editorial


diskus wird karthographin. Wo? Hier. Wieso? Weil das hier nicht nur der ort ist, an dem wir leben, nicht nur die gebaute umwelt unserer aktivitäten, nicht nur kulisse für die inszenierung unserer lebensweise(n), sondern tagtäglicher bezugs- und reibungspunkt. Unsere, meine, deine lebensweise(n)? Der vielleicht kleinste gemeinsame nenner, örtlich fixiert, ist ein städtischer. Denn zumindest darin sind wir uns einig, zur stadt gibt es für uns keine alternative: unabhängig davon, wie städtisch-provinzell-metropolitan mensch sie empfindet – urban, so der wunsch und anspruch, soll und muss der alltagskontext schon sein.


Wie viel dabei theoretisieren, wie viel an erfahrungen aufsammeln? Wir haben routen zusammenzutragen, die allesamt durch frankfurt_m führen; wir richten den blick auf gebäude und ecken, momente und zeiten; treffen eine subjektive auswahl für den kleinen gang durch die stadt: per tram, zu fuss, in gedanken, in die sauna, in die wohngebiete, in die keller, auf die dächer und bildschirme der stadt. Dennoch: stadt ist mehr als die summe der einzelnen teile. So schleichen sich die texte an, umkreisen, durchkreuzen, vielleicht, ohne je anzukommen, entwerfen, aktualisieren, verwerfen dabei karten, mapping our town.

Überhaupt: »unsere stadt?« Kann denn irgendeine stadt UNSERE sein? Diese nicht mehr und nicht weniger als jede andere im globalen stadtraum. Diskus ist frankfurterin und so stellen wir auf frankfurt_m scharf: die global city im global village ist so wunderbar partikulär, wo sie style de vie und commerce cosmopolitaine verheißt, und sie ist gerade da hybrid globalisiert, wo sie sich als x-typische, liebenswerte stadt geriert.

Dass welt immer gestaltete welt ist, raum durch die menschen sozial erschaffener, ist ein zweischneidiges ding; zeugnis der einen seite: die orte, die in konzeption, konstruktion und bespielung vollständig der logik von kapitalvermehrung und konkurrenz unterworfen scheinen. Ihr schieres dasein scheint einEn bisweilen schon vor den fassaden steinern, metallisch, gläsern, glatt niederzuschlagen: hier gibt´s nichts zu tun, nichts zu holen, nichts zu verändern, allenfalls, sich leise abzuwenden und heim ins wohnprojekt zu gehen, um an anderen formen zu basteln ... Ob sich wirtschaftsweise materialisiert und als stempel der welt aufdrückt, oder ob vielmehr das, was die menschen in ihr so betreiben, WELT MACHT, ist eine frage, die wohl noch manchmal durch köpfe und heime geistert, die antwort ist nicht immer klar.

Schon architektonisch bleibt so einiges auf der sollseite: das reich der großen architektonischen utopien, der nie verwirklichten idealstädte, all die städtischen archen, all das revolutionäre bauen. Die vielen sozialreformerinnen und radikalen architektinnen, die schon immer ein besseres im schlechteren durch die richtige konstruktionsweise verhießen ... Doch auch die arbeitsweise der architektinnen hat sich geändert; viele junge stehen in den startlöchern zum beruf, kommen nicht hinein - und von draußen hat mensch ja bekanntlich die größere übersicht. In dieser krisiösen zeit bilden die jungen planerinnen - kreativkritisch - ohne job kooperative netzwerke, planen, forschen und diskutieren als kunst-polit-erwerbsprojekte über sinn und unsinn der architektur, produktion und gebrauch gebauter umwelt, intervenierende praxis und exterritorien (www.anarchitektur.de). Was könnte mensch nicht alles.

Die andere seite, perspektivwechsel: so manifest auch die fassaden, was spielt sich dahinter ab? Wohnen und arbeiten, sich vergnügen, organisieren und streiten, vögeln, feiern und frühstücken, spülen, reproduzieren, klos putzen. Enklaven der stadt als orte für widersprüche des kapitalismus. Subkultur, gegenpraktiken, abfinden, anpassen - das wirkliche! leben. Nicht so offensichtlich vielleicht, und schwerer zu finden, findet da mehr statt, als wir sehen, ist gerade das nicht in den bauplänen, katalogen und reiseführern abgedruckt, was die meisten so leben.

Von wo schaust du auf diese stadt? Von oben, kurz unter den wolkenschrammen, von hügeln, vom berg? Oder von untern, neben den gullies, bei wehenden plastetüten, unkraut in ritzen? Oder immer von nebenan, aus dem vorstadtwinkel, alles im blick – von außen? Sightseeing bei the riverside? Welche sehenswürdigkeit ist überhaut des sehens würdig? Wo trifft der urbane sound auf die netzhaut? Wie viel lässt sich sehen aus der u-bahn? Und mit dem radl gegen die einbahnstraße rasend? Oder dreht sich alles um diesen einen ausschnitt, täglich derselbe in wechselnder färbung – vom klo aus durch die ritzen der glasbausteine, romantik des hinterhofs? Und welche ausblicke ermöglichen welche einblicke, wie viel ist sichtbar? Mit lupe, mit fernglas bewaffnet, mit kopfhörer, nasenklammer: die aufforderung, nachzuspüren, zu graben, auszuschweifen, sich zu verirren und neue routen zu finden ...

gute reise,

eure red.