Turm-Blockade

Wir kochen ein Ereignis für ca. 3500 Personen, drei Goldfische und ca. 270 Topfpflanzen.

Dauer:

Erfahrungsgemäß mehrerer Wochen, endet meist im Weihnachtssumpf 13756 kal./5342 joule

Einkauf:

Für ein gutes Gericht ist es wichtig, besonders frische und knackige Zutaten einzukaufen.

2x Klebeband (stabil), mindestens 2 Ketten oder Drahtseile (Drahtseilklemmen) und entsprechend viele Vorhängeschlösser, Papierrollen (groß), Eddings, Sprühlack, Kaffee, Milch, Zucker, Bier, Kerzen, Druckerpatrone, nach Saison Schlüssel-Zylinder und Sekundenkleber bzw. Bauschaum

Zutaten:

Zusätzlich benötigt man ca. 500 Stühle, 20 Tische, Werkzeugkiste, Ghettoblaster, möglichst viele alte Bettlaken, Schlafsäcke, Kaffeemaschine, Isomatten, Taschenlampen, Zahnbürsten, großer Brockhaus mit Post-lt auf der Seite »Streik«, Wecker!

Vorbereitung:

Eine Woche vorher einladen zu und abhalten eines Turmplenums, Schlüssel von einem Raum (möglichst mit Teppich) im Turm und Zugang zu einem PC organisieren. Je nach Geschmack einen Tag vorher oder nachträglich eine Turm-VV beigeben.

Zubereitung:

Man treffe sich in einer Großgruppe von 5 - 10 Leuten am Abend vorher bis spätestens 21 h im Turm und bringe die Zutaten und Einkäufe mit (um 21 h werden die Türen des Turms abgeschlossen). Nun verhält man sich gesetzt, bis sich das Gefühl einstellt allein zu sein. Daraufhin werden die 500 Stühle und 20 Tische mit den zwei noch fahrenden Aufzügen aus den Seminarräumen (möglichst Päd. Psycho.) in den ersten Stock gebracht. Sodann häufe diese zu einer martialischen Stuhl-Lawine in den beiden seitlichen Treppenhäusern. Sollte die Lawine zu schlapp und flüssig geraten, mische diese mit den vorbereiteten Tischen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Außentüren im Erdgeschoß frei bleiben.

Tipp vom Meisterkoch:

Das obere Ende der Stuhl-Lawine sollte vom Erdgeschoß aus gerade nicht mehr sichtbar sein. Nicht auf die tatsächliche Unüberkletterbarkeit der Lawine kommt es an, sondern nur darauf, dass sie so aussieht.

Nach dem man sich von derartigen Strapazen ausgeruht hat, brate man die Ketten bzw. die Drahtseile usw. so geschickt an, dass das Treppenhaus aus dem ersten Stock nicht mehr zugänglich ist. Nun zu dem aller Wichtigsten: Der Turm ist erst dann blockiert, wenn ein großes Schild darauf hinweist! Dieses ist also im Foyer so anzubacken, dass es nicht mehr von alleine runter fallen kann.

Das eigentliche Problem der Zubereitung dieses Gerichtes besteht darin, am nächsten Morgen den richtigen Zeitpunkt zu finden, die restlichen Aufzüge abzuschöpfen. Dies gelingt – leichter, wenn ein paar Leute im Turm übernachten und um 7 h schon aufgestanden sind. Wenn dies gelungen ist, sind die Fahrstühle im 33. Stock notzuhalten. Gelingt dies nicht, kann man die Hausmeister darauf hinweisen, dass die Aufzüge bei blockierten – Treppenhäusern aus feuerpolizeilichen Gründen nicht fahren dürfen (Diese Option eröffnet den Köchinnen der Blockade allerdings während der gesamten Garzeit ein sportliches Betätigungsfeld).

Bei Tisch:

Am nächsten Morgen serviere man die Blockade bei guter Laune auf adrett mit Flugis dekorierten großen Tischen unten vor den Aufzügen und nenne diese Tische »Infostand« (sollten noch keine Flugblätter oder Inhalte vorhanden sein, tun es zur Not auch andere Infobroschüren, z.B. von RMV, Fern-Uni Hagen etc.). Für ein gelungenes Mahl ist es unerlässlich, auf die unterschiedlichen Wünsche und Vorstellungen aller Teilnehmenden einzugehen.

Hieraus sind im Groben sieben Kategorien hervorzuheben.

– Leute, die unbedingt zur Arbeit wollen (Studierende, Sekretärende, Mittelbauende und Profende)

– Leute, die im Examen stehen (mit am schwersten weich zu klopfen)

– Alte AktivistInnen, die früher alles besser gemacht haben (auch ganz schwer zu braten)

– Freiheitsliebende, die sich in ihrem Grundrecht auf Fahrstuhlfahren beeinträchtigt sehen

– Selbstmörder aller Art, die entweder testen möchten, wie lange es sich unter der Stuhl-Lawine überleben lässt oder Leute, die sich das Panorama der Stadt im freien Fall aus dem 38. Stock ansehen möchten.

– Liebhaber der mannigfaltigen Flora und Fauna des Turms (insbesondere Ichtyophile)

– Alle anderen gehen heim oder kochen mit.

Um mit all diesen gemeinsam essen zu können, sollte man einen Butler haben, um die benutzten Wurzelgemüse gut durchzudeleuzen und den entstehenden Murx abzufoucaulten. Auch ist für das Weiterköcheln der Blockade nützlich, sich mit Inhalten und guten Gründen zu wappnen. Der erste und immer wieder zu betonende Inhalt für die Blockade ist das Außerkraftsetzen der Normalität am Turm. als Untergründe könnten nach einer Weile die Erfahrung von der Gestaltbarkeit von Räumen und konkrete Verhandlungspositionen wie z.B. Abschaffung aller Herrschaftsverhältnisse oder das Wiedererrichten des Antifaschistischen Schutzwalls gelten. Vorzüglich geessert wird ein solches versteinertes Hirschragout in gerharten versiegelten Allerbecken. Mit einem frischen Becker in krellbunten Taturen lässt sich köstlich rumpuhlen.

Voilà, bon appétit!


Französische Verhältnisse III