4.2.5. Die Zerstreuung der Autorfunktion
         in der Techno-Kultur

"Du sollst keinen Star haben neben der Musik"
(ANM: Tobias Thomas, Mythos DJ, in: Groove 48, Oktober 1997, S.27)

Zusammengefaßt ergeben sich also eine ganze Reihe von Punkten, an denen die eindeutige Identifizierbarkeit des jeweiligen Autors im Sinne des schöpferischen und Neues hervorbringenden Künstler-Subjekts nicht gegeben ist.
Neben gängigen Verschleierungsmechanismen wie der Verwendung einer Vielzahl von Pseudonymen, konnten diesbezüglich zwei grundlegende Elemente der Produktionsweise von Techno-Musik, Sampling-Technologie und die Remix-Technik, angegeben werden. Als weiteres Indiz konnte die Strukturiertheit des Raums einer Techno-Party ausgewiesen werden, die nicht auf eine zentrale Stelle im Raum, wie etwa eine Bühne oder den DJ hin strukturiert ist, sondern wenn, dann allenfalls die Tanzfläche zum Zentrum hat. Die gleiche Tendenz ließ sich in der Untersuchung von Plattencovern ausmachen, auf denen kaum Versuche gefunden wurden, den jeweiligen Musikproduzenten als dem Autor vergleichbare Figur zu konstruieren und sichtbar zu machen. Darüber hinaus fand sich, daß die Zuweisung der konkret gespielten Musik auf einer Party an eine dem Autor vergleichbare individuelle Einheit ebenfalls Schwierigkeiten aufwarf und nicht eindeutig getroffen werden konnte.

Für Ulf Poschardt hat die DJ-Culture damit "die Funktion Autor dekonstruiert." Für ihn "ist der Autor zum einen hinter den Schaltplänen der Beatboxen und Sampler verschwunden, zum anderen verweigerte er mit seiner wilden Nutzung fremder Werke jeglichen Respekt vor der Funktion Autor." (ANM: Ulf Poschardt, DJ-Culture, S.371)

Zusammengefaßt kann darauf geschlossen werden, daß den Produktions- und Präsentationsweisen von Techno-Musik eine allgemeine Tendenz zueigen ist, die Autor-Funktion, verstanden im Sinne der Möglichkeit der eindeutigen Klärung eines Urhebers und eines verantwortlichen schöpferisch-produzierenden Subjekts, aufzulösen. Der Versuch, die Autorfunktion durch Zuordnung zur Gültigkeit zu bringen, - also in Sinne dessen, was Foucault als Gruppierung von Texten um die Funktion Autor beschreibt - steht regelmäßig vor dem Problem, daß mehrere hierfür infragekommende Individuen oder Strukturzusammenhänge existieren.
Insofern kann zumindest von einer aus diesen Produktions- und Präsentationsweisen hervorgehenden und daher prinzipiellen Vervielfältigung der potentiellen Autor-Subjekte gesprochen werden. In der Techno-Kultur existiert daher "die Idee des einen Schöpfer-Gottes zuerst einmal nicht. Die Plattenkiste ist voller Schöpfer-Götter und diese Tatsache relativiert jede Form des Monotheismus." (ANM: Ulf Poschardt, DJ-Culture, S.375)