diskus 1/98

Geschichte, Politik, Wehrmacht

Als im Mai vergangenen Jahres die Ausstellung zu den »Verbrechen der Wehrmacht« des Hamburger Instituts für Sozialforschung in Frankfurt zu Ende ging, war die CDU-Fraktion im Römer vor allem darüber besorgt, daß diese die jugendlichen Besucher in »Ratlosigkeit und Hoffnungslosigkeit« entlasse (FR vom 23. 5. 97). Da dies anscheinend nicht hinnehmbar war, beschloß die CDU, wohl zur Wiederherstellung des seelischen Gleichgewichts der jungen BürgerInnen, den seit 1982 durch die Bundesrepublik tourenden »Aufstand des Gewissens – Militärischer Widerstand gegen Hitler und das Nazi-Regime 1933 –1945« nach Frankfurt zu holen.

So war diese vom Potsdamer Militärgeschichtlichen Forschungsamt und dem Bundesverteidigungsministerium verantwortete Ausstellung denn auch Anfang 1998 in der Paulskirche zu sehen und fungierte hier wie in anderen Städten (z.B. in Bremen und Wiesbaden ) als »Gegen-Ausstellung« zu der des Hamburger Instituts. Die durch letztere bewirkte »Ehrverletzung« machte scheinbar vielerorts das Präsentieren auch der »guten Seiten« der Wehrmacht notwendig.

Der Kampf der Ausstellungen spiegelt einen Kampf um die Deutung der Geschichte wider, der mit harten Bandagen ausgetragen wird, geht es doch teilweise um nicht weniger als die (Re-) Konstruktion einer nationalen Identität. Deutlich wird dies nicht zuletzt an der Ausladung des Historikers Hans Mommsen, von dem anscheinend nicht zu erwarten war, daß er die richtigen Stichworte geben würde. Klaus von Dohnanyi war da wohl der geeignetere Redner. Innerhalb der sich um diese Aus- und Einladungspraxis rankenden stadtpolitischen Querelen mußte ob solcher Fragen sogar der ansonsten allseits beliebte weiche Standortfaktor »Ansehen« leiden.

Während der Beitrag Widerstand gegen den Widerstand sich mit der Ausstellung selbst und der dort vorgenommenen (Neu-)Definition von Widerstand auseinandersetzt, wird in »Erinnern macht frei« der geschichtspolitische Einsatz der Eröffnungsrede Klaus von Dohnanyis diskutiert. Diese strickt durch die Entpolitisierung des Widerstands zur »Gewissensfrage« mit an jener Rekonstruktion einer nationalen Identität und einer »Wiederherstellung« selbstbewußter nationalstaatlicher Souveränität.

Die von der Frankfurter Rundschau im Hessischen Rundfunk anläßlich der Ausstellung und der mit ihr einhergehenden Kontroversen veranstaltete Diskussionsrunde bildet schließlich den Anlaß des Kommentars Verstricktheit sells. Wenngleich die »Gesprächsrunde der Historiker« vorgeblich antrat, um jenseits der tagespolitischen Geschäfte »sachlich« zu diskutieren und mit der Einladung Mommsens wohl ein Gegengewicht geschaffen werden sollte, wurde auch hier am Mythos der »widerständigen« Wehrmacht weitergebastelt. (Red.)