garip dünya
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Frankfurter Häuserkampf 2001 ...
Wer
in Frankfurt, der nach München zweitteuersten Stadt des Landes, eine Wohnung
sucht oder sich gar mit dem Gedanken trägt, eine WG neu zu gründen, weiß
eigentlich schon Bescheid: Es ist schwer, sehr schwer, noch schwerer und vor
allem teuer. Wer allerdings der Idee verfällt, sich mit 22 (!) Leuten (inkl. 8
Kindern) auf Wohnungssuche zu begeben, sollte sich die Sache am besten so
schnell wie möglich wieder aus dem Kopf schlagen.
Mit
so vielen Leuten aber sucht die Gruppe IGL (initiative gemeinsames leben im 21.
jahrhundert) eine Bleibe. Die 22 IGLs verstehen sich selbst als »soziale
Familie« und haben sich, so ihre Selbstdarstellung, »bewusst für ein Leben,
Wohnen und Arbeiten in einer größeren Gemeinschaft« entschieden. Nachdem
verschiedene Versuche, über den »freien« Wohnungsmarkt und die Stadt Frankfurt
ein geeignetes Do-mizil für das Projekt zu finden gescheitert waren, entschied
sich die Initiative für einen etwas unkonventionelleren Weg der Wohnungssuche:
Durch die kurzzeitige Besetzung eines Hauses sollte auf das Projekt und sein
Anliegen aufmerksam gemacht und eine breitere Öffentlichkeit geschaffen werden.
Im
September war es dann soweit; ein geeignetes Objekt gefunden: Eine schon seit
mehreren Jahren leerstehende repräsentative Villa im Frankfurter Westend. Für
ein Wochenende reanimierten die IGL-Leute als »Alpha-Team« das leerstehen-
de
Haus durch ein breitangelegtes Kulturprogramm mit Diskussionsveranstaltungen,
Kindertheater, Band-auftritten und einem Drum & Bass Club. Für einen
klitzekleinen Moment blitzte so die Hoffnung auf, eine der unzähligen, als
Anwaltskanzleien und Versicherungsbüros zweckentfremdeten Westendvillen könnte
endlich einer vernünftigen Nutzung zugeführt werden. Leider wurde nach dieser
recht netten Propaganda-der-Tat die schöne Villa (wohl sehr, sehr schweren
Herzens, wie ich vermute) montags wieder freiwillig verlassen.
Doch
entschloss sich die Gruppe bereits einen Monat später zu einer abermaligen
Reanimierung leerstehenden Wohnraums. Diesmal wollte IGL als »Delta-Bau«
dauerhaft ein Haus akquirieren. Die Voraussetzungen waren (zumindest moralisch
gesehen) gar nicht einmal so schlecht und das Objekt ziemlich gut gewählt: Ein
Altbau in der ehemaligen – mittlerweile schon größtenteils abgerissenen –
Frankfurter ArbeiterInnensiedlung Bockenheim-West, die right now zum
Yuppie-Wohnpark »City-West« upgedated wird. Wäh-rend besagtes Haus schon vor
einiger Zeit von der Besitzerin, der (noch) städtischen Wohnungsbaugesellschaft
AGB-Holding, erfolgreich »entmietet« werden konnte, harren in den umliegenden
(ebenfalls der Abrissbirne geweihten) Häusern – sehr zum Missfallen der AGB –
noch immer etliche renitente MieterInnen aus. Unter ihnen auch solche, die dort
schon ein gutes halbes Jahrhundert wohnen und nunmehr 70 bis 80jährig an die
frische Luft gesetzt werden sollen. Entsprechend freudig wurden dann auch die
AktivistInnen der »Delta-Bau« begrüßt: Nicht zuletzt erhofften sich die
AnwohnerInnen durch die Aktion eine Unterstützung ihrer immer mehr auf
verlorenen Posten geratenden Bürgerini-
tiative
für den Erhalt der ArbeiterInnensiedlung.
Die
AGB-Holding dachte aber natürlich nicht im Traum (aus der Traum) daran, sich
ihre lukrativen Sanierungspläne von IGL und Bürgerinitiative durchkreuzen zu
lassen: Das Haus wurde gleich am morgen nach der Eröffnungsparty kurzerhand von
einer eigens aus der Landeshauptstadt angereisten Cop-Hundertschaft geräumt,
Eltern vor den Augen ihrer Kinder in Gefangenentransportern verschleppt und
Strafantrag gegen die kreativen und völlig friedlichen HäuserwiederbeleberInnen
gestellt. Frankfurter Stadtpolitik at its best.
Zu
hoffen bleibt aber trotz alledem, dass sich die IGL-AktivistInnen durch ihre
(temporäre) Niederlage nicht so schnell entmutigen lassen und ihre
vorbildlichen Aktionen zahlreiche NachahmerInnen finden werden ...
www.igl21.de
Oliver
Groß
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Einweihen,
Offizielle Er-öffnung des IG Farben-Gebäudes
»Es
ist mir eine große Freude und Ehre, daß wir das Ereignis der Einweihung des IG
Farben-Gebäudes mit einer so großen Zahl bedeutender Persönlichkeiten aus nah
und fern feiern können.«1 (Rudolf Steinberg) Zu diesen für den
Universitätspräsidenten bedeutenden Persönlichkeiten zählten die Überlebenden
des Zwangsarbeiterlagers der IG Farben in Buna-Monowitz nicht, dabei ging es am
26. Oktober doch um die Eröffnung des ehemaligen Hauptsitzes der IG Farben als
neuem Gebäude der Universität Frankfurt.
Bei
der vorangegangenen Einweihung einer Gedenktafel am Eingang des Gebäudes
begrüßte Steinberg noch die wenigen Überlebenden, die zur Zeremonie erschienen
waren. Er räumte ihnen jedoch keine Möglichkeit ein, an diesem Orte zu reden,
weshalb viele nicht kamen.
An
das IG-Farben Gebäude als amerikanisches Hauptquartier erinnerte General a. D.
Joulwan; den Grund amerikanischer Anwesenheit in Deutschland gab Roland Koch
der nationalen Verdrängung anheim. Er sprang von der Universitätsgründung im
Kaiserreich in die Nachkriegszeit. Gut, dass der Großteil seiner Rede durch
studentische Proteste unhörbar gemacht wurde. Ruth Wagner, hessische Ministerin
für Wissenschaft und Kunst, hingegen verschweigt nicht die Vergangenheit,
sondern findet den Anschluss:
»Gerade
in Zeiten, in denen die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche uns zu
überwältigen scheinen, ist es gut, sich unserer Geschichte, unserer Herkunft,
unseres kulturellen Erbes, unseres geistigen und emotionalen Hintergrunds zu
versichern. Dieser Ort ist in besonderer Weise dafür geeignet«
Wie
gut der Ort sich auf das Erinnerungsvermögen von Frau Wagner auswirkt, zeigt
sich u. a. darin, dass sie sich nur an das Versprechen für eine Gedenktafel erinnert
(was durch Druck von Überlebenden und Studierenden eingelöst werden musste),
aber das andere Versprechen, noch einmal die Überlebenden von Buna-Monowitz
nach Frankfurt einzuladen nicht mehr erwähnt. Gerade ein solches Treffen der
Überlebenden in Frankfurt, das u. a. für Zeitzeugengespräche mit SchülerInnen
und Studierenden dienen könnte, bleibt eine uneingelöste Forderung, für die
sich die ›Initiative Studierender im IG Farben Gebäude‹ weiter einsetzen wird.
Schon
bisher ging die Initiative, sich mit der Geschichte des IG Farben Gebäudes
auseinanderzusetzen, nur von Studierenden aus – meist gegen den Widerstand der
Universitätsleitung. Die Einrichtung der von der Universitätsleitung nun so
gefeierten Dauerausstellung im IG Farben Gebäude geht auf einen studentischen
Konventsantrag vom Januar 1999 zurück, ebenso wie die Festlegung auf den Namen
»IG Farben Gebäude« – wobei letzteren Beschluss zu unterlaufen sich auch die
neue Unileitung und ihr Presseorgan UniReport alle Mühe gibt: Das
»Poelzig-Ensemble« auf dem »Campus Westend«.
Es
kann nicht darum gehen, Geschichte als einmal Festgeschriebene zu erfahren, sie
durch Fensterchen, als Plexiglastafeln einer Ausstellung materialisiert, zu
betrachten. Nur immer erneute Begegnung mit der Geschichte kann der von Koch u.
a. vollzogenen Verdrängung der Geschichte entgegenstehen. »Der Widerstand kann
nur vorangebracht werden, indem man sich eine historische Quelle nicht als ein
Fenster, durch das die Vergangenheit, so ›wie sie wirklich war‹, gesehen werden
kann, sondern vielmehr als eine Mauer vorstellt, die durchbrochen werden muss,
wenn dem ›Schrecken der Geschichte‹ direkt begegnet und die Angst, die sie
einflößt, zerstreut werden soll.«2 Nur durch Auseinandersetzung und nicht
Verdrängung, kann dem Schrecken vor dem, was geschah und damit geschehen kann,
begegnet werden.
Wir
werden in den kommenden Monaten Veranstaltungen zu der Geschichte der IG Farben
organisieren. Doch ebenso werden wir uns damit auseinandersetzen, dass es IG
Farben immer noch gibt, seit mehr als 50 Jahren in Abwicklung. Dieser Überrest
des einstigen Konzerns – nachdem BASF, Bayer und Höchst ausgegliedert worden
waren –, macht immer noch Versuche ehemaliges Firmenvermögen zurückzuerhalten
und sorgt sich um das finanzielle Wohlergehen der IG Aktionäre. Das
›bundesweite Bündnis gegen IG Farben‹ arbeitet schon seit Jahren für die
wirkliche Auflösung der IG Farben, ein Protest, dem wir uns anschließen. So
sprach auf der alternativen Eröffnungsveranstaltung am 26.10. 2001 Peter
Gingold als Vertreter des ›Bündnisses gegen IG Farben‹. Wir fordern die
sofortige Auflösung von IG Farben in Abwicklung und eine Verwendung des
verbliebenen Geldes zur Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter und zum
Erhalt der Gedenkstätte Auschwitz.
Zum
Abschluss sei Micha Brumliks Vorschlag der Benennung des Uni-Vorplatzes nach
dem Mann, der Anfang der 50er Jahre als Überlebender von Buna-Monowitz einen
Prozess gegen verantwortliche IG Manager anstrengte, unterstützt: »Wir hätten
es dann künftig mit dem geisteswissenschaftlichen Campus der Johann Wolfgang
Goethe Universität im IG Farben Gebäude, Norbert-Wollheim-Platz 1 zu tun.«
Initiative
Studierender
im
IG Farben Gebäude
_1.. Alle Zitate aus Reden zu den universitären
Eröffnungsfeierlichkeiten am 26.10. 01 entstammen der von der Pressestelle der
Universität herausgegebenen Pressemappe.
_2.. Hayden White: Die Politik der historischen
Interpretation: Disziplin und Entsublimierung, in: ders.: Die Bedeutung der
Form, FfM 1990, S. 78 – 107, hier S. 106.
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Neue Mitten und ex-zentrische Orte. Praktische Kritik der
Prognostizierte
Michel de Certeau Anfang der 80er Jahre den Niedergang der Konzept-Stadt und
das Überleben urbaner Klammheimlichkeiten des alltäglichen Handelns, so
verweisen konsum- und kontrollorientierte Megaprojekte und
Festivalisierungstendenzen auf eine konträre Entwicklung: Nur städteplanerische
und architektonische Größe, so das Bigness-Postulat des niederländischen
Architekten Rem Koolhaas, werde dem herrschenden »Regime der Komplexität«
gerecht. Der von dem Künstler und Kurator Jochen Becker herausgegebenen
Sammelband bignes? Kritik der unternehmerischen Stadt spürt den Macht- und
Herrschaftseffekten nach, die die-
se
Projekte hervorbringen. Zugleich sammelt der Band Anzeichen der immanenten
Krisenhaftigkeit großmaßstäblicher Projekte und oft we-nig bekannte Beispiele
linken städtischen Handelns. Gerade diese letzte historisierende und
archivarische Perspektive des Samplers verbindet die kritischen Praktiken zu
einer widerspenstigen Spur durch die postfordistische Stadt.
bignes?
ist damit im besten aller möglichen Sinne ein Reader, der das Format des
Readers gleichzeitig übersteigt: Der Band ist die Dokumentation und
Weiterführung einer Film- und Vortragsreihe,
die die Filmkuratorin Madeleine Bernstorff und Jochen Becker für das
Sonderprogramm der Oberhausener Kurzfilmtagen 1999 erstellten – in jener
ehemaligen Industriestadt also, die pa-
radigmatisch
auf einer Stahlwerkbrache einen gigantischen Konsum- und Erlebniskomplex mit
dem Namen »Neue Mitte Oberhausens« eröffnet hat.
In
der Einleitung betont Becker das höchst ambivalente Verhältnis zwischen
unternehmerisch dynamisierten Großprojekten und Politik, das mit dem Begriff
der Privatisierung nur verkürzt zu (be)greifen ist: Proklamieren erstere zwar
stets die Vorteile einer ungebremsten Marktdynamik für die Stadtplanung, so
laufen Finanzierung und Auftragsvergabe oft über die öffentliche Hand. Auch für
die Krisen der Großprojekte tragen in den meisten Fällen die Kommunen das
finanzielle Risiko. Ein Beispiel für ein solches Misslingen zeigen die
Ausschnitte des Videofilms »A country’s new dawn« von Sandra Schäfer anhand der
Versteigerung des Interieurs des Millennium Dome nur ein Jahr nach seiner Eröffnung.
Der Beitrag »Zeit abgelaufen« von futur_perfect treibt die Möglichkeit des
Scheiterns auf die produktiv-fiktive Spitze, indem die Besetzung und Nutzung
des gerade im Bau befindlichen Space Park Bremen nach dessen ökonomischem
Niedergang im Jahr 2010 phantasiert wird. Zugleich verdeutlicht der Text die
zentrale Funktion derartige Megaprojekte für die Imageproduktion der im
Standortwettbewerb stehenden Städte, die kaum vom »Gelingen« des Projekts
abhängig ist.
In
dem analytisch angelegten Aufsatz »Konsumfestungen und Raumpatrouillen« zeigt
der Stadtforscher Klaus Ronnenberger, wie sich ökonomische Umstrukturierung und
revanchistische Vorstellungen der Mittelklassen verbinden. Dem zufolge entsteht
ein »neuer Kontrolltypus«, der sich in diversifizierten städtischen Räumen
unterschiedlich niederschlägt. Detailreich sammeln die beiden Notizen des
Filmemachers Harun Farocki »Amerikanische Einstellungen« und »Kontrollblicke«
Schnipsel über ökonomisch-funktionalistische Anordnung und elektronische
Evaluierung des Mall-Interieurs und den neuen Kontrolltyp der elektronischen
Überwachung im privatisierten Gefängnis. Die Parallelsetzung der beiden Notizen
im Buch verdeutlicht die Nichtrepräsentierbarkeit des neuen Gefängnistypus, wie
auch die Relevanz von Betreibern und deren Spezialisten in der Produktion
homologer Raummilieus im Gefängnis und der »Kathedrale Mall«.
Die
Diskussion um Macht und Raum zieht sich durch das ganze Buch. Die Verteilung
und Lokalisierung von Macht im Raum und die Bedeutung der Kontrolle des Raums
stehen ebenso im Mittelpunkt wie die Überschneidungen mit Wissen und Diskursen,
die für die Produktion von Imagestrategien und Machttechnologien zentral sind.
So weist auch der Beitrag von Ludger Basten über die Verlagerung von
Entscheidungszentren in der Oberhausener Stadtverwaltung in diese Richtung, der
zeigt, dass der Umbau zum »Amt ohne Ämter« das unternehmerische Expertentum
fördert und die kommunalen Gremien entpolitisiert. Oder Mogniss H. Abdallah’s
Analyse der »Banlieue Show«, die die Medialisierung einer nicht mehr auf das
Soziale ausgerichteten Stadtpolitik am Beispiel des Abrissspektakels von
Wohnblocks in den Pariser Banlieues nachzeichnet.
bignes?
ist aber nicht nur ei-
ne
Sammlung äußerst lesens- und
betrachtenswerter Visualisierungen und Analysen unternehmerischer
Stadtgroßprojekte und Imageproduktionen, sondern zugleich ein eminent wichtiges
Archiv städtischer, kritischer, künstlerischer Praxis. So lassen sich Beiträge
zu einzelnen Projekten der 90er Jahre wie InnenStadtAktion, A-Clip, die
»Mission« in Hamburg, Reclaim the Streets, das Berliner Architektur-Kollektiv
»freies fach« oder City Crime Control aus Bremen finden. Die Collage aus
Videoschnipseln, Quartierserzählungen und Interviewauszügen von Margit Czenki
und Christoph Schäfer über die Hamburger Initiative »park fiction« bezieht sich
zum Beispiel auf ein Projekt, das gegen die dortige Imageproduktion
Elbrandbebauung eine »kollektive Wunschproduktion« im Sinne eines von
BewohnerInnen geplanten Parks durchzusetzen versuchte. Der Sampler enthält auch
Beiträge, die in sich bereits wertvolle Archive darstellen: So etwa die in-
formative
und materialreiche Geschichte der Videoöffentlichkeit von Carsten Does; oder
Axel John Wieders Darstellung der Videoinitiative AK Kraak, die bereits auf
zehn Jahre Gegenöffentlichkeit zurückblicken und -greifen kann.
Eine
wichtige Erweiterung der Perspektive (und zugleich ein erneutes Archiv) bietet
der Artikel von
Madeleine
Bernstorff, der einen Überblick über die von ihr für Oberhausen konzipierte Kurzfilmreihe
bietet. Informelle Ökonomien, migrantische Erfahrung, virtuelle und gated
communities und Rem Koolhaas in der de Certauschen Turmperspektive tauchen hier
auf, womit etwas aufscheint, was im Buch ansonsten nur sporadisch Platz hat:
Städtisches Handeln nicht nur in Aktionsform, sondern aus der Perspektive des
Alltags.
Diese Perspektive schillert immer zwischen der Hoffnung, dass alltägliches
Handeln das Diskrete, Verborgene, Heterogene darstellt, und der Befürchtung, es
finde eher die Regulierung des Lebens als Alltäglichkeit statt. Dennoch erhält
städtisches Handeln erst dann eine breitere Relevanz, wenn eine Art
»Veralltäglichung« stattfindet, wenn die Auseinandersetzungen um neue
Arbeitsbedingungen und neue Formen der alltäglichen Subjektivierung
hinzukommen. Unter »Los« hat uns Jochen Becker im Vorwort mehr dazu
versprochen. Darauf freue ich mich jetzt schon.
Ellen
Bareis
Jochen
Becker (Hg.): Bignes? Size does matter. Image / Politik. Städtisches Handeln.
Kritik der unternehmerischen Stadt. b_books, Berlin 2001
[Diese
Rezension erschien in einer ähnlicher Fassung bereits in dérive – Zeitschrift
für Stadtforschung, Sept. 2001]
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Über das
Der
überfällige Relaunch am schauspiel-frankfurt brachte neben kulturpolitischem
Chaos eine ästhetische Gradwanderung, die bezeichnend ist.
Der
Alte musste weg, so viel war sicher. Er war solide, aber nicht mehr zeitgemäß
für Euro-City. Aber wer sollte folgen? Der weiche Standortfaktor Kultur
verlangte nach großen Namen – nur die zählen heute. Und so brachte man Dieter
Dorn ins Spiel, den »Elder Statesman« der deutschen Bühnen, egal ob dies nur
einer halbherzigen Reform gleichkäme. Doch er gab Frankfurt einen Korb. Sein
Schüler Jens-Daniel Herzog war als nächster an der Reihe, steht dieser doch für
ein ausgewogenes Stadttheater mit Klassikern und Werkstattbühne. Doch auch er
musste kurz vor Vertragsabschluss eine Absage erteilen. Die nächste auf der
Strichliste sollte es also werden. Auffällig ist
nur,
dass Elisabeth Schweeger so ganz andere Vorstellungen von The-ater hatte als
die bisher genannten. Aber einen Namen hatte sie sich gemacht. Durch was sie
sich ihn verdiente, war wohl für die Stadt weniger wichtig. Und so entschieden
sich die von Altbackigkeit Verwöhnten beinahe zufällig für ein Programm, das
für Dekonstruktion, Experimente und Widerstand steht.
Es
gab viel anzupacken. Die zehn Jahre der Intendanz Eschberg mit all den Stücken,
für die man schon den Deutschlehrer hassen lernte, hatten dafür gesorgt, dass
ein bequemes Abo-Publikum den Spielplan bestimmte und das experimentierfreudige
und jüngere Publikum nischenkuschelnd ins TAT oder den Mousonturm abtauchte.
Die neue Intendantin des schaupielfrankfurt musste noch mit weiteren Natur-
katastrophen
fertig werden: Unklarheiten über den Zeitraum und die Kosten des Bühnenumbaus,
ein millionenschwerer Wasserschaden und der bis heute anhaltende Machtpoker um
die künftige Bühnen-GmbH lenken vom eigentlichen Thema ab: Was passiert zur
Zeit innerhalb der Alu- und Glasfassaden am Willy-Brandt-Platz? Für welches
Theater steht Elisabeth Schweeger?
Das
Schauspielhaus ist das in Architektur geronnene emphatische Motto »Theater für
alle« eines Hil-
mar
Hoffmann. Seine Trennung von großer Bühne für moderne Klassiker und kleiner
Bühne für minoritäre Äs-thetiken und zeitgenössische KünstlerInnen wurde in der
fortschrittsoptimistischen Folgezeit erweitert durch die exterritoriale
Integration einer inzwischen gesättigten Avantgarde-Sparte. Doch das
fortschrittsoptimistische Aufklärungsideal eines mittelständisch liberalen
Bildungsbürgers, dem intellektuellen Träger des Fordismus, verflüchtigt sich.
Geblieben
sind eine scheinbare Alternativlosigkeit zum maroden Stadttheatersystem und ein
paar dekons-
truktivistischen
Attacken von Cas-torf / Hegemann und ihren Imitaten. Auch Schweeger sieht »keine verbindliche, allgemeingültige
Theatersprache mehr«, weshalb sie die gesamte Spielzeit subjektkritisch unter
das Thema »Krise des Ichs« stellte. Das Beispiel Frankfurt zeigt, welche
schwierige Gratwanderung eine experimentelle und kritische Konzeption innerhalb
des Systems öffentlich subventionierter Bühnen zu bewältigen hat. Sie muss den
Spagat zwischen Sicherheit und Wagnis, Klassik und Experiment machen.
Am
neuen schauspielfrankfurt dominieren erstens zeitgenössische und
ExperimentalkünstlerInnen, die bereits etabliert sind, den Spielplan. Schweeger
setzt damit ihre Arbeit am Münchener Marstall fort, wo sie bereits mit Stars
wie Filmemacher Peter Greeneway (»Gold«), Pop-Poeten Albert Ostermaier
(»Katakomben«), Tanzavantgardistin Wanda Golonka (Müller-Bearbeitung) und
Ex-Neubauten-Mitglied FM Einheit (»Marx-Engels-Werke«) zusammenarbeitete.
DramatikerInnen wie Jon Fosse, Helmut Krausser oder Dea Loher zählen sich zwar
nicht zu den Avantgardegrößen, gehören aber zu den meist gespieltesten
StückeschreiberInnen. Und wer Christoph Schlingensief ans Haus holt, der hat –
siehe Zürich und den SVP / Neonazi-Hamlet
für SozialarbeiterInnen – seinen medienwirksamen Politskandal schon sicher
gebucht. Mit der bisher einzig erfolgreichen Premiere, der Uraufführung von
Daniel F. Galouyes Sixties-Science-Fiction-Roman »Simulacron-3«, wagten sich
Schweeger und Regisseur Armin Petras sogar ins umstrittene Trashmilieu heran.
Und die Statistik? Neun Uraufführungen und eine deutschsprachige Erstaufführung
hat es in den zehn
Eschberg-Jahren
sicherlich nie gegeben.
Das
zweite, schlankere Standbein am Schauspiel sind Klassiker-In-
terpretationen,
schließlich wurde Schweeger von vielen Seiten vor der Saturiertheit des
Frankfurter Publikums gewarnt. Die Berufung des jungen Regisseurs Anselm Weber
zum Oberspielleiter ist ein daraus resultierendes Zugeständnis, da die
Intendantin sich aus klassischen Repertoire ohnehin nicht viel zu machen
scheint. Was in der Theorie ein geschickter Schachzug war, quittierte die
Kritik in der Praxis mit radikalen Verrissen seiner »Penthesilea«. Dass
glücklicherweise der Schwerpunkt sowieso auf ersterem Standbein steht, beweist
die simple Umkehrung der Aufführungsorte. Während bei den Eröffnungspremieren
Greeneway und seine Frau Saskia Boddeke im Großen Haus mit viel goldenem Prunk
und Protz langweilten, wurde einer der großen deutschtümelnden Deutschen, Hugo
von Hofmannsthal, ins kleine Ex-Kammerspiel verbannt.
Das
neue Profil gleicht einer kleinen Revolution. Doch bei all den spannenden Namen
und Projekten fällt auf, dass so gut wie keine Neulinge oder gar eine Förderung
junger oder unbekannter Kunst vorgesehen ist. Viele große Theater leisten sich
Werkstatt-Bühnen oder sehen sich nach unkonventionellem Nachwuchs um. So hat
ihr Hamburger Kollege Tom Stromberg sein Ensemble reduziert, um kurzzeitige
Crossover-Kooperationen mit der freien Szene zu wagen. Schweeger fällt hinter
ihren eigenen Anspruch zurück, wenn sie mehr auf arrivierte Avantgarde als auf
neue Praktiken setzt.
Nicht
nur durch den Spielplanspagat fällt das notwendige Festhalten an der gehobenen
Preisklasse auf. Stadttheater war immer vom traditionell eher konservativen
Abo-Publikum abhängig. So wurde das ohnehin exklusive Abo-System noch weiter
hierarchisiert. Und in avantgarde-pädagogischer Absicht lud die neue Hausherrin
zu einem literarischen Bankett. »Mit vollem Munde« sollte man zu folgenden
Zutaten schlemmen: Man nehme einen Starkoch, mehrere Tonnen Zwiebeln und ein
Kamel als Deko sowie eine Gewürzorgel mit Texten aus der Gourmet-Abteilung der
deutschsprachigen DramatikerInnengilde: Klavier-
spielerin
Jelinek, Stück-des-Jahres-Autor Rinke, Büchner-Preisträger Grünbein und viele
mehr. Nicht zu vergessen die vortragenden SchauspielerInnen, die sich bei einer
195,– DM Eintrittsschwelle wohl eher wie Geigenspieler in
Heteropärchenpizzerien an der Südsee vorkommen mussten – irgendwie fehl am
Platz.
Mit
15,– DM für einen Salonnachmittag ebenfalls üppig angesetzt sind die
»Frankfurter Dialoge« von und mit Jean-Luc Nancy, nach Derrida der wohl
wichtigste zeitgenössische Philosoph in Frankreich. Literaturtheorie / Politik
/ Ästhetik sind mit seine Schwerpunkte, und so schien er Schweeger geeignet, um
die Arbeit des neuen Schauspiels in einer Diskussionsreihe theoretisch zu
reflektieren. Um das Verhältnis von Ökonomie und Kunst ging es bei der
Auftaktveranstaltung »Produktion /
Kreation«
mit dem marxistischen Theoretiker Antonio Negri (»Empire«), der aufgrund seiner
Haft Italien nicht verlassen darf und per Videoschaltung teilnahm, und der
neurechte Islamwissenschaftler Bassam Tibi, der seinerzeit die argumentative
Munition für die Leitkulturdebatte der CDU / CSU lieferte und während der
Diskussion nicht müde wurde, den geläuterten Materialisten zu mimen (»Ich habe
hier bei Habermas und Adorno studiert. Aber heute ...«). Bei einer derart breit
gefächerten Gästeliste kommt zumindest die Frage auf, ob der programmatische
Spagat auch bei den Dialogen vorzufinden ist.
Das
Dilemma des schauspielfrankfurt visualisiert sich auch im Programmheft der
Spielzeit: Auf der Titelseite lächelt die Intendantin mit einer Subjekt- und
Identitätskritik im Werbetexterformat. Gute Ansätze verschwimmen im theatertypischen
Aperitifsoziologischen. Sowohl der Spielplan als auch das Abo-System offenbaren
die Problematik. Gerade in Frankfurt – einerseits europäisches Finanzzentrum
und andererseits Summe aus eingemeindeten Käffern samt ihrer provinziellen
Mentalität – ist die Konzeption eines experimentell offenen Stadttheaters, das
von Kapital und Kleinbürgertum abhängig ist, eine besonders schwierige
Gradwanderung.
Während
man die Machtallüren, halbherzige Spielpläne und den Strukturkonservatismus des
Subventionstheaters kritisieren muss, verlangt es andererseits einer vor allem
ästhetischen Verteidigung gegenüber den reaktionären KritikerInnen, deren
organisierte »schöngeistige« Schläfrigkeit im Patronatsverein der Bühnen einen
sicheren Hort findet: Das Schauspiel solle nicht zum Experimentierfeld
degradiert werden. Geschickt vermag es das kulturfreudige Kapital, seine
ästhetisch-programmatische Kritik – die an sich folgenlos bliebe – an eine
demokratisch anmutende Kritik der Verschwendung öffentlicher Gelder – diese ist
leicht skandalisierbar – zu koppeln. Anders gesagt: Wer mit dem modernistischen
Schmuh nichts anfangen kann, beschwert sich über teure Zeitungen, die
Abschaffung des Premieren-Abos und streut seine Attacke zu einem Zeitpunkt, wo
der öffentliche Unmut über teure Flops und ungeklärte Haushaltslöcher
explodiert. Aber: Warum soll sich »die Öffentlichkeit« nicht mit der
Dekonstruktion des Wahren, Schönen, Guten auseinandersetzen? Wer glaubt denn
noch an seine aufgeklärte Deutschlehrerin? Thomas Mann ist ja auch schon länger
tot.
Der
Intendantin konnte man beim Theorie-Salon etwas entnehmen, was man sich von
einer (Neu-) Frankfurter Intellektuellen erhoffen möch-te: Kunst im globalen
Kapitalismus müsse sich als Widerstand verstehen. So sei zuletzt an die Worte
des alten Kritikers und Schauspielschulleiters Peter Iden erinnert: Frankfurt
findet nach zehn Jahren wieder statt im Theater-Diskurs. Man kann nur hoffen,
das sich diejenigen in dieser Stadt nicht schon wieder durchsetzen, die bereits
vor vier Jahren Tom Stromberg aus dem TAT vertrieben. Dieser steht übrigens in
Hamburg mit einem ähnlichen Programm ähnlich klar unter Beschuss. Aber das ist
eine andere Geschichte ...
Christian
Tedjasukmana
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Partigiani -
Der
Widerstand in
Auf
dem Gelände des IG-Farben-Hauses, neuer Sitz geisteswissenschaftlicher
Fakultäten der Goethe-Universität in Frankfurt / M., zeigte das Institut für
Romanische Sprachen und Literaturen die Foto-Ausstellung »Partigiani – gegen
Faschismus und deutsche Besatzung. Der Widerstand in Italien 1943 – 1945«.
Begleitet wurde die Ausstellung von einem umfangreichen Programm. Auf die
Eröffnung, ein Konzert mit Partisanenliedern, folgten verschiedene Veranstaltungen
wie Zeitzeugengespräche, Vortragsveranstaltungen, auch eine Filmmatinee, ein
zusammen mit dem Fritz Bauer Institut veranstalteter Studientag und eine
Führung über den italienischen Kriegsopferfriedhof in Frankfurt-Westhausen.
Die
Ausstellung wurde von den Instituten der Resistenza von Modena, Parma und
Reggio Emilia (ISTORECO) erstellt und schon in verschiedenen Städten gezeigt.
In Bild und Text (in deutscher und italienischer Sprache) informiert sie
ausführlich über den Faschismus in Italien, die deutsche Besatzung, über
verschiedene Aspekte, die für die Geschichte der Resistenza von Bedeutung sind,
wie ihre Widerstands- und Organisationsformen, die Befreiung und den
Stellenwert der Erinnerung an die Resistenza in der Zeit danach.
In
Frankfurt hatte sich für Ausstellung und Veranstaltungen ein Trägerkreis aus
zahlreichen inner- und außeruniversitären, deutschen und italienischen
Institutionen gebildet. Verschiedene Veranstaltungen wurden in Kooperation u.
a. mit dem DGB Kreis Frankfurt und dem Ver-
ein
»Arbeit und Leben« DGB / VHS durchgeführt. Den Auftakt der Veranstaltungsreihe
bildeten zwei Zeitzeugengspräche, mit Peter Gingold, der 1945 unter dem Namen
Luigi Righi in einer Partisaneneinheit im Piemont kämpfte und am Aufstand in
Turin teilnahm, und mit Aldo Zargani, Autor des Buches »Für Violine solo«, in
dem er beschreibt, wie er als jüdisches Kind in Italien Hilfe und Schutz vor
Verfolgung erfuhr.
Der
Rundgang über den italienischen Kriegsopferfriedhof in Frankfurt-Westhausen,
veranstaltet mit dem Frankfurter Studienkreis deutscher Widerstand hatte die
Ereignisse nach dem Kriegsaustritt Italiens zum Thema. Die Lage der
italienischen Militärinternierten in Deutschland, die von Zwangsarbeit und
rassistischer Diskriminierung geprägt war, bleibt bis heute auf den
aufgestellten Hinweistafelntafeln unerwähnt. Von im Zweiten Weltkrieg
Gefallenen ist hier die Rede – so bezeugt der italienische Kriegsopferfriedhof
in Frankfurt / M. auch, wie in den fünziger Jahren versucht wurde, die Spuren
der begangenen Verbrechen zu verwischen.
Mit
den Veranstaltungen und einem anlässlich der Ausstellung in Frankfurt / M.
erstellten Informationsheft mit dem Titel »Vergessene Käm-pfe« wollten die
Organisatorinnen darüber hinaus zwei inhaltliche Schwerpunkte setzen: die
Rolle, die Frauen in der Resistenza spielten, und die Beteiligung von
italienischen Jüdinnen und Juden an den Kämpfen der Resistenza.
Zwei
Veranstaltungen, die Vorführung des Dokumentarfilms »La donna nella Resistenza«
von Liliana Cavani, eingeleitet von der Filmwissenschaftlerin Marisa Buovolo,
und der Vortrag von Liana Novelli Glaab widmeten sich dem Thema der Frauen in
der Resistenza. Liana Novelli Glaab vertritt die These, dass ohne die aktive
Teilnahme der Frauen der Widerstand in Italien nicht möglich gewesen wäre. Sie
spricht in diesem Zusammenhang von einem »zivilen Widerstand«, der diejenigen
mit einschließt, die nicht direkt am bewaffneten Kampf beteiligt waren. Auf
diese Weise wird auch die bislang offiziell genannte Zahl der Partisanen in
Frage gestellt: Die Zahl der Frauen in der Resistenza beträgt ein Vielfaches
der am bewaffneten Kampf Beteiligten.
Zum
Abschluss der Veranstaltungsreihe fand in Zusammenarbeit mit dem Fritz Bauer
Institut ein Studientag zum Thema der jüdischen Beteiligung an der Resistenza
statt. Viviana Ravaioli vom University College of London machte deutlich, dass
sich in Italien nicht, wie in Frankreich oder in Osteuropa, Brigaden gebildet
hatten, die nur aus Jüdinnen und Juden bestanden. In diesem Zusammenhang wurden
Fragen des Antisemitismus und der jüdischen Identität in Italien angesprochen
und diskutiert. Leider verfingen sich die Wortbeiträge der TeilnehmerInnen des
Studientags immer wieder in nationalen Stereotypen, wenn die Rede von »den
Italienern« und »den Deutschen« war. Die beiden anderen ReferentInnen des
Studientages trugen indes dazu bei, dass weitere wichtige Aspekte aufgezeigt
und zur Diskussion gestellt wurden: Alberto Cavaglion aus Turin sprach über die
Tagebücher von Emanuele Artom, der Mitglied der Brigaden »Giustizia e Libertà«
war, und Gudrun Jäger aus Frankfurt / M. über Liana Millu, Autorin von »Der
Rauch über Birkenau« und »Die Brücke von Schwerin«, die vor ihrer Deportation
nach Auschwitz-Birkenau am Partisanenkampf beteiligt war.
Es
wurde deutlich, dass es sich bei Ausstellung und Veranstaltungsreihe nur um
einen ersten Schritt handeln konnte. In (bereits erwogenen) zu-künftigen
Veranstaltungen wären nicht nur die aufgeworfenen Frage-stellungen zu
vertiefen. Eine stärkere Wendung hin zum Politischen kön-nte das Resistenza-Projekt
erfahren, wenn es die Situation im heutigen Italien stärker beleuchten würde.
Regina
Schleicher
Das
Heft »Vergessene Kämpfe« ist für 5 Euro (gegen Rechnung) noch erhältlich bei:
• Institut für Romanische Sprachen und
Literaturen · Partigiani-Projekt · Grüneburgplatz 1 · 60629 Frankfurt / Main ·
Fax 069 / 798 - 321 89 · r.schleicher@em.uni-frankfurt.de
Weitere
Informationen und Texte:
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Dem Vor
Haftantritt
in
Rudko
Kawczynski bekam mit Poststempel 20. Oktober von der Staatsanwaltschaft Lörrach
mitgeteilt, er habe am 19. November in der Hamburger Justizvollzugsanstalt
Vierlande seine Haftstrafe anzutreten. Bereits 1992 war er vom Amtsge-richt
Lörrach wegen »Nötigung im Straßenverkehr« zu 50 Tagen Haft verurteilt worden.
Allerdings ist Kawczynski kein Raser und Drängler, sondern hat in seiner
Funktion als Vorsitzender des Roma National Congress am 9. November 1990 an
einem Protestmarsch gegen die Abschiebung von Roma nach Jugoslawien
teilgenommen. Die Roma forderten vom UNHCR, sich gegen ihre drohende
Abschiebung aus der BRD nach Jugoslawien einzusetzen. Dafür wollten sie vor dem
Uno-Flüchtlingshochkommissariat in Genf demonstrieren.
Am
Grenzübergang Basel wurde der Protestmarsch gestoppt und an der Ausreise aus
der BRD ain die Schweiz gehindert. Sie blockierten daraufhin den Grenzübergang
für sieben Tage. Rudko Kawczynski erklärte dazu: »Das war eine Spontandemo. Die
Polizei hat dann den Autoverkehr umgeleitet, aber damit hatten wir nichts zu
tun.« Marko D. Knudsen von Rom News erklärte dazu: »Dank dieser Aktion
erhielten mehr als 2 000 Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien
Aufenthaltsgenehmigungen in Deutschland. Die meisten von ihnen wären aller
Wahrscheinlichkeit nach gestorben im Falle einer Abschiebung in diese Gegend zu
diesem Zeitpunkt. Aufgrund dieser Demonstration ist Herr Kawczynski zu einer
50-tägigen Haft-strafe verurteilt worden.«
Der
Prozeß ging bis vor das Bundesverfassungsgericht, wo er seit 1994 anhängig ist.
Rudko Kawczynski dazu: »Das Amtsgericht Lörrach hat einmal im Jahr angefragt,
ob denn nun eine Entscheidung des BVG vorliegt. Und jetzt kam plötzlich die
Ladung zum Haftantritt, obwohl das BVG noch nicht entschieden hat.« Der
Anklagevertreter will nun offensichtlich nicht mehr länger auf ein BVG-Urteil
warten. »Das BVG hat zwar unsere Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des
Oberlandesgerichtes zur Entscheidung angenommen, aber das hat keine
aufschiebende Wirkung. Es ist absurd, aber nach 6 Jahren hat es jetzt plötzlich
die Staatsanwaltschaft Lörrach eilig, obwohl das BVG dieses Jahr angefangen
hat, den Vorgang zu bearbeiten«, fasste Kawczynskis Anwalt Christian Schneider
die Rechtslage zu-
sammen.
Kawczynski erklärt sich die plötzliche Eile politisch: »60 Roma-Organisationen
haben auf der Anti-Rassismus-Konferenz in Durban ge-gen die Abschiebepolitik
der Bun-
desrepublik
Deutschland protestiert und Aufsehen erregt. Kurz danach kam jetzt die Ladung
zum Haftantritt in Neuengamme.«
Genau
ein Jahr vor der Spontandemo am Grenzübergang hat Rudko Kawczynski am 9.
November 1989 unmittelbar neben der Justizvollzugsanstalt Vierlande eine
bewegende Rede gehalten. Um ein Bleiberecht für Roma aus Jugoslawien in Hamburg
durchzusetzen, hatten Roma die KZ-Gedenkstätte Neuengamme symbolisch besetzt.
In Neuengamme, zunächst Außenlager von Sachsenhausen, ab 1940 eigenständig und
Hauptlager für Norddeutschland, waren während des Nationalsozialismus etwa 500
Roma und Sinti im KZ inhaftiert. Die Roma und Cinti Union Hamburg protestierte
auf dem Gelände des früheren Konzentrationslagers, um ihrer Forderung nach
Bleiberecht Nachdruck zu verleihen: Vor dem Hintergrund der systematischen
Verfolgung und Vernichtung von Roma und Sinti durch die Nazis könne der
deutsche Staat 1989 auf keinen Fall Roma in ein Land im damals beginnenden
Bürgerkrieg abschieben. Die Besetzung wurde am nächsten Tag abgebrochen, sie
stieß in der Öffentlichkeit auf keine Resonanz. Die Men-
schen
saßen vor dem Fernseher und verfolgten die Bilder von der Maueröffnung.
Während
aus DDR und BRD Deutschland wurde, setzten sich Roma und einige
UnterstützerInnen gegen drohende Abschiebungen zur Wehr. Ein Film von Monika
Hielscher und Mathias Heeder dokumentiert diese Aktivitäten. Auch die
Grenzblockade bei Basel. Die Filmemacher: »Der Film Gelem Gelem – wir gehen
einen weiten Weg beschreibt den Versuch einer Gruppe heimatloser Roma in der
Bundesrepublik, den Teufelskreis von sozialer Verelendung, Kriminalisierung,
Abschiebung, illegaler Wiedereinreise, erneuter Vertreibung etc. zu durch-
brechen.«
Oft tauchen deutsche
Polizisten
in dem Film auf: Bei der Räumung des holländischen Konsulates in Hamburg oder
bei der Kontrolle der Grenze. Monika Hielscher und Mathias Heeder: »Die
Aufnahmen zu diesem Film entstanden zwischen Herbst 1989 und Frühjahr 1991. Die
meisten Menschen, die wir während dieser Zeit begleiteten, wurden inzwischen
von den deutschen Behörden abgeschoben. Ih-
re
Spuren verlieren sich in den Elendsghettos von Südosteuropa.« Viele Roma wurden
ab 1991 nach Skopje abgeschoben. Jahre später erzählte Mathias Heeder am Rande
einer Filmvorführung, dass sich die elenden Lebensbedingungen für Ro-ma dort
trotz zugesagter Hilfsgelder aus Deutschland, mit denen die Abschiebungen
›humanitär‹ begleitet werden sollten, nicht gebessert hätten. Mittlerweile sind
viele Roma in ganz Mazedonien, dessen Hauptstadt Skopje ist, im Bürgerkrieg
zwischen die nationalen Fronten geraten. Wie bereits zuvor im Kosovo, in dem
nach mittlerweile drei Jahren Gewaltmonopol der national-albanischen UÇK im
NATO-Protektorat Ro-
ma
ebenso wie Juden und Serben nur noch in einigen wenigen Enklaven leben können.
Trotzdem versuchen deutsche Behörden immer wieder, Roma aus dem Kosovo ab-
zuschieben,
wogegen der RNC im Sommer 2000 eine Kampagne organisierte.
Der
Roma National Congress RNC hat in Hamburg-St. Pauli seit vielen Jahren ein
Büro. Rudko Kawczynski hat sich ungezählte Male für das Bleiberecht von Roma
eingesetzt, denen nach geltendem deutschen Ausländerrecht Abschiebung droht.
Die Hamburger Ausländerbehörde – dessen Chef vom neuen Hamburger Innensenator
Ronald Schill gerade ausdrücklich für seine Arbeit gelobt wurde – hat Anfang
November eine junge Roma- Frau in Abschiebehaft gesperrt, die nach Kroatien
ausreisen muß. Sie wurde von ihren in Hamburg lebenden Eltern getrennt. Erst im
Oktober hat vor der Ausländerbehörde eine Kundgebung von tausend Roma gegen
drohende Abschiebungen nach Jugoslawien stattgefunden.
Jetzt
protestieren Roma- Organisationen aus Solidarität mit Rudko Kawczynski. Wie der
Autor Rajko Djuric im Namen des Romani PEN-Clubs: »Kawczynski ist also
›schuld‹, da er die Roma, deren Menschen- und Nationalrechte wie in der BR
Deutschland so auch in Europa tagtäglich mit Füßen getreten werden, versucht
hat zu schützen. Wir verstehen diesen Gerichtsbeschluß mehr als einen
politischen als einen juristischen.«
Vom
19. – 21. November findet in Hamburg im Kulturzentrum beim Durchreiseplatz
Braun eine vom Europarat und der OSCE mitgetragene Konferenz zur Lage von Roma
und Sinti in Osteuropa statt. Kawczyns-
ki
dazu: »Nach der Konferenzeröffnung, die ich für den RNC machen werde, kann ich
mich dann in Neuengamme zur Haft melden.« Kawczynski weiter: »Es ist makaber,
dass ich die Haft ausgerechnet in Neuengamme antreten muß«. Mar-ko D. Knudsen
erklärt dazu: »Bis zum heutigen Tage werden hier Roma und Sinti an einem Ort
inhaftiert, an dem ihre Eltern und Großeltern umgebracht wurden.« Die JVA
Vierlande ist ein reguläres Gefängnis, in dem aber zum Teil noch frühere
Häftlingsbaracken des Konzentrationslagers Neuengamme genutzt werden. Im
Programm der seit 31. Oktober in Hamburg mitregierenden Schillpartei PRO heißt
es unmißverständlich, dass die Verlegung des Gefängnisses Vierlande weg vom
Gelände des früheren KZ Neuengamme gestoppt werden soll. In der
Koalitionsvereinbarung des neuen rechten Hamburger Senates von CDU, Schill und
FDP hieß es ursprünglich dementsprechend: »... unabhängig vom Neubau werden die
Schließungspläne der Anstalt XII aufgegeben.«« Als sich gegen die Pläne, das
Gefängnis auf dem früheren KZ-Gelände zu belassen, Protest regte, wurde eine
neue Sprachregelung eingeführt: »Unabhängig vom Neubau werden Ge-
spräche
mit jüdischen Organisa-
tionen,
Opferverbänden und Insti-
tutionen
mit dem Ziel aufgenommen, Einvernehmen darüber herzustellen, ob die Pläne für
eine Schließung der Anstalt XII ... aufgegeben werden können.« Es soll ge-redet
werden – zurückgenommen wurde die Aufrechterhaltung des
Gefängnisses
auf dem KZ Neuengamme bisher nicht. Zwar hat sich am 8. November Hamburgs
Interims-Kultursenator Rudolf Lange dafür eingesetzt, das Gefängnis auf dem
Gelände zu schließen. Aber
bereits
am nächsten Tag erklärte
der
stellvertretende Senatssprecher, Klaus May: »Das Thema ist im Senat bisher
nicht abgestimmt worden.« Eine endgültige Entscheidung werde erst nach einem
Gespräch mit Überlebendenorganisationen am 21. November getroffen. Hamburgs
neuer Innensenator Ronald Schill, Führer der gleichnamigen Schill-Partei,
distanzierte sich ebenfalls am 9. November von Langes Aussagen: »Ich bin sehr
überrascht, Das steht so nicht im Koalitionsvertrag.« Ebenso Frank-Michael
Bauer, Abgeordneter der Schill-Partei: »Ich kann mir nur vorstellen: Das war
ein Alleingang von Herrn Lange.« Eine Schließung des Gefängnisses für die
Erweiterung der Gedenkstätte keineswegs Konsens: »Um der Nachwelt zu zeigen,
wozu Menschen fähig sind, hat die Gedenkstätte schon jetzt ihre Bedeutung. Das
ist keine Frage der Größe.« So werden wohl auch in Zukunft dort Verurteilte
ihre Strafe absitzen müssen, wo bis zum April 1945 der KZ-Appellplatz war, auf
dem die SS Gefangene erniedrigte, auspeitschte und erhängte.
Dass
die KZ-Gedenkstätte ausgebaut wird, erscheint notwendig gerade auch angesichts
der Kaltschnäuzigkeit, mit der bei der Aufforderung zum Haftantritt an Rudko
Kawczynski die nationalsozialistischen Taten zur Vernichtung von Roma und Sinti
ignoriert worden sind. Am 19. November wird Kawczynski an zwei Schildern
vorbeikommen, die direkt un-
tereinander
hängen und den Weg weisen – nach Rechts: Oben steht »KZ-Gedenkstätte
Neuengamme«, darunter »Vollzugsanstalten Vierlande«.
Gaston
Kirsche
(gruppe
demontage)
++++++
Alternative
Dem
kapitalistischen Patriarchat wohnt eine Tendenz zur Langewei-
le
inne. Ob daraus zwangsläufig folgt, dass die Kritik von Kapital und Patriarchat
auch langweilig sein muss, ist eine der Streitfragen kritischer Medienarbeit.
Verströmen vie-le Blätter den morbiden Charme des Immergleichen, sind noch alle
Versuche interessant zu wirken, im zwanghaften Tabubruch (wie etwa bei der taz
der 80er Jahre) und der Reintegration vormals alternativer Medienprodukte in
die Gesellschaft des Spektakels geendet. Im Zuge der Interneteuphorie gewinnen
in den letzten Jahren Vorstellungen einer herrschaftsfreien Kommunikation und
einer hierarchiearmen Vernetzung (alle senden, alle empfangen) neue
AnhängerInnen.
Gottfried
Oy hat selbst als Redakteur der 1997 eingestellten Zeitschrift links des
Sozialistischen Büros und seitdem als Mitarbeiter des Internetmagazins
comunefarce (www.
copyriot.com/unefarce)
Erfahrungen mit alternativer Medienarbeit gemacht. In seiner Dissertation setzt
er
sich nun mit den Medientheorien und -praxen sozialer Bewegungen der letzten
Jahrzehnte auseinander. In einer Tour de force führt er die
LeserInnen
in die bekannteren theoretischen Grundlagentexte der linken und kritischen
Medientheorie ein: Oy unterscheidet drei, selbstverständlich nicht scharf
voneinander abgrenzbare Stränge der Auseinandersetzung: Die Manipulationsthese,
die die Medienkonsumenten vor allem als Opfer von repressiver Manipulation
ansieht. Hierzu zählt Oy etwa die Frankfurter Schule und die deutschen Versuche
von Negt / Kluge und Enzensberger, aber auch femi-nistische Kritik an
androzentrischen Konzepten von Öffentlichkeit.
Die
These der Medien als Produzenten von Konsens wie sie etwa von AnhängerInnen der
Cultural Studies (wie etwa Stuart Hall) vertreten wird, bildet den zweiten
Approach, der schon aus einer Kritik am ersten Strang gebildet wurde. Den
Cultural Studies geht es sehr stark darum, die Interpretationen und Deutungen,
die die EmfängerInnen von Nachrichten diesen geben, zu untersuchen. Sie
untersuchen z. B. gemeinhin »trivial« genannte Formen von Massenkultur wie etwa
Fernsehserien oder Billigromane und erklären deren Erfolg aus der
Thematisierung von Problemen, die die LeserInnen oder Zuschauer haben und
thematisiert sehen wollen.
Den
dritten Strang bilden die Netzwerktheorien, die aus einer gewissen
technikdeterminierten Euphorie gegenüber den neuen Medien resultieren. Hier
werde das klassische Bild der bürgerlichen Öffentlichkeit – jede und jeder darf
reden (bzw. heute: senden) – wieder aufgewärmt, ohne zu thematisieren welche
Ausschlussmechanismen dem Internet innewohnen.
Im
zweiten, umfangreichen Kapitel referiert Oy die Publikationspraxis der Linken
der letzten Jahrzehnte von der heimatlosen Linken der 50er Jah-re, über APO und
klassische Alterna-tivbewegung bis hin zur zeitgenössischen Auseinandersetzung
mit dem Internet. Hier finden sich die viele Beispiele, die einem / einer
einfallen, wenn von Gegenöffentlichkeit die Re-de ist: Zeitschriften wie der
Informa-tionsdienst (ID), die radikal oder die taz als linke Tageszeitung. Aber
auch Video- und Radiogruppen werden vorgestellt und die Diskussion über linke
Computernutzung und die ersten Mailboxsysteme referiert.
Der
Band hat zwei Schwerpunkte, die auch getrennt voneinander gelesen werden
könnten: Zum einen die Darstellung kritischer Medientheorie, zum anderen die
Medienpraxis sozialer Bewegungen. Er ist also keine in sich kohärente
Geschichte der alternativen Publizistik, sondern eher – für Dissertationen
nicht ungewöhnlich – eine Literaturstudie. Beide Teile sind nicht eben leicht
zu verstehen, und eine Bedienungsanleitung für zeitgenössische emanzipatorische
Medienarbeit sind sie auch nicht.
Politische
Schlussfolgerungen oder Handlungsvorschläge für mediale Praxis lassen sich aus
dem Text schwerlich ziehen, können sich vielleicht bei einer Dissertation auch
nicht ziehen lassen. Sicher ist, dass eine auf der Manipulationsthese beruhende
Medienpraxis heute nicht mehr angebracht ist. Wie sich aber die auch von Oy in
seinem Schlußsatz eingeforderten »anderen Erzählungen«, die Informationen erst
kritisch werden lassen, etablieren lassen können, bleibt weiterhin unklar. Auch
wenn mittlerweile allen klar ist, dass eine Zeitung keine Bewegung schaffen
kann, ist Medienarbeit ohne einen gewissen Glauben an diese These, oder die
Hoffnung darauf nicht möglich.
Auffallend
ist: Linke Theorieproduktion scheint zunehmend in Form von Dissertationen oder
durch DoktorandInnen stattzufinden, für viele andere, in der Vergangenheit gän-
gigere
Formen von Theoriearbeit scheint der schrumpfende Sozialstaat die dafür
notwendigen Ressourcen zunehmend abzuschneiden.
Bernd
Hüttner
Gottfried
Oy: Die Gemeinschaft der Lüge. Medien- und Öffentlichkeitskritik sozialer
Bewegungen in der Bundesrepublik, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2001,
292 S., 24,40 EUR
+++++
RZension
vor
über einem jahr fand im bcn-café eine veranstaltung zum thema revolutionäre
zellen / rote zora statt. anlass war die großangelegte durchsuchung des
mehringhofs, die mit der verhaftung mehrerer, angeblich ehemaliger mitglieder
der rz einherging. obwohl der raum sehr voll war, war kaum ein mensch von denen
zu sehen, die bei linken veranstaltungen in bcn, koz, exzess oder auch club voltaire
für gewöhnlich anwesend sind. das publikum war im schnitt nicht nur deutlich
über mitte 30, auch kulturell schien es vergan-genen, anderen zeiten zuzugehö-
ren:
enge leggings, hohe stiefel, hauptsächlich schwarze kleidung. dass ein
ehemaliger autonomer vor den bullen ausgepackt, mehrere menschen belastet, die
verhaftungen somit erst ermöglicht hatte, schien die anwesenden stärker
geschockt und in angst versetzt zu haben, als das zeitungsmeldungen über
verhaftungen und verrat für gewöhnlich tun: offensichtlich handelte es sich um
einen ehemaligen genossen. obwohl sich die meisten wohl aus vergangenen (oder
auch gegenwärtigen) kämpfen kannten und es ihnen nicht an redeerfahrung
mangelte, war diese diskussionsveranstaltung von schweigen beherrscht.
mit
dieser lähmung bricht das neue buch der autonomen lupusgruppe. es nimmt die
gerichtsverhandlungen, den schlag der bundesanwaltschaft gegen mutmaßliche
strukturen der rz zum anlass, eine
geschichte
der rz / rz als teil des militanten widerstands in der brd zu schreiben. statt
sich – wie in solidaritäts- / unterstützerinnen-kommitees geschehen – auf bloße
anwaltstätigkeit zu beschränken, um die betroffenen nicht vielleicht noch
weiter zu belasten, interveniert die lupusgruppe zugunsten einer politischen
auseinandersetzung mit der kriminalisierung des militanten widerstands. gegen
die versuche von rot-grün die geschichte der neuen linken umzuschreiben, um sie
in die berliner republik zu integrieren, setzt sie einen linken blick auf die
junge historie. das schweigen brechen muss dabei heißen, die geschichte
offenzulegen, sie zu diskutieren, sich mit den fehlern und politischen irrwegen
auseinanderzusetzen. vor allem mit dem
erschreckenden
antisemitismus des internationalismus / antiimperialismusflügels der rz, der in
der entebbe-flugzeugentführung, bei der die passagiere in jüdische und
nichtjüdische passagiere selektiert wurden, seinen höhepunkt fand. sich der
geschichte zu stellen bedeutet auch, die niederlagen zu thematisieren, den nationalistischen,
neo-liberalen roll-back der neunziger, mit dem auch die rz ihr ende fand: »was
so lapidar und trocken mit ›deregu-
lierung‹
gemeint ist, ist lebensgeschichtlich betrachtet, eine fast gänzliche
auslöschung der zwischen 1968 und 1980 erkämpften ›errungenschaften‹. [...] die
durchkapitalisierung sozialer verhältnisse hat auch die bedingungen für
militanten widerstand entscheidend verändert. gab es früher reichlich
›freiräume‹ und nischen, arbeitsverhältnisse, die aushaltbar waren, löhne, die
nicht
zu
einem 40-stunden-job nötigten, staatliche leistungen (wie arbeitslosengeld bis
hin zur sozialhilfe), die
einigermaßen
leicht zu bekommen waren, so ist das diktat, sich mit haut und haar zu
verkaufen, zug um zug in den alltag widerständischen daseins integriert
worden.« (s. 128)
dass
›das volk‹ (das deutsche zumal) keine revolutionäre kategorie ist, sich im
zweifelsfall eher für die rassistische, sexistische option entscheidet als für
eine emanzipatorische, dass linke / linksradikale politik seitdem zumeist
defensive politik bedeutet, u. s. w.: das sind erkenntnisse, die von der
radikalen linken teilweise schmerzhaft erarbeitet werden mussten. sie sollten
allen linken, die seit 1990 politik machen, bekannt sein. weniger bekannt und
unter der macht der erfahrungen der neunziger eher verloren gegangen ist das
wissen, dass es auch ganz anders sein kann und teilweise auch war: das »denken
in konzepten des antikolonialen und antiimperialistischen befreiungskampfes
entwickelte sich in den 50er jahren. im laufe dieses jahrzehnts befreien sich
mehrere trikontländer durch den bewaffneten kampf, wie cuba und algerien. in
vielen anderen staaten toben später erbitterte kämpfe zwischen nationalen
befreiungsbewegungen und der staatsmacht oder gar imperialistischen besatzern,
wie etwa im südvietnam, im kongo, in angola sowie in vielen staaten mittel- und
südamerikas.
ihren
programmatischen höhepunkt hat diese stimmung mit der trikontinentalen
konferenz 1966 in havanna, auf der bewegungen und regierungen aus 82 staaten
den bewaffneten befreiungskampf als standardweg der emanzipation verkünden. das
ist, formal betrachtet, eine satte uno-mehrheit. che guevara ruft die studenten
in europa und den usa dazu auf, den ›kampf im herzen der bestie‹ aufzunehmen.
in einem interview mit günter gaus im herbst 1967 führt rudi dutschke aus, dass
›es sicher ist, dass wir dann waffen benutzen werden, wenn bundesrepublikanische
truppen in vietnam oder anderswo kämpfen – dass wir dann im eigenen land auch
kämpfen werden‹. [...] auch in den europäischen kernländern, besonders in
italien, entwickelt sich anfang der siebziger jahre eine breite kultur- und
sozial-revolutionäre bewegung. wenige jahre nach der ›studentenbewegung‹ kommt
es sogar in den großen industriebetrieben der brd wie ford und opel wieder zu
›wilden‹ streiks. erstmals seit den zwanziger jahren und den bitteren
niederlagen durch die jahre des faschismus scheint sich ›die klasse‹ wieder zu
bewegen. in italien werden zum teil offen die mechanismen einer
kapitalistischen gesellschaft außer funktion gesetzt, sind in den
arbeitervierteln nulltarif, miete verweigern und ›proletarischer einkauf‹
[einkaufen ohne zu bezahlen] alltägliche lebenspraxen.[...]
»ganz
so absurd wie heute«, schlussfolgert christoph villinger, »war in den siebziger
jahren der gedanke an ein übergreifen der trikontinentalen revolution auf
europa keineswegs«. (s. 35 – 39)
in
diese kämpfe versuchten die rz´s zu intervenieren. sie waren dabei immer darum
bemüht, ihre aktionen zu vermitteln, sie in ein breites lin-
kes
widerstandskonzept einzubetten und waren – im gegensatz zur raf – darin auch
recht erfolgreich. erfolgreich waren die revolutionären zellen / rote zora noch
in anderer hinsicht: kaum eine zelle konnte je vor gericht gestellt werden –
was den so nachhaltigen ärger und ehrgeiz der bundesstaatsanwaltschaft
begründet.
besondere
beachtung sollte auch der tatsache gebühren, dass die rz in der roten zora über
eine militante feministische gruppe verfügte. diese beachtung lässt das buch
vermissen – die rote zora findet keine erwähnung. dabei ließe sich vielleicht
gerade aus weiblicher militanz – sozusagen die antipode zur ›friedfertigen frau‹
– lernen, dass bewaffneter kampf, militanz generell, nicht notwendig zu
machismo führen muss.
bj
+++++
raumspiel /
anfang
dieses wintersemesters ha-ben wir – studentinnen verschiedener fachbereiche
[uni ffm] und aus diversen politischen zusammenhängen – uns zusammengefunden,
um mit unterschiedlichen aktionen und flugblättern auf den zustand der
universität und der studienbedingungen hinzuweisen.
einig
sind wir uns darüber, dass wir die neoliberale umstrukturierung der
hochschulen, wie sie in den letzten jahren in der brd in angriff genommen wurde
und in frankfurt von der unileitung unter präsident steinberg massiv forciert
wird, ablehnen.
dazu
zählen wir alle maßnahmen, die den zugang zur hochschule weiter beschränken
oder erschweren sollen (n.c.’s, aufnahmestops oder zugangsbeschränkungen durch
prüfungen oder ähnliches) oder die
situation
der bereits studierenden verschlechtern (studiengebühren, verschärfung von
prüfungsordnungen etc.). auch wenden wir uns gegen einen immer repressiveren
sicherheitsdiskurs, der sich an der frankfurter uni in form von videokameras,
privaten sicherheitsdiensten, vertreibung von nicht studentisch aussehenden
menschen und in jüngster zeit durch die rasterfahndung nach ausländischen
studierenden zeigt.
der
idee einer glatt polierten uni, die nur noch als zuliefererbetrieb für die
wirtschaft fungieren soll, setzen wir die vorstellung einer selbstbestimmten
bildungseinrichtung entgegen, die allen interessierten offen steht.
gleichzeitig
gilt es, eine kritik an aktuellen entscheidungen zu üben, wie zum beispiel dem
aufnahmestop am fachbereich gesellschaftswissenschaften und für alle lehrämter
für das kommende sommersemester. hier handelt es sich um eine vorbereitung auf
weitere zugangsbeschränkungen (ein nc ist bereits seit längerem im gespräch).
die
probleme einer falschen bildungspolitik werden von professorinnen und
unileitung an studentinnen weitergegeben, wie dies bereits durch ausschluss aus
seminaren durch losverfahren oder ähnliches geschieht.
hierzu
hat raumspiel bereits aktionen in seminaren und vorlesungen veranstaltet, um
mit studentinnen und lehrenden über diese situation zu diskutieren. weitere
aktionen im rahmen der eu-weiten streikwoche und diskussionsveranstaltungen
folgten im dezember.
das
ziel der verschiedenen aktionen ist eine breitere öffentlichkeit unter
studentinnen und auch lehrenden für diese problematik zu gewinnen und nicht
zuletzt den herrschenden unmut über die situation zu bündeln, um damit den raum
und die möglichkeit für einen massiveren protest der studentinnen zu schaffen.
dabei gilt es allerdings die rahmenbedingungen und politischen entscheidungen,
die diese verhältnisse an der universität hervorbringen und weiter
vorantreiben, nicht aus dem auge zu verlieren.
ag
Neoliberalisierung /
daß
neoliberalisierung kein phänomen ist, daß allein die verschiedenen
weltwirtschaften in neuer weise in konkurrenz zueinander setzt scheint
offensichtlich. denn wirtschaften läßt sich nur aus einer je tatsächlichen
gesellschaftsformation heraus. im konkreten fall bedeutet dies, daß
gesellschaft kompatibel werden muß um den ›neuen‹ globalen anforderungen der
wirtschaft zu genügen. in diesem sinne befinden sich die verschiedenen
weltgesellschaften in einer phase der umstrukturierung. für den fall
deutschland bedeutet dies eine neoliberale umgestaltung des staats-
apparates
und seiner institutionen um ›zukünftige‹ wettbewerbsfähigkeit und damit das
›überleben‹ der einzelnen zu garantieren. was dies genau für die einzelnen
bedeutet, zeigt sich nun auch für die studierenden, nachdem neoliberale
umstrukturierungsprozesse auch in der uni einzug erhalten. im konkreten fall
ist das durch den strukturplan, welchen die unternehmensberatung mckinsey im
auftrag der universität entworfen hat, geschehen. in diesem ›visionären‹
papier, daß unter völligem ausschluß der studierenden entworfen wurde, geht es
um eine ›zukunftsfähige neugestaltung‹ der uni, die forderungen nach autonomie
und selbstbestimmung der studentinnen wurden wie selbstverständlich
unterlaufen. diese bilden ja vielmehr nur noch die produkte, welche im zuge der
neuen zuliefermentalität, für die wirtschaft hergestellt werden. und produkte
haben zu funktionieren, nicht kritisch zu denken. zunehmend muss universitäre
forschung über drittmittel finanziert werden. zum einen bedeutet das den
verlust autonomer forschung und lehre, und damit den verlust einer distanz zum
gesellschaftsbetrieb, welche die kritische reflektion und reaktion zu diesem
erst ermöglicht hat. zum anderen bedeutet das, strukturelle benachteiligung für
jene fachbereiche deren ergebnisse nicht direkt in bare münze umzusetzen ist.
neben verkleinerung und zusammenlegung bedeutet dies auch, in unipräsidents
steinbergs worten »mut zur lücke«, also die schließung ganzer unrentabler
fachbereiche. die universität die einst mit einem bildungsideal angetreten war,
verkommt zu einem servicebetrieb der eben nur noch jene ›artikel‹ führt, für
welche ›nachfrage‹ besteht – das bildungsideal wird betriebswirtschaftlich
umstrukturiert. um rentabilität und effektivität weiter zu erhöhen, ist es
nicht weiter verwunderlich, daß die uni auf eine elitären masse rationalisiert
werden soll. n. c. und studiengebühren sind die mittel mit welchen die
unileitung agiert, um die draußen zu halten, die nicht willens sind bzw. es
sich nicht leisten können in diesem system mitzuhalten.
ag
rasterfahndung
seit
september läuft die rasterfahndung auch an der uni frankfurt. der
rechtsabteilung der goethe-universität wurde ein beschluss des amtsgerichts
wiesbaden übergeben, in dem die uni-leitung dazu aufgefordert wird, »daten
bestimmter nationalitäten, die in einem bestimmten zeitraum in technischen und
/ oder naturwissenschaftlichen studiengängen eingeschrieben waren oder sind, für
einen datenabgleich zur verfügung zu stellen.«
präsident
steinberg reagierte folgsam, ohne auch nur zu versuchen, die fahndung zu
verhindern. warum sollte er auch, da sich seine sonstigen sicherheits- und
ordnungspolizeilichen massnahmen wunderbar in den hegemonialen diskurs
einfügen. bereits seit längerer zeit patrouilliert ein privater
sicherheitsdienst auf dem campus, der leute, die nicht in das bild des weißen,
sauberen, jungen, deutschen studenten passen, aus der mensa und anderen
gebäuden vertreibt. an verschiedenen stellen wurden kameras installiert. im
januar 2001 besetzte die uni-leitung das studentInnenhaus, so dass bis heute
ein sheriff an der pforte darüber wacht, dass keinE obdachloseR das haus
betreten darf.
nun
kommt zu all diesen massnahmen auch noch die rasterfahndung. dabei werden alle
personen erfasst, die bestimmte kriterien erfuellen: herkunft aus bzw.
staatsbürgerschaft eines landes wie afghanistan oder algerien, männliches
geschlecht, islamische glaubenszugehörigkeit etc. das schönste kriterium aber
ist die »unauffälligkeit«. wer brav steuern und gez bezahlt, so die denkweise
der fahnder, muss irgendetwas verbergen. die gesammelten daten sollen dann
abgeglichen werden mit
listen
von fluglinien, recyclingsunternehmen, cateringfirmen und selbst
reinigungsfirmen. wer glaubt, dass alle gesammelten informationen später wieder
gelöscht werden, muss schon sehr naiv sein.
dass
dieses vorgehen einen dras-tischen eingriff in die persönlich-
keitsrechte
der gerasterten darstellt, ist offensichtlich. wie so häufig in deutschland,
ist auch dieser grundrechtsabbau rassistisch konnotiert. durch den
generalverdacht gegen alle muslime bzw. menschen aus arabischen ländern wird
der eindruck bewusst geschürt, dass ›die ausländer‹ oder zumindest ›die araber‹
alle verbrecher und potentielle fanatische attentäter seien, wie der / die
durchschnittliche bildleserIn ja schon lange vermutet. gleichzeitig wird so der
rechtstaatliche grundsatz der
unschuldsvermutung
weiter ausge-höhlt. man braucht nicht viel phantasie für die überlegung, dass
in zukunft auch andere gruppen (z. b. die ominösen
›globalisierungsgegnerInnen‹) gerastert werden könnten. »Wer nichts zu
verbergen hat, braucht dies ja nicht zu fürchten.«
unsere
ag thematisiert alle diese massnahmen, die im kontext des schilyschen
sicherheitspaket stehen, und bemüht sich, durch aktionen und veranstaltungen
ein wenig sand in das getriebe des sicherheitsapparats zu streuen. weil wir
nicht schritt für schritt in den überwachungsstaat marschieren wollen, fordern
wir die völlige wiederherstellung der autonomie des studentInnenhauses, den
abbau aller kameras und die abschaffung des sicherheitsdienstes sowie das
sofortige ende der rasterfahndung.
und
vergessen sie nicht: verhalten sie sich niemals unauffällig!
raumspiel-ag
professorinnen
mit dem hang zu losverfahren, anwesenheitslistenterror u. a. autoritären
organisationstechniken sowie seminare, bei denen die hälfte der studierenden
auf dem fußboden verweilen muss – sie alle wurden kurzzeitig aufgesucht von
zwei präsidenten und einigen gefolgs-
leuten.
die raumspiel-performance (früher hätte mensch: agitprop-, straßentheater oder
gleich ›teach-in‹ gesagt) stellte uni-präsident rudolph steinberg im rhetorisch
neoliberalem tête-à-tête mit ministerpräsident roland koch dar, nachdem sich
die gruppe zugang zu einem der benannten seminare verschafft hatte
(früher-jargon: ›go-in‹). nach einem abriss über den aufnahmestopp
für
gesellschaftswissenschafterinnen und lehramtsstudentinnen, den abbau
demokratischer mitbestimmungsmöglichkeiten der studierenden im neuen hessischen
hochschulgesetz, den verdeckten studiengebühren und ganz offenen für
langzeitsurferinnen, dem neoliberalen hochschulentwicklungsplan u. a.
reaktionären reformen war noch zeit für eine kleine diskussion. das publikum
konnte sich noch der begleitenden infoflyer widmen, danach verschwand der
unangemeldete besuch auch schon wieder – und mit ihm auch die aktuellen
anwesenheitslisten. zwar ließen die professorinnen esser, puhle, prokop und
hoffmann die gruppe gewähren, erstaunlich hingegen die reaktionen des
›emanzipatorischen subjekts‹: des STUDENTEN. die meisten applaudierten höflich,
einige wenige reagierten gereizt – nach dem motto: wenn schon stören, dann doch
bitte schön vor dem beschluss zum aufnahmestopp. und so bleibt die nicht ganz
neue erkenntnis, dass wir weitere kleine performative acts (go-, sit-, teach-,
...-ins) machen, damit unser subjekt den alltäglichen wahnsinn des uni-alltags
nicht einfach als wahnsinnig stressigen alltag wahrnimmt und es diese
absurdität als das begreift, was sie ist: gaga!
raumspiel-subscribe
+++++++
maschine mit schluckauf
Du
gilst als politische Sozialisations-institution an der Uni. Wie viele
Generationen von Turm / Uni-Linken sind schon bis jetzt durch deine informelle
Streikschulung gegangen, wie lange studierst du hier?
(rülpst)
Die
meisten Studis scheinen sich schnell durchzuwurschteln, sind Schein-Studentinnen.
Hat sich da was geändert? Bist du selbst von den Repressionen gegen
Langzeitstudierende betroffen?
Ich
denke, dass sich weniger die Studierenden geändert haben, als die Uni. Wenn ich
ab und zu Leute treffe, die hier nach 4 oder 8 Jahren her kommen, die erkennen
das gar nicht mehr wieder. Der geweißte, sterilisierte Campus, der von
jeglichem Graffiti »befreit« ist.
Auch
hier in dem diskus-Raum. Alles ist weiß, mir fällt dieses weiß einfach so
unheimlich auf. Das war vor ein paar Jahren noch anders, da waren die Wände
mehrfach und immer wieder übermalt. Jetzt gibt’s höchstens mal Plakate. Auch
das
Outfit
der Leute hat sich geändert. Noch Ende der achtziger und Anfang der neunziger
war es in bestimmten linken restszenes eher angesagt so gammelig rumzulaufen.
Die Bedeutung der Kleidung ist viel stärker geworden. Diese Ästhetik, neue
Sauberkeit, diese Veredelung des Stu-
dierendenalltags,
das macht natürlich auch eine Atmosphäre aus. Und die war als ich hier gekommen
bin noch anders.
Kann
die Institution Uni von den Studierenden derart getrennt werden oder bedingt
nicht die Schwächung der Linken und die Umstrukturierung der Uni auch einen
anderen Typus Studierender?
Nein.
Diesem Motto: »die Studis werden immer blöder – wir waren aber besser.« möchte
ich widersprechen. Ich höre das nämlich schon seit zwanzig Jahren. So einen
totalen Bruch gab’s und gibt’s nicht. Es gab eine diffuse Spontibewegung, die
starken kulturellen Einfluss hatte (der diskus war auch mal im Stupa). Die
Theoriegrüppchen und Arbeitszirkel, die es heute gibt, gab’s immer, aber diese
waren damals stärker in ein größeres Netz von abstrakt / diffusen
Linksintellektualismus eingebunden.
Die
Identifikation über die Politgrup-pe war nicht so stark.
Du
würdest also sagen, dass eine linke oder Spontaneistische kulturelle Hegemonie
weggebrochen ist und nur klei-ne, marginalisierte linke Scenes und Grüppchen
übriggeblieben sind. Wie verortest du dich selbst in dieser Geschichtslinie?
Das
Ganze ist ein Teil meiner Geschichte. Ich bin ja eher untypisch. Ich komme vom
zweiten Bildungsweg, habe einen ehrenswerten Be-ruf, eine Kaufmannsausbildung
gemacht. Und war dann auf einem Abendgymnasium in Frankfurt. Das war eine sehr
linke Schule, also: alle Leute kommen durchs Abi, linke Themen, linke Lehrerinnen.
Darüber bin ich sozialisiert / politisiert worden. Als ich dann 78 / 79 zur Uni
kam, hatte ich eigentlich das Gefühl, hier ist sehr wenig los. Der Mythos
›linke Uni‹ hat damals schon nur bedingt gestimmt. Ich habe erst mal
überwiegend Fachschaftsarbeit gemacht, dann aber gemerkt, dass die ganze
Gremienarbeit eigentlich für’n Arsch ist.
Ein
erster Höhepunkt war die Antistartbahnbewegung 1982, die stark von der Uni
mitbeeinflusst wurde. Verschiedene Fachschafts- und andere Aktivgruppen sind
rausgefahren, auch Profs haben sich an der Wald- Uni beteiligt. Dies ist heute
nicht mehr nachvollziehbar: Zwei Wochen jeden Tag eine Demo mit 200 bis 3000
Leuten. Der politische Erfolg war zwar trotzdem relativ beschränkt aber der
ökonomische Nebeneffekt war, dass die Zeil ziemliche Umsatzeinbußen hatte.
Ich
bin darüber zu den Spontis (undogmatische Linke) gekommen, ha-be auch mal im
Stupa gesessen. Die Spontis haben sich von den K-Gruppen dadurch unterschieden,
dass die autoritären Strukturen nicht so offen, sondern eher subtil gewirkt
haben, weshalb ich dann auch irgendwann keinen Bock mehr hatte.
1986
habe ich den ersten Streik mitgemacht, Tschernobyl. Wir haben drei Tage lang
den Turm zugemacht. Danach gab’s dann Diskussionsveranstaltungen und Demos. die
undogmatische Linke hat zu dieser Zeit starken Zulauf bekommen, von Leuten, die
vorher vielleicht gar nicht so politisch waren.
88
/ 89 war noch mal einer der interessantesten Streiks, nach zwei, drei Semestern
Marx war eine gute Grundlage für die Diskussionen und Flugblattproduktionen
vorhanden, wir hatten eine gemeinsame Diskussionskultur entwickelt. Das war der
erste große bundesweite Streik seit langem. Eine V V fand dann in der
Kongreßhalle der Messe statt, mit Platz für 6 000 Studis. Das gibt’s ja an der
Uni nicht.
89
/ 90 war ja der große Bruch, weltgeschichtlich aber vor allem auch für die
deutsche Linke. Wie hat sich das auf die Uni-Linke ausgewirkt?
Nach
dem Anschluss der DDR an die BRD haben wir von den Fachschafteninitiativen
einen Kongress in Leipzig an der Karl-Marx-Universität besucht. Wir haben
versucht, von einer linken Position heraus in Diskurse einzugreifen. Die lieben
Leute aus dem Osten haben sich gefragt, warum sich die lieben Linken aus dem
Westen immer streiten müssen. Es hat sich schon damals ein Bruch abgezeichnet,
der sich nicht überwinden ließ auch wenn es vereinzelt längere Kontakte gab. Ab
den Neunzigern haben sich die Linken / Linksradikalen dann immer stärker aus
den Auseinandersetzungen, den Streiks rausgezogen.
Ist
Uniprotest dann nicht eine total langweilige, elitäre Veranstaltung, die nur
nach mehr Büchern schreit?
Wenn
ich diese oft gestellte Frage höre, klebe ich schon fast an der Decke. Nach
welchen Kriterien wird der Erfolg bemessen – die ganze Frauenforschung – ist
meine These – wäre ohne die Streiks nicht entstanden. Die Streiks haben mit
dazu beigetragen, dass Feministische Theorie, Frauenforschung an der Uni sehr
stark ausgebaut wurde.
88
/ 89 waren von den 10 Hauptforderungen 5 feministische und die-se wurden
absurder Weise noch von einem Macho vorgetragen.
Natürlich
bedeutet die Etablierung feministischer Theorie und Frauenforschung nicht
automatisch, dass die Leute, die in diesen Institutionen sitzen ein offeneres
Verhältnis zu den Studierenden haben oder für eine freie Gesellschaft kämpfen.
Der Erfolg von Streiks war vor allem die Entwicklung einer gewisse Egalität von
Studierenden und Lehrenden.
Was
ist eigentlich ein Streik? Worin besteht der Pfeffer: Forderungen erkämpfen,
Kollektivität, Politisierung schaffen?
Im
weitesten Sinne – das ist ein bisschen hochgestapelt – geht es um eine
»revolutionäre« Fete. Ein Streik ist ein sinnlicher Ausbruch, bestehende
Räumlichkeiten anders zu nutzen, als immer nur stereotyp in den Seminaren zu
sitzen und die Monologe der Lehrenden über sich ergehen zu lassen, selbst aktiv
zu werden, nach außen zu gehen, sich auf
andere
Zeitstrukturen einzulassen. »Den Terror der Normalität durchbrechen«. Worum es
gehen sollte, ist doch versuchtes Leben. Aber was hier passiert, ist kein
versuchtes Leben, sondern eine Maschinerie mit ein bißchen Schluckauf.
Eine
der interessantesten Sachen des letzten Streiks war eine Asso-
ziationsmontage
der konstruktiven KommilitonInnen. Jede / r schreibt ein Wort und alles
zusammen wird dann als Pamphlet veröffentlicht. Dies war die Möglichkeit ohne
Druck etwas Sinnvolles zu Papier zu bringen, einfach zu assoziieren. Das Thema
Streik, die mediale Inszenierung, spielerisch zu durchbrechen. Ich bin stark
fürs brockenhafte, du kannst das aphoristische nennen, du kannst das ausgekotzt
nennen. Ist eigentlich egal. »Patchwork« ist so ein blasser Begriff, aber ich
denke tatsächlich, dass die Leute sich selbst zusammenbasteln sollten: den
Text.
Ansonsten
produzierst du diese Fernsehatmosphäre, die ich hier auch schon wieder spüre.
Ich finde das gerade wichtig, darüber zu diskutieren wie so ein Interview
eigentlich aufgebaut ist, du scheinst mir schon wieder so stark in Strukturen
zu denken: Was kommt zuerst, was serviere ich den Leserinnen als nächstes?
Um
wieder zu den Streiks zurückzukommen. da scheint unheimlich viel zu passieren,
Wiederaneignung der Räume, eine veränderte Zeitwahrnehmung usw. trotzdem sind
die Leute frustriert und ziehen sich beim nächsten mal raus?
88
/ 89, 90 / 91, 93 / 94, 97 / 98. Vier Streiks in zehn Jahren und fast immer
komplett neue Leute. Der Streik, das Aufbrechen des alltäglichen Wahnsinns,
erzeugt Hoffnung, es könne sich auch gesamtgesellschaftlich etwas radikal
verändern. Insofern ist die Normalität, die danach zurückkehrt umso
unerträglicher.
Andererseits
scheinen sich viele der Illusion hinzugeben, ein Streik würde noch aus der
letzten Spießerin eine Kommunistin oder so machen. Da moquieren sich Teile der
radikalen Linken, die jetzt unter anderem im Diskus sitzen – bumm – sie hätten
keine politischen Statements machen dürfen, und es habe Zwischenbemerkungen und
Buhrufe gegeben, wenn jemand aus anderen Ländern oder Feministinnen sprechen
wollten. Für mich ist Brüllen ein Zeichen der Auseinandersetzung und nicht
Stillschweigen und Klatschen. Das schlimmste an so VVs finde ich immer, wenn
alle klatschen. Lieber ein paar Zwischenrufe von Reaktionären, um die Sache
auszukitzeln. Das habe die Spontis noch richtig genossen. Die haben die Eier
zurückgeschmissen, die haben zu-rückgebrüllt. Diese politische Streitkultur ist
verlorengegangen, heute sind die Leute in ihrem Narzissmus gekränkt, wenn sie
kritisiert werden.
Zum
Abschluss: Was ist aus den vorherigen Streiks zu lernen, ihren Erfolgen,
Fehlern, was sollte vermieden werden?
Ich
denke es ist wichtig, dass im Zweifelsfall der Fehler noch mal gemacht wird.
Denn es geht um die Prozesse. Die Thematiken und die Erkenntnisse sind nicht
vorwegnehmbar.
Wichtig
wäre es möglichst wenig auszugrenzen und sich mit anderen Positionen
auseinanderzusetzen um eine Kommunikation im grösseren Rahmen zu ermöglichen.
Der
offene Diskurs wird durch elitäre, wissenschaftliche, narzisstische Strukturen
in der Uni behindert. Das IG- Farben- Gelände bringt es auf den Punkt: neue
Sauberkeit, mehr Verschulung weniger Kommunikation. Es fehlen die Bezugsgruppen
und der Alltag von Studierenden ist stärker strukturiert als früher. Die
Einübung der Disziplinierung findet schon vor allem im Grundkurs statt.
Seitenzahl – Abstand – Schönes Layout bestimmen die Referate. Die Zergliederung
der Seminare und Vor-
lesungen
des FB 03 auf den alten Unicampus macht
es noch schwieriger Initiativen zu starten. Auch Themen wie Krieg spielen keine
Rolle. Es bleibt bei zynischen Bemerkungen der Lehrenden in einzelnen
Seminaren. Der FB 03 wird zunehmend zur
»Verwaltungswissenschaft« zur »Institutionenkunde«.
lodada + bini
+++++
Widerstand?
Der
Versuch, »einen Dialog« zwischen Poststrukturalismus und Kritischer Theorie zu
initiieren, ist zum Dauerbrenner in der radikalen linken Theoriebildung
geworden. Nach den beiden prominentesten Versuchen, dem Band «Kritische Theorie
und Poststrukturalismus« der jour-fixe-Initiative Berlin und »Geschlecht als
Existenzweise« von Andrea Mai-hofer liegt nun ein neuer Entwurf vor: Im
VENTIL-Verlag ist nun ein mit 16,90 EUR doch recht teurer Sammelband
erschienen, der die Ergebnisse der gleichnamigen Frankfurter Konferenz im
Februar dokumentieren soll. Doch dies macht bereits etwas stutzig: Damals war
der »Dialog« ja gründlich schiefgegangen.
Glücklicherweise
erscheint das Buch demgegenüber deutlich erwachsener. Ob durch
Erkenntnisfortschritt der AutorInnen oder durch die selektive Auswahl der
veröffentlichten Referate durch die HerausgeberInnen: Das Buch verschweigt
weder die vielfältigen Differenzen innerhalb emanzipatorischer Theoriebildung,
noch werden diese zu Glaubensfragen stilisiert, die Seite der Barrikade, auf
der man stehen wird, zuweisen. Zwar werden auch diesmal nicht die in der
Einleitung genannten zentralen »Zerrissenheiten, Widersprüchlichkeiten,
Streitigkeiten und offene Fragen« gelöst (genannt werden »die Bezugnahme auf
ein aufklärerisches Subjektverständnis«, »die normative Begründbarkeit
politischer Praxis«, »die politische Dimension emanzipatorischer
Gesellschaftskritik« – gemeint ist die Diskussion um Radikaldemokratie – und
»die Suche nach befreiendem Potential im Postfordismus«), gleichwohl ist hier
eine Form gefunden, in der unterschiedliche Ansätze gegen unterschiedliche
aktuelle Herrschaftsformen in Anschlag gebracht werden können.
Möglich
ist dies freilich nur, weil entscheidende Elemente von Poststrukturalismus und
Kritischer Theorie ausgeblendet werden. Zurecht: Wer eine solche Ausblendung zu
vermeiden suchte, landete schnell bei gegensätzlichen Bezugnahme auf Heidegger
und bräuchte gar nicht mehr weiterüberlegen. Während die jour-fixe-Initiative
auf eher abstrakt-philosophischer Ebene die Kompatibilität der konkurrierenden
Theorieschulen diskutierte und Maihofer die Konstitution von Körper und
Geschlecht fokussierte, scheinen hier der Postfordismus und Globalisierung der
rote Faden zu sein. Auch die Themen Rassismus und Geschlechterverhältnisse werden
auch ihre Veränderungen durch die Veränderungen ökonomischer Verhältnisse hin
untersucht. (Die Befürchtung, damit könnte einem neuen Grundwiderspruchsdenken
das Wort geredet werden, kann durch die Plausibilität der angestellten
Überlegungen entkräftet werden.) Es legitimiert das »Dialogprojekt« nochmals,
dass explizit neue und unabgeschlossene Phänomene zum Gegenstand der Kritik
werden. Die Traktierung von Herrschaftsverhältnissen der Gegenwart ist immer
schwierig und gefahrvoll, wer da auf mögliche theoretische Werkzeuge verzichtet
oder glaubt, alle Probleme mit dem Mas-terplan lösen zu können, macht sich des
Scheuklappentragens schuldig. Dass fast alle Beiträge mit einem Hinweis darauf
enden, wo und in welcher Weise weiternachgedacht werden muss, statt griffige
Thesen zu formulieren, kann man wohl nicht diesem Buch, sondern allein den
komplizierten Verhältnissen anlasten. Möglicherweise ist dieser Sammelband ein
Schritt zu einer emanzipatorischen Theorie, die wie Serhat Karakayali in seinem
Beitrag fordert, erworbene Identitäten historisch und gesellschaftlich
kontextualisiert, anstatt sie pauschal zurückzuweisen oder abzufeiern.
Judith
Marx
Jan
Deck / Sarah Dellmann / Daniel Loick / Johanna Müller (Hrsg.): Ich schau Dir in
die Augen, gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang! Texte zu
Subjektkonstitution und Ideologieproduktion. Mainz 2001: VENTIL, 192 Seiten,
Paperback, 16,90 EUR
++++++
Von Genua
Wie
jedes Jahr findet im Februar die »Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik«
(die frühere Wehrkundetagung) statt, ein Treffen von Regierungsvertretern der
NATO-Staa-
ten
und rund 200 hochkarätigen Militärstrategen, Generälen und Rüs-tungsexperten.
Die
versammelten EU- und NATO-Repräsentanten, die Kriegs- und Au-ßenminister der USA,
der BRD und der übrigen EU-Staaten wollen der Öffentlichkeit vorgaukeln, bei
dieser Konferenz gehe es um die Wahrung des Friedens auf der Welt und um
internationale Sicherheit. Das Gegenteil ist richtig: Sie planen den nächsten
Krieg.
Hinter
den verschlossenen Türen im Nobelhotel »Bayerischer Hof« – abgeschirmt von der
Öffentlichkeit – reden sie nicht über Sicherheit, sondern über die Aufstellung
schlagkräftiger mobiler Eingreiftruppen, über neue milliardenschwere
Rüstungsprogramme und über die Stationierung modernster High-Tech-Waffensysteme
im Weltraum. Jahr für Jahr geben die NATO-Staaten dafür rund 1 000 Milliarden
Mark aus.
Doch
wäre es verfehlt, die NATO-Staaten als einen homogenen Block zu verstehen.
Vielmehr tragen sie ihre innerimperialistischen Rivalitäten immer offener aus,
seit der gemeinsame Hauptfeind – die Sowjetunion – nicht mehr existiert. Alle
europäischen Treueschwüre für die NATO, alle Beteuerungen über die
Unverzichtbarkeit der USA als Bündnispartner, können nicht darüber hinweg täuschen,
dass der Machtkampf zwischen den USA und den europäischen Staaten bereits voll
im Gang ist. Im zähen Ringen teilen die »Herren der Welt« die Rechte »auf
ungehinderten Zugang zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt« unter sich auf.
Die USA, Deutschland und die EU wollen ihre wirtschaftli-
chen
Interessen und ihre globalen Machtansprüche notfalls mit militärischer Gewalt
gegen den Rest der Welt durchsetzen – entweder gemeinsam mit der NATO oder in
militärischen Alleingängen der USA oder der EU. Der NATO-Krieg gegen
Jugoslawien hat hierbei die Bestrebungen der Europäer, sich eigene militärische
Machtinstrumente zuzulegen, enorm beschleunigt.
Die
Münchner Sicherheitskonferenz ist kein lokales Ereignis. Sie ist das Davos der
NATO und ihrer Militärstrategen. Deshalb – mischt Euch ein: Gegen das Treffen
der Welt-Kriegselite in München! Kein Frieden mit den Kriegsplanern! Stoppt die
Kriegspolitik der NATO-Staaten!
Wir
rufen auf zu massiven Protestaktionen, damit diese NATO-Konferenz nicht so
störungsfrei wie bisher über die Bühne geht.
Kundgebung:
Freitag, 1. Februar 2002, 17.00 Uhr, Marienplatz · Demonstration zum
Tagungsort: Samstag, 2. Februar 2002, 12.00 Uhr, Marienplatz; Abends:
Gegenkonferenz gegen die NATO-Kriegspolitik
Koordination
und Kontakt: Fon 089 / 16 95 19 Fax 089 / 168 94 15 · smash_racism@hotmail.
com
· www.buendnis-gegen-rassismus.de
+++++
Crossover Conference des An-tiracist Anti-sexist Summer Camp Project
Einladung
zur Konferenz am 17. – 20. Januar 2002 in Bremen
Wir
gehen davon aus, dass sämtliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse aufs engste
miteinander verzahnt sind. Deshalb machen wir u. a. Nation, Patriarchat,
Kapitalismus, Heterosexismus, Antisemitismus und Rassismus in ihren
Verschränkungen zum Thema. Wir wollen uns auf dem Treffen mit
Herstellungsprozessen verschiedener Dimensionen von Identität (z. B.
Geschlecht, Ethnizität, Klasse) beschäftigen. Was haben die-se mit Macht,
Herrschaft und Widerstand zu tun?
Ziel
des Treffens ist, Leute aus unterschiedlichen politischen Richtungen
zusammenzubringen, Schnittstellen zu finden, neue Bündnisse zu schaffen, an
Interventionsformen zu arbeiten und damit neue Impulse für eine radikale,
emanzipatorische, libertäre, linke, politische Praxis zu geben.
Workshops
• Zweigeschlechtlichkeit, sexuelle
Gewalt, Militär und Krieg. Perspek-tiven eines antipatriarchalen
Antikriegswiderstands. Mit Samira Fansa, Berlin.
• Innere Sicherheit, Ethnisierung und
Kriminalisierung. Rassistische Mobilisierung nach dem 11. September 2001. Mit
Hito Steyerl, Berlin.
• Das Gestohlene stehlen. Ein
Aktionsworkshop über die Wiederaneignung des weiblichen Körpers. Mit den
Siostry Frankenstein, Warschau.
• Kinderspiele. Und raus bist du. Ein
Workshop über Ausschlüsse. Mit den Siostry Frankenstein, Warschau.
• Radical Cheerleading, Pink Silver,
Konfrontation – Chancen und Grenzen. Ein Aktionsworkshop mit den emancypunx,
Warschau und N. N., Bremen.
• Eine neue Sicht auf Prostitution,
Frauenhandel und Gesellschaft. Mit Ewa Majewska und Joanna Garnier von La
Strada, Warschau.
• Geschlecht schlägt Klasse. Oder: Im
Bordell sind alle Männer gleich. Workshop zu Prostitutionskunden. Mit Crazy
Horse, Bremen.
• Postmoderne, Bildungsbürgerlichkeit
und Klassenherkunft. Mit Erich Landrocker, Münster.
• Schwul oder queer oder was? Fragen
aus dem Homoland. Ein 10 Jahre altes Projekt stellt sich vor.
• Differenzen in Sexualitäten und
Männlichkeiten. Mit der AG Sexualitäten und Männlichkeiten, Berlin.
• Was ist normal? Der Körper im Diskurs
um Behinderung und Normalisierung. Mit Anja Tervooren, Berlin und Rebecca
Maskos, Bremen.
• Patriarchat und Antisemitismus –
Suchbewegungen. Mit Tanja Berg, Berlin und Gregor Samsa, Bremen.
• Wechselnde Perspektiven. Debatten um
Identität und Differenz: Folgen für feministisch-antirassistische
Handlungsfähigkeit. Mit Anette Dietrich, Andrea Nachtigall und Ronja Eberle,
Berlin.
• Grenzüberschreitungen und kulturelle
Mischformen als antirassis-
tischer
Widerstand? Mit Umut Erel, Hamburg.
• Postkoloniale Kritik und Queer
Politics. Zu Grenzregimes, Subalternität und Widerstand. Mit Encarnacion
Gutierrez Rodriguez, Hamburg.
• Reproduktionskonten – Onlinebanking:
Sexualität, Greencard und die Liebe zur Arbeit. Mit Renate Lorenz, Pauline
Boudry und Brigitta Kuster, Berlin.
• Unternimm dich selbst.
Gouvernementalität sexueller und gender-
Dis-
/ Identifikationen. Mit Katharina Pühl & Queer N. N., Frankfurt / Main.
• Subjektivität im Neoliberalismus.
Szenen aus dem Film ›Billy Elliot‹ als Einstieg zur Diskussion über eine neue
Form des Kapitalismus und de-ren Auswirkungen auf das eigene Leben. Mit Nancy
Wagenknecht, Bln
• Frauen, Flucht und Migration.
Mit
N. N.
• Das strategische Schweigen – Geschlechter-Verhältnisse
der Globalisierung. Mit Ariane Brenssell, Berlin.
Filme
Once
were Warriors • High Art
• La difference •
The Battle of Tuntenhaus • No Border No Nation •
Die letzten Männer • Digo? Soll ich's sagen? •
Unsichtbare Hausarbeiterinnen
• Wir sind schon da! •
Performing the Border • Zwitterterrorisiert
Ausstellung
»Bilder
aus dem Transitbereich«
Kontakt
• Infotelefon ab dem 16. Januar 2002:
0177 / 757 76 15
• Postadresse: summercamp c / o
A6-Laden, Adalbertstr. 6, 10999 Berlin
• Informationen zum Programm der
Eröffnungsgala und Updates zum Workshop- und Filmprogramm gibt es auf unserer
website www.summercamp.squat.net
• E-mail: summercamp@squat.net
• Telefon: 030 / 61 30 54 54
[Ausführlichere
Selbstdarstellung des Sommercamps siehe auch diskus Nr. 1.01]