Vom Spaß haben und Spaß machen

Der vorliegende Text nimmt die beiden Frankfurter Party-Demos im Juni und Juli dieses Jahres zum Anlaß, sich etwas ausführlicher mit dem Verhältnis von Spaß und Politik auseinanderzusetzen.

   Das Verhältnis von Party und Politik geistert nun seit geraumer Zeit durch die linksradikale Szene, zumal seitdem in einigen politischen Zentren subkulturelle Gruppen mit dem Anspruch auftreten, subversive Politik zu betreiben. Dieses nicht nur in Frankfurt zu beobachtende Phänomen wurde von den Resten der Autonomen Bewegung entweder als störend für den eigenen Kulturgenuß wahrgenommen oder gar mit Vorwürfen bis hin zu dem der Profitmacherei abgetan. Sich selbst als genuin politisch korrekt wahrnehmend, werden andere kulturelle Praxen als unpolitisch zurückgewiesen. Die rege Diskussion, die sich andernorts in Zeitschriften, wie in der Beute oder Spex um dieses Verhältnis entsponnen hatte, wurde nur vereinzelt zur Kenntnis genommen. Seit der Nachttanz-Demo im Juli, die im Gegensatz zur zusammengeknüppelten "Lärm 97"- Straßenparty vom Juni beim Ordnungsamt angemeldet und von diesem genehmigt worden war, scheint die Diskussion aber allgemein wieder in Richtung der `Politischen´ zu kippen. Denn mit der Anmeldung der Demo, und der von den Ordnungsbehörden daher eingeforderten und auch eingehaltenen Regelhaftigkeit, war der zentrale Inhalt, die Besetzung und Benutzung öffentlicher Räume für den kollektiven Spaß am Tanzen, kaum mehr vorhanden. Und so konnten sich verschiedene Gruppen und Blätter wieder einmal bestätigen, was sie schon lange wußten: Die Partyleute "Tanzen für Deutschland", so titelt ein zur zweiten Tanzdemo verteiltes Flugblatt der Gruppe Ökolinx und auch in der neuen jungen Welt wird die Party-Demo eher skeptisch beurteilt.
   Es geht uns an dieser Stelle nicht darum, den gegenwärtigen subkulturellen Ereignissen eine besondere politische Sprengkraft zu unterstellen. Vielmehr halten wir das Verhältnis von Party und Politik für alles andere als geklärt und eine vorschnelle Hinwendung zum vermeintlich Politischen für wenig sinnvoll. Im folgenden soll daher versucht werden, das Politische der Party ein wenig genauer zu bestimmen. Wir konzentrieren uns dabei auf das der Fragestellung implizite Verhältnis von Spaß und Politik und lassen die Diskussion um die kulturindustrielle Einbindung der Subkultur weitgehend außen vor.

party

   In den meisten linksradikalen Szeneheften, die das Thema berühren, findet sich kaum mehr als der Hinweis, daß die bürgerliche Trennung von Spaß und Politik abzulehnen sei. Die genauere Bestimmung oder gar Überwindung des Gegensatzverhältnisses bleibt dementsprechend offen. Am weitreichendsten scheint uns der Artikel von Heiko Stoff, der am Beispiel der Roten Flora¹ die Konflikte zwischen Party- und Politfraktion darstellt. Er kommt darin unter anderem zu dem Schluß, daß die Vormacht der Partyleute neben guten theoretischen Argumenten sich einer Spaßmetaphorik bedient, die unter dem Motto "wer kann schon etwas gegen Spaß haben" Männerprivilegien durchsetzt. Der Neutralisierung herrschaftlicher Interessen durch ein bestimmtes Spaßverständnis soll hier ebenso nachgegangen werden wie der übereilten Verunglimpfung des Spaßes als subjektivistisch und unpolitisch.
   Spaß ist alles andere als voraussetzungslos: seine Koordinaten in Raum und Zeit, sozialen Kontakten und konsumiertem Inhalt sind genauso Normierungen unterworfen wie andere soziale Phänomene auch. Die Party muß also zahlreiche Bedingungen erfüllen, damit die Sache für die involvierten Individuen lustig werden kann. Spaß ist darin die subjektive Freisetzung von Bedürfnissen, deren 'Korrektheit' eben von dieser Subjektivität beziehungsweise den in ihr realisierten Bedürfnissen abhängt. Der Spaß ist so progressiv wie das, was in ihm zum Ausdruck kommt. Das scheint banal zu sein, wird aber dadurch verwirrend, daß das Spaßhaben subjektiv als befreiend erlebt oder gedeutet wird. Daher der emanzipative Stallgeruch des Spaßes: jenseits aller Inhalte - gerade in seiner Allgemeinheit - steht der Spaß für die Verwirklichung der eigenen Bedürfnisse (für das Leben im Hier und Jetzt) und wird so mit Befreiung assoziiert. So denken wir, sieht jedenfalls das vorherrschende Alltagsverständnis von Spaß aus.
   Ein solches Spaßverständnis erfreut(e) sich auch innerhalb einer radikalen Linken insbesondere in den siebziger und achtziger Jahren einer breiten Zustimmung. Lust und Authentizität galten als Unterpfand der Befreiung und das Lachen war das Signal ihres Aufbruchs. Man oder frau mußte nur die Hüllen der repressiven Zivilisation abstreifen, um zu ihrem wahren Selbst vorzudringen. Vor dem Hintergrund linker Zeitgeistströmungen, wie sie in der Kritik der nationalsozialistischen Elterngeneration mit ihren rigiden Ordnungs- und Disziplinvorstellungen zum Ausdruck kam, hatte eine solche Rebellion durchaus einen emanzipativen Gehalt. But times change und die unhinterfragten Voraussetzungen der Revolte werden mit veränderten äußeren Bedingungen selbst zu Stolpersteinen der Emanzipation.
   Wie schnell sich das Spaßverständnis innerhalb der Linken ändern kann, läßt sich am Beispiel eines verfremdeten Wahlplakats nachvollziehen:"Vogel vögelt für Berlin", statt: "Vogel arbeitet für Berlin". War dieses fake anfang der Achtziger vor dem Hintergrund der "Die Deutschen sterben aus!"- Hysterie für die Spaßguerrilleros noch aufmüpfig, lustig und widerständig, würde heute dieselbe Aktion wohl eher auf Befremden stoßen. Die dort unterstellte Vorstellung einer einfach zu befreienden Sexualität und dadurch befreiterer Individuen wird aus guten Gründen nicht mehr geteilt.
   Freilich gibt es viele Arten des Spaßhabens, zunächst war nur die vorherrschende zu dechiffrieren, um das konstruktive Moment des Vergnügens darzustellen. Der Spaß durch Abgrenzung, wie er im bad taste als Genuß von Vorabendserien oder Spielshows existiert, macht das wertende Moment des Vergnügens weit deutlicher. Auch das scheinbar passivische Lachen erfordert eine intellektuelle Zutat, nur daß diese aufgrund ihrer Konformität mit den herrschenden Normen nicht als solche sichtbar wird. Das Lachen wird zum `Echo der Macht´ als Prämie für die geleistete Anpassung. Es verstummt, sobald die herrschenden Interessen nicht mit ihm sind, wie der ausgefallene Karneval zu Zeiten von `Desert Storm´ zeigt. Das Amusement der Kulturindustrie setzt dem sogar noch eins drauf, indem es die Fröhlichkeit als Leistung einfordert. Wer einmal Tom Cruise lächeln sah, kann sich diesem Gedanken kaum noch entziehen.
   Gerade deswegen ist auch subversiver Spaß politisch. Allerdings beinhaltet die Demo-Party eine andere Vermittlung von Form und Inhalt als sie dem herkömmlichen Politikverständnis entspricht. In diesem gilt als politisch nur, was sich innerhalb einer Kampfmetaphorik artikuliert. Während das Kraftgebahren unter den derzeitigen politischen Verhältnissen aber zumeist nur lächerlich wirkt, weil es gerade dort auf eine offene Konfrontation setzt, wo der Ausgang schon entschieden ist, vermag die Party-Demo auf vergnügliche Weise nichtkommerzielle Räume zu schaffen. Im konkreten Frankfurter Fall waren die Inhalte des Vergnügens sicher recht heterogen und keineswegs so gegen Ausgrenzung und Privatisierung gerichtet wie von einem Großteil der VeranstalterInnen intendiert. Dennoch wollten bei der "Lärm 97"- Nachttanz- Demo viele der Party- GängerInnen und BetreiberInnen der Soundsystem- Wägen, trotz der gegen sie vorgenommenen ordnungspolitischen Behandlung, die wohl wegen ihrer Verknüpfung mit der bundesweiten Innenstadt- Aktionswoche gegen (rassistische) Ausgrenzung, Vertreibung und Sicherheitswahn so brutal ausfiel, auf ihrem Spaß beharren. Und das, obwohl klar war, daß das Vergnügen nach der Prügel- und Verhaftungsorgie nur noch im Versteckspielen bestehen konnte. Der Aufschrei der bürgerlichen Presse gegen den brutalen Polizeieinsatz beinhaltet die pauschale Beurteilung der Nachttanz- Demo als unpolitisch. Gezielt wurden in den Gazetten alle Elemente der Aneignung von Straßen und Plätzen und deren Besetzung mit den eigenen Inhalten unterschlagen, und über die Konstruktion von netten, braven Partypeople, die doch nur harmlosen Spaß wollen, die übliche Trennung von Quertreibern und Partyjugend festgeschrieben.²
   Sowohl die vermeintlich politische als auch die bürgerlich- öffentliche Rezeption der Party-Demos unterstellt eine Trennung von Spaß und Politik, die sich weder theoretisch aufrechterhalten läßt, noch praktisch wünschenswert ist.

Decibel

¹ Die Rote Flora ist ein autonomes Zentrum in HH. Der angesprochene Artikel "Vom Spaßhaben und Spaßverderben" findet sich im Reader zum Autonomiekongreß 1995 oder eine leicht veränderte Version in links Nr. 306/307. <zurück zum Text>
² So kommentiert Volker Mazassek in der Frankfurter Rundschau, vom 7.6.: "Die Polizei trat auf, als gelte es, eine brandgefährliche Menge von Straftätern in den Griff zu bekommen. Aber: da war kein schwarzer Block mit haßerfüllten und kampferprobten Streetfightern, sondern ein friedlicher Haufen von Nachtschwärmern, die auf Party und nicht auf Putz aus waren." <zurück zum Text>



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