mein traum:
sich ausziehen + reich werden

 


die vorgeschichte.

ein paar jahre ist es her, da traf ich eine frau, die mir im angeheiterten zustand erzählte, wie sie eine nacht mal strippte und so ungefähr 2000 dmark reicher war am nächsten morgen. sie nahm damals viel speed und die nacht ist eher an ihr vorbeigerauscht und garantieren, dass es echt 2000 dm waren, konnte sie mir nicht, aber mindestens über 1500 … irgendwie um den dreh. Ich mein: egal. 1500 dm umgerechnet, ergeben – sagen wir mal so 800 euro. klasse, das mach ich auch, weil: körper verkaufen geht schon klar, nur die kohle muss stimmen. und wenn ich zwei nächte in einem monat tanze und strippe, bin ich reicher, als wenn ich 20 stunden pro woche einer anderen prostitution von lohnarbeit nachgehen muss. also es schien mir ein lukratives angebot, dem ich mal nachgehen sollte. wenn die arbeit mir dann doch zu beknackt erscheinen sollte, mach ich es halt nur einmal. ich wollte mit meinem freund in der zeit nach montpellier und ich dachte: mit 800 euro macht eine fremde stadt doch mehr spass und ich versprach meinem freund, dass wir dann ganz viel und gut essen gehen werden.

vorstellungsgespräch.

ort: imperial in der moselstrasse

ich nehme meinen ganzen mut zusammen und sage dem mann an der tür, dass ich mich als tänzerin vorstellen wollte. ich war noch nie in einem striplokal gewesen und war ein bisschen schüchtern. der typ tat ganz cool, als hätte ich ihn um feuer gebeten: maria, die chefin sei drinnen. er hält mir die tür auf: bitte schön. ein kurzer gang mit fotos von stripperinnen, dann ein vorhang und dahinter schummriges licht, so dass ich erst mal stehen bleibe, bis ich was erkennen kann. direkt rechts von mir eine kleine, erhöhte dj-kapsel, daneben eine lange theke, geradeaus im halbkreis, stufe für stufe abwärts die sitzgelegenheiten, wie ein amphitheater, ein kino, oder ein hörsaal und ganz unten die bühne: der boden aus edelstahl, die obligatorische stange sowie lichtstrahler, die im gegensatz zum dunkelroten schummrigen außen das innen beleuchten und entblößen. an der gegenüberliegenden wand liegen alte dekorationen, die wohl nicht mehr blinken und leuchten können und einfach dort abgestellt wurden. es sind so ungefähr zehn männer da, die einzeln oder in einer zweierkombo ihr bier festhalten und warten. es läuft pop aus dem letzten jahr. ich setz` mich an die theke und frage nach maria. die kellnerin geht zur dj-kapsel und holt sie. soso: maria, die chefin und dj. dann geht alles ganz schnell. »haste `ne arbeitserlaubnis?« ja. »hast du schon mal gestrippt?« nein, aber ich kann das. »okay, dann komm nächsten samstag um 19 uhr hierher. ich weise dich ein und um 21 uhr fängt das geschäft an.«

ach ja, da war ja noch was: wie ist denn die bezahlung? »80 und prozente, wenn du champagner den kunden vertickst.«

ich schau mir noch eine show an und gehe, überzeugt davon, dass ich das auch kann. ich treff` mich mit freundinnen und erzähle: 80 euro die stunde sind ja schon ganz gut, aber vielleicht sind es ja auch nur 80 die nacht und da fehlen dann noch 720 euro, die ich über champagner reinkriegen müsste, dass ist aber ganz schön viel. trinken denn die männer überhaupt so viel und haben die das geld soviel champagner zu bestellen? mir kommen die ersten zweifel. also ganz ehrlich gesagt: das imperial ist ein etablissement, was vielleicht vor paar jahren noch luxuriös daherkam, aber nun sind die guten tage vorbei, jetzt blättert der glamour ganz gewaltig. und maria ist gewiß nicht mutter theresa. okay, ich bin wieder auf dem boden der harten tatsachen und klar ist: im imperial werde ich leider nicht reich. also: abspringen? nee, oder? das will ich jetzt durchziehen: abspeichern unter erfahrungen. ausserdem bin ich gespannt, wie werde ich mich verkaufen, wer werde ich sein, wie werde ich mich inszenieren. zusätzlich bin ich noch wallraff: ganz unten im striplokal. ein blick hinter die kulissen: arbeitsbedingungen, arbeitsatmosphäre und die strategien der subjekte.

die nacht.

an dem Samstag musste ich morgens noch im cafe arbeiten, also um 7 uhr aufstehen, sechs stunden kaffeetassen umher tragen und danach mindestens zwei Stunden enthaarungsmaßnahmen: null achselhaare. beine glatt und die schamhaare von außen auf eine breite von ungefähr 5 zentimeter reduzieren (was bei mir echt eine halbe volumenhalbierung bedeutet. sprich: arbeit) außerdem soll ich mir was adrettes zum anziehen mitnehmen, für die zeit zwischen den shows, wo ich dann ungezwungen mit den kunden plauschen kann. ich packe meine tasche: ein paar weiße stöckelschuhe, rosa stretchrock und ein shirt mit großem v-ausschnitt plus grundausrüstung schminke: lippenstift, kajal und wimperntusche. make-up und rouge hab ich nicht. ich ziehe an: jeans, parka und cowboystiefel, weil ich profi bin und privat und arbeit strikt trenne. am bahnhof hole ich mir styro-papp-kaffee, drei minuten später stehe ich vorm imperial. ich soll im hinterhof warten, sagt maria, und da stehe ich und warte. sie kommt zwanzig minuten zu spät und ich friere. wir gehen rein und jetzt kommt die einweisung: ausziehen bis zur unterhose und jetzt: tanzen. ich tanze ohne musik! sie unterbricht. aufmunterung: das mache ich ja schon recht gut! kritik: ich muss lächeln! verbesserungsvorschläge: (sie zieht sich aus und macht’s mir vor) schulter runter, schulterblätter zusammen – na klar, hab ich auch gemacht – und hände hinter dem rücken, ellenbogen nach hinten, die hände auf höhe des arschs nebeneinander und wichtig: finger abgespreizt. maria hat nämlich früher auch getanzt und hat echt `ne menge schotter damit gemacht. sie war verdammt gut, so sagt sie. aber ich will keinen schwanensee machen und auch keine ethno-flamenco-möchte-gern-show. meine showidentität ist eher so: kühl, geheimnisvoll und ein wenig düster. sie schluckt mein profil und weiter geht’s mit nackt tanzen. ich zieh die unterhose runter und maria ist entsetzt: »man kann ja gar nicht die muschi sehen!« ich mein, vor `ner stunde hätte sie da gar nichts sehen können, soll sich mal locker machen. maria fängt nämlich an, mir auf die nerven zu gehen. und nun wollen wir mal das ausziehen an sich üben. dazu brauch ich erstmal was zum anziehen. also runter in die garderobe. um ehrlich zu sein: auf den raum hab ich mich am meistens gefreut. durch 1000 filme hatte ich eine ganz genaue vorstellung wie die garderobe auszusehen hat und was für `ne atmosphäre sie ausstrahlen wird. schon wieder scheißt mir die realität auf den kopf. statt stangen, wo die kleider aufgehängt werden, nur ein riesiger stoffhaufen. maria schimpft: »die mädels gehen überhaupt nicht gut mit den teuren kleidern um.« sie fischt mir ein weißes und ein schwarzes kleid heraus, sucht noch jeweils ein weißes und ein schwarzes langhandschuhpärchen, und auch die slips zaubert sie mir aus dem haufen heraus. der weiße slip hat einen ordentlichen bremsstreifen. »ja, den müsste du wohl noch mal im waschbecken waschen.« das bad ist neben dem umziehraum: es gibt kein warmes wasser. das seifenstück ist klein und vertrocknet und mit dem handtuch will ich nix zu tun haben. das klo hat keine klobrille und ich denke daran, dass ich später noch den tampon wechseln muss: echt ätzend! ich wasche notdürftig den tanga aus und hänge ihn zum trocken auf. vor mir liegen zwei häufchen: meine outfits. jeweils schuhe, slip, bh, kleid und handschuhe und jeweils eine federboa. die schuhe: billig. mit breitem absatz, vorne abgeschnitten und mit einer mittelnaht. der rest: dünner stretch-plastik-stoff mit vermeintlich neckischen accessoires, wie einer silberfarbenen schnalle an einer! schulter (asymmetrie). nun gut, erstmal pause, fertig mit der mutprobe. nun kommt die wahre einweisung: maria lädt mich zum thai-imbiss im nordend ein. wir fahren mit ihrem smart und jetzt kommt die theorie, das heißt, die einführung ins geschäft. ich esse und werde in das geheimnis einer guten stripperin eingeführt. ich langweile mich und höre nicht mehr zu. dann die abgrenzung: »also nutten sind das letzte!« warum? »tanzen und strippen ist eine kunst und zu ficken ist ordinär!« ach so! und mit lesben will sie nix zu tun haben. aha!

»gleichgeschlechtliche liebe ist ekelhaft und um eine erfolgreiche stripperin zu sein, muss zwischen frau und kunde auch eine geistig-sexuelle anziehung bestehen.« bullshit, denke ich. und nun die regeln: es ist verboten, sich mit den kunden außerhalb vom imperial zu treffen. nebenverdienste sollen demnach unterlassen werden, ansonsten sofortige kündigung. regel nummer zwei: der kunde darf nicht grabschen, vielleicht ein bisschen tätscheln, aber nicht grabschen. sprich: wenn der champagner fließt, darf der kunde tatschen. und damit sind wir beim geschäft: ziel des abends ist es, soviel wie möglich champagner zu ergattern. wenn die kunden sich mit uns unterhalten wollen, ein bisschen herz-ausschütteln und flirten, dann müssen sie uns tänzerinnen zum champagner einladen. piccolo kostet 90 euro, kleine flasche: 180 euro und große flasche 300 euro. die tänzerin, die den champagner ans land gezogen hat, kriegt abgestuft dann 15, 30 oder 50 euro anteil. ansonsten strippt jede von uns so einmal die stunde: erst im fummel, im laufe des ersten liedes müssen die hüllen fallen und danach dann ein lied nackt tanzen beziehungsweise animieren und muschi-zeigen. ohne grabschen versteht sich. in unserer tanzfreien zeit sitzen wir nett anzuschauen dann im eingangsbereich, um die ankommenden gäste mit einem lächeln zu begrüssen. soweit die theorie, wir fahren zurück ins bahnhofsviertel. die anderen tänzerinnen warten schon halb erfroren davor, wir sind zu spät. mich empfängt weder ein blick geschweige denn ein gruß. verständlich: ich war ja auch gerade marias günstling und wurde zum essen eingeladen und dass ich auch auf maria warten musste und gefroren habe, wissen die ja nicht. maria stellt spontan eine gruppe zusammen, die nicht im imperial arbeiten soll, sondern in ihren zweitclub, nach bockenheim, ›ellis eliot‹ gefahren werden soll. ich bin perplex und raff gar nichts. »husch-husch packt eure sachen!« ich geh mit den anderen nach unten und packe erneut meine tasche. ich ernte böse blicke, weil ich einfach einen spint mit meinem kram okkupiert hatte. ich zähle: drei spints und mit mir sechs tänzerinnen. bereitwillig verstaue ich meine privatsachen auf dem fussboden und räume den spint. meine berufsbekleidung packe ich in eine plastiktüte. und weiter geht’s : ein kleiner möchte-gern-exklusiv-club in bockenheim. maria gibt den smart einer tänzerin und wir fahren zu dritt rüber. die zwei anderen sprechen russisch und zeigen kein interesse an mir. im club angekommen: wir werden zu dritt das geschäft schmeißen. keine türsteher, die kunden müssen klingeln und nachdem sie über den monitor kontrolliert wurden, werden sie reingelassen. die eine frau macht theke, die andere und ich tanzen, strippen und so weiter. überschaubar. wir sind alleine und die andere tänzerin erklärt mir noch mal das wichtigste: die taktiken. wenn also ein multimillionär kommt und uns die ganze zeit mit champagner abfüllen will, lenken wir ihn abwechselnd ab und kippen den champagner auf den boden. ich schau nach unten: dicke teppiche, die vorstellung, dass die völlig mit champagner getränkt sind, ist widerlich. als angestellte bekommen wir: wasser, cola und fanta, außerdem dürfen wir uns kaffee machen oder einen tee aufgießen. wie ernüchternd, ich freu mich auf champagner und ich werde ihn nicht vergießen, das schwör ich. ich geh die cds durch und suche mir lieder aus: erst robbie williams danach shakira, die auswahl ist begrenzt. unter dem kritischen blick der anderen tänzerin mach ich einen probedurchlauf. und auch sie kann es nicht fassen, als sie meine muschi sieht. sofort zeigt sie mir ihre: ein-zentimeter-porno-balken, okay: ich passe. sie erklärt mir, dass einmal muschi-sehen in der show drin sein muss. vorschlag: auf dem stuhl mit gesicht zum publikum und beine auseinander. oder stehend von hinten, dann nach vorne beugen und arschbacken auseinander. jeweils einmal muschi-zeigen = pflicht! sie gibt mir hoffnung: hin und wieder kommt sie mit 300-400 euro aus dem club. dann kommen die ersten gäste: ein älteres ehepaar. bildungsbürgertum und echt offen für neues. und ich habe meine erste show. robbie williams hängt. sprich: die cd hat einen kratzer. scheiße! meine choreographie ist 1a, aber solche arbeitsbedingungen sind echt respektlos, so will ich nicht tanzen. aber ich muss weiter machen. die kleider fallen und ich bin nackt und jetzt kommt shakira. alles klar: die hüfte lenkt, der arsch wackelt und ich gehe zu dem pärchen. ich zeige und streichel meinen körper und ich suche ihre augen und kontrolliere die situation. direkt vor ihrem tisch: ein bein auf einen stuhl und nach hinten biegen, hüfte nach außen drücken und voilà: einmal muschi! bitte schön! das lied ist vorbei, ich hör auf und das pärchen klatscht. dann geh ich nach hinten in den backstagebereich: kein eigener raum. im flur vor dem büro ziehe ich mich um. ich schwitze und es ist das erst mal an diesem tag, dass ich nicht friere. ich gehe rüber, setze mich brav an einen eigenen tisch, lächle artig zu dem ehepärchen und warte auf die show von meiner kollegin. anja spielt die ›ich hab’s faustdick hinter den ohren‹. sie adressiert mit ihren blicken ausschließlich den mann und beobachtet sich selbst im spiegel, wie sie sich ihre titten reibt und schafft es wirklich den gesichtsausdruck hinzukriegen ›ich bin so heiß und kurz davor‹, dazu noch einige richtig coole moves auf dem boden. ich bin beeindruckt. kurz bevor das pärchen kam, hat sie sich noch einen tee gemacht, weil sie feist erkältet ist und eigentlich ins bett müsste. echt profi! respect! während anja sich umzieht, kommt die ehefrau zu mir und fragt schüchtern: ob es erlaubt ist, dass ich an ihren tisch komme und wir uns ein bisschen gemeinsam unterhalten können? ich sag: na klar und setz mich an ihren tisch. der mann fragt, ob sie mich zu was einladen dürfen. ich sag: na klar, erstmal bitte ein wasser, ich hab durst vom tanzen. meine taktik ist, erst wasser, dann schön labern und später champagner verlangen. anja kommt zurück und weist mich zurecht, dass ich mit den gästen kein wasser trinken darf. sie entschuldigt mich: es wär mein erster tag und so weiter. oje, das ist dem pärchen jetzt peinlich, dass sie mich in schwierigkeiten gebracht haben. das sei das erste mal, dass sie in so einem etablissement zu gast sind und sie wollten sich doch so gerne mit mir unterhalten, weil ich sie an ihre eigene tochter erinnern würde. scheiße was soll denn das? denke ich und versuche mir vorzustellen, wie das schamhaar von ihrer tochter wohl aussehen mag. außerdem denk ich an meinen Vater und der ist der letzte, den ich heute nacht sehen möchte! nach langem hin-und-her lassen sie sich breit schlagen und bestellen eine mittlere flasche. ich hol meine kollegin und wir teilen uns den champagner zu viert. auftrag ausgefüllt: jeweils 15 euro für anja und mich. dann müssen wir uns die geschichte des pärchens anhören: sie kommen aus aschenburg, übernachten in einem benachbarten hotel und waren in einer vorstellung vom tigerpalast (richtig getippt! bildungsbürgerinnen) und das ganze war ein weihnachtsgeschenk. auf dem weg ins hotel kamen sie an dem club vorbei, waren neugierig und ups: nun sind sie um 200 euro ärmer. ob’s ihnen das wert war – weiß ich nicht. die frau erzählt mir vertrauensvoll, dass sie lehrerin sei und von ihren anti-gewalt-programmen in der schule, da engagiert sie sich nämlich richtig. verdammte scheiße: als ich sagte, dass ich tanzen und strippen würde, war ich auf solche gespräche echt nicht eingestellt. was haben anti-gewalt-programme in der schule mit sex zu tun? ich meine: wir verkaufen sexphantasien! das ist unser job. zum glück waren die zwei nach so einem spannenden tag in frankfurt müde und verließen uns, um ins hotel zu gehen. ich beneide sie um das bett – ich werde müde. dann sind wir wieder zu dritt. ich kippe zwei kaffees runter. der nächste gast kommt: ein mann um die dreißig, er setzt sich an die theke. ich zieh meine show ab. robbie williams: scheiße, die hatte doch einen kratzer. zu spät – gute miene während den unschönen unterbrechungen –lächeln – weiter tanzen. der mann schaut brav zu, wirkt aber abwesend und gelangweilt. er klatscht dürftig und anja entscheidet, dass es sich nicht lohnt für ihn zu strippen. ich setz mich zu ihm und frag ihn, ob ich ihm gefalle und ob er’s schön fand wie ich getanzt habe. beides beantwortet er mit: ja. ob er traurig ist? ja! ich lass ihn mit seiner traurigkeit und mit seinem bier alleine. ich brauch noch einen kaffee. ein zweiter gast kommt: huch, schon wieder ein mann, er geht zu der sitzgruppe direkt am eingang. ich mach wieder: show. jetzt schon routiniert und abgebrüht, diesmal mit madonna. der typ ist schüchtern, er lächelt mich an und schaut manchmal sogar weg richtung seines biers, wenn ich versuche seine blicke auf mich zu zentrieren. anja weiß, dass bei ihm nichts zu holen ist, spart sich die mühe mit dem um- und ausziehen und trinkt weiterhin tee. ich setz mich zu ihm, weil ich ihn sympathisch finde und er fängt an zu erzählen und sofort gibt’s hard-stuff: seine aufenthaltsgenehmigung wurde nicht verlängert und er muss nächsten monat zurück nach croatien, oder er wird abgeschoben. er erzählt von seiner arbeit in deutschland und von seiner null-perspektive in croatien. einatmen-ausatmen: okay, jetzt das totale sozialarbeiterin program: du darfst dein geld nicht für überteuertes bier ausgeben, du musst sparen – die beschissene mutti-rolle- zweitens: du muss `ne deutsche heiraten oder drittens: scheiß auf deutschland und komm wieder oder bleib gleich hier. danke für die ratschläge! ich bin wahrscheinlich genauso beknackt, wie die blöde lehrerin mit ihren anti-gewalt-programmen. fuck!
ich geh zu anja und erzähl ihr von der auswegslosen situation des mannes, aber sie zuckt nur mit den schultern und schlürft weiter an ihrem tee. sie ist allein erziehende mutter und sie hat genug mit der organisation ihres lebens zu tun. ich glaub ihr auf’s wort und halte meinen mund.

der depressive typ an der theke hat sein bier ausgetrunken und geht. es ist nach zwölf, als maria anruft und fragt wie’s uns geht: alles bestens. sehr überschaubar. maria quetscht anja über mich aus: ja, ich mach das ganz toll und wir haben auch schon champagner getrunken. sie verschweigt meinen wasser-bestell-patzer, ich danke ihr stumm. maria ordert mich ins imperial, ich soll mir ein taxi nehmen und rüber fahren, die anderen beiden arbeiten alleine weiter. das taxi bezahlt der türsteher. der laden ist voll – rush hour –, ungefähr 50 leute. bis dahin hatte ich insgesamt nur vier kunden. doch keine zeit für lampenfieber, maria befiehlt von ihrem dj kapsel-thron herab: los, los als nächste bist du dran. auf adrenalin renn ich die treppe runter, wähle das schwarze outfit und warte auf der obersten treffenstufe. dann mein zeichen: trockeneisnebelmschine pupst drei läppische wölkchen. ich geh auf die bühne, keine ahnung welche musik kommen wird. und in trance tanze ich und zieh mich aus während ich die einzelnen publikumsreihen entlang stolziere, biete mich feil. dann wieder auf der bühne: mein kleines finale – ganz nackt – muschi zeigen. und abgang. maria: wo waren die handschuhe, alle müssen mit handschuhen tanzen. die hatte ich in der eile vergessen. mir doch egal. sie lobt mich und wiederholt, dass ich doch lächeln soll.

okay: bis hierhin gab’s noch abwechslung, nun fängt der arbeitstrott an. während wir im kleinen club unter uns waren und uns unterhalten konnten, kaffee trinken, zigaretten rauchen, arbeite ich jetzt ständig unter marias augen. und die zeit zwischen den shows wird immer langweiliger. das publikum reduziert sich um die hälfte. wir sitzen in einer reihe direkt am eingang müssen die gäste begrüssen, wenn sie kommen und dabei aufstehen. ich komm mir vor wie in der schule. good morning children! und alle: good morning mr soundso. und die leute, die gehen, verabschieden wir, indem wir ihnen noch einen gutschein für’s nächste mal in die hand drücken. in diesem beschissenen eingangsbereich zieht es und wir frieren alle. wir sind die ganze zeit unter der blickkontrolle von maria, die uns bestens von ihrem thron aus beschatten kann. mit einer großen maglite blendet sie uns einzeln, wenn sie was von uns will. wenn sie denkt, dass wir nicht bei der sache sind, womöglich träumen, dann kommt der böse maglitestrahl. obwohl maria es nicht leiden kann, wenn wir rauchen, rauche ich nonstop. ich hab keinen bock mehr. während die flüchtige bekannte speed intus hatte, sitz ich hier total nüchtern und müde. was gäbe ich für ein gramm speed, dann wäre das alles besser auszuhalten und die zeit würde schneller vergehen. ich schätze die momente in denen ich tanze und strippe, weil mir dann endlich mal warm wird. wenn die anderen tanzen, versuche ich raus zu finden, wie sie ihre show konzipieren. das küken unter uns – höchstens anfang 20 – zieht sich nicht aus. sie macht bauchtanz, in der dafür bekannten kleidung. ich habe das gefühl, dass sie bei maria jeweils vor jeder show das recht durchsetzt, sich nicht auszuziehen. sie ist in der gruppe eine außenseiterin. zum einen wohl, weil sie nicht strippt und zum anderen, weil die restlichen in eine russische und eine lateinamerikanische kombo aufgeteilt sind, die sich jeweils separieren. generell ist die stimmung untereinander konkurrent und harsch. immerhin geht es darum champagnerspender zu erobern. und je später der abend, umso größer der zeitdruck noch prozente zu summieren. samstags ist zwar viel los ›laufkundschaft‹ , aber die richtig spendablen kommen eher unter der woche. anja, die mittlerweile auch im imperial angekommen ist und svenia buhlen richtig und sind wahnsinnig engagiert, um die möglichen einsatzfähigen gäste zu kapern. anja zeigt auch mal zwischendurch ihre brüste, wenn sie denkt, dass was dabei rumspringt und svenia lässt sich in ihrer show den bh öffnen. grenadin und rosa wirken eher genervt und wenn eine tanzt, sucht sie die augen der anderen, um im geeigneten moment mal die zunge zu strecken. auch die strecken zwischen den reihen der gäste gehen sie gelangweilt, fast aus ihrer rolle fallend. rosa mag oder kann nicht tanzen und kreiert daher ihre eigene show. ich würd sagen: hard-core-taktik. sprich: im ersten lied sucht sie sich einen typ aus, den sie mit auf die bühne nimmt, dann zieht sie sich vor ihm aus und räkelt sich nackt auf seinem schoss, dabei nimmt sie die hände des typen und legt sich die auf die hüfte. als ich es das erste mal sah, dachte ich: abgekartetes spiel mit ihrem freund. aber dann wechselte sie jedes mal den typen. 8 euro die stunde ist absolut zu wenig für diese privat show. aber: keiner der typen fing an sie eigenständig zu berühren, sie hatte die ganze zeit die macht über ihn und die meisten wirken dabei auch noch so unerfahren und ein wenig dämlich, sodass, obwohl sie nackt war, der typ entblößt wurde. zusätzlich ihre gelangweilte ausstrahlung, die suggeriert: das ist eine form von arbeit und jede form von arbeit nervt! okay hut ab! außerdem geht ihre taktik auf: sie wurde von zwei männern, bei denen sie vorher auf dem schoss saß, zum champagnertrinken eingeladen. ab vier wird’s richtig dürftig, es sind noch `ne handvoll männer da, die schon abgecheckt wurden und ich will nur noch in mein bett. ein typ ende zwanzig ist einer der späten gäste und maria blendet mich mit der aufforderung ihn klarzumachen. aber sicher! der typ ist mir total unsympatisch, der könnte unter seiner jacke, die er krampfhaft nicht auszieht auch ein böse onkelz-t-shirt tagen, genauso sah der aus. na, danke. ich geh zu ihm, setz mich neben ihm. er erzählt, dass er bei farbwerke hoechst arbeitet. und wenn schon, wen interessiert’s? alles klar? alles klar! hast du geld für champagner? ne! mein glück. adios idiot. mission erfüllt, zurück zu meinem platz am eingang. zwischendurch noch eine lustige begebenheit: ein typ – ex linkes breites schwammiges umfeld – kommt rein und sieht mich: äh, gibt’s hier einen zigarettenautomat? ey, voll arm! das kannst du deiner mutter erzähln. zigarettenautomat, aber sicher… denk ich mir. also ich hab mich in dem moment nicht geniert! okay: es scheint peinlicher zu sein als mann in ein stripplokal zu gehen, als zu strippen, aber er trug schon immer schwarze lederhosen und das ist wohl das peinlichste!

im laufe der nacht entstanden dann so zaghafte kontakte zu meinen mit-stripperinnen. mit anja hatte ich ja schon im kleinen club zeit gehabt sich zu unterhalten und mit den anderen während den langen pausen auf unserer reservebank. ich klatschte und pfiff nach jeder show und zollte so respekt vor ihrer arbeit. ich versuchte kollegiales verhalten, indem ich wild mit den augen rollte, wenn maria eine schikanierte und wurde aufmüpfig gegenüber unserer chefin. ich weiß, ich bin in einer exklusiven position, da das mein erster und letzter arbeitstag sein wird. maria lässt uns nicht mehr tanzen, da das publikum abgespackt ist. will heissen: die werden sich noch an ihrem bier festhalten und keine flasche wird mehr geköpft. in den letzten stunden durften wir uns dann auch jäckchen überziehen, damit wir nicht mehr so sehr frieren. unseren sexappeal dürfen wir damit zurückstecken so hoffnungslos abgefuckt. endlich ist diese lange nacht zu ende, die letzten werden rausgeordert und das licht geht an. maria fragt, wie ich es fand und ob ich morgen wieder komme. nein, sage ich, ich verdiene bei meinem job im cafe mehr und studiere. und wenn ich die nacht durchmache, dann für mein eigenes vergnügen. betrunken und no-service! maria sagt wirklich: schade. das kapier ich nicht. ich geh runter zu den anderen frauen und nun kommt der schwierige part: meine privilegierte stellung bei ihnen zu positionieren. »und kommst du wieder?« nein! anja fragt noch nach, ob ich schon mein geld hab und ob maria schon bescheid weiß. nee, mein geld hab ich noch nicht. ja, maria weiß bescheid. und jetzt keimt ein klitzekleines grün von solidarität. anja: scheiße, das hättest du ihr erst später sagen sollen. ey: gerade anja, die sich eigentlich echt loyal gegenüber maria verhalten hat, immerhin hatte sie das kommando im ellis elliot inne. danke.

grenadin gebe ich noch eine telefonnummer von einem cafe, wo sie sie nicht nach arbeitsgenehmigung fragen und auch keine deutschkenntnisse voraussetzen. grenadin studiert in darmstadt und ihr macht die nachtarbeit zu schaffen.

genau an dem punkt, wo ich mich von allen verabschiede, merke ich, dass wir warm miteinander geworden sind.

maria gibt mir ohne zu zögern mein hart verdientes geld. ihr glück: ansonsten hätte ich ihren schwarzen smart zerkratzt!

95 euro – 80 gage und 15 champagnerbeteiligung.

von sieben uhr abends bis sieben uhr morgens. ich will den stundenlohn nicht ausrechnen. echt dufte!