Mehr Selektion, weniger Demokratie - das neue HochschulrahmengesetzDie wahrscheinlich mit Zustimmung der SPD-regierten Länder
demnächst im Bundesrat verabschiedete Hochschulrahmengesetz-
Novelle (HRG) setzt den Weg des letzten HRG von 1985 fort: die
Ausrichtung der Hochschulen an Markt, Wettbewerb, verstärkter
Selektivität und hierarchischer Differenzierung. Zusammen mit der
rigiden Sparpolitik im Hochschulbereich und beim BAföG zielt diese
"Studienreform" auf eine effektive Senkung der
institutionellen Hochschulausgaben, die im Zusammenhang mit einer
Senkung des Preises für die akademisch qualifizierte Arbeitskraft
im Resultat von Dequalifizierung erfolgt. Damit erhöhen sich
individuelle Konkurrenz und Verdrängungswettbewerb auf dem
Arbeitsmarkt. Studienreform als kostenwirksame StudienzeitverkürzungMit dem neuen Hochschulrahmengesetz wird insgesamt eine straffere Studienorganisation mit obligatorischer Regelstudienzeit angestrebt, die von restriktiveren Elementen der Zwangsberatung und Prüfungsverdichtung (§14,15) bestimmt ist. Da im vorliegenden Gesetzentwurf zudem das Verbot von Studiengebühren fehlt, werden die Länder, die mit einer Einführung liebäugeln (Baden-Württemberg, Sachsen) und erste Elemente wie "Strafgebühren" und "Verwaltungsgebühren" bereits praktizieren, weiterhin freie Bahn haben. Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen Die Neufassung des § 19 ermöglicht die
Einführung eines ersten berufsqualifizierenden Abschlusses nach
sechs bis acht Semestern (Bachelor), dem ein darauf aufbauender
Masterstudiengang von zwei bis vier Semestern folgen kann.
Vordergründig wird diese an das angelsächsische
Studiensystem angelehnte Änderung mit Anforderungen wie der
besseren internationalen Vergleichbarkeit der Abschlüsse
erklärt. Diese de facto-Zweiteilung des Studiums wird aber zu
einer Entwertung des ersten berufsbefähigenden
Hochschulabschlusses und zu einer erhöhten Selektionsquote im
Hinblick auf darauf aufbauende Studienmöglichkeiten führen.
Aufschlußreich ist die im Referentenentwurf vorgenommene
Begründung für die Änderung des § 19:
"Außerdem erscheint die Annahme realistisch, daß ein
erheblicher Teil der Studierenden in Zukunft nach Erlangung des
Bachelorgrades die Hochschule verläßt und das nur ein Teil
der Absolventen die Option, nach einer Phase der Berufstätigkeit
einen Master zu erwerben, auch tatsächlich einlöst. In den
angelsächsisch geprägten Ländern verlassen etwa zwei
Drittel der Studierenden die Hochschule mit dem Bachelor." Auswahl der Studierenden durch die ProfessorInnen Die Änderung des § 32 Abs.3 ermöglicht es den
Hochschulen, in bundesweit zulassungsbeschränkten, durch die
Zentralstelle zur Vergabe von Studienplätzen (ZVS) regulierten
Studiengängen, sich 20 Prozent der Bewerber in eigenen
Auswahlverfahren nach den Kriterien "Eignung" und
"Motivation" (§ 32 Abs. 3 Nr. 2bb) selbst auszusuchen. Die
Gestaltung des Hochschulzugangs als durch ProfessorInnen vorgenommene
"Auswahl der Besten" ist eine konservative Uraltforderung,
deren Kehrseite immer das Lamento über die vielen
"Unbegabten" und "Unmotivierten" als Folge der
"Vermassung" des Studiums war. Diese Position wurde aus
anderer politischer Richtung, nämlich derjenigen neoliberaler
Deregulierungspolitik, in den letzten Jahren gestärkt.
Strategisches Ziel aller neoliberalen hochschulpolitischen
Positionspapiere ist die Ersetzung politisch garantierter
Bildungsbeteiligung, kurz: des "Rechtes auf Bildung" durch
eine individuelle Nachweispflicht persönlicher
"Eignung". Abschaffung der GruppenuniversitätDas derzeitige HRG schreibt in den § 61-66 die "Gruppenuniversität" (Regelung der Vertretung der Mitgliedergruppen und der Selbstverwaltungsorgane der Universität) als politisch konstruiertes Steuerungsmodell vor. Diese Paragraphen sind in der Novelle des neuen HRG ersatzlos gestrichen. Damit ist den Ländern grundsätzlich freigestellt, wie sie ihre Hochschulen organisieren: Auf der Basis von politisch garantierten Vertretungsrechten, nach rein betriebswirtschaftlichen Managementmodellen oder als militärische Kadettenanstalt. Die "Gruppenuniversität" ist kein Staatsziel mehr. Damit wird die Einheit der bundesdeutschen Universitäten aufgehoben. Das Argument, das auf diese Weise die "guten" Länder demokratische Reformspielräume erhalten, die über die gegenwärtigen Möglichkeiten hinausgehen, kann insofern nicht überzeugen, als im gleichen Umfang, wie diese Deregulierung erfolgt, bundesweite Spielräume einer politischen Hochschulreform liquidiert werden. Diese Tendenz wird noch dadurch bekräftigt, daß sich im nationalen Wettbewerb die ökonomisch effizientesten Hochschulen perspektivisch als Leitmodell durchsetzen werden: diejenigen mit einer rein betriebswirtschaftlichen Struktur ohne politische Partizipationsrechte.
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