen kurzzeitigen anarcho-hedonistischen besetzungen ist festzustellen, dass es mit festen zentren wie dem exzess sehr mau aussieht. von so etwas wie gegenöffentlichkeit ganz abgesehen. illegale oder lediglich tolerierte räume wie der kunstraum oder das kuz an der schönen aussicht geraten längst in vergessenheit. die zeit der besetzten häuser, der sprießenden kulturzentren ist zumal seit 20 jahren vorbei - und das ist in anbetracht eines leicht ins regressive umschlagenden szene-miefs nicht mal das allerschlechteste.

angesichts der übermacht von offizieller politik, investierendem kapital und sicherheitsapparat erscheint der widerstand trotz des kreativen potenzials wie das hilf- und wirkungslose zerkratzen von luxuskarossenlack mit dem schlüssel des geliehenen zweitürers durch sympathische sozialneider. und gerade deshalb wählen wir nicht den umweg über bieder deutsche bürgerinitiativen oder bisher-noch-dagegen-parteien. wir ziehen die hedonistisch-subversive karte, gehen direkt über los und hoffen darauf, uns nicht ins gefängnis begeben zu müssen. die zeit ist reif für weitere stadtraumzweckentfremdungen: temporäre parties, besetzungen des tatorts innenstadt, gegen-unis in ex-instituten ohne zulassungsbeschränkungen für studenten und professorinnen. und ja, ihr süßen nachtschwärmerinnen, eifrigen politniks, ihr ewiges studentenpack, ungewollten untermieterinnen und weggeschickten schmalspurjunkies >> DIES IST EIN AUFRUF_________.

chris.

mehr/info___>> www.igl21.de | www.nachttanzdemo-frankfurt.de