Merkzettel

Was der Prof so alles tut, um die Seminare klein zu kriegen & was Du tun kannst, um die Massenuniversität zu retten


Als erste Faustregel gilt:

Du hast das Recht, jedes Seminar zu besuchen, dass Dich interessiert; ganz gleich, ob es ein Haupt- oder Grundstudiumsseminar ist, ein Grundkurs oder ein Proseminar, ob Du Lust hast, Protokolle zu schreiben oder ob Du nur alle drei Wochen kommst.

Hierbei hast Du sogar die Studienordnung auf Deiner Seite.

Als zweite Faustregel gilt:

Siehe die/den ProfessorIn als ein Wesen an, das daran interessiert ist, möglichst kleine Seminare vor sich zu haben.

Es gibt für ProfessorInnen sehr unterschiedliche Wege, zu kleinen Seminaren zu kommen. In der Regel orientieren sie sich an dem Leitbild, einen Teil der Leute einfach rauszuschmeißen. Für den Professor hat das den Effekt, dass nicht so viele Hausarbeiten zu korrigieren sind, als StudentIn verbringt man hingegen drei Wochen damit, Plätze in Seminaren zu finden oder man landet letztlich in Seminaren, in denen man eigentlich nie landen wollte. Nennen wir dies die »professorale, bürokratische Variante« (pbV).

Es geht auch anders: Ein volles Seminar ließe sich so organisieren, dass kleine überschaubare Arbeitszusammenhänge geschaffen werden – möglichst selbstorganisiert, u.U. unter Hilfestellung, Moderation, Anleitung durch die Lehrenden. Die Lehrenden könnten auch zusätzliche Tutorien beantragen. Sie könnten sich auch politisch gegen die Unterausstattung der Universitäten wehren. Nennen wir dies die »produktiven, wünschenswerten Varianten« (pwV).

Im Folgenden sind einige der professoralen Techniken genannt, die auf schlichte Verkleinerung der Seminare durch Rausschmiss zielen, (pfui) und was dagegen zu tun ist:


1. Politik der Abschreckung

Du bist noch nicht weit genug, angeblich ...

a) Beliebter Trick ist es, die Ankündigungstexte im Vorlesungsverzeichnis derart verschraubt zu formulieren, dass es einem/r sicher nicht einfällt, dieses Seminar zu besuchen. Auf ähnliche Wirkung zielen ellenlange Literaturlisten oder eine vorausgesetzte Lektüre von Büchern.

b) In der ersten Seminarsitzung wird enormer wissenschaftlicher Gestus aufgefahren oder Dir wird gesagt, Du müsstest auf dem neusten internationalen Forschungsstand sein. Oder Dir wird mitgeteilt, dass Du, wenn Du Verständnisschwierigkeiten mit der Literatur hast, besser zu Hause bleiben solltest.

Fazit: Elegante Abschreckung derjenigen Profs, die sich für gröbere Methoden (siehe unten) zu schade sind.

Empfehlung: Nicht einschüchtern lassen, schlicht ignorieren.


2. Politik der Diskriminierung

Du gehörst einer falschen Kategorie an, angeblich ...

Dir wird gesagt, dass das Seminar nur für Hauptstudiumsstudierende sei, nur für Hauptfächler sei, nicht für Lehramtsstudierende bestimmt sei etc. Empfehlung: Ignoriere derart blödsinnige Unterteilungen; denke immer daran: Du bist keine Kategorie und lasse Dich nicht zu einer machen, heyho ...


3. Politik des Formalen

a) Du darfst nur bleiben, wenn Du immer kommst, angeblich ...

Um die »Verbindlichkeit« zu erhöhen, sollst Du Dich jede Woche auf einer Anwesenheitsliste eintragen.

Empfehlung: Du bist nicht im mindesten verpflichtet, jede Woche zu erscheinen und eintragen musst Du Dich auch nicht, von daher: offensiver Boykott – am besten wäre es, wenn die Mehrzahl der Studierenden Anwesenheitslisten verweigerten oder stets spaßige-eklige-phantasievolle - in jedem Fall falsche Namen eintragen.

Kleingruppen-Boykott: Solche Listen verlieren ihren Taug, wenn sie drei-, viermal nicht vorne ankommen ...

b) Du bist Deinen bürokratischen Verpflichtungen nicht nachgekommen, angeblich...

Ein Seminar wird als »teilnahmebeschränkt« ausgewiesen, entsprechende Ankündigungen und Anmeldelisten werden möglichst unzugänglich veröffentlicht.

Empfehlung: Falls Du nur aus Interesse am Seminar teilnehmen willst, einfach ignorieren. Schwieriger ist es, wenn Du den Schein aus dem Seminar brauchst. Ist Dein Name auf der Teilnahmeliste Voraussetzung für z.B. das Schreiben der Klausur, wird Dich der Versuch, Dich still durchzuwurschteln, verwurschten. Da hilft nur offene Politisierung im Seminar. Bestehe darauf, dass du ein erwachsener Mensch bist und Dich nicht so behandeln lassen willst wie in der Schule. Behaupte, dass du intrinsisch motiviert bist und deswegen ein großes Interesse daran hast, selber zu entscheiden, wann und wie du dir den spannenden Lehrstoff aneignen möchtest. Weise darauf hin, dass Du gezwungen bist einer Lohnarbeit nachzugehen, dass Du Kinder zu erziehen hast, dass Du den Schein brauchst, weil Du dein Studium zügig beenden willst und außerdem von Studiengebühren bedroht bist. Wenn Du gut schauspielen kannst, behaupte außerdem, Steuern zu zahlen (genau die Steuern, von denen die Professorin bezahlt wird). Wenn sich Deine KommilitonInnen nicht mit dir solidarisieren wollen, fange an, gegen Beamte zu wettern (die unkündbar sind und meinen, sich alles rausnehmen zu dürfen) – das steigert die Chancen.

c) Du bist nicht leistungswillig, angeblich ...

Dir wird gesagt, Du seiest nur dann teilnahmeberechtigt, wenn Du auch ein Referat halten wirst.

Empfehlung: Ignorieren, Referate sind Angebote und sind niemals obligatorisch.


4. Politik des Loses

Du hast einfach Pech gehabt, angeblich ...

In der ersten Sitzung wird ausgelost, wer das Seminar besuchen bzw. wer hier einen Schein machen darf.

Empfehlung (individuell): Wenn Du weiterhin an dem Seminar interessiert bist, ignoriere die Losentscheidung. Am besten boykottiert das Losverfahren kollektiv.



Anmerkung: Sollten Professorinnen trotzdem weiter versuchen, Leute rauszuschmeißen, sei auf Merkzettel 2 verwiesen. Bei schwerwiegender professoraler Zuwiderhandlung erscheint Merkzettel 3 angemessen.



Französische Verhältnisse III