Innenstadt-Kampagnen gegen Ordnungspolitik

In der ersten Juniwoche dieses Jahres fand in Frankfurt, wie in zahlreichen anderen Städten, eine "Aktionswoche gegen Sicherheitswahn, (rassistische) Ausgrenzung und Privatisierung" statt. Ausgehend von der Einschätzung, daß sich gegenwärtig auf städtischem Terrain Konflikte um die Zurichtung und Funktionalisierung von öffentlichem Raum auf Konsum und Geschäftsinteressen, sowie verschärfte Sicherheitspolitik, Drogenhysterie und Rassismus überschneiden und verdichten, stellte die Aktionswoche einen ersten Versuch dar,

  • den weitgehend durchgesetzten ordnungspolitischen Konsens zu stören, wonach öffentliche Räume nicht für alle, sondern nur mehr einer "attraktiven Öffentlichkeit" (so etwa die Deutsche Bahn AG) zugänglich sein sollen,
  • Ausgrenzung und Aufsplitterung aufzuheben, indem sich über die Aktionen Leute treffen, welche sonst individualisiert Repression erfahren oder wahrnehmen,
  • innerhalb der linken/ linksliberalen Öffentlichkeit diese Entwicklungen zu thematisieren und Anregungen zu geben für weitergehende Diskussionen,
  • den lokalen und kontinuierlichen Widerstand gegen diese Strategien zu stärken, bzw. für dessen Sichtbarkeit zu sorgen.
Die Initiativen aus den Bereichen Antirassismus und Antifaschismus, Drogenpolitik, Kunst & Politik und Stadtentwicklung sehen es als zentrales Moment des Sicherheitsdiskurses und der damit verbundenen Ausgrenzungen an, der Mehrheit der Gesellschaft Identitätsmodelle anzubieten: Durch rassistische Argumente vergemeinschaften sich die Deutschen; die Moralpaniken fixieren, wer und was ein anständiger Bürger ist und wer als eine diese Gemeinschaft bedrohende "gefährliche Klasse" konstruiert und exkommuniziert wird. Das Geschrei über Belästigungen auf der Zeil formiert die Gruppe der zahlungskräftigen NormalkonsumentInnen.
Seit diesem Sommer haben solche Entwicklungen und Konflikte in bisher nicht dagewesener Schärfe auch den Campus erreicht - Polizeikontrollen und -razzien "ausländisch" oder sonstwie verdächtig aussehender Menschen sollen nun neben den Hörsälen genauso selbstverständlich werden wie auf der Konstabler Wache. Seit Ende Oktober geben zwei zusätzliche Entwicklungen, die zeitlich parallel zum Streik verlaufen, dem ganzen den Charakter einer richtiggehenden Bockenheimer Law- and- Order- Kampagne:
Zum einen haben Vertreter verschiedener städtischer Behörden, sowie des Studentenwerks und der Uni- Verwaltung mal bei der StudentInnenvertretung vorgefühlt, ob noch weitergehende Maßnahmen wie die Einzäunung der Grünflächen hinter der Neuen Mensa auf studentischer Seite auf Akzeptanz stoßen, um ihr Sicherheitpaket dann doch ungestört von studentischem Unbehagen zu beschließen. Zum anderen veranstaltete die Frankfurter Rundschau am 27. November ein "FR- Forum" im Bürgertreff (sic!) Bockenheim, denn - so die Überschrift der Ankündigung - das "Treiben der Dealer alarmiert Bockenheim". Wo "junge Drogendealer" ungestört "zur Uni rüber schlendern" können, besteht natürlich dringender Handlungsbedarf!
In Zusammenhang mit dem Uni-Streik hat sich nun am Turm eine Streik- AG gebildet, die sich mit dem Sicherheitsdiskurs auf dem Campus genauer auseinandersetzt. Wird es möglich sein, die Streiköffentlichkeit für den Zusammenhang zwischen Seminarauslosungen und den gesamtgesellschaftlichen Ausschlußtendenzen zu sensibilisieren, oder wird in Zukunft auch auf dem Campus und bei den StudentInnen die soziale Panik davor, die direkte räumliche Nähe zu den "Parias" der Konsumgesellschaft "ausshalten" zu müssen, um sich greifen?

Innenstadt-AG Frankfurt
Kontakt:
c/o Zentrum
Hinter der Schönen Aussicht 11
60311 Frankfurt



zurück zum Seitenanfang Startseite mail an hibiskus