Die vorgenommene Untersuchung orientierte sich, wie
eingangs formuliert, methodisch und begrifflich in offener Form an Michel Foucaults
Konzeptualisierung der Analyse von Diskursen, wie er sie in der "Archäologie des
Wissens" vorgelegt hat. Die vier diskursiven Strategien können als Rahmen genommen werden, in dem die Diskurse
in der Techno-Kultur gruppiert werden können. Dabei geht es nicht darum, zu behaupten,
die konkreten Diskurse und Texte könnten stets einer der Strategien eindeutig zugeordnet
werden. Es muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß sich die Strategien in den
einzelnen Texten häufig überkreuzen und vermischen.
Abgleichung mit Foucaults vier Kriterien der Analyse diskursiver Formationen
Wie in Abschnitt 3.4.1. geschildert, unterscheidet Foucault vier Kriterien, hinsichtlich
derer diskursive Formationen untersucht werden können. Im Einzelnen sind dies erstens die
Äußerungsmodalitäten, was die Frage nach dem jeweiligen Subjekt der Diskurse meint,
zweitens die Begriffe, die den Diskurs organisieren, drittens die Gegenstände, Themen und
Objekte des Diskurses, also das, worüber gesprochen wird sowie schließlich viertens die
diskursiven Strategien, die die Diskurse durchziehen und organisieren.
Inkompatibilität des Kriteriums der Begriffe
Zumindest für das zweite Kriterium, jenes der Begriffe, müssen hier bestimmte
Einschränkungen getroffen werden. Foucault spezifiziert den Term der Begriffe
dahingehend, daß zwischen ihnen "Formen der Deduktion, der Ableitung, der Kohärenz,
aber auch der Inkompatibilität" bestehen und er situiert die Begriffe in einem Feld,
in dem sie "nebeneinander bestehen können." (ANM: Michel Foucault, Archäologie
des Wissens, S. 89)
Begriffe tauchen also in jedem Fall explizit und expliziert in jenem Feld, das der
Einfachheit halber mit einer diskursiven Formation gleichgesetzt werden kann, auf.
Darüber hinaus muß in den einzelnen Begriffen noch etwas mitschwingen, sie müssen einen
über die bloße Bezeichnung eines Gegenstands, einer Praktik oder einer Operation des
Denkens hinausgehenden konnotativen Aussagegehalt besitzen. Nur so kann erklärt werden,
weshalb Foucault von Kohärenz und Inkompatibilität zwischen Begriffen spricht.
Eine dieser Spezifikation von Begriffen vergleichbare diskursive Größe findet sich kaum
in der Techno-Kultur und fand sich demzufolge auch nicht in der vorgenommenen Untersuchung
derer Diskurse. Foucaults Kriterium der Begriffe leitet sich aus der Analyse
wissenschaftlicher Diskursformationen her, was als Indiz dafür genommen werden kann, daß
die anhand dessen entwickelten Kriterien nicht zwingend auf die hier zur Debatte stehende
Analyse von Diskursen einer populären Kultur transponiert werden können.
Diskursive Strategien in den Diskursen der Techno-Kultur
Im voranstehenden Abschnitt "Diskurse in der Techno-Kultur" ergaben sich
insgesamt vier diskursive Strategien, die in den untersuchten techno-spezifischen
Print-Publikationen unterschieden werden können. Ich fasse diese zunächst noch einmal
kurz zusammen:
Diese gefaßt als die unvoreingenommene Verwendung diskursiver Muster aus der
Sprache der Werbung. Es fanden sich ähnliche und teilweise übereinstimmende Aussagen und
Aussagestile in Text- und Reklameanteil der jeweiligen Publikationen, woraus geschlossen
wurde, daß die Werbungssprache einen möglichen Orientierungspunkt für bestimmte
Diskurse in Techno-Medien darstellt. Die Funktionsweise jener Sprache stellt also
gleichzeitig eine mögliche Funktionsweise der Diskurse der verfaßten Artikel und Texte
dar.
Diese gefaßt als Bewegung, mittels derer sich bestimmte Diskurse der
Techno-Kultur der Verfaßtheit oraler und sogenannter Alltagssprache annähern. Die
diesbezügliche Annäherung konnte anhand des verwendeten Vokabulars und der auftauchenden
syntaktischen Stilistik sowie aufgrund der weitgehenden Abwesenheit szientistischer und
intellektuell codierter Sprachstilistiken bestimmt werden. Dabei wurde jedoch auch
deutlich, daß der verwendete Gestus der Alltagsdiskurse sich nicht aus den
Alltagsdiskursen schlechthin ableiten ließ, sondern sich aus deren spezifischer
Verfaßtheit im Rahmen Techno-Kultur ergab. Konnte das Sich-Freimachen dieser Diskurse von
Sprachformen, die jeweils spezifisch gelagerte exklusive Zugangsvoraussetzungen zur
verwendeten Sprache darstellen, als in diesem Sinne demokratisierende Bewegung beschrieben
werden, so musste auch eine umgekehrte Bewegung festgestellt werden. Es fanden sich
techno-spezifische Sprachformen, die mit den drei Organisationsprinzipien Namedropping,
der Verwendung von bestimmten Fachbegriffen und eines techno-spezifischen Alltags-Slangs
beschrieben werden konnten. Diese Komponenten formieren nun ihrerseits wieder bestimmte
Zugangsvorraussetzungen zu den behandelten Diskursen.
Hierbei handelt es sich um einen spezifischen Typus von Diskursen, der sich in
erster Linie dadurch charakterisiert, daß er nur mittels eines Wissensfundus, dem
Expertenstatus zugewiesen werden kann, zu decodieren ist. Im Umkehrschluß weisen sich
auch die jeweiligen Verfasser oder Produzenten dieser Diskurse als Experten aus. In dieser
diskursiven Strategie haben die Fachbegriffe die zentrale diskursive Funktion. Als
spezifisches Thema dieser Experten-Diskurse kann primär das sprachliche Beschreiben von
Musik angeführt werden. Darüber hinaus finden sich derartige Experten-Diskurse auch in
der in fast allen Techno-Zeitschriften enthaltenen Rubrik "Musikalische
Technologie". Allerdings ähnelt die Spezifik dieser Diskurse dann eher
Sprachmustern, die aus Hifi-Zeitschriften bekannt sind. Diese Diskurse enthalten
technische beziehungsweise quantifizierende Daten und weisen insgesamt am ehesten
Analogien zu Formen wissenschaftlichen Sprechens auf. Techno-spezifische sprachliche
Aspekte finden sich in der Regel eher weniger.
Diese Strategie ließ sich ebenfalls anhand der Diskurse aufweisen, deren
Funktion darin besteht, über Musik zu sprechen. Hier fanden sich Sprechweisen, die nicht
mit dem nach Barthes (ANM: Vgl den EXKURS und ...) standardisierten Muster der
adjektivischen Attribuierung ihres Gegenstands arbeiten. In diesen Diskursen besteht
folglich ein Verhältnis zwischen dem Gegenstand und dessen Beschreibung, die sich nicht
auf das Modell des Abbildens reduzieren lässt. Das Verhältnis des Textes zum Gegenstand
besteht hier also nicht in einer Deskription, die den Gegenstand repräsentiert. Im
weiteren heißt dies, daß der Gegenstand hier nicht benannt, bezeichnet oder mit
Eigenschaften ausgestattet wird, sondern vergleichsweise experimentierende Sprechweisen,
wie das Verwenden assoziierter Bilder oder Gedanken, herangezogen werden.
Die Verteilung der potentiellen Sprech-Positionen
Auffälligerweise kann nun jeder dieser vier analysierten diskursiven Strategien eine
oder mehrere Positionen des Sprechens und Sprechers assoziiert werden. Dieser Schritt
erlaubt eine gewissse Rückbindung auf das techno-spezifische Modell einer Party. Im
Kontext einer Party können Individuen prinzipiell in drei funktionalen Positionen
auftauchen: als Veranstalter, als DJ oder Musiker und als Gast.
Am einleuchtendsten läßt sich dies sicher anhand der Strategie der Alltagsdiskurse
aufzeigen. Diese Form der Diskursführung kann prinzipiell von jeder Person, die sich in
der Techno-Kultur bewegt, gewählt und bestritten werden. Die Position, aus der sich das
derart verfaßte Sprechen formiert, ist die des durchschnittlichen und sich weder durch
besondere sprachliche Kompetenzen noch durch ausgeprägtes Experten-Wissen auszeichnenden
Techno-Begeisterten. Die spezifisch Exklusivität herstellenden Kriterien dieser Diskurse,
also Namedropping, Fachworte und techno-spezifischer Alltags-Slang können für den
Personenkreis Techno-Begeisterte als allgemein gewußtes Wissen angesehen werden.
Die Kriterien, nach denen hier qualitative Bewertungen gemacht werden, beschränken sich
weitgehend auf Fragen wie die, ob jene besprochenen Parties, deren DJ's, Deko oder Gäste
als gut oder als schlecht befunden wurden. Insofern entsprechen diese Kriterien auch einem
als allgemein ansetzbaren Komplex von Aussagen, der das, was Party-Gäste sich
untereinander erzählen und nach welchen Kriterien sie die Parties beurteilen, umfaßt.
Ganz ähnliches kann für die übrigen drei diskursiven Strategien gefolgert werden. In
den Diskursen, die sich strategisch an der Sprache der Werbung orientieren, findet sich im
weiteren Sinne die Sprechposition des Veranstalters von Techno-Parties wieder. In den
experimentierenden und den Experten-Diskursen taucht ein Sprechen auf, dessen entweder
extrem fach-spezifische oder aber künstlerisch-experimentierende Perspektive mit der
potentiellen Sprechposition von DJ's und Musikern verglichen werden kann.
Aus den vier analysierten diskursiven Strategien kann also auf eine über das Feld der
möglichen Funktionen, die Individuen im Kontext Party innehaben können, gestreute
Verteilung der Sprechpositionen geschlossen werden. In den enthaltenen Texten der
untersuchten Zeitschriften finden sich die drei wichtigsten Subjekt-Positionen aus dem
Kontext einer Party wieder, die jeweils mit vorhandenen Sprechpositionen assoziiert werden
können.
Insofern kann mit Foucault von mindestens drei vorliegenden Modalitäten der Äußrung
gesprochen werden. Zwar handelt es sich nicht um eine strenge Verknappung des Kreises der
möglichen Sprecher, da - prinzipiell zumindest - jedes Individuum Zugang zur
Techno-Kultur und somit auch zur diskursiven Strategie der Alltagssprache hat, es kann
aber durchaus von einer Verknappung der möglichen Sprechpositionen und Perspektiven, aus
denen heraus gesprochen werden kann, ausgegangen werden.
Für Foucault bedeutet derartiges, "darauf zu verzichten, im Diskurs ein Phänomen
des Ausdrucks zu sehen, ... man wird darin eher ein Feld von Regelmäßigkeit für
verschiedene Positionen von Subjektivität sehen. Der so begriffene Diskurs ist nicht die
majestätisch abgewickelte Manifestation eines denkenden, erkennenden und es
aussprechenden Subjekts: Im Gegenteil handelt es sich um eine Gesamtheit, worin die
Verstreuung des Subjekts und seine Diskontinuität mit sich selbst sich bestimmen
können."(ANM: Michel Foucault, Archäologie des Wissens, S. 82
Objekte und Themen in den Diskursen der Techno-Kultur
Foucaults Begriff der diskursiven Objekte, verstanden als Gegenstände des Diskurses,
mündet nach Dreyfus/Rabinow in der Einsicht, "daß Diskursformationen nicht durch
ihre Objekte differenziert werden, sondern vielmehr die Objekte, über die sie sprechen,
produzieren." (ANM: Hubert I. Dreyfus/Paul Rabinow, Foucault - Jenseits von
Strukturalismus und Hermeneutik, S. 86)
Als Beispiel kann hierfür Foucaults Analyse der Konstitution von Geisteskrankheiten
genommen werden: "Die Geisteskrankheit ist durch die Gesamtheit dessen konstituiert
worden, was in der Gruppe all der Aussagen gesagt worden ist, die sie benannten, sie
zerlegten, sie beschrieben, sie explizierten, ihre Entwicklungen erzählten, ihre
verschiedenen Korrelationen anzeigten, sie beurteilten und ihr eventuell die Sprache
verliehen." (ANM: Michel Foucault, Archäologie des Wissens, S. 49) Die
zugrundeliegende Figur des Denkens kann als allgemeines Thema poststrukturalistischen
Denkens bezeichnet werden (ANM: Vgl. Abschnitt 4.1.) und ähnliche Mechanismen ließen
sich sicher in den Techno-Diskursen nachweisen. So kann beispielsweise davon ausgegangen
werden, daß sich die verschiedenen Techno-Musikstile auf derartige Art und Weise erst
konstituieren.
In der vorangegangenen Untersuchung lag die Konzentration jedoch eher auf der Analyse
verschiedener diskursiven Strategien. Sie wurde daher weniger auf die Einheit diskursiver
Objekte zentriert, sondern untersuchte Diskurse der Techno-Kultur eher hinsichtlich der
verschiedenen behandelten Themen, in denen sich dann die Wirkungsweise jeweils
beschreibbarer diskursiver Strategien feststellen ließ.
Die Analyse der insgesamt fünf verschiedenen Techno-Zeitschriften ergab so erhebliche
Übereinstimmungen hinsichtlich der vorhandenen Themen. Als allen gemeinsame thematische
Blöcke konnten Plattenbesprechungen und Essays zu beziehungsweise Interviews mit
einzelnen Techno-Musikern und DJ's ausgewiesen werden.
Darüber hinaus konnte ein übereinstimmend hoher und enorm zielgruppenspezifischer
Werbungsanteil festgestellt werden, der sogar als techno-spezifisches
"Kulturprinzip" (ANM: Vgl. Abschnitt 3.4.3.2.) bestimmt wurde. Werbungsanteil
und redaktioneller Teil der Zeitschriften gingen dabei häufig ineinander über: die
Grenzen zwischen ihne lösten sich auf und waren daher nicht immer klar bestimmbar.
Die Aufbereitung der jeweiligen Themen gehorcht insgesamt weitgehend einheitlichen
Ordnungen. So fand sich durchgängig das Thema der Plattenrezensionen in Form vieler
kurzer Texte bearbeitet und wies überdies mit der dominierenden Diskursform des
Expertentums eine eigentümliche Charakteristik auf. Gleiches gilt für das Thema
musikalischer Technologie, auch wenn die Spezifik des Expertentums hier etwas anders
gelagert ist. Desweiteren fand sich das Thema der Party-Besprechungen und -Nachberichte im
einheitlichen Diskursstil der Alltagssprache.