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ivi-blog
INSTITUT FÜR VERGLEICHENDE IRRELEVANZ
POSITIONSDEBATTE

Vorweg ein paar bemerkungen zur struktur des positionspapiers. Der text ist durch regelmäßig stattfindende diskussionstreffen entstanden, die jeweiligen Kritiken wurden in copy-and-paste manier in den text integriert. das macht den text möglicherweise etwas schwierig zu lesen, die fiktive dialogform stellt den versuch dar, dieses defizit abzumildern. Die nicht-kursiven Absätze im serifen Schrifttyp stellen den Ursprungstext dar, der in den Diskussionen Absatz für Absatz auseinandergepflückt wurde. der Kulturteil hängt noch etwas unvermittelt dran...

wir haben diese form gewählt um ein höchstmaß an transparenz zu erreichen. wir wollen keinen unangreifbaren block produzieren, der durch perfektion abschreckt, oder uns als "oberchecker" stilisieren (was wir auch nicht sind), sondern die von uns geführten diskussionen in eine breitere öffentlichkeit tragen. zudem würde ein geschlossener text die internen differenzen verdecken, welche das ivi charakterisieren. dieses positionspapier ist also weniger ein fundament für politisches arbeiten, als eher ein aus stetigen diskussionsprozessen gerissener splitter – eine momentaufnahme als diskussionsangebot an alle die sich mit dem "Institut für vergleichende Irrelevanz" verbunden fühlen.

[als lesehilfe:

splitter – in dieser formatierung ist der urtext

splitter – in dieser die ersten anmerkungen

splitter – in dieser zusätzliche anmerkungen]

 

Splitter: für ein irrelevantes Positionspapier

an: kritische Frankfurter Studentinnen und Studenten; die Reste der revolutionären Linken; das unbekannte Subjekt, das eine Flaschenpost zu schätzen weiß.

Das Institut für vergleichende Irrelevanz (iVi) wurde während der studentischen Proteste im Dezember 2003 besetzt und wird derzeit von der Unileitung geduldet. Unsere Kritik erschöpft sich allerdings weder am Umbau des Bildungssektors noch an den gegenwärtigen Restrukturierungen der Sozialpolitik – im Zentrum unserer Kritik steht vielmehr die kapitalistische Gesellschaftsformation im allgemeinen und damit verbundene Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse. Mit der Besetzung des iVi erhält diese Kritik einen praktischen Ausdruck, indem wir die Eigentumsverhältnisse hinterfragen und den Raum in diesem Sinne öffentlich verfügbar machen. Der Anarchie der Märkte setzen wir bewußte und planmäßige Aneignung entgegen.

Ein wirklicher Affront, die Vorwürfe von verschiedenen Seiten hätten vernichtender kaum aus fallen können: verkürzte Kapitalismuskritik! Dies zum einen, da mit der starken Betonung der Distributionssphäre ("Märkte") lediglich eine oberflächliche Form der Erscheinung benannt werde. Damit blieben nicht nur die wesentlichen Ursachen von Ausbeutung und Unterdrückung ausgeblendet, die Argumentation rücke auch in gefährliche Nähe zu solch reaktionären wie der vom "raffenden" und "schaffenden" Kapital. Weiterhin suggeriere diese Formulierung die anderen wurde Kritik an der Fixierung auf das "Kapitalverhältnis" geübt, die zu sehr ökonomistisch bleibe und womit nicht alle gesellschaftlichen Unterwerfungsverhältnisse erklärt werden können. Vorschläge gingen in der Richtung, hier noch einige Sätze einzufügen, u.a. patriarchale Geschlechterverhältnisse und die Konkurrenz zwischen Lohnabhängigen zu benennen.

Der folgende Block ist ein Versuch dazu...
...Die Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse innerhalb des Kapitalismus basieren zwar auf Lohnarbeit, durchdringen darüber hinaus aber ebenso alle anderen Facetten des gesellschaftlichen Lebens.
[Dies gilt insbesondere für die patriarchale Geschlechterordnung, deren Ursprung der kapitalistischen Gesellschaftsformation zwar weit vorausgeht, die aber mit der Durchsetzung dieser einen maßgeblichen Wandel erfahren hat. So wurde die Gratisarbeit der "Hausfrau" als Gebärmutter, Erzieherin, Putzfrau, Köchin und Prostituierte - verrichtet unter der ideologischen Konstruktion "Liebe" - zum unentbehrlichen Komplement des fordistischen Fabrikarbeiters. Die bürgerliche Familie ist als Institution zu betrachten, mit der die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung als soziales Verhältnis ständig reproduziert wird, damit aber auch eine bestimmte Struktur der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, die nicht unmittelbar dem Wertgesetz unterworfen ist. Diese Thesen seien hier nur als weitere  Diskussionsanregungen erwähnt, bedürften noch einer Ausarbeitung aus Familien- soziologischer Perspektive.]
Die innerhalb des Staates bestehenden Grenzlinien zwischen (als weiblich gesetzter) Privatsphäre und (männlich dominierter) Politiksphäre sind historisch und kulturell zwar verschiebbar - sie lassen sich aber innerhalb des Staates nicht grundsätzlich auflösen, da die staatliche Absicherung des patriarchal-kapitalistischen Produktions- und Verwertungsprozesses gleichzeitig auch die bestehende Geschlechternormierung immer wieder aufs neue fest schreibt. Die Geschlechternormierung ist somit ein notwendig Falsches innerhalb der auf Lohnarbeit basierenden Gesellschaftsordnung.
Die Geschlechternormierung ist verwoben mit der Dynamik bzw. dem Leistungsprinzip, welches der Mensch innerhalb einer totalen und immer totaler werdenden Wertvergesellschaftung nahezu vollständig internalisiert hat. Der damit zum Ausdruck kommende gesellschaftliche Idealtypus ist in das Verhalten der Subjekte eingeschrieben: Rollenverhalten und unterdrückte Sexualität, Konkurrenzdenken und Leistungsdrang, Ausrichtung am gesellschaftlichen Schönheitsideal, gesellschaftliche Verhaltensnormen und geschlechterspezifische Erziehung markieren und entfremden die einzelnen Subjekte. Menschen, die sich einer eindeutigen Geschlechtsidentität (Frau oder Mann) verweigern, haben erhebliche Repressionen zu erleiden. Intersexuelle Kinder mit sowohl "weiblichen" als auch "männlichen" Geschlechtsmerkmalen werden zwangsoperiert und so in die herrschende Geschlechterordnung, die nur zwei eindeutige Geschlechter zulässt, gepresst. Sie müssen Frau oder Mann werden, dazwischen soll es nichts geben. Die Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit wirkt hier besonders fatal und ist Gewalt gegen den Körper. Zudem wird auf Grundlage des biologischen Körpers das sexuelle Begehren verordnet. Propagiert wird die Heterosexualität,Abweichungen von der Norm werden als "unnatürlich" abgetan. Sexualität und Geschlecht sind dagegen nicht als "natürlich" gegeben, sondern als Ausdruck einer historisch bestimmten, wandelbaren Gesellschaftlichkeit zu begreifen. Es gilt daher, die heterosexistische Matrix zu bekämpfen, ihre Negation und Dekonstruktion ist Voraussetzung für eine sexuelle Praxis jenseits der Geschlechternormierung. Entweder gibt es viele Geschlechter oder keines!
[Diese dekonstruktivistischen Überlegungen sollten aber nicht dazu führen, den Blick und die Kritik an den konkreten Ausdrucksformen des Patriarchats zu verlieren. Wünschenswert wäre, dass die Menschen, die in den heutigen Verhältnissen leben, diese angreifen (Sexismus aller Formen bekämpfen) und sie verändern (Geschlechterverhältnisse persiflieren). Dies sollte gemeinsam laufen: individuelle und gesellschaftliche Emanzipation.]
… Auch in Anbetracht der Möglichkeit partieller, temporärer Emanzipation, ist eine individuelle umfassende Emanzipation innerhalb des wertvergesellschafteten Zusammenhangs nicht möglich. Die Totalität eben dieses Zusammenhangs ist es, welche gesellschaftliches Lebens im Sinne autonomer zwischenmenschlicher Beziehungen nahezu verunmöglicht und die Menschen im Grunde ihres Herzens unglücklich macht (schnief, heul……weinkrampf, fötusstellung, schlafen!).

An dieser Stelle zurück zum Vorwurf der verkürzten Kapitalismuskritik. diese ist zwar berechtigt, mit einigen Punkten der kritik bin ich aber so nicht einverstanden:
1) Die "totale Durchdringung" der Gesellschaft durch die Markt- und Verwertungslogik heißt keineswegs, daß diese in irgendeinerweise koordiniert oder gesetzmäßig verläuft, im Gegenteil: Die gesellschaftliche Produktion erfolgt privat und planlos, ihre Sinnhaftigkeit erweist sich immer erst in der Realisierung des Werts durch den Tauschakt. Verschärfend kommt hinzu, daß das Kapital generell dem Drang unterliegt, sich von lebendiger Arbeit zu befreien, auf die es als einzige Quelle des Mehrwerts doch angewiesen bleibt. Es ist eben eine total verrückte Gesellschaft, in der wir leben, bar jeglicher Rationalität.
2) In die gleiche Richtung geht die Frage, ob "Aneignung" nicht schon Eigentum voraussetze: m.E. geht es bei der Kritik am Eigentum immer um das an den Produktionsmitteln, mit dem zwar ein gesellschaftliches Mehrprodukt erzeugt wird, das aber privat angeeignet wird. Insofern ist die Aneignung des iVi eine Form von "Vergesellschaftung", eine Besetzung mit politischen Inhalten gegen die ansonsten sichere Privatisierung.

In Anbetracht der gegenwärtigen Hegemonie des neoliberalen Projekts und der damit verbundenen Kräfteverhältnisse sind wir uns dabei über den geringen Stellenwert bewußt, den unsere Initiative darin einnimmt.

Der Begriff des "Neoliberalen" zur Beschreibung der aktuellen Periode des Kapitalismus scheint im iVi ganz und garnicht konsensfähig. Unter Bezugnahme auf Stefans "Senf" wurde daran kritisiert, daß mit dem Akzent des "Liberalen" der gegenwärtige autoritäre Etatismus – die Ausweitung staatlicher Repressionsapparate wie die Verminderung immer schon beschränkter demokratischer Partizipationsrechte – vernachlässigt würde, während die Betonung der "Entfesselung der Märkte" in diesem Diskurs implizit wieder die Forderung nach einem starken Staat beinhalte bzw. die gegenseitige Bedingtheit der Sphären von Politik und Ökonomie ausblende. Für wichtig wurde befunden, die "Prozeßhaftigkeit" der aktuellen Phase zu betonen, um von verschwörungstheoretischen Konstruktionen eines zentral handelnden Subjekts wegzukommen.
Vorschläge in diesem Zusammenhang waren etwa: Rivalität um die staatlich-kapitalistische Krisenbewältigung.

Unter dieser Bedingung halten wir den Vergleich irrelevanter Bewegungen für einen angemessenen Versuch, Strukturen zu entwickeln, um mittelfristig wieder relevant in die herrschenden Diskurse intervenieren zu können.

Zum Versuch, den Begriff des "iVi" für interessierte Neugierige zu beschreiben, wurde formuliert, es gehe vor allem darum, das für relevant zu erklären, was in den herrschenden Diskursen als "irrelevant" ausgeblendet bleibe: z.B. Kategorien wie "Geschlecht", "Nation", "Klasse". Es scheint einen Diskus-Artikel i.d.S. zu geben, an dem wir uns hier verköstigen könnten.
Weiterhin gab es den Vorschlag, den "Normalbetrieb" (aus dem nächsten Absatz) hierher zu verschieben, um einen Übergang vom gesellschaftlich Allgemeinen zum Bezug auf die Hochschule zu schaffen.

Das iVi steht in einem engen Bezug zur Hochschule, nicht nur aufgrund der räumlichen Lage, sondern auch durch die personelle Besetzung (die sog. ivi-league im ehemaligen IEAS). Dies stellt insofern einen Widerspruch dar, als wir die Universität als einen Herrschaftsapparat begreifen, dessen zentrale gesellschaftliche Funktion darin besteht, durch Selektion Klassenverhältnisse zu reproduzieren und Arbeitskraft möglichst paßgerecht für den Verwertungsprozeß zu qualifizieren. Entsprechend versuchen wir mit dem iVi, die Hochschule als exklusiven Ort für Wenige aufzubrechen und Räume für kritische Theorie zu öffnen. Wir zielen damit weniger auf die Reformierung der bestehenden Institution, sondern wollen vielmehr die Perspektive ganz anderer Formen von Bildung eröffnen, die sich durch Offenheit und Selbstorganisation in Verbindung mit einer gesellschaftskritischen Theorie auszeichnen.

Zum bürgerlichen Begriff der "Bildung" wurde allgemein gefordert, tiefgreifender darauf einzugehen. Zum einen wurde dabei betont, daß die herrschenden Praktiken der konkurrenzbestimmten Aneignung von Theorie allenfalls so etwas wie Halbbildung lieferten, i.S. einer Anti-Halbbildung so etwas wie "Theoriebildung" zu formulieren. Zum anderen wurden die Widersprüche in den eigenen Strukturen betont: kritische Theorie als Option für eine bürgerliche Laufbahn, Straßenkampf als Sprungbrett in privilegierte Stellungen. Weiterhin die Kritik, das Papier vernachlässige insgesamt zu sehr die Verstricktheit der Einzelnen in eine gesellschaftliche Praxis, die kaum Raum für "Autonomie" zuläßt; auch in unseren Zusammenhängen werden Hierarchien und Formen von Herrschaft reproduziert; "Reflexion" dieser u.a. Widersprüche als notwendige Voraussetzung gesellschaftlicher Emanzipation.
Hier u.U. auch: Widersprüchlichkeit in der Entwicklung der kapitalistischen Vergesellschaftung: Einerseits stellt das humanistische Bildungsideal einen unverkennbaren Fortschritt dar im Vergleich zum starren Dogmatismus der Religionen; andererseits notwendige Voraussetzung zur Entfaltung der bürgerlichen Ideologie der Chancengleichheit.

Die inhaltlichen Auseinandersetzungen darum begreifen wir als ersten Ausdruck einer gemeinsamen Praxis, die wir als Gegenentwurf zur funktionalen, auf Normalisierung und Leistung gerichtetenStruktur der Hochschule setzen. Aus diesen Zusammenhängen versuchen wir, den Normalbetrieb zu stören – nicht nur an der Universität.

Den Normalbetrieb zu "stören" wurde als zu destruktiv kritisiert; dagegen vorgeschlagen: aufheben, unterbrechen, intervenieren, aufbrechen. Wichtig: gesellschaftliche Normalität insgesamt in Frage zu stellen. Dagegen stand der Einwurf, die herrschenden Diskurse sollten zerstört und destruiert werden. Viele Vorschläge, keine Lösung.

Das iVi ist nicht nur ein Gebäude, sondern darüber hinaus ein Raum im weiteren Sinne – ein Raum der permanent neu zu schaffen ist. Der Prozeß der Aneignung eröffnet Möglichkeiten zur Entwicklung einer Ästhetik fern jeden zweckrationalen Kalküls, mit der die institutionelle Zurichtung ansatzweise aufgehoben wird.

Die "Ästhetik" wurde als etwas zu abrupt und unvermittelt eingeführt befunden. Hinweis auf den Ursprung des Worts: aisthetiké – Wissenschaft vom sinnlichen Wahrnehmen, von der sinnlichen Erkenntnis. Durchbrechen der verordneten Trennung der Lebenssphären von "Arbeit" und "Freizeit", von "Freiheit" und "Notwendigkeit" – Zerstörung der Kunst, um sie in der Alltagspraxis aufzuheben: kochen, gestalten, putzen, diskutieren – morgens Fischerin, mittags Schreiner, abends kritische Kritikerin. Neue Kartographien erstellen, strategische Skizzen ent werfen usw.

Der Anonymität und Austauschbarkeit sozialer Beziehungen halten wir die Anerkennung der vereinzelten Einzelnen als Personen entgegen, ohne dabei auf "Gemeinschaft" zu setzen: In einer Gesellschaft, die in sich gespalten ist durch antagonistische Interessen und Lebenslagen, sind Vergemeinschaftungen immer verbunden mit der Konstruktion von Identitäten, mit der Herstellung eines "wir" durch äußere Feindbilder oder innere Dogmen, in denen die realen Herrschaftsverhältnisse verdeckt bleiben. Formen von "Solidarität" lassen sich dagegen allein im Prozeß sozialer Kämpfe (im Sinne von klassenkampf. also nicht nur barris bauen, sondern soziale kämpfe in allen gesellschaftlichen zwangsverhältnissen, z.B. arbeitsvertrag etc.) entwickeln.

Der Begriff "Solidarität" wurde allgemein abgelehnt. Einerseits aufgrund des militaristischen Ursprungs (in einer Reihe marschieren...), andererseits aufgrund der negativen inhaltlichen behaftung, welche durch den traditionellen gebrauch dieses begriffs in antiimperialistischen zusammenhängen wie linksruck usw. besteht, die sich mit allem und jedem "solidarisieren" an dem sich das label befreiung-der-völker anheften läßt. Wichtig vor allem: das iVi als Stützpunkt, solche Kämpfe führen zu können, ohne jeden revolutionären Pathos Formen von Kooperation und Kommunikation entwickeln zu können. Selbsttätige Aneignung der gesellschaftlichen Raum-Zeit zur Entwicklung "gesellschaftlicher Individuen", gegen den monadenhaften Konkurrenz-Individualismus, der sich nur in sozialen Kämpfen überwinden läßt.

Dabei muss aber immer reflektiert werden, dass in Deutschland soziale Kämpfe zum Nationalsozialismus geführt haben [das heißt nicht, dass die revolutionsversuche 1918 oder andere wirklich sozialrevolutionäre bewegungen direkt den ns hervorgebracht haben. doch trotzdem muss der ns als resultat von sozialen kämpfen verstanden werden, da der ns eben durchaus als eine deutsche soziale bewegung mit einem spezifischen antikapitalismus analysiert werden muss] und damit eine als spezifisch deutsch anzusehende Krisenbewältigung ins Werk gesetzt haben. Das IvI darf kein geschichtsloses Projekt sein, sondern muss immer, wie jede radikale Gesellschaftskritik, auf den Nationalsozialismus im Allgemeinen und die Shoah im Besonderen und ihre Wirkungen in der Gegenwart reflektieren. Somit darf der ‚Antisemitismus nach und wegen Auschwitz' nicht vergessen oder als Randphänomen betrachtet werden. [es ist schlicht eine absurdität, dass nach dem zivilisationsbruch auschwitz die deutsche nation weiterexistieren konnte und zudem auch noch fröhlich an den ns anknüpfen konnte, ohne für das unbegreifbare zur verantwortung gezogen zu werden, oder in den worten adornos: Der Gedanke, daß nach diesem Krieg das Leben "normal" weitergehen oder gar die Kultur "wiederaufgebaut" werden könnte - als wäre nicht der Wiederaufbau von Kultur allein schon deren Negation -, ist idiotisch. Millionen Juden sind ermordet worden, und das soll ein Zwischenspiel sein und nicht die Katastrophe selbst. Worauf wartet diese Kultur eigentlich noch?"] D.h. unter anderem, soziale Kämpfe nicht nur auf ihren ökonomischen ‚Gehalt', sondern gerade auf ihren politisch-ideologischen Inhalt zu betrachten und darin zu intervenieren. Form und Inhalt dürfen (gut hegelianisch) nicht getrennt gesehen werden. Auch in Hinblick auf die Formierung von Kern-Europa unter deutsch-französischer Führung (andere würden Hegemonie sagen) ist die spezifisch deutsche Geschichte und Lösung von Krisen immer noch virulent, da sich zudem ein immer offener artikulierter Nationalismus und Antisemitismus (nicht nur in Deutschland) zeigt.

K: Der Blick sollte aber auch auf Bewegungen nach 1945 gerichtet werden, da gerade die 68er für einen Bruch gesorgt haben. Ohne diese wie auch die nachfolgenden Bewegungen sähe Deutschland heute ganz anders aus und solche Projekte wie das IvI gäbe es höchstwahrscheinlich nicht.
M: dies mag teilweise stimmen, denn gerade die Grünen, aus den Bewegungen kommend, sind prädestiniert für die gegenwärtige Politik, d.h. die CDU hätte wahrscheinlich keinen Krieg mit einer "Auschwitz-Lüge" (Peter Gingold) anfangen können.
K: Trotzdem dürfen diese Bewegungen nicht vergessen werden, denn auch diese sind auf ihre Weise ein Teil der Gegenwart und wirken noch immer.

In diesem Sinne treten wir in Konflikt mit den herrschenden Institutionen und begreifen die Widersprüche und Spannungen, die sich in der praktischen Bewegung ergeben, als Chance, theoretische Erkenntnisse neu reflektieren zu können.[...]

"Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben wird. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt."

Wie verhängnisvoll es wäre, diesen Kampf
um die Kontrolle von Raum und Zeit
dem spontanen sich ergeben
zu überlassen –
Die wirklichen Widersprüche in
dieser komplexen Bewegung
zugunsten einer illusorischen
Einheit zu verpanschen.

Kommunismus, Kunst und Subversion

Kultur, Politik, etc. sind nicht klar voneinander trennbar. Genausowenig lassen sich die kulturellen Verhältnisse als bloße Reproduktion verstehen, sie sind unmittelbar Teil des Produktionsverhältnisses.
Verstanden wird Kultur im IvI bislang als eine Praxis von Hörspielen, Filmen, Parties und AGs zu verschiedenen Thematiken. Die einzige Praxis, die einen merklichen Unterschied zum gängigen Kulturbetrieb darstellt, ist, dass diese zum Nulltarif stattfinden oder der/dem Einzelnen nur eine kleine finanzielle Beteiligung abverlangen. Die einzelnen "acts" sind allerdings nur selten vom Anspruch getragen, das übliche Kultur- wie Konsumverhalten zu verändern zu versuchen.
Die Kunst ist schon lange tot, was machen wir nur mit den vielen Leichen von Madonna bis TAT?
Gerade die "alternativen" Kulturschaffenden wiegen sich in der Sicherheit, durch ihre differenten, oppositionell gegenüber dem Mainstream sich gebärdenden, Darbietungen und Performances wohne ihnen schon der gehörige Teil Gesellschaftskritik inne. Sie verkennen darin, das der postmoderne Differenzkapitalismus auf die ständige Verwohlfeilerung dieser Differenz setzt, muss er für seinen Fortbestand doch die Produktionsverhältnisse, und somit auch die kulturellen Verhältnisse fortwährend revolutionieren. Willkommen im Mainstream der Minderheiten. Im Sinne der Totalisierung der Wertvergesellschaftung bildet die Kunst/Kultur(produktion) einen ebenso integralen Teil wie die zwangsheterosexistischen Matrizen der Zweigeschlechtlichkeit. Kunst in diesem Zusammenhang führt sich selbst ad absurdum; soll Kunst doch immer über das Bestehende hinausgehen, und ... subversiv sein.
Postmoderne ProtagonistInnen von Lola Montez bis TAT ist vorzuwerfen, dass die Herrschaftsförmigkeit der postmodernen Beliebigkeint nicht mitgedacht wird, sie löst sich im rezeptiven Verblendungszusammenhang auf; die "ewige Wiederkehr des Immergleichen" (Adorno, Kulturindustrie).
Die Postmoderne ist halt auch nur eine weitere Verunmöglichung des Nicht-Identischen!
Die Frage stellt sich nun, wie mensch mit den gängigen Missinterpretationen von emanzipativer Kultur umgeht, Alltagskultur, -praxis und -erfahrung gegen den Alltag zu organisieren, oder nicht umkehrbare Situationen zu konstruieren. Aus der Alltagspraxis der Besetzung und den Erfahrungen daraus lässt sich eine "Besetzungskultur" ableiten, die als Gegenmodell der Verhältnisse gelesen werden kann.
Wie sind Versuche von herrschaftsfreier Kommunikation oder "individualisiertem Kollektiv" zu bewerten, etwa die Selbstorganisierung von Veranstaltungen, Konzerte, Parties, etc..
Ein zentrales Moment innerhalb von Kunst und Kultur ist das dialektische Verhältnis von Produktion und Rezeption, das durch das Form-Inhalt-Verhältnis vermittelt ist. Dieses Verhältnis ist notwendigerweise immer mehrfach gebrochen. Da es nicht möglich scheint sich ausserhalb dieses referenten Modells zu begeben, muss nun versucht werden ohne Krampf die Sphären von Produktion und Rezeption miteinander so zu vermitteln, dass sie theoretisch in eins fallen.
Also auch die Aufhebung von Passivem und Aktivem innerhalb der ästhetischen Form der Party, der Performance, des Vortrags, etc., wie Totalbeteiligung in Experimenten.
Das hieße die Verschiebung von der monologistischen narzißtischen ästhetischen Form zu einer dialogischen oder interaktiven. Das hieße auch das Kunstwerk/Performance/Konzert als Rezeptionstotalität von vorne herein zu verstehen.
Das heisst, "KünstlerInnen" denken den rezeptionsästhetischen Zusamenhang mit, er ist Teil des (Kunst)Produktes, die Kunst ist nicht narzißtisch.

[....to be continued...]