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gegen_uni 7: appropriate sixty eight
14. - 26.04.2008

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Nach 40 Jahren wird abgerechnet mit 1968 – dem Jahr, in dem sich offenbar außerirdische Kommunistennazis aufgemacht haben, das Land mit sinnlosem Terror zu überziehen.
Ein Anfang dieser neuen deutschen Geschichtsschreibung lässt sich nur schwer lokalisieren, liegt irgendwo zwischen Wende und Walser, zwischen Jugoslawien und Sommermärchen, zwischen rot und grün und Guido Knopp. Zum Startschuss für die aktuellen Debatten wurde Götz Alys Gleichsetzung der 68er mit den Nazis gemacht, und ein Ende ist nicht absehbar: Zu den abenteuerlichen Forschungsergebnissen gesellen sich die subjektiven Erlebnisberichte derer, die „dabei“ waren.

Die Ideologie dieser Gegenwart kommt so unideologisch daher, dass es schmerzt – erst kürzlich wurde Adorno zur hundertsten Wiederkehr seines Geburtstages sonntagsredend zu Tode gewürdigt. Wissenschaft wird auf Fakten reduziert, und jung-dynamische Exzellenzclusterbetreuer_innen deuten die Welt: „Auch Lichtgestalten der 68er wie Rudi Dutschke haben früh angefangen mit ihrem revolutionären Furor. Rudi war gerade 20, als er anfing, Mengele war 21, Heydrich 28, Speer 27“, tönte es bspw. in der Sendung Kulturzeit.
Mengele = 21
Dutschke =20
Dutschke = Mengele.
So der Syllogismus. Denken Ade, Subsumtion Ahoj. Nicht, dass nicht auch kritische Stimmen zu Wort kämen, aber im lockeren Brei des Mainstreams läuft das Ganze doch auf die Delegitimierung all dessen hinaus, was der herrschenden Eindimensionalität an Entwürfen entgegensteht. Ergebnis: 68 war eine notwendige kulturelle Intervention gegen den Mief der Adenauer-Ära, heute aber können wir Spaß haben und uns wohl fühlen in Deutschland…

Angesichts dieser Brechreizüberflutung war es vielleicht eine dumme Idee, im ivi einen weiteren Schwerpunkt zum Thema 68 zu veranstalten. Wenn es aber um mehr als eine historische Nabelschau geht – nämlich um die Bearbeitung der Gegenwart, die sich gerade aufarbeitungsweltmeistermäßig zur Sieger_in über die Geschichte erhebt –, dann könnte der Zeitpunkt kaum passender sein. Eine antiautoritäre Revolte ist jedenfalls ebenso überfällig wie 1968#1, nur eben ganz anders. Und in diesem Sinne verstehen wir die Gegenuni als einen Aneignungsprozess, mit dem wir uns v.a. unserer eigenen Geschichte nähern wollen.

>> Eröffnungsdiskussion: Montag, 14.04., 20h

#1 Mit Blick auf das Ausbleiben von „Schmierereien“ am IG-Farben-Haus sprach Uni-Präsident Steinberg jüngst von der „zivilisierenden Kraft der Ästhetik“ – gemeint ist freilich die disziplinierende Macht der Herrschaft. In diesem kurzem Zitat zeigt sich nicht nur die autoritäre Restrukturierung, sondern auch die Verdrängung der NS-Geschichte: Die ‚zivilisierende Kraft der Ästhetik’ kann anhand des vom IG-Farben-Konzern betriebenen KZ Auschwitz-Monowitz studiert werden.