4.4.2. Subjektivierung
         und Techno-Kultur I

In den folgenden Abschnitten soll die Frage der Identitätsformation in der Techno-Kultur mit der von Foucault spezifizierten Subjektivierungsweise, nach der sich Menschen selbst in Subjekte verwandeln, bearbeitet werden. Die beiden anderen Subjektivierungskonzepte Foucaults (ANM: Vgl. Abschnitt 4.1.2.) werden zunächst keine Rolle spielen. Wenn im Text von Subjektivierungen die Rede ist, so meint dies daher stets diese Variante.

Zur Diskussion der gestellten Frage liegen bereits mehrere Ergebnisse vor, die als Orientierungshilfe verwendet werden können. Als erster Anknüpfungspunkt kann die konstatierte diskursive Abwesenheit der sozialen und psychologischen Aspekte der Alltagspraktiken genommen werden. In den untersuchten Medien der Techno-Kultur tauchten diese thematisch nicht auf und in diesem Zusammenhang konnte unterstellt werden, daß diese Abwesenheit auf einer Systematik beruht.


Wie sich Menschen selbst in Subjekte verwandeln

Wie angeführt soll der Begriff der Subjektivierung im Sinne der Produktion von Identität verstanden werden. Subjektivierungen und die Konstitution von Identität stellt Foucault als Unterwerfungsformen der Individuen dar. Eine Subjektivierung "wird im unmittelbaren Alltagsleben spürbar, welches das Individuum in Kategorien einteilt, ihm seine Individualität aufprägt, es an seine Identität fesselt, ihm ein Gesetz der Wahrheit auferlegt (...) Es ist eine Machtform, die aus Individuen Subjekte macht." (ANM: Foucault, Das Subjekt und die Macht, S. 246)

Als eine zentrale Subjektivierungsform stellt Foucault die Geständnistechnologie heraus. (ANM: vgl. Abschnitt 4.1.2.)
Auf dieser Grundfigur aufbauend konnte Foucault "das Projekt einer Diskursivierung" (ANM: Foucault, WZW 31) beschreiben. "Überall wurden Sprechanreize eingerichtet, Abhör- und Aufzeichnungsanlagen, Verfahren zum Beobachten, Verhören und Aussprechen." (ANM: Foucault-WzW, S. 46)
Das zugrundeliegende Konzept der Geständnistechnologie funktioniert nach folgendem Muster: Indem man über seinen Sex spricht, ihn also gesteht, kann man die Wahrheit über sich erfahren. Die Geständnisse können daher als "Praktiken, durch die die Individuen dazu verhalten worden sind, (...) sich als Begehrenssubjekte zu entziffern, anzuerkennen und einzugestehen und damit zwischen sich und sich selber ein gewisses Verhältnis einzuleiten, das sie im Begehren die Wahrheit ihres (...) Seins entdecken läßt"(ANM: Foucault, Der Gebrauch der Lüste, S. 11f), beschrieben werden.

Die Individuen sind folglich in dieser Subjektivierungsform mit ihren konkreten Praktiken in die Prozesse der jeweiligen Subjektwerdung tätig eingebunden, schließlich handelt es sich per definitionem um Selbsttechniken, durch die "ein Mensch sich selber in ein Subjekt verwandelt". (ANM: Foucault, Das Subjekt und die Macht 243)
Da als zentrale Technik dessen die Form des Geständnisses ausgewiesen werden konnte, kann formuliert werden, daß es sich bei dieser Subjektivierungsweise um eine Form der diskursiven Produktion von Identität handelt. Die Praktiken, mittels denen sich die Individuen hier in Subjekte verwandeln, sind demnach sprachlicher Art.


Wie sich in der Techno-Kultur Menschen selbst in Subjekte verwandeln

In der Techno-Kultur wird eine Situation vorgefunden, die in keinster Weise mit der Geständnistechnologie verglichen werden kann. Jene thematischen Aspekte, von denen zunächst am ehesten angenommen werden kann, daß sie eine vergleichbar bedeutungsvolle Codierung besitzen, die Wahrheit über die einzelnen Individuen thematisch zu beinhalten und damit ein privilegiertes Thema deren Geständnisse darzustellen, bleiben im Diskurs von vorneherein ausgespart. Wie gezeigt wurde, finden sich die konkreten Alltagspraktiken in keinster Weise in den untersuchten Zeitschriften thematisiert.

Foucaults Beschreibung dieser subjektivierenden Selbsttechniken als "(...) quasi unendliche Aufgabe, sich selbst oder einem anderen so oft als möglich alles zu sagen",(ANM: Foucault, WzW, S. 31) findet sich in der Techno-Kultur offenbar überhaupt nicht vor. Diese grundsätzliche Einschätzung korrespondiert mit einigen im Verlauf der Untersuchung gewonnenen Ergebnissen.


Insgesamt kann darauf geschlossen werden, daß die skizzierte Subjektivierungsweise kaum ein theoretisches Raster abgibt, mit dem die spezifische Produktion von Identität in der Techno-Kultur begriffen werden kann. Aufgrund der deutlich eingeschränkten funktionalen Bedeutung von Sprache läßt sich formulieren, daß die beschriebene Subjektivierungsform in der Techno-Kultur nicht als primär wirkende vorliegt und insgesamt in ihrer Gültigkeit doch erheblich eingeschränkt ist.