editorial


thyme:

ein heft zum thema rassismus ist immer aktuell. super. trotzdem gehen wir auf die spektakulären geschichten der letzten zeit kaum ein. was fehlt, wäre z. b. ein artikel, der angesichts der aktuellen ereignisse fragen stellt wie: welche probleme ergeben sich für eine antirassistische perspektive beim versuch, eine kritik des islamismus und seines antisemitismus zu formulieren? gibt es strategien, eine solche kritik unbrauchbar für den allgemeinen rassistischen diskurs zu machen? in der debatte um den mord an theo van gogh waren stimmen, die vor der gefahr eines erstarkenden islamismus warnten, oftmals gar nicht zu trennen von denen, die nach deutscher leitkultur, stärkerer überwachung von ausländerInnen, abschiebung und zuwanderungsstopp riefen. nicht weniger reaktionär wäre es aber, den islamismus als antihegemonialen kampf o.ä. zu verklären, wie es viele auch nach jahrelangen diskussionen um antisemitismus immer noch tun. Aber ab wann setzt eine kritik des islamismus doch wieder die werte einer dominanten kultur als universelle menschliche werte, um so ihre (notfalls auch kriegerische) durchsetzung als gerechtfertigt erscheinen zu lassen? kann der universalistische horizont (die sogenannten menschenrechte) dabei ein theoretisch unhintergehbarer sein oder müssen doch postkoloniale ansätze (lebenswelten, sprecherinnenpositionen) gestärkt werden?

sugar:

sind die menschenrechte überhaupt von irgendeiner position aus »theoretisch hintergehbar«? zumindest wenn es um politische praxis geht, ist es doch auch aus der perspektive einer wie auch immer gearteten »differenz« nicht möglich, irgendwelche forderungen zu formulieren, ohne sich letztlich in einen kampf um die definitionsmacht über die begriffe »freiheit« und »gleichheit« zu begeben bzw. »rechte« einzufordern. was ich sagen will ist nur: universalismus kann m. e. nicht »vereinnahmt« werden, weil er nur der adäquate ausdruck der totalität von kapital und politik ist, in der alle in einer bestimmten weise zu agieren haben: konkurrieren und vor sich selbst und den anderen ihre relativen privilegien legitimieren (wenn sie welche haben), indem sie bei den anderen vermeintliche defizite konstruieren – und diese funktion übernimmt u. a. der rassismus. damit meine ich auch sozialrassismus, der sich etwa gegen »weiße« obdachlose oder sogenannte »behinderte« richtet.

salt:

in der disko über universalismus stecken m.e. viele probleme – der begriff des universalismus wird mit den menschenrechten verkoppelt bzw. oft identisch gesetzt. damit wird der bezug darauf notwendig normativ, d. h. entfernt sich von der kritik und will einen »besseren zustand« entwickeln. nun – denke ich – sollte bei der kritik verblieben werden, vor allem, wenn sie noch nicht einmal ausformuliert ist. zum begriff des universalismus: aus einer befreiungstheoretischen perspektive der kritik ist er nur so zu verstehen, dass eine befreiung von staat, kapital und dem ganzen anderen mist nur eine weltweite sein kann. darin angelegt ist m.e. gleichzeitig eine kritik des bürgerlichen menschenrechtsuniversalismus. wer menschenrechte sagt, sagt auch unterdrückung, ausgrenzung, rassismus und antisemitismus. warum? dieser objektive widersinn scheint zunächst unplausibel, da dies der gleichheit der menschen, die dort festgelegt wird, widerspricht: es ist die gleichheit des abstrakten menschen, nicht des konkreten individuums. jene abstraktheit, in der rechtsform konstitutiv, wird nur konkret in der umsetzung der menschenrechte in staatsrecht, d.h. die abstrakte gleichheit macht sich geltend nur in der form des nationalstaatsbürgers, da nur die politische gewalt das recht durchsetzen kann. hier ist wiederum schon die ungleichheit angelegt. adorno kommt daher zu dem schluss, dass die abstrakte gleichheit der menschen nicht einmal mehr als idee zu propagieren ist, sondern auf einen zustand hin zu arbeiten ist, in dem die menschen ohne angst verschieden sein können. deshalb kann es keinen befreiungstheoretischen positiven bezug auf menschenrechte geben. der universalismus wäre eher so zu konzipieren, dass die forderung adornos darin aufgeht.

no-dispute:

kann das lange gerede zu universalismus in bezug auf rassismus nicht recht knapp zusammengebracht werden? rassismus als differenzideologie passt doch hervorragend zum universalismus des kapitalismus: versprechen gleichheit, freiheit, reichtum für alle – doch vorhandene ungleichheit wird dann eben z.b. durch rassismus gerechtfertigt bzw. aufrechterhalten. ich finde es dabei ebenfalls schwierig, rassismus auf diverse ausgrenzungsverhältnisse auszudehnen. klassikerbegriff ist hier doch eigentlich ausschließungs- bzw. ausgrenzungspraxis: damit ist erst einmal nur der prozess bzw. die praxis der ausschließung im verteilungskampf um ressourcen gemeint und nichts zur ursache gesagt. eine ursache dabei kann rassismus sein, das muss aber erst einmal gezeigt werden.

salt:

noch etwas zum sozialrassismus: laut balibar hat sich der rassismus vom kolonialen rassismus hin zu einem, der sich um migration konstituiert gewandelt. der neorassismus als »rassismus ohne rassen« zeichnet sich dadurch aus, dass einerseits aus der struktur des kolonialen rassismus die abwertung derer übernommen wird, die sich nur unter wert verkaufen können, dies wird allerdings nicht mehr mit »rasse« verknüpft, sondern geht quer durch alle »ethnien«; der begriff der kultur ersetzt dabei den der »rasse«, nicht eine biologische ungleichheit wird als natürlich hingestellt, sondern das rassistische verhalten, welches eine »durchmischung« der kulturen verhindern will.

da der komplex der migration, um den sich der neorassismus konfiguriert, mit der repulsion-attraktion von bevölkerungen auf dem weltmarkt und der postfordistischen internationalen arbeitsteilung konstitutiv verwoben ist, entsteht hier eben genau das, was sugar als sozial-rassismus benannt hat. daher muss die kritik darauf insistieren, dass dort, wo mit den rassistischen verweisen auf kultur etc. die verschiedenheit der menschen auf ihre kollektivzugehörigkeit propagiert wird und gleichzeitig eine homogenisierung nach innen, die apologie der abstrakten kulturzugehörigen sich bahn bricht, die konterrevolution wütet. alle bestrebungen, einen zustand zu verhindern, in dem die menschen als einzelne konkrete individuen ohne angst verschieden sein können, sind somit gegenstand einer radikalen kritik.

salbeiblättchen:

einerseits wirkt es attraktiv, den begriff des rassismus auch auf andere ausgrenzungs- und unterdrückungsverhältnisse – etwa gegenüber wohnungslosen oder userinnen – auszudehnen. es gibt keine ähnlich »starke« bezeichnung zur markierung dieser herrschaftsformen (klassismus z. b. würde auch gar nicht passen). gleichzeitig wäre eine solche begriffspolitik selbst ein denaturalisierender einsatz, weg von den merkmalen hautfarbe, herkunft usw. andererseits würden dadurch entscheidende differenzen, die koloniale geschichte, die ns-rassenlehre, die segregation des weltmarkts verschwinden. unter die definition »naturalisierende absicherung relativer (ökonomischer?) privilegien« würde ja z.b. auch der sexismus fallen. vielleicht entsteht die begriffskonfusion durch eine logische verdrehung. der rassismus entsteht doch nicht aus dem kapitalverhältnis (auch wenn das kapital das bedürfnis nach segmentierung, hierarchisierung artikuliert oder hervorbringt), sondern umgekehrt: das kapital macht sich die kulturelle produktion von differenzen zu nutze, indem es sie verwertet. deswegen ist der rassismus auch nicht die abwertung derer, die sich unter wert verkaufen müssen. andersrum: zumindest im nationalen maßstab müssen sich die unter wert verkaufen, die rassistisch abgewertet wurden.

gingerspice:

ich würde das feld ähnlich andersherum aufrollen wie salbeiblättchen. rassismus konstruiert über markierungen und zuschreibungen kulturell und biologisch andere, abweichende körper und darüber normale körper und selbstbeziehungen. da den anderen körpern mangelnde fähigkeit zur selbstdisziplin, wie z.b. mangelnde fähigkeit zur rationalität zugeschrieben wird, lässt sich das ganze in beziehung zum kapitalismus setzen. die herstellung fleißiger, zur selbstdisziplinierung fähiger arbeitsbienchen.

sugar:

aber egal, ob so oder andersrum und aus welcher theoretischen perspektive – die konstruktion der norm beschränkt sich eben nicht auf die hautfarbe. es bleibt doch die frage nach der allgemeinheit des begriffs in unserem spezifischen kontext. vielleicht sollten wir das konkreter an dem umstrittenen »weiß-sein«-text diskutieren: mit »schwarz - weiß« - kategorien gerät vielleicht die kolonialgeschichte besser in den blick – aber damit wird man dem deutschen rassismus ja noch nicht gerecht. der biologistische rassismus der nazis richtete sich eben nicht zuletzt gegen »(weiße) krüppel_innen« oder »asoziale«. das fällt eben beim konzept »whiteness« unter den tisch. andererseits bleibt auch die frage, ob die kategorien »schwarz-weiß« sich z.b. gegen den deutschen antislawismus in anschlag bringen lassen – funktioniert die konstruktion von abweichung hier nicht einfach anders und vor einem anderen historischen hintergrund? nur zwei von einigen gründen, weswegen ich das konzept der »whiteness« schräg finde ...

peppermint:

deine vorbehalte gegen »weiß-sein« kann ich nicht ganz nachvollziehen. ich finde es z. b. schwer, von dem »deutschen rassismus« zu sprechen. schon alleine diese debatte zeigt doch relativ deutlich, dass rassismus viel schwerer greifbar ist, als dass eine einfache ›nationalisierung‹ dem heterogenen sozialen phänomen ›rassismus‹ gerecht werden würde. genau aus diesem grund erhebt der text überhaupt nicht den anspruch, den deutschen rassismus zu erklären. es geht um einen ausschnitt des rassistischen alltags in deutschland und der wird, finde ich, ganz gut eingefangen.

koriander:

ja, vielleicht geht es gar nicht darum genau zu fassen, was denn jetzt letztendlich rassismus ist. auch wenn rassismus immer über zuschreibungen funktioniert, können die effekte von rassismus und sexismus und die daraus resultierenden ausgrenzungen ziemlich unterschiedlich sein, und verschiedene, sich manchmal widersprechende wirkungen haben. so scheint es mir sinnvoller, sich diese effekte anzuschauen, z.b. wenn man sich anschaut, wie rassistische zuschreibungen in die perfomances amerikanischer hiphopstars aufgenommen werden oder welche leicht »schizophrenen« formen kulturelle identitäten in migrantischen communities haben können. spannend finde ich es, dann die verschiedenen beziehungen zwischen fremd- und selbstzuschreibung zu betrachten und die probleme in den blick zu nehmen, die entstehen, wenn man über diese zuschreibungen sprechen möchte, ohne dabei neue opfer-identitäten zu schaffen.

cinnamon:

tja, ich würde sagen, jede performance bearbeitet, subvertiert die dem subjekt entgegen geschleuderten zuschreibungen. ich denke da gar nicht so sehr an (den un-pc-en comedy-star xx) oder rapper zz-ey, sondern an ganz normale (rassifizierte) (kulturalisierte) menschen, die täglich, ständig mehr oder weniger prekär, mehr oder weniger verletzend und gewaltförmig von möglichen und unmöglichen menschen konfrontiert werden. nicht nur mit erwartungen, wie sie gemäß ihrer natur zu sein hätten, auch mit dem vorwurf wegen gedachter abweichungen davon, auch mit ablehnung und bis hin zu hass, zu bedrohungen, zu gewalt. die akteurinnen gehen bis zu einem gewissen grad kreativ mit diesen zuschreibungen als rahmenbedingungen ihres lebens um, entziehen können sie sich nicht. aber was meint koriander, wenn sie »schizophrene formen« sagt? findest du diese identitäten wirklich so zerrissen oder zwanghaft? wobei, manchmal fühl ich mich auch wie vielzuviele von mir.

safran:

also ich find´s schön, viele zu sein ...! im übrigen glaube ich, sugar, dass es durchaus nötig ist, forderungen zu stellen (und auch möglich): nur nicht FÜR andere. von dort ist der schritt zur vereinnahmung wirklich nicht groß. ich sag auch nicht, dass die forderungen von »unten« kommen sollen, aber auf irgendeine weise sollte man vor allem hinhören, wo sinnvolle ansichten zu finden sind, und ihnen zum open mic (hoch)helfen. aber auch als weiße würde ich mich trauen, das »freedom of movement and right to stay« zu fordern, und im vorgriff zu verwirklichen wären die heiratsgeschichten und, ey salt, wieso sich darauf zurückziehen, »ohne angst verschieden sein zu können«, wieso nicht mit lust verschieden sein wollen? dann muss auch niemand mehr migrantische/crossoveridentitäten schizophren finden. besser ist es, viele solche (helfen) herzustellen.

sugar:

»kreativer umgang« – sorry, aber das klingt für mich fast wie nach einem zwanglosen töpferkurs. weil die betroffenen von rassismus nicht mehr als passive opfer gesehen werden sollen, erscheint die konstruiertheit als »anders« jetzt fast schon unproblematisch, lustvoll, »crazy« im hippen sinne, wenn eben kreativ damit umgegangen wird? wenn im rassismus das, was man sich selbst nicht zugestehen darf (z. b. triebhafigkeit, aggressivität, faulheit, etc.) auf andere projiziert wird, die als jenseits der zu erfüllenden norm konstruiert werden, dann ist es nur logisch, dass diese anderen diese zuschreibungen unter bestimmten bedingungen auch in hipper form (zurück)verkaufen können – natürlich geht es um kreative, handelnde subjekte, aber die normierung verliert davon doch erstmal nichts von ihrer zwanghaftigkeit. und ich habe auch nicht gesagt, dass es nicht notwendig sei, forderungen zu stellen, sondern dass es dabei in unserem kontext kaum möglich ist, sich nicht in irgendeiner form auf »freiheit«/»gleichheit« zu beziehen.

bockshornklee:

aber was machen wir jetzt mit dem thema rassismus, ist der knackpunkt nicht viel eher die schwierigkeit, anti-rassistisch zu sein? salt hat ja schon mit balibar auf die naturalisierung von kultur verwiesen, ein dilemma für die linke war doch, dass das »recht auf differenz« von den rechten ethnopluralisten vereinnahmt wurde, um das nicht-funktionieren von migration und »durchmischung« zu begründen ...

gran masala:

hoch lebe die multi-kulturalistische begegnung der vielfalt der kulturen!

bockshornklee:

sorry, gewürzmischung, da ist die kritik ja wohl auch schon weiter. die antirassistische multikulti-crew zementiert die naturalisierte kultur-differenz ja ebenfalls und spricht aus der mehrheitsgesellschaftlichen (dominanzkulturellen) position.

gran masala:

ja, ja, schon mal was ironie gehört. ausserdem wurde multikulturalismus zumindest im angelsächsischen raum zusammen mit mehr rechten / gleichberechtigung gedacht. nur in d-land gab es halt mehr kultur und weniger rechte – heterogenität als essenz, aber bitte keine unkonsumierbare differenz. döner ja, kopftuch nein.

bockshornklee:

die fremdbilder und üblichen repräsentationen sind dann doch wieder verdammt langlebig, trotzdem sollten die gegenhegemonialen listen und taktiken nicht vergessen werden.

no-dispute:

die taktiken ... puh, da freuen sich dann wieder alle und sind sich einig, letztlich bleiben sie aber die »list der schwachen« ... und die multikulturelle gesellschaft wird doch neuerdings zum gescheiterten projekt erklärt, um das »ende der toleranz« zu begründen. diese beendete toleranz betrifft momentan aber vor allem musliminnen.

kreuzkümmel:

ich will nach wie vor gleiche rechte für alle und ein recht auf differenz, aber kein kopftuch.

cayenne:

ich persönlich, politisch-feministisch ja auch nicht. aber es ist doch auch schwierig, als weiße europäerin universalisistisch zu argumentieren, dann gelangt mensch wieder so schnell in die »eurozentristische« argumentationslinie ...

kreuzkümmel:

na, super, damit kannst du ja migrantinnen gar nicht kritisieren. und islamismus und antisemitismus unter migrantinnen darfst du dann erst recht nicht kritisieren, oder wie? wieder mal mehr kultur und weniger rechte – migrantinnen müssen doch auch als politisch denkende und handelnde anerkannt werden.

gran masala:

okay geschenkt. aber das dilemma ist doch: wie schaffe ich es, islamistinnen und rassistische tendenzen und regelungen gegen islamistinnen gleichzeitig zu kritisieren?

no-dispute:

einerseits, andererseits ... damit sind wir beim anfang. miste ...

koriander:

es geht doch gar nicht darum, das gleichzeitig zu machen. man kann doch trennen zwischen reaktionärem zeug bei konservativen musliminnen, das man politisch bekämpft auf der einen seite und dem gleichzeitigen kampf für mehr rechte usw., obwohl ja andererseits die ganzen probleme bei der kritik daher kommen, dass den menschen, die als migrantinnen angesprochen werden, das recht abgesprochen wird, im diskurs mitzumischen. irgendwie bleiben sie halt draußen oder bekommen die partie des ehrengastes, der der debatte authentizität gibt und vor der gefahr von repräsentationspolitik schützt. so dass es dann nicht mehr möglich ist, ernsthaft um geschichten wie kopftuch ja oder nein zu streiten. noch komplizierter wird es dann bei radikalen islamistinnen, die halt keinen bock haben, über ihre vorstellungen von welt zu diskutieren und diese lieber mit bomben, wie vor einem jahr in madrid, erkämpfen wollen.

salbeiblättchen:

warum bomben ein besonders kompliziertes argument sein sollen, hab ich noch nicht verstanden. aber ich finde schon, dass es darum geht, das zusammen zu machen. ein einfaches nebeneinander von kritik des islamismus UND kritik des rassismus reicht nicht aus (darauf wolltest du ja auch nicht hinaus, wa). stattdessen muss es darum gehen, schon bei der kritik des islamismus sich der möglichen rassistischen implikation bewusst zu werden, vor allem darauf zu reflektieren, wie diese kritik, die demos und so, innerhalb eines deutschen diskurses rezipiert werden. dass bei der bielefelder studie rauskam, dass die islamophobie bei ostdeutschen frauen am höchsten ist – meines erachtens ein absolutes novum - verweist doch vermutlich schon darauf, wie leicht eine antipatriarchale kritik auf migrantische communities beschränkt wird – zur entlastung der mehrheitsgesellschaft. deswegen ist es wichtig, nach möglichkeiten der kritik zu suchen, die der rassistischen entwendung und instrumentalisierung ein paar knüppel in den weg werfen. die demo in kreuzberg nach dem anschlag auf die synagoge in istanbul, die sehr deutlich als bündnis türkischer und anderer gruppen funktioniert hat, ist für mich so ein seltenes beispiel (das sich auch nur um den preis einer entwertung der beteiligten politischen subjekte als instrumentalisierung von ›ehrengästen‹ and so on reduzieren lässt.) die reflexion auf repräsentation und sprechort und die reproduktion von markierung und desartikulation halte ich auch für die stärke des weiß-sein-ansatzes, der auch nicht mit dem anspruch, das erbe aller rassismustheorien anzutreten daherkommt. seine brisanz zeigt sich aber auch in dieser diskussion, wo die performativität von ethnizität etc. zwar angesprochen wurde, aber eben wieder nur auf seiten der migrantinnen, seien sie nun als famous hiphopstars oder minoritärrassisierte alltagssubjekte verortet. typical or what?

gran masala:

yep. es ging nicht um getrenntes nebeneinander, zumal ich es angesichts zusammengemengter diskurs- und demofraktionen in der praxis schwer finde, so sauber zu trennen (für einen konkrete kampagne gegen abschiebung lässt sich schon leichter mobilisieren, wenn der abgeschobene kein »konservativer islamist« und die abgeschobene keine schläfernde »bomben-braut« ist). das seltene beispiel von salbeiblättchen ist da schon sehr selten.

roter scharfer chili pfeffer:

was wiederum den whiteness-text bestätigt: weiss erscheint nicht als spezielle farbe, sondern als die abwesenheit aller, unsichtbar wie ein gespenst. vielleicht sollte sich antirassismus auch praxen überlegen, die dieses phänomen sichtbar, kritisierbar und dekonstruierbar machen. quasi als umkehrung des kaisers mit den neuen kleidern: er ist nämlich gar nicht nackt, sondern trägt ein weisses laken.

kreuzkümmel:

kartoffeln performen ihre ethnicity doch eh. passiert das nicht auf die gruselige art, wenn sich erfolgreiche integration daran bemisst, ob mehr kartoffeln bei umfragen verlauten lassen, dass sie neben kreuzkümmel wohnen okay finden? dann lieber perfoming des tütensuppenlöffelnden whatever-deklariertem-subnischen-daseins ... lasst uns noch mehr »parallel-gesellschaften« produzieren, damit die mehrheitsgesellschaft ja nicht entlastet wird ;-)


das vereinigte gewürzschränkchen der redaktion lädt zu heftkritik und diskussion am mittwoch, den 27. 04. 2005 um 20. 00 uhr – wie immer im diskusraum:

studierendenhaus, raum B 106.