Auf Basis der Abwesenheit kann daher der Diskurstyp in einer Gegenüberstellung
beschrieben werden. Dabei werde ich auf Jean-Francois Lyotards Unterscheidung von
narrativem und wissenschaftlichem Wissen Bezug nehmen. In den Alltagsdiskursen findet sich
eine "Pluralität an Sprachspielen" (ANM: Jf Lyotard, Das postmoderne Wissen, S.
68), die "über die Bestimmung und Anwednung des einzigen Wahrheitskriteriums
hinausgeht". (ANM: JF Lyotard, Das postmoderne Wissen, S. 64)
Seyla Benhabib fasst die auf Basis dieser Unterscheidung gewonnen Bestimmungen des
narrativen Wissens prägnant zusammen:
Genau die von Benhabib zusammengefassten Charakteristika von narrativem Wissen finden
sich auch in den untersuchten Diskursen der Techno-Kultur als konstitutiver und wichtiger
Teil deren Charakteristika: die diskursiven Techniken Infragestellung, Nachdenken und
Widersprechen scheinen hier ebenfalls weitgehend abwesend und suspendiert.
Dies fand sich in evidenter Weise in der thematischen Aufbereitung zweier konkurrierender
Diskurse in der "Der Partysan", wo das Fehlen der reflexiven Kategorie der
Bedeutung nachgewiesen werden konnte. Dort wurden vorgebliche Positionen und bestehende
Diskurse systematisch nicht angetastet. Darüber hinaus konnte in Abschnitt 3.3.
festgestellt werden, daß im von Patrick Walder/Philip Anz herausgegebenen Buch
gleichfalls die von Benhabib beschriebenen Operationen gänzlich fehlten. Dort findet sich
auch die Stellungnahme von Viola, einer Raverin, abgedruckt: "Viele Leute kritisieren
die Szene als zu oberflächlich. Ich finde: Wenigstens steht diese Szene zu ihrer
Oberflächlichkeit. Wir sind nicht grundsätzlich oberflächlich, aber an den Parties
lassen wir es und gut gehen und stellen den Rest ab." (ANM: Viola, zit, nach: Regula
Bochsler/Markus Storrer, Talking Technoheads II, S. 175)
Zusammenfassend fanden sich insgesamt vier diskursive Strategien, mittels jener die
untersuchten Diskurse gruppiert und beschrieben werden konnten. Diese Strategien
organisieren eine gestreute Verteilung der möglichen Subjekt-Positionen, von denen aus
gesprochen werden kann. Die Überprüfung der vier Strategien hinsichtlich der jeweils
implizierten Wahrheitstypen ergab ein heterogenes Bild. Es war nicht möglich, die
Strategien einheitlich einem der dargestellten Wahrheitstypen zuzuordnen. Die Existenz
beider Typen, sowohl dessen, der die Wahrheit im Gesagten lokalisiert, als auch
desjenigen, der sie als etwas zu Produzierendes begreift, konnte nachgewiesen werden.
Insgesamt ergab sich jedoch ein außergewöhnlicher und signifikanter Bezug auf den
Wahrheitstypus, der diese als Herzustellende begreift. Als Orientierungspunkt zur
Bestimmung des Diskurstyps verdichtete sich daher die mehrfach festgestellte Abwesenheit
reflexiv-analytischer und wissenschaftlicher Sprechweisen. Auch die Überlegungen zum
jeweiligen Wahrheitstypus korrespondierten hiermit, denn wissenschaftlichen Diskursen kann
allgemein jener Wahrheitstypus assoziiert werden, der die Wahrheit in dem, was gesagt
wird, lokalisiert.
Wissenschaftliche und analytische Diskurse können daher mit Susan Sontag als
Beschreibungsweisen verstanden werden, welche die jeweils von ihnen beschriebenen
Erlebnisweisen in diesem Status als Erlebnisweise entwerten und verunmöglichen. Mit
dieser strategischen Argumentationsfigur konnte der signifikante Befund, daß sich in den
untersuchten Diskursen der Techno-Kultur keine Aussagen zu den psychologischen und
sozialen Apekten der Alltagspraktiken der Beteiligten fanden, erklärt werden. Als eine
dergestalte Norm kann auch jener Wahrheitstypus bezeichnet werden, der die Wahrheit im
Gesagten verortet und der wissenschaftlichen Diskursen zugeordnet werden kann.
Demgegenüber kann in der Techno-Kultur nicht von einer in den Diskursen explizierten
ethischen Normativität gesprochen werden. Diskurse haben hier nicht die Funktion,
normierend, vorschreibend und juridisch auf die Individuen einzuwirken. Es findet sich
kein sprachlich fixiertes ethisches Regelsystem, das eingeklagt werden könnte.